Für mich sind "freundich aufmerksame Ohren" eine von vielen Ebenen eines Verhaltens. Je nach Situation, Dringlichkeit etc. kann ich ein Verhalten ja auf verschiedener Ebene trainieren:
1) Grad so irgendwie - z.B. wenn ich einem kurz vor dem Durchgehen stehenden Pferd ganz schnell den Halftergriff erclicke. Da ist es mir vollkommen egal, wie das aussieht, hauptsache das Pferd bleibt bei mir.
2) Abrufbares Verhalten - das Verhalten wird zuverlässig gezeigt, das Drumherum ist mir aber auf Grund der Umstände gerade egal. Das wäre vielleicht sowas wie Halftergriff bei der Untersuchung durch TA oder Physio, um dem Pferd etwas mehr zu tun zu geben.
3) Sauberes Verhalten - wenn ich nur an einem konkreten Verhalten arbeite, zum Beispiel dem Halftergriff in ablenkungsfreier Umgebung. Da würde ich durchaus dazu übergehen, sobald das Verhalten wiederholt gezeigt wird, meinen Fokus auf freundlichen Ausdruck (wie neutral-freundliche Ohrenhaltung etc.) zu richten. Natürlich würde ich dann nicht nicht clicken, falls die Ohren nicht freundlich sind, aber ich würde nach und nach die Versuche clicken, wo zum Beispiel mindestens ein Ohr auf mich oder nach vorne gerichtet ist. Irgendein Kriterium muss ich ja eh haben.
-> Zeigt das Pferd die Übung nur mit angelegten Ohren (aufmerksam nach hinten gerichtet zähle ich da jetzt nicht dazu), würde ich das recht schnell abbrechen, wenn sich nicht innerhalb von wenigen Durchgängen eine Verbesserungstendenz zeigt.
4) Feinschliff - zeigt das Pferd das Verhalten prompt, zuverlässig, sauber etc., dann könnte man das Ohren vor als i-Tüpfelchen obendrauf setzen. Sieht auf Fotos eh besser aus
Mein Mini hat das Ohren vor "happy face" gelernt, damit Stillstehen und Warten einfacher ist - also ein bisschen als Default-Behavior. Ohren "einfach so" willentlich für einen Keks nach vorne nehmen erfordert ganz viel Konzentration und er ist dabei einfach goldig. Dennoch legt er beim Traben die Ohren an, weil ihm das echt schwer fällt, weshalb ich da nur ganz wenig trainiere. Tendentiell clicke ich aber auch beim Trab sobald sich der Gesichtsausdruck etwas entspannt, weil mir das immer lieber ist, als einfach irgendwas zu clicken und auch um ihm zu vermitteln, dass Entspannung immer auch etwas Gutes ist.
https://youtu.be/L6V-PWYUon8Die Krümeline kann wunderbar mit gespitzten Ohren gestresst sein, das ist etwas komplett anderes als der Winzi, der hin und her überlegt, wie er jetzt ein Ohr aktiv drehen kann. Insgesamt ist es vor allem eine Wahrnehmungs- und Fühlübung für das Pferd, oder auch ein Puzzle. Es geht NICHT drum zu sagen "ich click dich nicht, weil du nicht freundlich guckst" sondern es geht drum dem Pferd einen der am wenigsten "willentlich" (also im Sinne von "ich habe ein Bewusstsein über die Position meiner Ohren") beeinflussbaren Körperteil nahe zu bringen. Ein bisschen wie Nase wackeln üben beim Menschen.
Diese fokussierte und seeehr ruhige Übung KANN dabei helfen, ein etwas gestresstes und überdrehtes Pferd zu erden und ihm etwas aktiveres zu tun zu geben, als "nur" stillzuhalten. Ich glaub bei Alexandra Kurland ist das "Happy Faces" in erster Linie eine Timing-Übung für den Menschen an Hand von einem Verhalten, was nicht schon gleich Bewegung und alles mögliche drumherum beinhaltet.
Am Ende geht es niemals darum, dem Pferd zu vermitteln "nur mit Ohren vor bist du gut / richtig / was auch immer" und auch nicht darum zu sagen "ich will nicht sehen, dass dir dieses Verhalten schwer fällt, also guck gefälligst freundlich".
Da man, im Umkehrschluss, sehr wohl Pferden beibringen kann, immer schneller die Ohren anzulegen und / oder zu drohen, weil dann der Mensch z.B. die Hand weg zieht, ist für mich Ohren vor auch dafür eine schöne Alternative. Hat auch für das Pferd Vorteile, wenn es nämlich zum Beispiel einen Fremden der ihm unheimlich ist, erstmal freundlich anguckt, dann steigen die Chancen drastisch, dass das Pferd auch vom Menschen freundlicher und mit weniger Vorurteilen behandelt wird. Das wäre für mich so ein wichtiger Alltagseffekt. Ein Pferd mit angelegten Ohren, was den Kopf in Richtung Mensch bewegt, kriegt sehr wahrscheinlich ab und an oder auch öfter einen Klaps.
Von Tierheimhunden gibt es Studien, dass die, die beim Vorbeigehen bellen, deutlich seltener bis gar nicht adoptiert werden (Amerika). Als Folge daraus wurde den Hunden beigebracht so zu gucken, wie es Menschen beim Vorbeigehen gefällt, was die Vermittlungschance und vermutlich damit auch das Leben einer Menge dieser Hunde sehr verbessert hat.
Das so meine erweiterten Gedanken zu dem Thema. Ein bisschen unsortiert und unausformuliert, weil langer Tag und so.