Also, das klingt doch eh schon viel entspannter. Wir haben dafür vieeel länger gebraucht. Jahre sogar.
Bei uns haben zwei Dinge den großen Durchbruch gebracht, allerdings waren beides Einzelerlebnisse und reiner Zufall. (Spricht zwar jetzt nicht so für mein restliches Training,
aber naja…)
Das erste war ein Schlüsselerlebnis beim Spazierengehen mit einer älteren Dame, die den süßen "Mini-Lassie" unbedingt streicheln wollte und so schnell hingegriffen hat, dass ich nicht mehr reagieren konnte.
Dazu muss ich sagen, dass Glen fremde Menschen sehr entbehrlich findet. Ich weiß nicht, was ich genau in der Sozialisierung versemmelt habe, ich habe mich eh sehr um positive Kontakte bemüht. Das ist mit einem Sheltiewelpen auch nicht schwer, der ist so süß, dass eh jeder Passant was mit ihm zu tun haben will und andererseits so klein, dass die Leute sich sogar daran halten, was man ihnen sagt, weil sie Angst haben, das Zwergerl sonst kaputt zu machen.
Jedenfalls hatte ich immer Futter dabei, habe ihn mit den Leuten bekannt gemacht (nach kurzem Beschnuppern und eventuell Füttern Handtarget spielen lassen) und er hat die Menschen, die wir damals so getroffen haben (und das waren vieeeele) im Endeffekt alle entspannt und lustig gefunden. Glen hat auch niemanden, den er in der Sozialisierungsphase kennen gelernt hat, je wieder vergessen und mag die alle heute noch. Aber er hat das nie generalisiert.
Außerdem hat er mit ca. einem Jahr begonnen, diese Unsicherheit auch "nach vorne" kundzutun
Jedenfalls, die Dame griff also schnell, frontal von vorne und so richtig schön vornübergebeugt nach meinem Hund. Das Gruselszenario schlechthin für jeden Angsthund! Glen war so überrascht, dass er ihr nicht einmal sofort entgegen gefahren ist, sondern stocksteif die Luft angehalten hat. Ich habe sofort gemarkert und hoch bestärkt, bzw. mit dem Futter einen Schritt weggelockt.
Hündchen war sehr verwirrt, aber eine Hand voll Hühnerfleisch war genug, um ihn von "Grusel" auf "Arbeiten" zu switchen.
Daraufhin hatte er DIE Idee. Mit ca. diesem Ausdruck
und seinem schönsten Streberblick dreht er sich wieder um und drückt der Dame wunderschön ein Hüfttarget in die Hand.
Seither machen wir das immer so und streicheln ist kein Problem mehr, er drückt dabei leicht mit seinem Körper gegen die Hand und darf sich hinterher ein Zucki abholen. Somit läuft das für ihn unter "Training" und nicht unter "Soziale Interaktion".
Richtig notwendig findet er fremde Menschen zwar immer noch nicht, aber er stuft sie nicht mehr als Bedrohung ein, sondern als potentielle "Trainingsgeräte".
Das ist so viel mehr, als ich je zu hoffen gewagt hätte.
Die zweite Sache ging von mir aus und könnte durchaus für deine Freundin interessant sein, denn das war es, was uns in der RH-Arbeit den Durchbruch gebracht hat.
Ich hatte alles mögliche ausprobiert, mit dem Figuranten wird sowieso nicht gespielt, Futter war auch unwichtig, wenn er die betreffende Person unsympathisch gefunden hat, und je mehr die Leute ihn gelockt haben, desto blöder hat er sie gefunden.
Wenn sie ihn aber nicht gelockt haben, hat er sie einfach ignoriert.
Und dann habe ich aufgegeben, Glen von meinem Hobby überzeugen zu wollen. Macht ja auch nicht so viel, wenn er das nicht will, denn die meiste Zeit im Training ist man bei uns sowieso Figurant für andere Hunde, ich konnte also bequem weiter RH-ler sein und den eigenen Hund halt im Auto lassen und zum Schluss vielleicht einen Durchgang mit ihm zu machen, nur, damit er nicht die ganze Zeit in der Box sitzen oder sogar zu Hause bleiben muss.
Ja, und sobald es mir egal war, hat er angefangen, Fortschritte zu machen. Riesen Fortschritte. Und er hat wahnsinnig viel Spaß dabei.
Aber sobald ich Erwartungen an ihn habe, geht genau gar nichts mehr. Ich darf nichts von ihm wollen, muss alles als "Trainingsübung" für mich betrachten. Sonst mache ich ihm offensichtlich zu viel Druck, auch wenn ich bewusst rein gar nichts verändere.
Zum Thema, dass Futter nicht in jeder Situation genommen wird, habe ich einmal den Tipp bekommen, einfach weiter zu trainieren. Also ihm das Futter nach jedem Click/Markerwort anzubieten, aber wenn er jetzt nicht fressen will oder kann, Futter weg und weiter machen. Und das funktioniert! Spätestens nach 4-5 solcher Clicks hat er sich durch die Trainingsroutine so weit beruhigt, dass er wieder fressen kann.
Überhaupt ist er seit ich das so handhabe, viel futtermotivierter geworden.
Vorher hat er Katzennassfutter verschmäht, wenn es die falsche Sorte war, heute kann ich mit Brotstücken, Trockenfutter, Nudeln,… trainieren.
Er lässt sich sogar mit Sachen trainieren, die er in seiner Freizeit gar nicht essen würde.
Was mir selber sehr geholfen hat, nicht mehr so verbissen bzw. ehrgeizig zu sein, war ein Dogdance Kurs. Einfach mal gemeinsam mit dem Hund Spaß haben, egal, ob er am Ende der Einheit mehr kann als zu Beginn. :Tops:
Seine extreme Ablenkbarkeit, wenn sie nicht hormonelle Ursachen hatte (Mädels
), hat sich von selbst erledigt, ohne, dass ich daran gezielt gearbeitet hätte. Mittlerweile glaube ich, dass das eine Übersprungshandlung auf meine Erwartungshaltung war.
Sorry, das waren jetzt alles keine konkreten Trainingstipps, aber mit "Sonderhunden" muss man vielleicht einfach tiefer schauen, als nur auf die operante Ebene.
Ich hoffe, das war jetzt nicht zu wirr...