Und genau an dem Punkt hört mein Verständnis auf. Wieso muss ich loslassen, damit sich das Pferd nicht verspannt? Oder anders gefragt: wieso verspannt es sich "sobald" ich den Strick anfasse? Wir wissen ja beide, dass das ein sehr sanftes Anfragen am Strick ist und keineswegs am Pferd "rumgeruckt" wird.
Es geht bei vielen Übungen von Alexandra zunächst um das "Was". zb um eine bestimmte Bewegung: Das Pferd folgt der Idee die der Strick/die Hand vorgibt und geht in Stellung, indem es den Kopf in einer bestimmten Weise dreht. Beim korrekten Reiten geht es aber nie alleine um das "was", sondern baldmöglichst um das "Wie". Das Thema der Losgelassenheit und der Entwicklung von Kraft und Schwung kommt hier mit rein. Sobald das Pferd als das "Was" verstanden hat, möchte ich ans "Wie" gehen, und deshalb frage ich immer wieder, mit dem Ziel mein Signal immer weniger und feiner werden zu lassen, damit die Bewegung des Pferdes immer flüssiger und weicher werden kann. Denke an Smarties und Stanleys Arbeit auf dem Kurs. Die haben ja praktisch den ganzen Kurs nichts weiter gemacht als nur die erste Anfrage zur Stellung ins WWYLM.
Wenn ich sage "das Pferd verspannt sich" habe ich aber nicht diese Pferde vor Augen, bzw das ist nicht eine zwangsläufige Folge des Stricksignals. Wenn ich aber zb "normal" über den Zügel Stelllung anfrage und diese über längere Zeit behalten möchte als mein Pferd sie locker durchhalten kann, kann es zu Verspannungen kommen, nur aufgrund der Dauer, die ich fordere. Da bei der Stricktechnik aber immer sofort nach einer Anfrage wieder ein Release kommt, lernt das Pferd eine bestimmte Bewegung weich und locker auszuführen, und sich danach sofort wieder zu entspannen, indem es die benutzen Muskeln wieder loslassen kann. So bleibt man ständig in einem positiven Muskelstoffwechsel.
Wenn ich nun länger am Strick bleibe, um eine bestimmte Antwort zu bekommen, geht es mit Sicherheit hier nur um das "Was", weil ich an der Kommunikation und am Verständnis des Pferdes arbeite.
das hat für mich hier nichts mit negativer Verstärkung zu tun, weil das Pferd ja durch die kleinen Anfragen meist bereitwillig der führenden Hand folgt.
Tut es das nicht (so wie Stanley am Anfang), kann es sicherlich negative Verstärkung sein, weil es dem Pferd dann unangenehm ist und es sich festgehalten fühlt. Ob und wie ich damit arbeite ist also letzlich eine Frage, wie klein ich meine Verständnisschritte setze.
An der Stelle frage ich mich halt, ob der Strick als negativer Verstärker wirkt und falls ja, wieso ich ihn so einsetzen muss/soll. Und wieso es nicht auch rein über positive Verstärkung geht. Wobei ich eben nicht denke, dass der Strick als negativer Verstärker wirkt.
ich finde das auch eine sehr schwierige Frage. Gerade zb bei dem Erarbeiten von WWYLM (Kurland) oder FIS (Longenkurs) geht es ja um ähnliche Sachen. letzteres hat sicher gar nichts mit freiem Formen zu tun, sondern ist ganz klar geführt durch eine negative Verstärkung: ich stelle eine Anfrage, und wenn das Pferd weich in die Bewegung mitgehen kann, kann ich ganz weich werden (Release) und so dem Pferd die Rückmeldung geben: Das war richtig.
Beides bringt aber unterschiedliche Ergebnisse im Muskelgesamtzusammenspiel. Und hier bleibt es sicher ein lebenslanger Prozess, herauszufinden, wieviel Führung ein Pferd braucht, um die richtigen Muskeln korrekt zu benutzen.
Und ich habe da für mich eine ganz klare Antwort gefunden: Die schlimmsten und unfunktionellsten Rücken habe ich bei zwei Pferden geseehen, die beide aussschliesslich (oder vorwiegend) über positive Verstärkung zum Reiten ausgebildet wurden.
Insofern (und auch aus meinem Anatomieverständnis heraus) arbeite ich bewusst mit soviel Führung (Druck) wie nötig, und versuche soviel wie möglich positiv zu bestärken. Aber bisher hab ich noch nicht den Weg gefunden, ohne negative Verstärkung auszukommen. Genauso wie Alexandra. Aber über die Stricktechnik und ihre Herangehensweise ans Reiten hat man schon die Möglichkeit, den Einsatz negativer Verstärkung "clickerkompatibel" zu gestalten und das halte ich für eine sehr große Leistung. Auch diese Methode hat (in meinen Augen) ihre Grenzen.
Letztendlich muss man für sich selbst seine Ziele setzen und so arbeiten wie man das selbst verantworten kann.