Clickerforum

Allgemeine Pferdethemen => Andere Arbeitsweisen => Thema gestartet von: Archivar am 15. Dezember 2009, 22:05:43

Titel: Strafen oder Ignorieren
Beitrag von: Archivar am 15. Dezember 2009, 22:05:43
Erstellt von: Kleinpony

24 Okt 2009 19:16   Strafen oder Ignorieren
Hallo,

ich mache mir gerade viele Gedanken darüber, wie ich in Zukunft mit meinem selbstbewussten Jungpferd arbeiten möchte.

Im Moment ist er noch am Ankommen, ich verstärke nur das Weggehen vom Futtereimer, lasse ihn ansonsten in Ruhe. Wenn er inzwischen von selbst Kontakt aufnimmt, ist das in Ordnung, es sei denn er wird wieder respektlos. In dem Falle schiebe ich ihn weg, was er im Moment auch akzeptiert.

Ich möchte noch nix beginnen, suche aber nach einem "klaren Plan" in meinem Kopf.

Da er bei den ersten Clickerversuchen nur wenig Frustrationstoleranz zeigte und mit Hinterhanddrohen reagiert hat, bin ich mir unsicher, wie ich verfahren möchte, wenn das wieder passiert.

Ich habe damals abgebrochen und ignoriert, frage mich aber, ob das auf Dauer der richtige Weg ist.

Wird er es nicht als Schwäche sehen, wenn ich den Platz verlasse, oder mich abwende, weg gehe, zurück gehe? Wird er nicht das Gefühl bekommen "die kann man ja prima treiben"? Anstatt dem erwünschten:
"So was blödes, jetzt krieg ich gar nix mehr".

Kann ich diesen Konflikt umgehen, wenn ich anfangs alles hinter Litze erarbeite?

Erstmal wird es mir ausschließlich um die Themen "Weichen und Abstand halten" gehen.
Habt ihr hier noch Ideen zum Thema "Zurückweichen"? Würde dies gerne nicht über anfangs negative Verstärkung aufbauen, aber wie könnte ich ihn freiwillig in diese Bewegung bringen? Mit dem Target?

Habt ihr Erfahrungswerte mit sehr selbstbewussten Pferden, die auf Frustration mit Aggression reagieren?

Futter ist bei ihm jedenfalls ein absoluter Totalmotivator, dieses Pferd stribt für Futter   

Ich bin auch nicht ganz glücklich mit dem Zurückschieben (Druck auf Nase und Brust), wenn er wieder aufdringlich oder zu eng wird. Zurückweichen auf kleinste Aktion meinerseits wäre mir bei diesem Pferd ein echtes Anliegen.

Dadurch, das ich viel auf der Koppel sitze, komme ich schon ab und zu in so eine Situation. Manchmal nimmt er wirklich nur vorsichtig Kontakt auf,
schnubbert und geht weiter, manchmal aber schiebt er sich wieder hautnah ran, oder beginnt aufdringlich zu grabschen.

LG, Inge
 
hyxc

24 Okt 2009 20:19   Strafen oder Ignorieren
Habt ihr hier noch Ideen zum Thema "Zurückweichen"? Würde dies gerne nicht über anfangs negative Verstärkung aufbauen, aber wie könnte ich ihn freiwillig in diese Bewegung bringen? Mit dem Target?


Hallo Inge,

ich würde Rückwärtsgehen einfach frei shapen. Dafür brauchst du einen begrenzten Platz, z. B. einen kleinen Paddock oder eine abgegrenzte Ecke der Weide. Geht natürlich auch in der Box. Und dann clickst du jede Rückwärtsbewegung. Das fängt schon bei der Gewichtsverlagerung zum Abwenden an, wenn er vor dir steht und darauf wartet, dass du endlich was mit ihm machst. Es ist natürlich auch praktisch, dass du dich außerhalb seiner Reichweite hinstellen kannst.
Wenn man das Rückwärtsgehen (auch im Zusammenhang mit der Futterschüssel) nach und nach sehr positiv besetzt, wird es irgendwann eines der Lieblingsverhalten des Pferdes und es setzt es zum "Betteln" ein.

Viele Grüße
Katja   

kleinpony

24 Okt 2009 21:19   Strafen oder Ignorieren
Super Katja,

das ist eine prima Idee.
So einfach und naheliegend
eigentlich.

LG, Inge   


Mannimen

26 Okt 2009 9:45   Strafen oder Ignorieren
Hallo zusammen,

zur Zeit beobachte ich gerade ein Jungpferderziehung, die noch auf dem alten Grundsatz basiert, alles im Keim zu ersticken.

Das Tier lernt dabei sehr schnell, was es darf und was nicht. Sobald es ein unerwünschtes Verhalten zeigt, wird es sofort bestraft und zeigt es das erwünschte Verhalten wird es auch belohnt. Eine ganz klare Sache und daher auch von Erfolg gekrönt.

Es gibt jedoch einen Haken, weshalb ich für mich entschieden habe, diesen Weg so nicht zu gehen, das ist der einseitige Dialog zwischen Mensch und Tier. Dem Tier wird immer nur gesagt, was es zu tun und zu lassen hat und es kommt selbst nicht mehr zu Wort. Damit wird es aus meiner Sicht zu einem reinen Befehlsempfänger erzogen.

Sicherlich ist das im späteren Umgang eine enorme Erleichterung, doch mir wäre das zu einseitig. Ich hätte keine Freude mehr daran. Aber ich kann auch verstehen, dass ein ständig mitteilendes Tier auf Dauer auch sehr anstrengend sein kann, weil es eine permanente Aufmerksamkeit erfordert und auch einfordert.

Ich könnte meinen Antares nicht mal eben so irgendwo angebunden zwischen parken und ein Schwätzchen mit anderen Leuten halten. Wenn ich mich entschieden habe, etwas mit ihm zu unternehmen, dann muss ich das auch tun. Ich finde das auch völlig ok, wenn er dann ungeduldig wird, sich von dem Anbinder wieder befreit und seine eigenen Wege geht, wenn ich ihm meine Aufmersamkeit doch nicht schenke. Mir würde es auch nicht gefallen, wenn einfach links liegen gelassen werde und dann wieder auf Kommando funktionieren soll.

Insofern muss jeder für sich selbst entscheiden was er von seinem Partner gerne möchte und seinen Umgang genau danach mit ihm ausrichten.

Liebe Grüße
Manfred   

SCvet

26 Okt 2009 11:25   Strafen oder Ignorieren
Hi Manfred,

Mannimen hat folgendes geschrieben:
Hallo zusammen,

zur Zeit beobachte ich gerade ein Jungpferderziehung, die noch auf dem alten Grundsatz basiert, alles im Keim zu ersticken.

Das Tier lernt dabei sehr schnell, was es darf und was nicht. Sobald es ein unerwünschtes Verhalten zeigt, wird es sofort bestraft und zeigt es das erwünschte Verhalten wird es auch belohnt. Eine ganz klare Sache und daher auch von Erfolg gekrönt.

Es gibt jedoch einen Haken, weshalb ich für mich entschieden habe, diesen Weg so nicht zu gehen, das ist der einseitige Dialog zwischen Mensch und Tier. Dem Tier wird immer nur gesagt, was es zu tun und zu lassen hat und es kommt selbst nicht mehr zu Wort. Damit wird es aus meiner Sicht zu einem reinen Befehlsempfänger erzogen.

Ich gehe mal davon aus, daß du mit "Strafe" Pos. Strafe, also hinzufügen von etwas Unangenehmen meinst.
Ich sehe das Hauptproblem wo anders. Nämlich einerseits darin, daß die Motivation, etwas Neues zu versuchen, massiv gebremst wird und es dadurch kaum mehr zur Entwicklung neuer erwünschter Verhaltensweisen kommt.
Andererseits kommt es zu einem Triebstau, wenn zu viele Türen zugeschlagen werden und das Tier seine Bedürfnisse nicht mehr ausleben kann. Sollte bei artgerechter Haltung bei Pferden kein ganz so massives Problem sein wie bei Wohnungshunden, ist aber möglicherweise doch für etliche Reitunfälle verantwortlich.
Und natürlich kann es zu Explosionen ohne Vorwarnung kommen, wenn Pferd gelernt hat, daß Unmutsmeldungen unerwünscht sind und diese unterdrückt, bis es gewissermaßen platzt, ähnlich wie bei Hunden, denen Knurren abgewöhnt wurde, und die dann direkt ohne Vorwarnung beißen.

Wobei ich natürlich keine Hemmungen hätte, P+ einzusetzen, um akut eine Gefahr für die Gesundheit/das Leben von mir oder meinen Tieren abzuwenden (energischer Leinenruck als Notstopp, alles was ein mich über den Haufen rennen wollendes Pferd auf Abstand hält).

Für normales Training halte ich die üblichen Dinge wie Trainieren von (mit Unerwünschtem) unvereinbarem Verhalten oder notfalls neg. Strafe (Time Out) für zielführender.

Viele Grüße

Carola   


kleinpony

26 Okt 2009 12:12   Strafen oder Ignorieren
Hallo Manfred,

sehr spannend.

Wie würdest Du Deine Arbeit mit Pferden bezeichnen?

Baust Du ausschließlich auf positive Verstärkung?
Keine Elemente negativer Verstärkung?

Wie siehts bei Euch mit der Rangordnung aus, wo würde
Dich Dein Pferd hinstellen? Wer hat im Notfall das sagen
und worauf begründest Du das?

Wie lange arbeitest Du schon so?
Bist Du früher anders mit Pferden umgegangen?

Tausend neugierige Fragen,
erzähle doch bitte ein bißchen von Dir und Deinen Pferden,
oder kann ich irgendwo im Forum mehr dazu finden?

LG, Inge   


eboja

26 Okt 2009 16:57   Strafen oder Ignorieren
Hallo Inge,

ich muss mich da mal eben mit einer ketzerischen Frage "dazwischendrängeln": wie kommst Du auf die Idee, dass eine Rangordnung zwischen einem Pferd und einem Menschen bestehen könnte? (ich weiss, sehr gemein gefragt, aber nicht halb so böse gemeint  ).

Ich frage aus zwei Gründen: bei Hunden wurde ja auch sehr lange alles mögliche mit der Rangordnung zwischen Hund und Mensch erklärt oder interpretiert. Inzwischen gibt es aber nicht nur einige Stimmen, die sagen, dass es keine Rangordnung zwischen Hund und Mensch gibt, sondern sogar solche, die eine echte Rangordnung zwischen Hunden für unwahrscheinlich und eine "losere" Familienstruktur für wahrscheinlicher halten (wobei der zweite Punkt hier eigentlich nichts zur Sache tut).
Zum anderen deshalb, weil es, meines Wissens nach, nirgends innerhalb des Tierreiches eine interspezifische Rangordnung, also eine Rangordnung zwischen Mitglieder zweier verschiedener Arten gibt (wenn da jemand ein Gegenbeispiel hat, wüsste ich das zu gerne!).

Natürlich bin ich auch nicht der Meinung, dass in der Beziehung zwischen Mensch und Pferd (oder Mensch und Hund) Anarchie herrschen soll. Aber ich denke, Rangordnungs-Ideen bringen einen auch nicht weiter. Man muss einfach gewisse Regeln aufstellen (und wie die für einen selbst aussehen, muss/kann jeder für sich entscheiden), diese Regeln dem Tier beibringen und dann konsequent auf die Einhaltung der Regeln achten. Ob dabei nur der Mensch Regeln aufstellen darf, oder auch das Tier, bleibt auch jedem selbst überlassen, wobei ich Manfreds Ansatz, auch dem Tier Regeln zuzubilligen, sehr schön finde.   

kleinpony

26 Okt 2009 22:10   Strafen oder Ignorieren
Hallo Esther,

da bin ich ganz unempfindlich.   

Schreibe morgen, bin ganz dolle müde,

LG, Inge   


cinnamon

26 Okt 2009 22:25   Strafen oder Ignorieren
http://www.amazon.de/Dominanz-Tatsache-oder-fixe-Idee/dp/3936188092     
lindalotze

27 Okt 2009 7:33   Strafen oder Ignorieren
Wird er nicht das Gefühl bekommen "die kann man ja prima treiben"? Anstatt dem erwünschten:
"So was blödes, jetzt krieg ich gar nix mehr".


Unsere jüngste Stute hier war anfangs auch ein bißchen so. Wenn ihr das Training schwer fiel und sie nicht so rasch an die Bestärkung kam, wie sie sich das vorgestellt hatte, schlug sie nach ihrem eigenen Schweif aus oder ging ein paar Runden Frustbocken. Wenn sie mir dabei arg nahe kam mit der Hinterhand, hab ich ihr auch mal die Hackschnitzel im Paddock nachgekickt, aber so richtig bedroht hab ich mich nicht gefühlt. Bin also stehen geblieben.

Die Gedankengänge des Pferdes würde ich in dem Fall weniger kompliziert sehen, als Du oben beschreiben hast: krieg ich was ich will, oder krieg ich es nicht? Treiben will Dich das Pferd in dem Moment nicht, es will Futter! - Da Ihr wildes Getue zu nichts geführt hat, hat sie es bald sein lassen. Hat aber schon etwas gedauert und interessante Gefühlsausbrüche hervorgebracht, andere Pferde konnte man mit dem aufgedrehten Rumgehopse nämlich vorher ganz gut beeindrucken 

Bei einem Pferd, das wirklich mit der Hinterhand droht und das ich noch nicht so gut kenne, würde ich anfangs hinterm Zaun arbeiten oder es einfach an Halfter und Strick nehmen. Natürlich nur so kurz, dass es die gewünschten Übungen noch gut ausführen kann. Wo der Kopf ist, kann der Hintern nicht gleichzeitig sein.

Zum Rückwärtstreten gibts neben dem Target noch weitere Möglichkeiten, die ich bei den "dichtauf-Pferden" sehr schätze:
Füttere nach dem Click von Dir weg. Nimm das Futter erst in der geschlossenen Hand zu Dir vor Deine Brust, und dann entfaltest Du langsam den Arm Richtung Pferd. *ausklapp* Gelenke möglichst durchstrecken, vor allem den Ellbogen! Wenn Büffelpferd nicht gleich weg geht, solltest Du mit der Hand seitlich neben seiner Schulter landen.
Das Pferd organisiert sich dann schon so hin, dass es das Futter aufnehmen kann, in der Regel durch Zurücktreten und etwas Rumdrehen. Lass dich nicht durch Grabschen erweichen, ihm den Schritt zurück zu ersparen, er ist ja nicht krank oder uralt.

Irgendwann ist die Reaktion auf diese Geste (die auch ein gewisses Öffnen und Größerwerden Deines Oberkörpers beinhaltet) so drin im Pferd, dass Du nur ans "Zurückfüttern" denken musst oder die Hand Richtung Brust ausstrecken, und schon flutscht es rückwärts. Das schaut dann schick aus 

lg
linda   

kleinpony

27 Okt 2009 18:34   Strafen oder Ignorieren
Hallo Linda,

das klingt gut und stimmt mich optimistisch.

Mein Kleiner hat das mit dem Futter bereits verstanden.
Er ist heute abend beim Anblick des Eimers zurückgerannt   

Ich habs vor 3 Tagen zum ersten mal, wie von Katja empfohlen,
frei "geshapet", siehe da, es hat bereits geclickert   

Hallo Esther,

zur Rangordnung:

kenne das Buch nicht, sehe aber an meinen eigenen Tieren (Hund, Katzen, Pferden), das manche Tiere die guten Plätze besetzen, Vorrang am Futter haben, treiben, weichen usw. Wenn neue Tiere dazu kommen, gibt's bei begrenztem Futter viel Aggression, einer hat zu leiden, der
andere läßt Luft ab.

Auch im menschlichen Zusammensein meine ich "Rangordnungsspiele"
zu erkennen.

Werden Pferde über ranganzeigende Aktivitäten gearbeitet, zeigen sie selbiges Verhalten gegenüber Mensch, wie gegenüber Artgenossen, deshalb weise ich's nicht von der Hand.

Bin aber neugierig auf den Inhalt dieses Buches.
Gibt mir jemand eine Kurzfassung?

LG, Inge
Titel: Re:Strafen oder Ignorieren
Beitrag von: Archivar am 15. Dezember 2009, 22:06:44
Erstellt von: kleinpony

27 Okt 2009 18:41   Strafen oder Ignorieren
Ah ja,
vergessen habe ich meine Schafe.
Da gibt's eine, die Lovis.
Gibt immer den Ton an, wenn's
drum geht, dem Hund abzuhauen.

Sie sagt jetzt, und alle gehen mit.
Wenn Lovis bei mir ist, und jemand
anders los rennt, bleibt die Truppe
nach kurzer Zeit stehen, völlig
irritiert, weil Lovis nicht mit rennt.

Sie ist ganz klar diejenige, die
hier die Entscheidungen trifft.

Vielleicht kann man den Begriff Rangordnung
ja aufdröseln in Entscheidungsträger, Erstfresser
und Platzwärter usw., aber irgendwie finde
ich den Begriff der Rangordnung ganz passend.

LG, Inge   

eboja

27 Okt 2009 19:24   Strafen oder Ignorieren
Hallo Inge,

ich sage nicht, dass es keine Rangordnungen innerhalb von Spezies gibt! Bei Hunden ist das ja auch nicht als überholt abgeschrieben, sondern es gibt eben auch Stimmen, die sagen, dass es keine Rangordnung in dem Sinne ist, sondern eher eine lockere "Gesellschaft", bei der es nicht einen Chef gibt, sondern bei der es in verschiedenen Situationen unterschiedliche Dominanzbeziehungen gibt. Aber das ist halt auch noch nicht in Stein gemeisselt.

Bei Hunden habe ich schon öfters gehört, dass in einem Zweier-"Rudel" Hund A derjenige ist, der sich die besten Plätze raussucht, aber Hund B derjenige, der zuerst am Futter ist. Es geht da um Ressourcen, und je nachdem, welche Ressource welchem Hund wichtiger ist, ist der entsprechende Hund in der entsprechenden Situation "ranghöher".

Mir geht es mehr darum, ob Tiere uns für Tiere derselben Art halten und daher mit uns eine "Rangordnung" eingehen. Meiner Meinung nach eben nicht, sondern es geht auch hier um Ressourcen und ihre Verteidigung. Wenn ich meinem Tier klar machen kann, dass ich der "Herrscher über alle Ressourcen" (zu denen auch Sozialkontakt zu anderen Tieren, u.ä., gehören kann) bin, habe ich recht gute Karten, üblicherweise derjenige zu sein, der "bestimmt".

Im Endeffekt ist es mir auch egal, ob man nun an eine Rangordnung zwischen Mensch und Tier "glaubt" óder nicht, solange man das nicht ausnutzt, um das Tier ungerecht zu behandeln. Und in der Hundeszene ist die "Dominanz" eines Hundes leider öfters Grund genug, ihm "mal so richtig zu zeigen, wer der Chef ist" und ihn zu bestrafen, wenn er einen Befehl nicht ausführt, der ihm einfach noch nicht ausreichend gut beigebracht wurde.
Deshalb kann ich grundsätzlich nicht an mich halten, wenn die Worte "Dominanz" oder "Rangordnung" fallen.    
cinnamon

27 Okt 2009 22:15   Strafen oder Ignorieren
@ kleinpony - schau mal hier: http://freenet-homepage.de/seraphina/dominanz.html   

eboja

27 Okt 2009 22:24   Strafen oder Ignorieren
Zitat
cinnamon hat folgendes geschrieben:
@ kleinpony - schau mal hier: http://freenet-homepage.de/seraphina/dominanz.html

Ein schöner Text! *Applaus*   

kleinpony

27 Okt 2009 22:29   Strafen oder Ignorieren
Hallo Esther,

ich glaube wir meinen im Prinzip dasselbe. Und das Pferde uns für Pferde halten, glaube ich auf keinen Fall. Aber deshalb agieren sie mit Mensch trotzdem weitgehend "pferdisch", nicht?

LG, Inge
Titel: Re:Strafen oder Ignorieren
Beitrag von: Mannimen am 15. Dezember 2009, 22:10:49
erstellt am: 28 Okt 2009 1:10

Liebe Inge,
gerne möchte ich deine Fragen beantworten.

Zitat von: kleinpony
Wie würdest Du Deine Arbeit mit Pferden bezeichnen?
respektvoll, einfühlsam und partnerschaftlich

Zitat
Baust Du ausschließlich auf positive Verstärkung?
Keine Elemente negativer Verstärkung?
Nein, da dies meiner Meinung nach auch nicht möglich ist. Ich sehe allein schon bei den klassischen reiterlichen Hilfen, negative Verstärkungen.
Zum Ausgleich und zur Motivation setze ich jedoch vollkommen auf positive Verstärkung. Ich strebe also eine Balance zwischen beidem an.

Zitat
Wie siehts bei Euch mit der Rangordnung aus, wo würde
Dich Dein Pferd hinstellen? Wer hat im Notfall das sagen
und worauf begründest Du das?
Nun, ich denke nicht, dass es in einer Partnerschaft um Rangordnung geht, wohl aber um Klarheit und Verständnis. Daraus resultiert dann die Orientierung für beide Partner. Mein Pferd weiß also wo ich stehe und braucht mich nirgends hinzustellen. Er weiß auch, dass ich sehr viel schwächer und verletzlicher bin. Aber er weiß auch, dass ich klüger und Dinge kann, die er nicht vermag. Wir sind insofern so unterschiedlich, dass  jeglicher Vergleich einer Rangordnung hinken würde.

Zitat
Wie lange arbeitest Du schon so?
Bist Du früher anders mit Pferden umgegangen?
Mit Antares pflege ich diesen Umgang nun schon 5 Jahre und davor habe ich erste Erfahrungen mit zwei weiteren Pferden in vier Jahren gesammelt.
Das kam alles, als ich nach mehr als zwanzig Jahren reiner Dominanz mit immer mehr Problempferden einfach keine Lust mehr hatte so mit diesen so feinfühligen Tieren umzugehen. Jetzt bin ich mehr als froh über diesen Wandel und distanziere mich immer weiter von den Leuten, die permanent den Chef raushängen lassen müssen.

Zitat
erzähle doch bitte ein bißchen von Dir und Deinen Pferden,
oder kann ich irgendwo im Forum mehr dazu finden?
Meine Ansichten haben in den jeweiligen Foren nicht zu der allgemeinen Haltung gepasst und somit sind schlußendlich auch diese Beiträge dann wieder gelöscht und ich als User gesperrt worden. Daher existieren auch die jeweiligen Tagebücher nicht mehr.
Ich habe es danach auch aufgegeben, anderen Menschen, die eben völlig andere Ansichten haben, von alle dem zu erzählen. Was nutzt das auch, wenn es z. B. nur als gefährlich eingestuft wird. Ich möchte ja niemanden bekehren oder so. Allerdings würde ich mich schon sehr darüber freuen, wenn ich auf Menschen treffe, die sich auch voll und ganz auf ihre Tiere einlassen können ohne etwas zu von ihnen zu verlangen.
Es war für mich ein Schlüsselerlebnis, als ich mit einer traumatisierten Stute arbeiten durfte, die völlig dicht gemacht hatte und auch schon so abgestumpft gewesen ist, dass sie selbst auf Schmerzen nicht mehr reagierte. Sie kam erst beim CT wieder langsam aber sicher aus ihrem Schneckenhaus raus und lief zu selbstbewusster Höchstform auf.
Von da an war mir klar, dass wir ohne jede Kooperation und Motivation des Tieres völlig aufgeschmissen sind. Man bekommt auch immer nur dann etwas geschenkt, wenn man aufhört es einzufordern. Niemals zuvor habe ich meine Zusammensein mit diesen Tieren so genossen, nachdem ich meinen Umgang mit ihnen geändert habe. Ich hatte nicht mehr das Gefühl etwas mit ihnen zu tun, sondern vielmehr, dass sie bereit waren mit mir etwas zu tun. Und dieses Gefühl steigert sich, je mehr da von dem Tier kommt und weniger von mir. 8)
Allerdings ist das auch sehr anstrengend und ich muss mich ständig weiter entwickeln, damit ich ihm immer noch was zeigen und beibringen kann. Schließlich soll es ja auch für ihn nicht langweilig mit mir werden.

Mal sehen was uns die Zukunft noch so bringt
Manfred
Titel: Re:Strafen oder Ignorieren
Beitrag von: eboja am 15. Dezember 2009, 22:12:10
@Inge: ja, es kann gut sein, dass wir dasselbe meinen ;-). Ich reagiere halt einfach etwas allergisch auf "Rangordnungs-Begriffe" (s.o.), kann ja aber nie (auf den ersten Blick) dahinter sehen, was der/die Schreibende nun genau damit meint.

@Manfred: sehr schade, dass Du in anderen Foren so schlechte Erfahrungen gemacht hast und deshalb jetzt nicht mehr (so viel) über Deine Art der Arbeit / des Umgangs mit Pferden schreibst. Ich finde das, was ich von Dir hier bisher gelesen habe, sehr spannend!
Ich weiss nicht, ob ich alles so umsetzen könnte oder wollte, wie Du es tust, wobei ich das "wie Du es tust" ja auch mangels Information nicht komplett kenne/verstehe. Aber die Ansätze gefallen mir auf jeden Fall und ich werde sicher versuchen, mich in die Richtung zu bewegen.

Ich kenne das in gewisser Weise von unserem Hund, der durchaus das Recht hat, immer wieder von sich aus um Dinge zu "bitten", und dessen Wünsche auch gerne erfüllt werden, wenn das denn momentan machbar ist. Im Moment liegt er z.B. draussen auf der Terrasse auf seiner Decke, nachdem er mich gebeten hat, ihm die Tür aufzumachen und die Decke rauszulegen. Beides nicht über ominöse Telepathie oder ähliches ;-), sondern einfach über Körpersprache, die man irgendwann verstehen lernt.
Auf der anderen Seite ist er durchaus "gut erzogen" (jedenfalls im Bild einiger Menschen hier, ich sehe da durchaus noch "Mängel" :lol:), und muss Befehle auch ausführen, wenn ich sie gebe, schon aus Sicherheitsgründen heraus. Nur bombardiere ich ihn nicht mit sinnlosen Befehlen, sondern gebe sie im Großen und Ganzen wirklich nur dann, wenn ich sie für momentan nötig erachte.

Soweit ich Dich bisher verstanden habe, handhabst Du das mit Antares ähnlich, oder? Wenn Du ihm einen "Befehl" (oder wie auch immer Du das lieber nennst) gibst, erwartest Du von ihm auch eine Reaktion, aber Du befiehlst nicht ständig an ihm rum und erlaubst ihm auch eigene Wünsche, oder?
Titel: Re:Strafen oder Ignorieren
Beitrag von: Muriel am 15. Dezember 2009, 22:12:45
Zitat von: Mannimen
Man bekommt auch immer nur dann etwas geschenkt, wenn man aufhört es einzufordern.

Applaus!!!!  :D
Titel: Re:Strafen oder Ignorieren
Beitrag von: Steinchen am 15. Dezember 2009, 22:26:03
erstellt am: 28 Okt 2009 19:50


Hallo!
Ich finde das mal wieder soo interessant und kanns nicht lassen, meine Einstellung dazu auch noch dazu zu senfen :wink:

Gelernt hab ich früher in diversen Reitschulen folgendes:
"Ich Mensch - Du Pferd=nix"
Dies wurde mit allen möglichen erdenklichen und auch fast unvorstellbaren, aber realen Methoden erreicht. Kadavergehorsame Reitgeräte waren das Ergebnis. Wer nich kadavergehorsam war, bekam ausreichend Strafen, um es zu werden........oder landete in der Wurst.
Von Dominanz sprach man damals noch nicht und verglich eigene Vorgehensweisen nicht mit der "Pferdepsrache".

Später kam ich dann mit den Dominanzanhängern in Kontakt, die Pferdeflüsterermässig anpriesen, nur "so", in Anlehnung ihrer "natürlichen Verhaltenseisen" kommunizierend, würden Pferde gerne und freiwillig dem Menschen folgen und nur sich wohlfühlen können, wenn sie ein konsequent führendes Alphatier im Menschen fänden.

Meine eigenen Pferde später gingen mit mir durch dick und dünn.......obwohl ich weder hart mit ihnen umging, noch sie dominierte.

Wesehalb das so war und  auch wieder ist - Ich glaube, weil ich gut für sie sorge.
Zitat
Esther:
............ es geht auch hier um Ressourcen und ihre Verteidigung. Wenn ich meinem Tier klar machen kann, dass ich der "Herrscher über alle Ressourcen" (zu denen auch Sozialkontakt zu anderen Tieren, u.ä., gehören kann) bin, habe ich recht gute Karten, üblicherweise derjenige zu sein, der "bestimmt".
Obwohl ich mich nicht als Herrscher über die Ressourcen bezeichnen würde.
Ich glaube, Ressourcenverteidigung ist "nur" ein Ausdruck von Überlebenswillen und Selbsterhaltungstrieb und nur, weil die Natur den Schwächeren verenden läßt und der Stärkere überlebt, müssen Ressourcen verteidigt werden, damit das Individuum stark und überlebensfähig bleibt.
Eine "Rangordnung" ergibt sich meiner Ansicht nach  höchstens daraus, dass der Schwächere lernt, dass er besser überleben kann, wenn er sich nicht auf unnötige Konflikte mit Stärkeren einläßt.................nicht jedoch aus einem Willen des Stärkeren heraus, andere dominieren zu wollen. Der Stärkere braucht die Ressourcenquellen für sein Überleben...nicht das Gefühl, einem anderen Individuum gegenüber mächtiger zu sein.

Und so lebe ich mit den Pferden (und Hunden):

Ich bin für Rex das Menschlein, das ihn bei Grasmangel auf der Weide, täglich an Plätze führt, an denen er saftiges Gras und gesunde Kräuter fressen kann.
Wenn ich im Auslauf bin und er bei mir, steht er unter meinem Schutz und ich lasse ihn von keinem anderen Pferd vertreiben. Aber ebenso verteibe ich auch andere von einzelnen Pferden, die bei mir Schutz suchen. Wenn ich mittendrin bin, dulde ich keine Zankereien um mich rum und das akzeptieren alle sehr gut.
Wenn ich mit meinem Pferd etwas mache, ihm etwas beibringe und ihm auch etwas abfordere, dann aus dem Beweggrund, dass er für ihn gut sein soll. Körperliche Fittnes zB braucht er, um in der Herde zurecht zu kommen.
Dass ich mich nicht wegrempeln oder übern Haufen rennen lasse, ist für IHN überlebensnotwendig (wer sorgt sonst für ihn???), also brachte ich ihm bei, zu lernen, wie man mit so unstabilen Wesen wie Menschen umgehen muss, damit sie nicht kaputt gehen.

Und ich denke, das ist es, was die Pferde spüren:
WARUM, aus welchem aufrichtigen Grund tun wir dieses oder jenes mit ihnen???????
Ich hatte früher nie das Gefühl, die "Cheffin" über irgendwas oder irgendwen sein zu wollen und  hab es heute auch nicht. Bin ich deshalb keine Führernatur???
Nein! Ich bin kein Anführer...und dennoch gibts Tiere und auch in mancher Hinsicht Menschen, die mir folgen...freiwillig......weil ihnen manches gut tut????...nie, weil sie müssen!
Ich bin gerne Freundin......und für meinen Pferdefreund verantwortlich, deshalb treffe ich viele Entscheidungen. Doch auch er darf Entscheidungen treffen, wenn sie unsere Sicherheit und Gesundheit nicht gefährden. Im Gegenteil, er traf schon Entscheidungen, die viel "klüger" waren, als meine eigenen.

So verschiedenartig die "Motivation" der Pferde sein kann, zu lernen und auszuführen, was wir ihnen beibringen...so verschiedenartig auch die Motivationen der Menschen, weshalb sie es tun. Pferde durchschauen, empfinden das genau, und geben uns genau das, was wir uns verdienen.

LG, Angie

 :oops:
Titel: Re:Strafen oder Ignorieren
Beitrag von: eboja am 15. Dezember 2009, 22:26:34
Hallo Angie,

das, was Du über den Umgang mit Rex beschreibst, entspricht so ziemlich dem, was ich unter "Herrschaft über Ressourcen" meine: DU weisst, wo es gutes Gras/Kräuter gibt, und führst ihn dort hin; DU sorgst für seine Sicherheit, wenn er sich in Deiner Nähe aufhält; usw. Ich meine damit nicht einen das Zepter schwingenden Herrscher, der zu jeder Gelegenheit mitteilt "übrigens, ICH bestimme, wer was wann bekommt", sondern einfach jemanden, der weiss, wann es welche Ressource wo zu holen gibt.

Für Hunde, die üblicherweise nichts fressen dürfen, was wir ihnen nicht explizit "zubereitet" haben, und die auch sehr von uns abhängig sind, was die freie Bewegung angeht (es sei denn, sie hätten den ganzen Tag Zugang zu einem großen Garten oder gar Hof, was aber nur für einen Teil der Hunde zutrifft), ist das vermutlich noch viel deutlicher, als für Pferde, die, wenn sie auf der Koppel stehen, jederzeit fressen können, wie sie Lust dazu haben, und sich innerhalb gewisser Grenzen auch frei an der Frischluft bewegen können.
Titel: Re:Strafen oder Ignorieren
Beitrag von: Mannimen am 15. Dezember 2009, 22:28:58
Hallo ihr Lieben,

da es euch anscheinend doch so sehr interessiert, welche Erfahrungen ich gemacht habe, nachdem ich mich nicht mehr als Boss aufgespielt habe, hier eine kompakte Zusammenfassung.

In den vielen Reitschulen, die ich besucht habe, gab es häufig Pferde, mit denen keiner mehr so recht arbeiten wollte, weil sie immer weniger mitmachten und eben mehr und mehr dazu angetrieben werden mussten. Ich gehörte auch nicht zu den Reitschülern, die 5,- DM pro Std. mehr bezahlt haben, damit sie ein fleißiges und leicht zu reitendes Tier bekamen. Also nahm ich mit den Tieren vorlieb, die mir zugeteilt wurden. Das waren dann eher die "faulen" und abgestumpften, die jede Ecke abgekürzt haben und anteilnahmelos der Abteilung hinterher trotteten. Ich musste also die Schenkel immer gut dran haben und auch oft von der Gerte gebrauch machen. Kein Wunder, dass einem dabei die Lust an diesem Sport gründlich vergeht und ich fing an diese Tiere aus dieser Sicht noch viel besser zu verstehen.

Also gab ich dann den Reitsport auf und suchte nach anderen Möglichkeiten, mich mit diesen Tieren sinnvoller zu beschäftigen. dabei lernte ich Susanne Salzmann kennen, die sich aus ähnlichen Gründen der TTeam-Arbeit verschrieben hatte. Wir haben uns gesucht und gefunden. Für mich begann eine völlig neue Zeit, die einfach nur wunderschön war.

Allerdings arbeitete sie auf einem Isländer-Hof und diese Pferdchen waren viel zu klein für mich. Bei der Bodenarbeit hatte mich das nicht im geringsten gestört, doch der Wunsch wieder zu reiten wurde immer größer. Susanne suchte dann für mich eine Reitbeteiligung und zwar eine, die wie geschaffen für mich war. Allerdings erkannte ich das erst sehr viel später. Es war diese traumatisierte Stute. Bei ihr konnte ich nicht in mein altes Muster zurückverfallen, weil sie dagegen resistent gewesen ist. Ich sollte mich insofern völlig verändern. :roll:

Diese Stute musste von der Weide regelrecht "abgeschleppt" werden, was meist auch nur zu zweit gelang, da sie am Tor auf dem Absatz wieder kehrt machte oder einfach wie einzementiert stehen blieb. Das war mir zu dumm und ich beschloss dann eben bei ihr auf der Weide zu bleiben, setzte mich in ihre Nähe und las ein Buch.

Alle anderen Pferde kamen nach und nach zu mir, um zu sehen wer ich war und was ich da tat, nur diese Stute nicht. Offenbar hatte sie längst gespürt, dass meine Anwesenheit mit ihr zu tun hatte und so wurde ich von ihr auch nicht mehr aus den Augen gelassen. Ihre Aufmerksamkeit war so auf mich fixiert, dass sie die erste war, die eine Reaktion zeigte, sobald ich mich bewegte.

Nach ganzen 14 Tagen kam auch sie so nah an mich ran, dass ich sie streicheln konnte. Unsere Begegnungen auf der Weide wurden immer intensiver und sie begann dann auch schon mal mir hinterher zu laufen. Und wer hätte es für möglich gehalten, sie folgte mir bis zum Tor, ließ sich dort ein Halfter anlegen und begleitete mich ohne jede Abwehrreaktion bis zum Putzplatz. Ich konnte sie satteln und auch reiten.

Allerdings war es mir nicht möglich mit ihr vom Hof weg zu reiten. Da blieb sie dann am Ausgang wie einbetoniert stehen oder trat ruckartig den Rückzug an. Selbst zu Fuß konnte ich mit ihr den Hof nicht verlassen. Das artete in einen Zweikampf aus und ich beschloss wieder einfach nur nachzugeben und sie gewähren zu lassen.

Im Frühjahr dann kam mir das frische Gras etwas zu Hilfe und beim Anweiden führte ich sie dann wieder zum Ausgang des Hofes. So verfressen wie sie war, konnte sie dem saftigen Grün am Wegesrand einfach nicht widerstehen und futterte sich immer weiter weg vom Hof. Als ihr diese Lage dann doch bewusst wurde, wollte sie sofort wieder nach Hause stürmen und ich ließ sie am langen Führseil immer nur um mich rum laufen, solange bis sie erkannte, dass das keinen Sinn machte. Sie beruhigte sich wieder, wurde dann gelobt und wir gingen ganz langsam wieder zurück. Sie war schweißgebadet und hatte kein Interesse mehr an den schönsten Leckerlies. Ich blieb noch solange bei ihr, bis die Welt für sie wieder in Ordnung war.

Als ich das nächste Mal wieder mit ihr den Hof verlassen wollte, begann sie auffällig stark zu zittern und ich fing an sie zu touchen, so wie ich es von Susanne gelernt habe. Die TTouches halfen ihr und sie wusste, dass sie sich dieser Aufgabe nun stellen sollte und ich ihr dabei helfen würde. So fasste sie allen Mut zusammen und wagte einen Schritt nach vorne. Dafür habe ich sie regelrecht geknudelt und war überglücklich. Diese Freude muss sich auf sie übertragen haben und sie wurde immer mutiger.

Wir durchquerten die anliegenden Felder und einen nahe gelegenen Wald. Zu dumm, dass ich nicht mehr wusste wo wir eigentlich waren und es wurde auch schon dunkel. Doch sie wusste ganz genau wo es lang ging und brachte uns sicher wieder zum Hof zurück.

Als Anführer habe ich da wohl eher eine untergeordnete Rolle gespielt, denke ich und sie hat mir dennoch vertraut. Wieviel Dominanz war eigentlich dazu nötig? Das hat in meinem Hirn mächtig gearbeitet und ich wusste nicht mehr was ich glauben sollte. Fortan begegnete ich ihr mit großem Respekt und viel Zurückhaltung und sie öffnete sich mir gegenüber immer mehr.

So, dass sollte erst einmal für den Anfang genügen. :wink:

Alles Liebe
Manfred
Titel: Re:Strafen oder Ignorieren
Beitrag von: eboja am 15. Dezember 2009, 22:29:31
Hallo Manfred,

vielen Dank für den langen Bericht! Ich finde es toll, mit wie viel Geduld und "Nicht-unbedingt-Wollen" (ich hoffe, Du verstehst, was ich damit meine...) Du Dich der Stute gewidmet hast!

Wie ich schrieb: ich weiss nicht, wieviel ich davon umsetzen könnte, ich merke einfach immer wieder meine Fehler, mein "das muss aber doch gehen", einfach Punkte, an denen ich an meine Grenzen stosse, weil ich zuviel von mir oder dem Pferd erwarte, weil ich mich selbst unter Druck setze u.ä. Aber ich versuche auf jeden Fall, da immer mehr hin zu kommen. Und da es mir bei unserem Hund (der ein Problem-Fellchen aus dem Tierheim ist) durchaus gelungen ist, mich selbst zurück zu nehmen und mich an sein Tempo anzupassen (z.B. was so was "simples" wie sich streicheln lassen angeht), habe ich die Hoffnung, dass ich es immer mehr schaffe, das auch auf's Pferd zu übertragen.

Im Endeffekt war ja auch das der Grund, weshalb ich mit dem Clickern auch des Pferdes anfangen wollte: ich habe gemerkt, wie toll eine Beziehung zu einem Tier sein kann und war einfach nicht mehr gewillt, die Beziehung zum Pferd durch die Arbeit über Druck, "der muss jetzt aber", "der ist nur faul" und ähnliches kaputt machen zu lassen. Wobei das sich jetzt schlimmer liest, als es war. Wir haben Oscar nicht durch alles hindurchgeprügelt und auch wahrgenommen und akzeptiert (bzw. was an den Gründen geändert), dass er teilweise "faul" lief, weil ihm wohl irgendwas weh tat/klemmte/was auch immer.
Aber mir fehlte einfach die Möglichkeit, ihm auch sagen zu können "Ja, das war jetzt richtig super, was Du da gemacht hast!", bzw. das punktgenau tun zu können (freuen und verbal loben konnte ich ja schon früher ;-) ).

Um nochmal auf das "Anführer sein" zurück zu kommen: ich glaube, eine ganz, ganz wichtige Eigenschaft eines Anführers ist es, das Vertrauen seiner "Geführten" erlangt zu haben. Und Vertrauen kann man nicht erzwingen oder erkaufen (über Leckerchen o.ä.), sondern das muss man sich verdienen. Zudem gehört zu einem guten Anführer, dass er sich nicht ständig in den Vordergrund drängt und auf seine "Vorherrschaft" pocht, sondern seinen "Geführten" auch mal die Führung überlässt bzw. ihnen "Rechte" zubilligt, die in ein unsicherer, nicht souveräner Führer mit Händen und Füßen verteidigen würde. Ein souveräner Führer kennt die Stärken seines "Untergebenen" und nutzt die auch, indem er in gewissen Situationen diesem Untergebenen die Führung überlässt.

"Untergebener" ist natürlich ein doofes Wort, denn bei so einem souveränen Führer sollte der "Untergebene" sich nicht wirklich als ein solcher fühlen. Ach, ich schaffe es einfach nicht wirklich, das in Worte zu fassen, was ich sagen möchte. Ich hoffe, Ihr versteht es trotzdem einigermaßen....
Titel: Re:Strafen oder Ignorieren
Beitrag von: cännsi am 15. Dezember 2009, 22:30:21
Zitat von: Mannimen
Liebe Inge,
gerne möchte ich deine Fragen beantworten.

Zitat von: kleinpony
Wie würdest Du Deine Arbeit mit Pferden bezeichnen?
respektvoll, einfühlsam und partnerschaftlich

Zitat
Baust Du ausschließlich auf positive Verstärkung?
Keine Elemente negativer Verstärkung?
Nein, da dies meiner Meinung nach auch nicht möglich ist. Ich sehe allein schon bei den klassischen reiterlichen Hilfen, negative Verstärkungen.
Zum Ausgleich und zur Motivation setze ich jedoch vollkommen auf positive Verstärkung. Ich strebe also eine Balance zwischen beidem an.

Zitat
Wie siehts bei Euch mit der Rangordnung aus, wo würde
Dich Dein Pferd hinstellen? Wer hat im Notfall das sagen
und worauf begründest Du das?
Nun, ich denke nicht, dass es in einer Partnerschaft um Rangordnung geht, wohl aber um Klarheit und Verständnis. Daraus resultiert dann die Orientierung für beide Partner. Mein Pferd weiß also wo ich stehe und braucht mich nirgends hinzustellen. Er weiß auch, dass ich sehr viel schwächer und verletzlicher bin. Aber er weiß auch, dass ich klüger und Dinge kann, die er nicht vermag. Wir sind insofern so unterschiedlich, dass  jeglicher Vergleich einer Rangordnung hinken würde.

Zitat
Wie lange arbeitest Du schon so?
Bist Du früher anders mit Pferden umgegangen?
Mit Antares pflege ich diesen Umgang nun schon 5 Jahre und davor habe ich erste Erfahrungen mit zwei weiteren Pferden in vier Jahren gesammelt.
Das kam alles, als ich nach mehr als zwanzig Jahren reiner Dominanz mit immer mehr Problempferden einfach keine Lust mehr hatte so mit diesen so feinfühligen Tieren umzugehen. Jetzt bin ich mehr als froh über diesen Wandel und distanziere mich immer weiter von den Leuten, die permanent den Chef raushängen lassen müssen.

Zitat
erzähle doch bitte ein bißchen von Dir und Deinen Pferden,
oder kann ich irgendwo im Forum mehr dazu finden?
Meine Ansichten haben in den jeweiligen Foren nicht zu der allgemeinen Haltung gepasst und somit sind schlußendlich auch diese Beiträge dann wieder gelöscht und ich als User gesperrt worden. Daher existieren auch die jeweiligen Tagebücher nicht mehr.
Ich habe es danach auch aufgegeben, anderen Menschen, die eben völlig andere Ansichten haben, von alle dem zu erzählen. Was nutzt das auch, wenn es z. B. nur als gefährlich eingestuft wird. Ich möchte ja niemanden bekehren oder so. Allerdings würde ich mich schon sehr darüber freuen, wenn ich auf Menschen treffe, die sich auch voll und ganz auf ihre Tiere einlassen können ohne etwas zu von ihnen zu verlangen.
Es war für mich ein Schlüsselerlebnis, als ich mit einer traumatisierten Stute arbeiten durfte, die völlig dicht gemacht hatte und auch schon so abgestumpft gewesen ist, dass sie selbst auf Schmerzen nicht mehr reagierte. Sie kam erst beim CT wieder langsam aber sicher aus ihrem Schneckenhaus raus und lief zu selbstbewusster Höchstform auf.
Von da an war mir klar, dass wir ohne jede Kooperation und Motivation des Tieres völlig aufgeschmissen sind. Man bekommt auch immer nur dann etwas geschenkt, wenn man aufhört es einzufordern. Niemals zuvor habe ich meine Zusammensein mit diesen Tieren so genossen, nachdem ich meinen Umgang mit ihnen geändert habe. Ich hatte nicht mehr das Gefühl etwas mit ihnen zu tun, sondern vielmehr, dass sie bereit waren mit mir etwas zu tun. Und dieses Gefühl steigert sich, je mehr da von dem Tier kommt und weniger von mir. 8)
Allerdings ist das auch sehr anstrengend und ich muss mich ständig weiter entwickeln, damit ich ihm immer noch was zeigen und beibringen kann. Schließlich soll es ja auch für ihn nicht langweilig mit mir werden.

Mal sehen was uns die Zukunft noch so bringt
Manfred

Danke für diesen tollen Beitrag! Dieses Zitat werde ich gleich aufschreiben - es trifft wundervoll den Kern.

LG Conny

@cinnamon: das Buch hab ich schon bestellt ;) Danke für den Tipp!
Titel: Re:Strafen oder Ignorieren
Beitrag von: Archivar am 15. Dezember 2009, 22:33:06
erstellt am: 29 Okt 2009 16:14
erstellt von: kleinpony
Danke für die vielen tollen Beiträge.
Ein richtig schönes Forum hier...

Dann erzähle ich jetzt mal von mir.
Von Reitställen habe ich mich schon lange abgewandt,
nix für Pferdefreunde...

Einige Jahre habe ich in Pferdekliniken gearbeitet
und bin mir sicher, dass ich dies nie wieder tun werde.

Ich habe die letzte Stelle mit Donner und Doria gekündigt,
weil ich es so dicke hatte, wie Mensch mit Pferd umgeht.
Menschen im Stallbetrieb, Reiter, Halter und auch Tierärzte
(Sollte es um's wohl der Tiere gehen? Habe ich so
nie erlebt. Eigentlich ging's immer nur um's Wohl
der Pferdehalter - ein Spritzchen noch, nur für dieses
Turnier, danach geht der eh nix mehr... :evil:  )

Selbst hatte ich Robustpferde im Offenstall.
Irgendwann saß ich dann immer weniger auf den Pferden.
Habe gemerkt, wie einseitig der Spaß oft ist, der im
Moment der Erkenntnis auch nicht mehr war.
Saß immer öfter auf der Koppel rum, bei den Schafen,
bei den Pferden und die Beziehung veränderte sich.

Habe mir gedacht, was, wenn ein Pferd Kopfschmerzen
hat, Muskelschmerzen, irgendwas. Merke ich das überhaupt?
Vielleicht sind sie manchmal tierisch schlapp; krieg ich doch
gar nicht mit. Und selbst wenn sie keine Lust haben, ist
doch auch ne klare Aussage.

In dem Moment habe ich gemerkt,
das ich überhaupt gar keine Lust mehr auf's Normale habe.
Auch nicht auf Join up, irgendwelches Horsemanship mit gekonnter,
aber eben doch klarer negativer Verstärkung, kein machen auf
Teufel komm raus, nur damit ich "Nutzen von meinem
Nutzvieh" habe. Seitdem ich nur ganz viel dabei bin, Koppeln
umstecke, Futter bringe usw. fühle ich mich viel viel wohler
mit den Pferden.

Die Kutsche steht in der Garage, der Sattel hängt an der Wand,
ich habe keine Ahnung wann ich je wieder was machen möchte,
ich weiß nur, dass ich SO - gar nix mehr machen will.
Entweder wir sind ein Team und haben alle Spaß, oder wir lassen's.
Kann man irgendwie keinem erzählen, die halten einen alle
für bekloppt, deshalb mach'ich's sonst auch nicht....

LG, Inge
Titel: Re:Strafen oder Ignorieren
Beitrag von: Archivar am 15. Dezember 2009, 22:33:52
Erstellt von: Steinchen
   
Verfasst am: 29 Okt 2009 17:49         
   
@all:
Ich bin sowas von riesenfroh, Euch hier alle gefunden zu haben. Ich hab nun das Gefühl, dass ich nur Eine von vielen Bekloppten bin     
Danke Euch allen!!!!
LG, Angie
Titel: Re:Strafen oder Ignorieren
Beitrag von: eboja am 15. Dezember 2009, 22:34:14
Zitat von: angiem
@all:
Ich bin sowas von riesenfroh, Euch hier alle gefunden zu haben. Ich hab nun das Gefühl, dass ich nur Eine von vielen Bekloppten bin :lol:  :lol:  :lol:
Danke Euch allen!!!!
LG, Angie
Angie, das hast Du schön geschrieben, und Du triffst den Punkt für mich auch haargenau! :lol:

@Inge: schön, dass Du es hier erzählt hast! Ich kann das gut nachvollziehen.

Aus der Arbeit mit Hunden habe ich den Eindruck, dass es Tieren durchaus nichts ausmacht, "arbeiten" zu "müssen", solange die "Arbeit" ihnen Spaß macht. Im Gegenteil, ich habe zur Zeit oft ein schlechtes Gewissen, weil ich so wenig mit meinem Hund übe, und wenn ich es dann tue, bettelt er regelrecht um mehr. Wieso? Weil die "Arbeit" positiv bestärkt wird, weil er dabei was zu "verdienen" gibt, und weil wir beide dabei offensichtlich Spaß miteinander haben.

Auch wenn ich diesen Spaß an der "Arbeit" bei Oscar bisher vermisse, denke ich doch, dass auch Pferde Spaß am arbeiten bekommen können, wenn die Arbeit entsprechend "verpackt" wird. Ich hoffe, dass ich das nach und nach besser hinbekomme, und vielleicht auch mal etwas Freude in Oscars Gesicht sehe (wobei Hunde da einfach viel "kommunikativer" sind, und die Freude deutlicher zeigen, jedenfalls für meine Augen).
Vielleicht ist das Clickern ja auch ein Weg für Dich, wieder mehr mit Deinen Pferden "arbeiten" zu können. Denn irgendwie glaube ich fest daran, dass Tiere, die eine angenehme Beziehung zu "ihrem" Menschen aufgebaut haben, gerne und mit Freude zusammen mit ihrem Menschen lernen.
Titel: Re:Strafen oder Ignorieren
Beitrag von: verena am 15. Dezember 2009, 22:36:04
erstellt am: 29 Okt 2009 23:09

Zitat von: kleinpony
Die Kutsche steht in der Garage, der Sattel hängt an der Wand,
ich habe keine Ahnung wann ich je wieder was machen möchte,
ich weiß nur, dass ich SO - gar nix mehr machen will.
Entweder wir sind ein Team und haben alle Spaß, oder wir lassen's.
Kann man irgendwie keinem erzählen, die halten einen alle
für bekloppt, deshalb mach'ich's sonst auch nicht....
Hallo Inge!
ich kann Dich soo gut verstehen. Mein Islandwallach Bessi, jetzt 22 Jahre, hat mir, seit ich mit ihm clickere ganz eindeutig gesagt, er möchte nicht mehr geritten werden. Ich habe das akzeptiert, gehe viel mit ihm spazieren, richtig wie in einer Herde mit Grasen lassen zwischendurch, ich mach mit ihm viel Freiarbeit, spiele mit ihm und übe kleine Kunststückchen (Beine überkreuzen, Apportel heben, Hütchen umstossen etc.). Er liebt all dies und ich auch und  ich bin glücklich dabei. Auf ihm gesessen bin ich im Viereck schon lange nicht mehr, auf Ausritte gehen wir hin und wieder. Meine Stute Gloa hingegen hat ihre Freude (auch durchs Clickern) bei der Reitarbeit gefunden und mir das eindeutig auch vermittelt. So denke ich, wenn man seine Pferde fragt, sie kennt und gut beobachtet, dann sagen sie einem selbst, was sie gerne machen und kann darauf gut eingehen. Damit kann ich auch gut leben und geniesse das Beisammensein mit ihnen auf dieser Basis.
Liebe Grüße!
Verena
Titel: Re:Strafen oder Ignorieren
Beitrag von: lindalotze am 15. Dezember 2009, 22:38:09
Zitat
Auch wenn ich diesen Spaß an der "Arbeit" bei Oscar bisher vermisse, denke ich doch, dass auch Pferde Spaß am arbeiten bekommen können, wenn die Arbeit entsprechend "verpackt" wird. Ich hoffe, dass ich das nach und nach besser hinbekomme, und vielleicht auch mal etwas Freude in Oscars Gesicht sehe (wobei Hunde da einfach viel "kommunikativer" sind, und die Freude deutlicher zeigen, jedenfalls für meine Augen).
Vielleicht ist das Clickern ja auch ein Weg für Dich, wieder mehr mit Deinen Pferden "arbeiten" zu können. Denn irgendwie glaube ich fest daran, dass Tiere, die eine angenehme Beziehung zu "ihrem" Menschen aufgebaut haben, gerne und mit Freude zusammen mit ihrem Menschen lernen.

Sehe ich auch so bzw. glaube ich auch dran. Kann zwar ein langer Prozess bis dahin sein, aber kommt alles mit der Zeit. Bin selbst erst am Montag von einem Pferd beim Training brummelnd angewiehert worden - und zwar nicht nach dem Click, sondern während einer physisch anspruchsvollen Übung, die dem Pferd anfangs sehr schwer gefallen ist. War leise, aber ein Highlight. :D

lg
Linda
Titel: Re:Strafen oder Ignorieren
Beitrag von: Mannimen am 15. Dezember 2009, 22:38:32
Zitat von: kleinpony
... ich habe keine Ahnung wann ich je wieder was machen möchte,
ich weiß nur, dass ich SO - gar nix mehr machen will.
Entweder wir sind ein Team und haben alle Spaß, oder wir lassen's.
Kann man irgendwie keinem erzählen, die halten einen alle
für bekloppt, deshalb mach'ich's sonst auch nicht. ...

Ja,

das war wohl auch bei uns genau der Grund, warum ich für mich neue Wege gegangen bin. Ich habe gut zwanzig Jahre überwiegend negative Erfahrungen schlicht weg einfach hinter mir gelassen und so getan, als würde ich völlig neu anfangen. Igendwie habe ich mich dabei selbst wie ein traumatisiertes Pferd behandelt. :wink:

Mir hatte seiner Zeit das Buch "Selbstbewusste Pferde" von Imke Spilker dabei sehr geholfen, denn ich fing an, die Dinge mal aus einer völlig neuen Sicht zu sehen und ich fragte mich bei allem was ich tat, wie das wohl auf das Tier wirken würde, wie es dies empfindet und wie es mir an seiner Stelle dabei geht. Ich fing also an mich mehr und mehr in das jeweilige Tier hinein zu versetzen und war entsetzt über mich selbst, über meinen Umgang mit diesen feinfühligen Tieren.  :shock:

Zwar habe ich mich schon sehr verändert, doch es sitzen noch immer viele Dinge recht tief in mir, die abzulegen eben nicht so einfach ist. So war mir z. B. auch nicht bewusst, welchen Druck ich bei Reiten auf das Tier ausübe. Darauf brachte mich nun erst unsere Trainerin, als sie mir bei der Herstellung einer Anlehnung genau den umgekehrten Weg vorschlug. Also nicht die Zügel immer weiter aufnehmen sondern immer weiter hingeben. Am Ende bin ich mein Pferd völlig zügellos geritten und war erstaunt, wie schön geschmeidig und tacktrein er dabei ging. Er suchte nun selbst den Weg in die Tiefe und schlürfte mit der Nase fast am Boden. Und er reagierte allein auf meine Gewichtshilfen beim Abwenden und Stoppen, Rückwärtsrichten, wieder Antreten und auch Antraben. 8)

Er schnaubte sehr viel schneller ab als sonst und auch dieses leise Grummeln, von dem Linda sprach, war öfter zu hören. Dann kam die Frage unserer Trainerin: "Ist dir jetzt bewusst geworden, wie viel Anlehnung dein Pferd benötigt?" " Du kannst ihn am durchhängenden Zügel reiten, ohne diese Anlehnung zu verlieren, solange die Verbindung dabei gleich bleibt und Du die Kaubewegung in deinen Fingern noch spürst." " Auch dein Schenkel muss längst nicht soviel Druck ausüben, es reicht wenn er leichten Kontakt zum Pferd hält, ihn also nicht verliert."

Einmal mehr war ich über die Feinfühligkeit dieser Tiere verblüfft. Je weniger Druck von mir kam, um so mehr war mein Pferd bei mir und schenkte mir seine volle Aufmerksamkeit. Da kamen dann urplötzlich auch meine Haltungsfehler zum Vorschein. Saß ich nicht gerade, sondern leicht verdreht, bog sich mein Pferd entsprechend. Das ging sogar so weit, dass er in Seitengänge überging, obwohl ich das eigentlich nicht wollte. Ich hatte also gut damit zu tun, meine Haltungsfehler zu korrigieren. Das wäre mir mit einer direkten Zügelverbindung wohl eher nicht so bewusst geworden, weil diese ja ständig das Tier korrigiert hätte. :roll:

Ja und zu guter letzt hat Antares mir dann auch noch gesagt, wann Schluss mit dieser Lektion sein sollte, weil ich wieder einmal kein Ende fand. Er marschierte zielstrebig zur Aufstiegshilfe und blieb einfach daneben stehen. Danach forderte er wehement sein Futter ein und wollte nur noch zurück auf die Weide. Und wieder stellte ich mir die Frage, wer hier eigentlich wen führt. :lol:

Früher hätte ich so etwas niemals durchgehen lassen, sondern mich / meinen Willen durchgesetzt und dem Tier notfalls auch mit Strafe klar zu verstehen gegeben, was es zu tun und zu lassen hat. Kein Wunder, dass ich so nicht weiter kommen konnte. Es hatte mich ja auch nicht interessiert, was diese Tiere dazu zu sagen hatten, sie sollten ja immer nur das tun, was ich von ihnen verlangte. Eine echte Partnerschaft konnte so überhaupt nicht entstehen und es tut mir heute noch in der Seele weh, was ich ihnen dabei angetan habe und wie dumm ich doch gewesen bin. Das höchste Glück auf Erden war so jedenfalls nicht zu erreichen, dessen bin ich mir inzwischen sehr bewusst. :oops:

Ach, es ist so wunderschön, nun zu den "Bekloppten" zu gehören!
Manfred

PS.
Übrigens wurde ich zum ersten Mal zum Umdenken angeregt, als ich in einer Reitschule vorreiten sollte und das Pferd einfach so nicht mitmachen wollte, wie ich mir das gedacht hatte. Er bekam daher die Gerte zu spüren und ich wurde sofort zur Rede gestellt, warum ich das getan habe. Nie wäre ich auf den Gedanken gekommen, dass ich schuld sein könnte an dem Verhalten des Tieres. Mein Auftritt war damit beendet und ich hatte Zeit darüber nachzudenken.
Titel: Re:Strafen oder Ignorieren
Beitrag von: Muriel am 15. Dezember 2009, 22:39:16
Glückwunsch zu Deiner Reitlehrerin!  :D

Es ist für die meisten soooo schwer, den Zügel wirklich mal lang - und auch noch los zu lassen... ich mach meistens dann Zentimeterangaben:
"Lass mal den Zügel lang. Noch länger. 25 cm länger" Selbst "an der Schnalle halten" bringen viele nicht fertig, sie verlängern ihn dann um 2 Zentimeter  :roll:
Und aus dem Grund der Feinfühligkeit setze ich gerne Reitschüler auf Mirko, damit sie spüren wie wenig ausreicht um ein Pferd zu lenken, und wieviel zu viel ist.....  :D
Titel: Re:Strafen oder Ignorieren
Beitrag von: Mannimen am 15. Dezember 2009, 22:39:42
Ja Heike,

da bin ich auch sehr froh drüber. 8)
Los zu lassen hat auch mit Vertrauen zu tun und das sollte eigentlich die Basis sein. :wink:
Bei mir hat das Susanne geschafft und das auf die selbe einfühlsame Art und Weise wie sie mit ihren Pferden umgeht. Sie bat mich die Augen zu schließen, während sie das Pferd an der Hand führte. Wir übten das solange, bis ich völlig losgelassen und unverspannt sitzen konnte.
Dabei fragte sie mich ständig nach dem, was ich fühlte und wie sich das für mich anfühlt- Ich sollte ihr sagen wann welcher Fuß des Pferdes wo war und ob wir geradeaus oder auf einer gebogegen Linie unterwegs gewesen sind. Schlussendlich war ich sogar in der Lage mit geschlossenen Augen ganz alleine (natürlich auch ohne Zügel) zu reiten. Als ich mich dabei auf einem Zirkel befand, blieb das Pferd einfach stehen, weil der Kreis einfach zu groß geworden ist und es mit der Nase vor der Bande stand. Wir haben herzhaft gelacht. :lol:
Später perfektionierte sie meinen Sitz soweit, dass ich mich mit dem Pferd in allen Gangarten völlig in Balance befand und die Zügel einfach nicht mehr benötigte. Meine Abschlußprüfung in dieser Disziplin bestand darin die Balance auch in der Galionsfigur (mit seitlich ausgestreckten Armen und in den Steigbügeln stehend) nicht zu verlieren (natürlich auch wieder in allen Gangarten). :shock:
Und genau das habe ich dann auf dieser "Durchgänger"-Stute im freien Gelände erleben dürfen. Sie flog in einem schnurgeraden Galopp regelrecht über die Felder, während ich mich in dieser Galionsfigur in den Gegenwind lehnte. Da bekam das Sprichwort "Nur Fliegen ist schöner" eine wahrhaftige Dimension für mich. Das war so ziemlich das Geilste was ich auf dem Rücken der Pferde bislang erleben durfte. :!:
Zu diesem Tier hatte ich dann auch so viel Vertrauen aufgebaut, dass ich mit ihr auf dem blanken Rücken nur mit Halfter und Führstrick ins Gelände geritten bin. Und sie vertraute mir nicht weniger, wenn sie sich dort vor etwas fürchtete. Ich begriff, was es bedeutet eine Partnerschaft mit einem Tier einzugehen. Mir ist auch klar geworden, dass diese Welt die ich ihr zeigen konnte für sie wie ein Kartenhaus wieder zusammenbrach als sich unsere Wege dann trennten. Ihre Besi hatte andere Pläne und konnte nach einem Reitunfall nicht mehr so weit gehen wie ich. Sie wollte sich von mir dabei auch nicht helfen lassen (ich bot ihr an die Stute zu führen, damit sie sich auf ihr entspannen konnte) und ich musste das akzeptieren. Danach war dann halt alles wieder beim Alten. :cry:
Jetzt habe ich mein eigenes Pferd und da steht so einer tiefen Beziehung / Partnerschaft wohl nichts mehr im Wege. Auch Antares kann ich längst schon ohne Sattel, nur mit Halfter und Führstrick durchs Gelände reiten und ich denke, dass es auch ohne alles möglich wäre, doch ich bin mir meiner Verantwortung auch bewusst und verhalte mich daher nicht ganz so leichtsinnig. Schließlich sind wir ja nicht ganz alleine auf dieser Welt. :wink:
Aber ich wünsche jedem Pferdefreund so eine grenzenlose Vertrauenbasis mit seinem tierischen Partner.
Manfred

Hier mal ein Link zu dem wie ich mir das so vorstelle und was ich mit meinem tierischen Parner anstrebe:
http://www.equigym.at/philosophie/index.html (http://www.equigym.at/philosophie/index.html)
Titel: Re:Strafen oder Ignorieren
Beitrag von: Anke am 12. Januar 2010, 13:05:19
Hi,

wenn ich Eure Kommentare so lese, weiss ich, dass ich im richtigen Forum gelandet bin  :dops:

Und es zeigt mir auch wieder , wie wichtig es ist, dass wenn man schon nicht der Besitzer des Tieres ist, dieser aber trotzdem eine vergleichbare Einstellung haben sollte. Alles andere ist zu frustrierend.

Immer schön andere "Bekloppte" zu treffen  ;D

ciao
Anke
Titel: Re:Strafen oder Ignorieren
Beitrag von: Muriel am 12. Januar 2010, 16:46:55
Wir sind nicht bekloppt.  :watch:

Wir sind nur anders.

 :cheese:  :yeah: :baehvogel: :urlaub: :coffeepc: :singrain: :hexe: :giraffe: :candy: :weihnacht2: :freu: :dance3:





 :cheese: :keks:
Titel: Re:Strafen oder Ignorieren
Beitrag von: Anke am 12. Januar 2010, 19:39:57
"aliter ac alii" der Wahlspruch meines Mannes  ;D

Ich bin gerne anders  :cheese:
Titel: Re:Strafen oder Ignorieren
Beitrag von: verena am 13. Januar 2010, 22:53:05
ich auch, und meine Pferde lieben mein 'Anderssein'  :cheer:
Liebe Grüße!
Verena
Titel: Re:Strafen oder Ignorieren
Beitrag von: Puschel am 25. März 2011, 15:14:31
Hallo,

ich bin ja noch ganz neu hier, hab jetzt dieses Thema gefunden und es ist wirklich ganz tolle, welche Einstellungen zum Pferd sich hier finden.
Ich hab bisher nur hier gelesen, bin grad auch gar nicht zuhause, sodass ich noch nichts ausprobieren konnte. Würde auch gern meinen Knoten im Kopf lösen.
Ich bin Westernreiter und hab von diversen Trainern immer einen konsequentens, aber fairen Umgang mit dem Pferd gelernt. Dazu gehört natürlich auch, dass man Druck auf das Pferd ausübt, wenn es etwas tut was es nicht soll und es lobt, wenn es etwas gut macht. Der erste Teil der Sache würde ja jetzt einfach abgestellt werden. Wie würdet ihr zum Beispiel rangehen, wenn ein Pferd wirklich problematisch ist und gelernt hat, gegen den Menschen zu agieren? Da stelle ich mir das recht schwierig vor, schon allein, um den entsprechenden Abstand zu wahren. Bei einem "unversautem" Pferd denke ich ist das einfacher.
Was ist mit Reiten an sich? Wie kann man sein Pferd in einer physiologisch sinnvollen Haltung reiten, ohne jeglichen Druck auszuüben? Ich würde das gerne alles in meinem Kopf klären, damit ich mit einer klaren Zielsetzung zu meinem Pferd gehen kann. Er wird sich sicher eh wundern, wenn ich plötzlich versuche jemand anders zu sein :click:
Also nicht falsch verstehen, ich bin nicht übermäßig grob zu ihm. Wenn ich strafe, dann sehr sachlich und fair. Aber zb so Situationen wie: er frisst einfach beim Führen oder hampelt rum, habe ich doch mit Schimpfen oder Knuffen beantwortet (auch wenn ich zugeben muss, dass das irgendwie nichts bringt...)

Ich hoffe, mein Geschreibsel klingt nicht ganz so verwirrt wie mein Kopf gerade ist :baehvogel:

LG
Katja
Titel: Re:Strafen oder Ignorieren
Beitrag von: Bettina am 25. März 2011, 20:58:34
Ich hoffe, mein Geschreibsel klingt nicht ganz so verwirrt wie mein Kopf gerade ist :baehvogel:
Denk dir nichts, einige ähnliche Gedankengänge krieg ich auch noch nicht immer vollständig sortiert... ;)

Also, man kann versuchen, in allen Bereichen mit möglichst wenig Druck auszukommen. Auch beim Reiten - hier wäre die Kurlandarbeit die Herangehensweise, die mir als dafür prädestiniert einfällt. Ansonsten ists natürlich immer ein bissl "Wortklauberei" auch: Klar, ein angelegter Schenkel übt "Druck" aus, ein angenommer Zügel, eine Gewichtshilfe usw.

Beim Arbeiten mit negativer Verstärkung (wie im NH z.B.) setze ich ja nun darauf, dass das Pferd dem Reiz (z.B. physischer Druck) nachgibt; negative Bestärkung ist definiert als "etwas Unangenehmes verschwindet, wenn das gewünschte Verhalten gezeigt wird" (grob gesagt). Arbeite ich nun mit positiver Verstärkung (evtl./meist plus Clicker), dann verzichte ich persönlich nicht ganz auf die Verwendung von physischem Druck - aber ich steigere ihn nicht! Ich setze ihn mehr als Signal und belohne eine Reaktion.
Also z.B. im NH: Klingeln, Klopfen, Tür einschlagen ( ;)), bei gewünschter Reaktion sofort nachlassen - das Nachlassen alleine entspricht schon der Belohnung (auch wenn man manche noch "extra" hinterherloben). Wenn der also aufmacht, hör ich auf, ihm seine Tür zu demolieren (worüber er schon froh sein wird) und wenn ich nett bin, sag ich noch Danke, dass er mich jetzt reingelassen hat. Wie derjenige dieses Danke dann wohl empfindet... tjaaa...  :cheese:
Mit Clickertraining: Klingeln - warten - Wohungsbesitzer reich beschenken, wenn er öffnet.  :cheese:

Wird Strafe genutzt, so ist es meist negative, also "etwas Angenehmes wird weggenommen". Das ist bei den meisten Clickerpferden dann ein Timeout z.B.: Der Leckerliautomatsmensch dreht sich um und geht. Wenn ein Pferd die Clickerphilosophie bereits gut kennt, wird das durchaus als Strafe empfunden.
Positive Strafe wäre "einen unangenehmen Reiz hinzufügen". Also z.B. ein Klaps oder was auch immer. Ich glaube, die meisten hier sind sich einig - wenn es spontan um Leib und Leben geht, dann kann das auch mal grade nötig sein. Allerdings hat positive Strafe wohl meist nur wenig bis gar keinen Trainingserfolg als Ergebnis (glaube ich - man darf mich gern korrigieren, wenn ich hier totalen Schmarrn verzapfe) und hat demnach generell in effektivem Training nichts zu suchen.

So, zu deiner Beispielsituation also:
Aber zb so Situationen wie: er frisst einfach beim Führen oder hampelt rum, habe ich doch mit Schimpfen oder Knuffen beantwortet (auch wenn ich zugeben muss, dass das irgendwie nichts bringt...)
Deine Bemerkung dazu stützt die These, dass positive Strafe wenig bis keinen Effekt hat. ;) Und ich kanns auch bestätigen. Ich hatte mal ein Aha-Erlebnis diesbezüglich mit Frau Berta beim Spazierengehen:

Also hab ich angefangen sie einzubremsen und weil ich a) aus Erfahung mit ihr weiß, dass Bremsen mittels Strick und Co keine dauerhaften Ergebnisse erzielt, vor allem nicht auf Wegen, von denen sie weiß, dass sie heimführen* und b) weil ich auch keine Lust hatte, da dauernd mahnen zu müssen, deswegen also hab ich mich auf den Clicker "rückbesinnt"... :D Ich hab dann versucht, immer zu clicken, wenn sie eine gute Position hatte (also tendenziell mit dem Kopf an meiner Schulter, nicht mit ihrer Schulter an meiner). Erst hatte es den Anschein, als sei das nicht recht von Erfolg gekrönt. :nein: Sie blieb auch nicht direkt stehen nach dem Click, sondern erst wenn ich stehen blieb und dann auch erst 2-3 Schritte später - ich musste sie also mehr oder weniger aktiv (durch mein eigenens Anhalten) bremsen. Sonst bleibt sie ja schon immer von alleine stehen, aber da ist es ihr offensichtlich "gscheid dick eiganga", wie man hier sagt.  :lol:  
ABER: Dann hat sie gemerkt, dass es ihre Position ist, die ihr die Clicks einbringt! :five: Sie hat sich wirklich am Riemen gerissen (man sah ihr schon an, dass sie sich echt beherrschen muss), aber sie hat mich dann nur noch einige wenige Mal so überholt - meistens dann, wenn ich die Clickfrequenz ein bisschen über Gebühr ausgedehnt hab. Wenn ich dann wieder 2, 3 mal kleinere Strecken mit guter Position geclickt hab, wars gleich wieder super! Eine Freundin von mir war dabei, die ist vorausmarschiert, und wir haben dann immer, wenn wegen vielen Clickstopps der Abstand zu ihr wieder so 10m war, einen kleinen Trab eingelegt: Teeerab - und Frau Hafi trabte brav an und blieb allerbravst auch im Trab sehr schön an ihrer Position, hat sehr gut aufgepasst, dass sie diese auch halten kann und war immer mit 100% (ok, sagen wir 90%...  :happy:) Aufmerksamkeit bei mir! :yess: Dass das dann doch so gut geklappt hat, hat mich echt gefreut! Auf dem Heimweg an der Hand traben wäre ansonsten nicht oder nicht so schön gegangen, aber sie hat sich echt sehr beherrscht und konzentriert.  :herz2:
Einziger "Haken", aber darauf muss ich halt achten in Zukunft: Sie sollte den Kopf schon eher in Fahrtrichtung behalten. Teilweise war sie ein bisschen aufdringlich, aber sehr im Rahmen, wirklich nur ein bisschen. Wie gesagt, beim nächsten Üben werd ich versuchen darauf zu achten, sehr konsequent von mir wegzufüttern und Momente zu bestärken, in denen sie zwar auf mich achtet, aber nicht ihren (durchaus hübschen :love:) Kopf zu sehr Richtung Leckerlitasche dreht.

Ja, so haben wir uns dann heimgeclickt. Immer wenns sie wieder eilig wurde, hab ich wieder vermehrt braves Dableiben und an mir orientieren bestärkt.
Somit hab ich heute einiges an Pellets verfüttert, aber wir waren auch fast 1,5h spazieren! War wirklich toll!  :cheer:

So, gute Nacht dann mal!  :bettzeit:

___________________________
*Das find ich sehr vielsagend. Letztendlich hab ich das immer mit negativer Verstärkung gemacht: Wenn sie zu schnell würde, hab ich sie mit Ruckeln am Strick eingebremst und wenn sie wieder an der richtigen Stelle war, hat der Druck nachgelassen. Eigentlich ist ersteres genau genommen ja sogar P+, oder? Ich hab da also mit P+ und R-/V- gearbeitet und nie dauerhafte Ergebnisse erzielt: Wenn wir auf Wegen waren, die heimführen, war das ein ständiges Ermahnen, Pferd wieder an die richtige Position bringen usw. Einen wirklichen Lerneffekt in dem Sinne, dass mal eine nennenswerte Besserung eintritt hatten wir damit aber nicht.
Und dann probiert mans mit V+ und hat nach ca. 200m bessere Ergebnisse als die 3 Jahre davor...  :rotw:

Mittlerweile haben wir Spaziergänge, in denen ich das auch gar nicht mehr clicken muss, oder nur ein, zwei Mal zwischendrin - der Trainingsprozess war also schon in Teilen erfolgreich.

So, und nun hoffe ich, dass dir mein Geschreibsel irgendwie hilft...  :rotw:
Titel: Re:Strafen oder Ignorieren
Beitrag von: eboja am 25. März 2011, 22:02:18
Wird Strafe genutzt, so ist es meist negative, also "etwas Angenehmes wird weggenommen". Das ist bei den meisten Clickerpferden dann ein Timeout z.B.: Der Leckerliautomatsmensch dreht sich um und geht. Wenn ein Pferd die Clickerphilosophie bereits gut kennt, wird das durchaus als Strafe empfunden.
Positive Strafe wäre "einen unangenehmen Reiz hinzufügen". Also z.B. ein Klaps oder was auch immer. Ich glaube, die meisten hier sind sich einig - wenn es spontan um Leib und Leben geht, dann kann das auch mal grade nötig sein. Allerdings hat negative Strafe wohl meist nur wenig bis gar keinen Trainingserfolg als Ergebnis (glaube ich - man darf mich gern korrigieren, wenn ich hier totalen Schmarrn verzapfe) und hat demnach generell in effektivem Training nichts zu suchen.
Ich denke, Du wolltest hier auch "positive Strafe" schreiben, kann das sein? ;) (sorry für's Kriteln, will nur verhindern, dass es jemand falsch liest und versteht :rotw:)
Titel: Re:Strafen oder Ignorieren
Beitrag von: Bettina am 25. März 2011, 22:04:29
Wah, Mist...  :rotw: Ja, das sollte positive Strafe heißen! :jaja: *änderngeh*
:danke:
Titel: Re:Strafen oder Ignorieren
Beitrag von: hyxc am 25. März 2011, 23:53:11
@ Bettina,
Dein "Klingeln, Klopfen, Tür einschlagen"-Beispiel ist prima!

@ Katja
Zitat
Wie würdet ihr zum Beispiel rangehen, wenn ein Pferd wirklich problematisch ist und gelernt hat, gegen den Menschen zu agieren? Da stelle ich mir das recht schwierig vor, schon allein, um den entsprechenden Abstand zu wahren.


Sicherheit geht vor! Wenn ein Pferd so problematisch ist, wie du schreibst, würde ich am Anfang nicht in direktem Kontakt mit ihm arbeiten. Auch wenn man befürchtet, dass Pferd beim Konditionieren etwas fordernd werden würde, ist es besser, das Pferd hinter einer Absperrung zu haben. Bei der Arbeit mit einem Targetstick kann man Pferd auch gut auf Abstand arbeiten.

Wenn ein problematisches Pferd gelernt hat (und das geht nicht von jetzt auf nachher), dass ihm mit Clickertraining eine Menge Möglichkeiten offen stehen, sich Leckerlis zu verdienen, und Fehler (die Pferd womöglich gar nicht als Fehler erkannt hat) keine Strafe nach sich ziehen, wird es auch motivierter an die Arbeit mit dem Menschen rangehen und sich mehr um die erwünschte Mitarbeit bemühen. Auch das geht natürlich nicht von 0 auf 100.
Titel: Re:Strafen oder Ignorieren
Beitrag von: Puschel am 26. März 2011, 10:11:53
Vielen Dank für die tollen, ausführlichen Antworten. Das stellt schön die Einstellung insgesamt dar.

Bezüglich NH, hab zwar nie wirklich nach Parelli gearbeitet, aber auch mit einem ähnlichen Ansatz. Ehrlich gesagt sogar noch eine Stufe strenger, also fragen dann gleich fordern, ohne Zwischenschritt, weil mir das zuviel Schwammiges war. Abgesehen davon, dass man dadurch in erster Linie ein gehorsames Pferd bekommt, ist mein größtes Problem dabei die konstante Dosierung. Also wirklich konsequent das ganze immer durchzuziehen. Ich denke, da wird die Umstellung auf Clickertraining mein Pferd enorm freuen. Er ist kein kadavergehorsames Pferd, sowas finde ich auch ganz schrecklich (hab sowas in den USA schonmal bei einem Trainer erleben müssen), aber so richtige kreativ kann er auch nicht sein. Und ich auch nicht finde ich...
Also der Anfang in meinem Kopf ist schon gemacht :dops:

Hätte noch eine Frage: Ich mag es gern, wenn mein Pferd einen gewissen Mindestabstand hat von mir, also grundsätzlich nicht in meine Intimbereich reindrängelt (da ist aber wieder das Problem mit der Konsequenz :oma:) und wenn es mir zu bunt wird, schicke ich ihn aktiv mit Strick und wenn das nicht hilft Krach von mir weg. Reicht das dann in Zukunft, ihn zu clickern, wenn er weiter weg ist? Oder sollte ich grundsätzlich nur Clickern wenn er nicht gerade auf meinem Schoß sitzt? Ist das für das Pferd wirklich verknüpfbar?

Danke nochmal für die Hilfe, find es echt schön hier im Forum :umarm2:
Titel: Re:Strafen oder Ignorieren
Beitrag von: Ehemaliges Mitglied 160 am 26. März 2011, 10:47:37
Da arbeite ich bei meinem Phönix auch gerade dran.
Mich stört es zwar nicht, wenn er auf Anlehnung läuft, aber ich habe das Gefühl, dass es für unsere Arbeit eher hinderlich ist. Phönix kennt im Moment nur ganz dicht, oder ganz weg.
Ich arbeite da mit seinem Target. So halte ich ihn auf Abstand und es wird auch noch belohnt.
Und ich habe bemerkt, dass er inzwischen viel weniger Stress hat, wenn ich ihn führe.
Er hält so laaaangsam von alleine einen gewissen Abstand. Muss sich nicht mehr immer anlehnen.
Er merkt, auch einen halben Meter von mir weg, passiert ihm nichts.
Ein Wahnsinns Fortschritt für Phönix.
Wenn das bei ihm klappt, dann ja vielleicht auch bei Pferden, die nicht seine Probleme haben?
Titel: Re:Strafen oder Ignorieren
Beitrag von: Bettina am 26. März 2011, 20:53:40
Bei Pferden die nicht generell "gern aufm Schoß sitzen", sondern es nur hin und wieder mal vergessen, dass sie da keinen Platz haben, kann man ja auch einfach ein Weichen der Schulter auf Hand anlegen oder so clickern. Das kann man sich vorher erarbeiten und wenn einem das Pferd dann zu sehr auf die Pelle rückt, erinnert man mit der Hand an Schulter einmal dran und gut ist.
Zumindest kann ich mir vorstellen, dass das so klappt... :grinwech:
Titel: Re:Strafen oder Ignorieren
Beitrag von: Muriel am 30. März 2011, 11:00:56
Hi,
ich finds toll dass Du jetzt so konsequent umdenken möchtest :keks:

bzgl Abstand: ich habe bei Mirko (und jetzt auch bei Jack) schon das Wegblicken bestärkt, das führte dann mit der Zeit (konsequent bei jedem Führen dran gearbeitet) innerhalb von vier Wochen zu einem konstant eingehaltenen Abstand bei Mirko. Vorher haben wir das jahrelang mit Wegschicken usw versucht, hat nix genutzt (ich hab mich auch immer wieder angelehnt, wie ich dann merkte...  :roll: )
Titel: Re:Strafen oder Ignorieren
Beitrag von: cinnamon am 09. Dezember 2011, 18:10:19
 Rules of Punishment

http://servicedogsawyer.blogspot.com/2009/03/rules-of-punishmentfood-for-thought.html

"If you can't follow all 8 of these rules, you're probably better off avoiding the use of punishment. Heck, even if you can follow all 8 rules, you're probably better off avoiding the use of punishment, as punishment can result in so many unintended and undesirable side effects."
Titel: Re:Strafen oder Ignorieren
Beitrag von: Melli am 10. Dezember 2011, 13:51:03
sehr guter Beitrag :nick:
Titel: Re:Strafen oder Ignorieren
Beitrag von: Mannimen am 10. Dezember 2011, 18:45:30
Könnte jemand von den Englischprofis davon eine kurze Zusammenfassung auf deutsch geben? :bitte2:
Titel: Re:Strafen oder Ignorieren
Beitrag von: Bettina am 10. Dezember 2011, 18:54:50
Ich übersetz es dir nachher, Manni. (Jetzt koch ich erstmal was zu Essen. ;))
Titel: Re:Strafen oder Ignorieren
Beitrag von: Ehemaliges Mitglied 293 am 10. Dezember 2011, 19:09:51
Sehr nett von dir Bettina  :cheese:
Titel: Re:Strafen oder Ignorieren
Beitrag von: Bettina am 10. Dezember 2011, 19:11:00
Zitat
Acht Regeln für die Verwendung von Strafe:

1. Die Strafe muss etwas sein, das das Tier nicht mag und etwas, das das Tier nicht erwartet.

2. Die Strafe muss das Verhalten unterdrücken [im Dt. vielleicht besser: verhindern und/oder stoppen]. (Dies ist ohnehin die Definition von 'Strafe'.) Wenn etwas zur Bestrafung eingesetzt wird, aber das Verhalten nicht verhindert, ist es somit wirkungslos und oft einfach nur Missbrauch.

3. Die Strafe muss die genau passende Intensität haben. Zu viel und es wird negative Folgen [ich weiß nicht, ob das eine gute Übersetzung für 'negative fallout' ist?] haben. Sie werden so am Ende Ihre Beziehung zu dem Tier beschädigen und mehr verlieren als nur das [ungewünschte] Verhalten. Zu wenig, und die Strafe wird nur dazu dienen, das Tier zu desensibilisieren und Widerstand aufzubauen.

4. Die Strafe muss sofort nach dem Verhalten, mit dem sie in Zusammenhang stehen soll, geschehen. Andernfalls wird keine ausreichend klare Verbindung zwischen dem falschen Verhalten und der Strafe gezogen.

5. Die Strafe soll mit dem Verhalten, nicht aber mit dem Trainer in Verbindung gebracht werden. Sonst wird der Trainer ein Teil der Strafe und das Tier beginnt Angst und Abneigung gegenüber dem Trainer zu entwickeln.

6. Die Strafe muss immer geschehen, wenn das Verhalten auftritt. Wenn Strafe nicht konsequent folgt, wenn das Problem auftritt, wird das Verhalten auf diese Art und Weise variabel bestärkt. Abhängig vom Verhalten und davon, wie oft die Strafe tatsächlich auftritt, könnte das Tier daher beschließen, dass die Durchführung des Verhaltens das Risiko, bestraft zu werden, wert ist.

7. Es muss eine Alternative für das Tier geben.

8. Strafe darf nie in dem Maße genutzt werden, dass sie die positive Verstärkung überwiegt (aus der Perspektive des Tieres, nicht nicht aus Ihrer!).

Wenn Sie diese 8 Regeln nicht alle befolgen können, sind Sie wahrscheinlich mit der Vermeidung von Strafe besser dran. Und, verdammt: Auch wenn Sie alle 8 Regeln befolgen können, sind Sie wahrscheinlich mit der Vermeidung von Strafe besser dran, da diese in so vielen unbeabsichtigten und unerwünschten Nebenwirkungen resultieren kann.

übersetzt aus: http://servicedogsawyer.blogspot.com/2009/03/rules-of-punishmentfood-for-thought.html

Diese Angaben wie immer alle ohne Gewähr. :grinwech:
Titel: Re:Strafen oder Ignorieren
Beitrag von: Mannimen am 10. Dezember 2011, 21:52:41
Großartig!
 :keks:
Herzlichen Dank Bettina
Titel: Re:Strafen oder Ignorieren
Beitrag von: Bettina am 10. Dezember 2011, 21:56:20
Gern. :)
Titel: Re:Strafen oder Ignorieren
Beitrag von: cinnamon am 10. Dezember 2011, 21:57:09
(http://i107.photobucket.com/albums/m319/aelaan/emoticons/mixpoints.gif)

(den letzten smiley bitte zu ignorieren ;-))
Titel: Re:Strafen oder Ignorieren
Beitrag von: cinnamon am 14. Dezember 2011, 17:45:42
ein weiteres video von sophia yap:

http://www.youtube.com/watch?v=_f77lDaAsoQ

Zitat
Is punishment a functionally feasible method of causing change in behavior? In this video, we will explore some of the functional limits with using punishment as a tool to effect behavioral change and what these implications mean.

da geht`s darum, den einsatz von strafe nicht nur unter ethischen und moralischen aspekten zu durchleuchten, sondern auch hinsichtlich effizienz und wirksamkeit.
sie erklärt den unterschied zwischen pos./neg. strafe - etwas unangenehmes addieren/etwas angenehmes entziehen - und was passiert, wenn man einen konditionierten stimulus mit einem unkonditionierten aversiven reiz kombiniert, nämlich genau das, was auch im echten leben passiert fernab von laborbedingungen: der mensch wird zum konditionierten signal für strafe, was sich zb. darin bemerkbar macht, dass tiere unter abwesenheit unerwünschtes verhalten zeigen, da das nichtvorhandensein des menschen ein signal für die abwesenheit von strafe ist.
das beeinträchtigt die beziehung zwischen tier und mensch, da hier eine starke emotionale komponente mitspielt.

weiters zeichnet sie einen vesuch auf, in dem einer ratte das betätigen eines hebels abtrainiert werden soll, das zuvor gelernt wurde.
in versuch eins geht dem strafreiz - in dem fall ein elektroschock - ein signal, ein konditionierter stimulus, voraus, in versuch zwei wird der schock ohne vorankündigung ausgeführt. eine verhaltensänderung wird vor allem in versuch zwei statt finden, da das tier keine information erhält, ob strafe stattfindet. lernen ist stark  mit überraschenden elementen und unvorhersehbarkeit verknüpft (was auch mit ein grund dafür ist, warum man das futter vor dem click nicht in die hand nehmen sollte, anm. von mir ;-)).

in der praxis ist es relativ schwierig bis unmöglich, strafe frei von konditionierten reizen zu halten, da man selbst als mensch selten strafe einsetzen kann, ohne selber physisch anwesend zu sein. (selbst beim gebrauch von sprühhalsbändern oder shock collars geht dem aversiven reiz das konditionierte signal halsband voraus, was zb. den einsatz eines halsbanddummies notwendig macht, damit der hund nicht weiß, wann er ein sprühhalsband oder teletakt trägt und wann nicht - anm. von mir).

strafe ist dann effizient, wenn jede ausführung abgestraft wird.  im echten leben wird das nicht klappen, weil man nicht anwesend ist oder nicht schnell genug beim tier. in dem fall ist +s kein effektives werkzeug, um ein verhalten einzudämmen, wenn man es nicht jedes mal korrigieren kann. (im gegenteil, es wird sogar noch variabel verstärkt - anm. von mir).

strafe kann habituiert werden. setzt man tiere  schwachen stromreizen aus, findet eine gewöhnung daran statt. 
strafe sollte deshalb von der ersten ausführung an stark und heftig sein, damit keine gewöhnung stattfinden kann.
es ist nicht effizient, strafe in milder form zu geben und dann zu steigern, da man dadurch habituation provoziert.

strafe alleine genügt nicht - es müssen altrnativen zur verfügung stehen, die stattdessen in anspruch genommen werden können und belohnt werden.

strafe wird nicht immer richtig interpretiert bzw. kann auch belohnend wirken. wenn man tiere nur dann korrigiert, wenn sie etwas falsch machen, nicht aber für richtiges belohnt, kann dieses schenken von aufmerksamkeit, das es nur für unerwünschte handlungen gibt, ein verhalten sogar verstärken. klassisches beispiel: hund liegt unter`m tisch, wird ignoriert, hund springt auf, bekommt aufmerksamkeit.
Titel: Re:Strafen oder Ignorieren
Beitrag von: verena am 14. Dezember 2011, 19:38:53
Super Zusammenfassung, Danke! :thup: