Hallo Jarit,
herzlich willkommen bei uns.
Mir hat oft geholfen, die Dinge mal aus der Sicht meines Pferdes zu sehen. Warum sollte es denn zu mir kommen und mir folgen? Was kann ich ihm schon bieten, was er in der Herde auf der Weide nicht hat und wofür es sich für ihn lohnen würde?
Also nur für ein Leckerlie würde auch der nicht angetrabt kommen. Da muss ich mir schon etwas Besseres einfallen lassen.
Anfangs habe ich mir daher große Mühe gegeben, überhaupt erst einmal seine Aufmerksamkeit auf mich zu lenken und sein Interesse an mir zu wecken. Dann sind wir schon mal auf der Koppel umhergetollt und haben uns spielerisch mit einander beschäftigt. Das war nicht so leicht, denn es haben sich natürlich dann auch die anderen Pferde für unser Treiben interessiert. Schnell läuft dir da die ganze Herde hinterher.
Leider habe ich mir damit dann auch Ärger mit deren Besitzer eingehandelt, die das nicht so witzig fanden, wenn ihr Pferd immer zu mir gerannt kommt und nicht zu ihnen. Die waren da meist schon auf halben Weg zu ihren Tieren und wenn ich dann am Tor auftauchte, kamen alle zu mir gelaufen, an ihren Besitzern vorbei. Manche haben das auch wieder ausgenutzt und ihr Pferd mit mir zusammen geholt. So brauchten sie nur zu warten, bis alle da waren.
Damit das nicht weiter solche Formen annahm, führte ich mein Pferd zunächst in die Halle, wo wir ungestört waren und habe dann diese Spielchen dort mit ihm gemacht. Oder wir sind gemeinsam auf Entdeckungsreisen ins Gelände marschiert. Das war und ist auch heute noch spannend für ihn. Und ich habe ihm allerhand beigebracht, was ihn körperlich und auch geistig gefordert hat. Er konnte sich also immer sicher sein, dass er mit mir etwas erlebt und für seine Mitarbeit immer belohnt wird.
Das bekommt er bei seiner Herde so nicht geboten. Insofern lohnt es sich für ihn schon Ausschau nach mir zu halten. Meist entdeckt er mich bereits von weiten und ist schon am Tor, bevor ich da bin. Das macht mich einerseits sehr froh, doch glücklich bin ich darüber nicht, denn nun ist er lieber mit mir zusammen als mit anderen Pferden. Die sind auf ihn auch noch neidisch und beißen ihn weg. Das habe ich nicht gewollt.
Wie bei allen Dingen muss auch hier ein gesundes Mittelmaß gefunden werden. Wenn mein Pferd heute mal nicht zu mir kommt oder gerade mit einem anderen Pferd beschäftigt ist, dann lasse ich ihn in Ruhe und bleibe fern.
Was ich dir damit sagen möchte ist, dass das was wir gerne möchten nicht immer das ist, was unsere Pferde wollen und brauchen. Es gilt vielmehr das zu erkennen und zu akzeptieren. Mein Pferd muss längst nicht mehr das tun, was ich von ihm verlange und er muss vor allem nicht funktionieren. Das verlange ich von meinem menschlichen Partner ja auch nicht.
Herzliche Grüße
Manfred