Clickerforum

Clickertraining im Alltag => Kurland-Arbeit => Thema gestartet von: solera am 15. Juli 2011, 11:28:26

Titel: Sinnhaftigkeit Kurland-Übungen? Was steckt dahinter?
Beitrag von: solera am 15. Juli 2011, 11:28:26
Weil Heike und ich anderswo gerade ins philosophieren gekommen sind:

Aber das ist tatsächlich das Spannende an den Kurlandübungen (und der Grund warum ich mich seit Jahren damit beschäftige). Weil sie dem Pferd eben Möglichkeiten eröffnen.

jetzt mal nur meine persönliche meinung: wenn ich das kurland-reitbuch anschaue finde ich auf jedem einzelnen foto den beweis, dass das pferd trotzdem läuft. ich sehe ein, dass das in sachen balance-schulung für's pferd hilfreich ist, aber nicht weil ich es in balance bringe, sondern weil ich seine balance herausfordere. frau kurlands können als clickertante in allen ehren und ich bin sicher, dass es andere sachen gibt wo sie weit voraus ist, aber aus biomechanischen gesichtspunkten ist es nicht wirklich durchdacht.

das sollte auch kein "das muss man dann so tun" Beitrag sein.  ;)

ich hab's schon verstanden... ich hab auch deine bilder gesehen, die dann doch wieder anders aussehen, aber das fällt unter man sieht sich aus prinzip alles an und behält das beste und vor allem das was zu pferd und reiter/ ausbildner/ der-mit-dem-clicker-tanzt passt ;)

Das Hauptproblem an dem Buch finde ich die permanente Anwesenheit der "Pose", die als Mittel eingesetzt wird - ein Grund warum sich das Buch hierzulande nicht wirklich durchsetzen würde, und das zu Recht. Da gibt es auch Sequenzen die ich nicht so schön finde. Und um zu verstehen, dass das Endergebnis eben nicht so aussehen muss wie auf vielen Bildern muss man sich halt wirklich in der Praxis damit beschäftigen. :nixweiss:

Die Vorgehensweise von A. Kurland gibt einem Werkzeuge an die Hand. Wie man die dann einsetzt ist jedermanns Sache.
Ich sehe schon, dass die Übungen die Balance verbessern.

edith: och! das war gar nicht für mich? schade! aber im prinzip sehen wir offensichtlich das gleiche. ;)  :umarm:

Achso, nein, das war für Stefanie gedacht, aber ist ja eh mein Prinzip. :cheese:
Und ich würde halt zu gerne die Kurlandübungen weiter bekannt machen, aber ohne geeignetes Bildmaterial ist das halt schwer. Jeder guckt sich die Bilder an, und zumindest die hierzulande "gut klassisch vorgebildeten" Leute winken dann dankend ab und stopfen es in die "auch Müll" - Schublade.
sehr schade, aber völlig verständlich.  :-[

ich muss ehrlich zugeben, dass ich zu beginn dachte "da schau her! rollkur und falschen knick kann man clickern auch." und mir nur wenige übungen zu gemüte geführt hab, aber die paar passen einfach nicht zu meiner philosophie, weil zb. ein "single-reign-stop" für mich ausschließlich eine berechtgung hat wenn das pferd beim ausreiten durchgeht und ich es vor der straße eindrehe, damit ich's über die außenschulter quasi "umschmeiße" - und selbst da würd ich es zunächst anders probieren. wobei ich aber einsehe, dass es für die balance des pferdes einiges bringt, wenn man's in einem kontrollierten umfeld mache... nur wozu? wenn ich durch simples reiten ein besseres gefühl für "das ist mitte" vermitteln kann. für mich persönlich macht es auch keinen sinn, dass das pferd auf gewickelte und gefaltene stricke reagiert. ich bin aber - falls ich da was überblättert hab, ganz ohr... in einem anderen thread :cheese: sorry für OT :tschul:
@solera,
huch "umschmeißen"?? nee, da hast du wirklich mehrere Seiten überrsprungen oder vielleicht Begriffe missverstanden. Die Mechaniken dieser "Notbremse fürs Gelände" werden erst im Stehn, dann vom Boden, dann von Oben in so dermaßen kleinen Schritten durchexerziert, dass das Pferd nie aus dem Gleichgewicht kommt und dass sie selbst kleiner sind als die Abkauanfragen eines PK oder so. Und auch die Strick- und Häkeltechniken sind eigentlich nichts anderes als der Versuch menschliche und pferdische Körpervoraussetzungen so sinnvoll u fein zu (be)nutzen, dass nie Kraft oder Aussschließlichkeit verwendet wird, gerade um dann von oben auch eine noch feiner KOmmunikation über die Zügel zu ermöglichen.
So! Hier sind wir nun und erzählen uns gegenseitig wie wir was verstehen  :cheese:
Titel: Re:Sinnhaftigkeit Kurland-Übungen? Was steckt dahinter?
Beitrag von: solera am 15. Juli 2011, 12:27:47
neinein, franzi! ich hab schon verstanden, dass ich da nicht unbedingt massiv einwirke und dass ich das im stehen mal aufbaue. für mich birgt aber jede einseitige zügelhilfe, die nicht im geamtkontext mit dem rest der hilfengebung gesehen wird (auch PK's abkauen) die gefahr das pferd im widerristbereicht zu knicken. durch den knick verlagert sich das gewicht, das von den schultern getragen wird nach außen und verhindert eine bewegung nach vorne, weil das pferd müsste mit "verdrehten" schultern vorwärts. das sagt per se mal die biomechanik und das ist es auch was wir bei dem "durchgehernotstop" ausnutzen. einzige ausnahme ist das pferd, das ohnehin sofort selektiv im genick nachgibt und genau da brauch ich das nicht. --> vgl. dazu eine wendung die mit dominantem innenzügel geritten wird wo das pferd über die außenschulter abdriftet.
der schlüssel zu den PK'schen abkauübungen ist nämlich auch die gewichtsverteilung des reiters und der bedachte einsatz des außenzügels, der einerseits so viel nachgibt, dass er die stellung erlaubt und andererseits so weit dran ist, dass er die schultern stabilisiert und das selektive nachgeben im genick ermöglicht durch das fixieren der schultern. ob ich nach oben oder nach hinten ziehe macht ja auch noch einen unterschied in der bewegungsmechanik der schulter, weil für mich rein aus prinzip jede bewegung der hand, die ich als hilfe brauche seitlich vom pferd weg und/ oder nach oben geht. runter drücken und nach hinten ziehen kommt im bewegungsfluss einem "abwürgen" gleich und keiner gerittenen parade.
leider kann man es da dann nicht mehr als "single-rein-stop" bezeichnen.

edith: was ich im zusammenhang mit balanceschulung erkennen kann ist, dass das pferd quasi "bewusst" aus der balance gebracht wird im kontrollierten umfeld (also im stehen) um es dazu zu bringen, dass es von sich aus besser auf die balance schaut, aber das ist jetzt nicht unbedingt reiten im sinne der reitlehre wo man eben durch den rest der hilfen die stabilität rein bringen muss und statt einem "schau, das ist schief!" (one-rein) ein "schau, das ist jetzt gerade" (gewichtshilfen klassische reiterei) verwendet.
Titel: Re:Sinnhaftigkeit Kurland-Übungen? Was steckt dahinter?
Beitrag von: penelope am 15. Juli 2011, 13:13:03
Ich hab wohl ein eher ungewöhnliches Problem mit den Kurland-Übungen:  ich find einige davon echt gut - hab aber keine Ahnung wie ich das Clickern sollte?  :cheese:

Aufgrund von Muriels Videos hab ich mit meiner alten Stute öfter mal ein paar gemacht und war wirklich erstaunt, wie gut sich mein Pferd dabei hebt und wie locker die Schultern werden, aber ich hab das  einfach "ganz normal" über Körpersprache eingeleitet.

Nun ist meine Stute auch früher viel am Boden gearbeitet worden und kennt klassische Arbeit an der Hand. Nur hätte ich kaum eine Ahnung, wie ich so komplexe fließende Bewegungen clickern sollte  :P
Titel: Re:Sinnhaftigkeit Kurland-Übungen? Was steckt dahinter?
Beitrag von: verena am 15. Juli 2011, 13:51:51
Was mir immer wieder auffällt ist , daß es unheimlich schwer ist über Kurland-übungen zu reden, wenn man sie nicht a) selbst körperlich erlebt hat oder b) sie  mit dem Pferd selbst unter professioneller Anleitung gemacht hat und zwar von Anfang an. Und noch einen wesentlichen weiteren Schritt der Klarheit dieses Gesamtkonzeptes gibt dann A. Kurland selbst. Da sind mir dann nochmals die Augen geöffnet worden bzgl. Sinn und Zweck und Mechanik dieser Übungen, obwohl ich mich vorher schon sehr viel von Anfang an mit dem Buch beschäftigt habe und auch Heike mir praktisch zur Seite gestanden ist. Wie soll man zB. die Stricktechnik richtig erklären, wenn man sie nicht wirklich selbst mal als Pferd erfühlt hat? Da ist es unheimlich schwer zu erklären, daß da wirklich kein Druck oder auch nur ein bißchen ungutes Gefühl im Spiel ist, sondern man sich wunderbar sicher geleitet fühlt bei völlig freier Entscheidungsfähigkeit.
Aber ich finde den  Fred trotzdem toll , wenn auch sehr anspruchsvoll! :cheese:
Titel: Re:Sinnhaftigkeit Kurland-Übungen? Was steckt dahinter?
Beitrag von: Malika am 15. Juli 2011, 15:32:48
Was mir immer wieder auffällt ist , daß es unheimlich schwer ist über Kurland-übungen zu reden, wenn man sie nicht a) selbst körperlich erlebt hat oder b) sie  mit dem Pferd selbst unter professioneller Anleitung gemacht hat und zwar von Anfang an. Und noch einen wesentlichen weiteren Schritt der Klarheit dieses Gesamtkonzeptes gibt dann A. Kurland selbst. Da sind mir dann nochmals die Augen geöffnet worden bzgl. Sinn und Zweck und Mechanik dieser Übungen, obwohl ich mich vorher schon sehr viel von Anfang an mit dem Buch beschäftigt habe und auch Heike mir praktisch zur Seite gestanden ist. Wie soll man zB. die Stricktechnik richtig erklären, wenn man sie nicht wirklich selbst mal als Pferd erfühlt hat? Da ist es unheimlich schwer zu erklären, daß da wirklich kein Druck oder auch nur ein bißchen ungutes Gefühl im Spiel ist, sondern man sich wunderbar sicher geleitet fühlt bei völlig freier Entscheidungsfähigkeit.
Aber ich finde den  Fred trotzdem toll , wenn auch sehr anspruchsvoll! :cheese:

Das hat's schön zugefasst, find ich!  :click:
*auchgerneHeikesPferdwar*  :cheese:
Titel: Re:Sinnhaftigkeit Kurland-Übungen? Was steckt dahinter?
Beitrag von: Muriel am 15. Juli 2011, 17:18:09
Wie soll man zB. die Stricktechnik richtig erklären, wenn man sie nicht wirklich selbst mal als Pferd erfühlt hat? Da ist es unheimlich schwer zu erklären, daß da wirklich kein Druck oder auch nur ein bißchen ungutes Gefühl im Spiel ist, sondern man sich wunderbar sicher geleitet fühlt bei völlig freier Entscheidungsfähigkeit.
danke Eni!!!!
Das ist genau der Grund warum ich so gerne durch halb Europa toure, um das Gefühl zu vermitteln, weil es ohne kaum geht. Als ich begonnen habe damit zu experimentieren habe ich mich gegen einige Punkte gewehrt und diese ausgelassen und bin dennoch schon mal zu einem guten Ergebnis gekommen: Alexandra stand da und war hocherfreut: Genauso sollte es aussehen - und das nur von ihren DVDs her und aus dem Buch zusammengereimt.
Es bedurfte aber noch fast zwei Jahre mehr, in denen ich mehr und mehr (auch durchs Erklären) das Wesen der Stricktechnik erfasse und warum es eigentlich so funktioniert, bzw was da passiert.

Zitat
Aber ich finde den  Fred trotzdem toll , wenn auch sehr anspruchsvoll! :cheese:
äh, ja. Ich werde also den Versuch machen, das kurz zusammenzufassen, was in zwei Büchern und auf 18 DVDs (mit 2 bis vier DVDs im Set) erklärt wird. Und dem Wissen dass es vergeblich ist, Gefühl zu beschreiben. *seufz*

Könnte ein wenig dauern.  :cheese:
Titel: Re:Sinnhaftigkeit Kurland-Übungen? Was steckt dahinter?
Beitrag von: verena am 15. Juli 2011, 17:53:29
@Heike:  :keks: schon mal im Voraus!
Titel: Re:Sinnhaftigkeit Kurland-Übungen? Was steckt dahinter?
Beitrag von: cinnamon am 15. Juli 2011, 17:56:10
 :cookiesbig: :cheerleader: :gogo:
Titel: Re:Sinnhaftigkeit Kurland-Übungen? Was steckt dahinter?
Beitrag von: Muriel am 17. Juli 2011, 12:46:40
Ohje, Vorschusskekse  :schwitz2: na dann mal los:  :tipptipp:

Ein grundlegendes Prinzip der Übungen ist, dass zuallererst die Ansprache so klar ist, dass das Pferd den zugrundeliegenden Gedanken begreift.
Das wird über stetige Wiederholung und Pattern (Muster) erreicht sowie über exakte, klare Hilfengebung.
Dann wird der Grundsatz "Set it up and wait" befolgt, also eine Situation erstellen und dann warten was das Pferd damit anstellt, ohne den Druck zu verstärken oder die Situation zu verändern.

Das sind, so wie ich es derzeit verstehe, die ganz grundlegenden Prinzipien die in allen Übungen zu finden sind.
Und natürlich der Weg der kleinen Schritte, der so aussieht, dass im Reitbuch zb alleine 80 Seiten zu finden sind, bis es überhaupt das erste Mal an das Thema Reiten geht.
Alle Übungen werden dem Pferd vom Boden aus erklärt, und dann unter dem Sattel wiederholt. So kann das Pferd die Übung und das Muster erkennen, und dann wird nur das Kriterium "Reiter" bzw "Mensch von oben" hinzugefügt.

das bedeutet, dass manche Übungen mit mehr Druck ausgeführt werden müssen, wenn sie vorher nicht hinreichend erklärt wurden, und das bedeutet ebenfalls, dass im Prinzip nichts Grobes mehr übrig bleibt, sondern im Gegenteil eine ausserordentlich feine Verbindung hergestellt wird, wenn die Schritte richtig vorbereitet und durchschritten werden.
Das bedeutet, dass sehr viel Intensität in die Vorbereitung des Reiters und seinen Sitz, seine "Einwirkung", seine Körperhaltung usw gelegt wird. Auch hierzu gibt es viele Übungen vom Boden und "Mensch zu Mensch"-Übungen, indem man die Handgriffe und Bewegungen übt, ohne das Pferd damit zu belasten.
Ähnlich wie Bob Bailey in den Chickencamps die TN erstmal in 15 Einzelschritten zerlegt das Huhn aus dem Käfig holen liess, bevor jemand überhaupt mit einem Huhn arbeiten durfte.

Habe ich diese ganze Vorbereitung nicht und setze gleich mit dem an, was Du, Solera, als "One Rein Stop", also den einseitigen Zügel-Stop, verstehst, kann da nur was Grobes bei herauskommen, bei dem das Pferd eben schlichtweg aus der Balance gebracht wird und irgendwie bremst, indem es herumschleudert.
Das lässt sich dann vergleichen mit jemandem der eine Piaffe hervorbringen will, indem er vorne festhält und hinten draufklopft. Wird bei jemanden, der sich und das Pferd in Jahren der Vorbereitung an diesen Punkt gebracht hat, das gleiche Tun sein, aber deshalb ist es noch nicht das selbe.


Wie fangen wir an?
Die Grundlage für alles ist die Strick-Technik. Es geht darum, über den Strick eine feine Kommunikation aufzubauen, da diese Arbeit in direkter Linie zum Reiten mit Zügel führt.
Möchte man Reiten ohne Zügel, muss man das nicht so machen, aber hier geht es um die Arbeit mit Zügel, also wird auch darauf hingearbeitet.

Wenn ich jemandem die Technik erkläre, beginne ich damit, an einem Strick entlangzustreichen. Mein Gegenüber hält das Ende in Händen und spannt alle Muskeln an - und soll mir sagen, wann er mich kommen fühlt.
Das Gleiche mit lockerer Muskulatur macht zum Einen dem Menschen den Unterschied bewusst, was das Pferd fühlen kann wenn es auf "Empfang" und Lockerheit eingestellt ist, und zum Anderen, dass er mehr und mehr sich auf das Gefühl konzentriert und es immer schneller wiedererkennt, auch wenn die Umstände dann wieder nicht so optimal sind (keine optimale Lockerheit).

ein weiteres wichtiges Element ist die eigene Körperhaltung (Stichwort: Schulterrotation), so dass der Mensch klar und balanciert steht und dem Pferd keine schwammige Rückmeldung gibt, sondern eine, die so klar wie möglich ist. (Stichwort: Lerne ein Pfosten zu sein)
Eben damit das eine Element, was jetzt gerade wichtig ist, für das Pferd auch erkennbar ist und so nur ein einziges Kriterium darstellt.
Dazu wird auch die sogenannte "T'ai Ch'i Wall" eingesetzt, die nichts weiter heißt als dass der Strick mit beiden Händen gehalten wird und zwischen beiden Händen gespannt bleibt. Das baut so ein Dreieck zwischen den Händen und den Schultern auf, was wiederum enorme Stabilität gibt. Falls ich mit dem Pferd diskutieren muss, gibt das eine komplett andere Rückmeldung: Der Mensch erscheint sehr stark und fest und stabil. Nehme ich diese Verbindung weg, erscheine ich schwach, weil ich dann mit Muskelkraft arbeiten muss.

Warum ist soviel Einsatz und soviel Gedanken über Kraft und Druck nötig?
Weil es Pferde gibt, die eben nicht zuhören. Die nicht mit :omm: und "würdest du bitte auf meine Körpersprache achten" zu führen sind. Diese PFerde ziehen dich weg, sie walzen über Dich drüber und sie sind gewohnt, über Kraft mit dem Menschen zu diskutieren.
dieser Ansatz ermöglich es mir, innerhalb von sehr kurzer Zeit dem Pferd klarzumachen, dass es nicht durch mich hindurchrennen kann, dass es ihm auch nichts passiert, weil seine eigene Energie einfach nur zurückgegeben wird. Die Energie soll nicht unterdrückt werden oder abgestellt, sie wird nur umgelenkt.

Bei Pferden die weniger Aktion hineinbringen oder von sich aus fein und achtsam sind, um so besser. Da kann ich direkt auf einem sehr feinen Level einsteigen und gleich um so feiner werden.

Denn das ist das weitere Prinzip: Sobald das Pferd die inneliegende Idee verstanden hat, ist es an mir, sofort meinerseits feiner zu werden und dem Pferd die Möglichkeit zu geben, auf weniger große Signale zu achten.
"Follow the Feel" - Folge dem Gefühl - ein Prinzip, das im NH auch angewandt wird (zumindest die Worte - der Inhalt ist glaub ich ein anderer) ist das, was es für mich ganz gut ausdrückt.

Dadurch erreiche ich innerhalb von relativ kurzer Zeit (wie kurz, hängt immer vom Pferd ab) eine Kommunikation über den Strick, bei der das blosse Anheben des durchhängenden Stricks und eine leichte Bewegung (vorwärts, seitwärts, rückwärts) des durchhängenden Stricks ausreicht, um mein Pferd zu bewegen.

Grundsatz ist aber natürlich, diese Sache in so kleinen Schritten wie möglich zu erklären und eben nicht mit beiden Füssen in den Druck hineinzuspringen.
Dazu beginne ich, indem ich mit beiden Händen am Strick entlangstreiche, die eine Hand geht zum Halfter bzw Strickhaken, die andere Richtung Schulter.
Dabei spanne ich den Strick zwischen den Händen und wenn meine Hände ihre Position gefunden haben, warte ich erst mal ab. Ohne etwas zu wollen.
Alleine das ist in den Trockenübungen für die meisten schon unglaublich schwer. Die Hand am Halfter kommt an und zieht sofort.
Nur da sein, nur den Kontakt aufzunehmen, nur eine gemeinsame Balance zu finden, in der man sich gegenseitig anlehnt und ohne große Muskelspannung oder Aufwand gemeinsam stehen - ist schon eine größere Herausforderung.

Wenn ich und das Pferd gemeinsam da sind und ich merke dass das Pferd dem keinen Widerstand entgegenbringt, dann kann ich anfangen, diese gemeinsam gefundene Balance zu stören, indem ich aus meiner Schulter heraus einen Impuls gebe, der das Pferd dazu bringt, sich rückwärts zu bewegen.
Ich glaub Cännsi kann hierzu was erzählen  ;) - diese Bewegung ist für umstehende nicht zu sehen, der Impuls ist ausserordentlich fein, und dennoch sehr machtvoll.
So fein kann ich nur sein, wenn das pferd zuhört. Tut es das nicht, wird das Ganze mit etwas mehr Kontakt ablaufen, aber das Prinzip ist das selbe.

ich fange immer mit Rückwärts an, weil es für das Pferd einfacher ist. Und weil es schon die erste Übung ist.

Wichtig ist, dass ich nur den Impuls setze. Ich lasse das Pferd nicht zurückgehen. Ich richte es nicht zurück, ich schiebe nicht. Ich störe seine Balance und es geht einen Schritt zurück, um sich auszubalancieren. In dem Moment wo es beginnt sich zurück zu orientieren, lasse ich schon komplett los und :click:
ich möchte die Balance vom Pferd nicht in dem Sinne stören, dass es sich vor dem Umfallen ausbalancieren muss. Es soll nicht hilflos sein, es soll in Folge mit Balanceveränderungen selbständig besser klarkommen.
Es wird seine Muskeln so organisieren, dass es in dieser Bewegung selbst leicht bleiben kann und weich.

Und hier sind wir bei dem nächsten Prinzip:
Ich initiere eine Bewegung. Durch die Wiederholung weiss das Pferd schon bald, was kommt. Und kann nun die Bewegung vorwegnehmen (antizipieren), das ist erlaubt und erwünscht. Und weil es die Bewegung nun selbständig ausführt, ist sie frei von der Spannung, die ich als Reiter sonst oft hineinbringe, wenn ich mit meinen Hilfen den Rahmen vorgebe (wie zb beim Rückwärtsrichten).

das gleiche Prinzip wende ich beim Zurückfüttern an. Das Pferd geht selbständig rückwärts, um an das Futter zu kommen. Dadurch kommt eine ganz andere Bewegungsqualität bei heraus als wenn ich es über die Hand vor der Brust zurückschiebe.
Titel: Re:Sinnhaftigkeit Kurland-Übungen? Was steckt dahinter?
Beitrag von: Muriel am 17. Juli 2011, 12:51:32
Frage: Erst Fragen hierzu oder erst weiterschreiben?
Titel: Re:Sinnhaftigkeit Kurland-Übungen? Was steckt dahinter?
Beitrag von: verena am 17. Juli 2011, 19:15:16
Danke Heike! :keks: Ich finde es wahnisnnig schwierig das alles in Worte zu fassen, finde auch , daß es klar rüberkommt :cheer:
Titel: Re:Sinnhaftigkeit Kurland-Übungen? Was steckt dahinter?
Beitrag von: eboja am 17. Juli 2011, 19:42:18
Auch von mir ein :keks:! Ich habe mich ja in letzter Zeit nochmal durch zwei von drei Kurland-Büchern gelesen und gerade wieder mit den DVDs angefangen. Bei der Masse an Information tut mir so eine "Zusammenfassung", die es auf den Punkt bringt sehr gut! :thup:
Titel: Re:Sinnhaftigkeit Kurland-Übungen? Was steckt dahinter?
Beitrag von: Ehemaliges Mitglied 43 am 17. Juli 2011, 21:52:15
Boaahhh Heike!!!
So ne Arbei! Toll, dass Du die die Zeit genommen hast!!
 :keks: :keks: :keks: :keks: :keks: :keks: :keks: :keks:
Titel: Re:Sinnhaftigkeit Kurland-Übungen? Was steckt dahinter?
Beitrag von: verena am 17. Juli 2011, 22:55:55
Habe angeregt durch Deine Zusammenfassung heute bei der Stricktechnik wieder vermehrt auf das Spannen des Stricks und die bone rotation geachtet und darauf den richtigen Kontaktpunkt zu finden und tatsächlich viel feinere und schönere Reaktionen bekommen. Tut immer wieder gut back to the roots zu gehen.... :rotw:
Titel: Re:Sinnhaftigkeit Kurland-Übungen? Was steckt dahinter?
Beitrag von: solera am 18. Juli 2011, 14:43:25
also... ich weiß jetzt nicht wie ihr das verinbart habt mit zuerst fragen oder zuerst weiterschreiben... ich picke mal raus was ich nicht ganz so verstehe.

vorweg mal: der einstieg und die grunprizipien sind klar. ich versteh auch, dass zunächst alles vom boden aus erklärt wird. Ich versteh die grunprinzipien der klassischen handarbeit – als trick für die „t'ai chi wall“ wäre noch das erden über die balancepunkte (akupressur niere 1) direkt hinter den fußballen zu erwähnen wodurch man wurzeln schlägt. hilft ungemein beim "nicht verschoben werden" und ist seeehhhr interessant beim reiten wenn man mal weiß, dass das der einzige punkt am fuß ist, der es mir erlaubt ohne bewusst daran zu denken, den klammerreflex der zehen auszuschalten und man der einfachheit halber seinen steigbügel ebenda platziert.
"Follow the Feel" - Folge dem Gefühl - ein Prinzip, das im NH auch angewandt wird (zumindest die Worte - der Inhalt ist glaub ich ein anderer) ist das, was es für mich ganz gut ausdrückt.
Nein, same thing, man schickt praktisch einfach energie zum pferd mit der man es a) wegschickt oder b) holt. Es geht beim seilwacheln nämlich eigentlich darum, dass ich dem pferd beibringe meine energie zu lesen.
Dadurch erreiche ich innerhalb von relativ kurzer Zeit (wie kurz, hängt immer vom Pferd ab) eine Kommunikation über den Strick, bei der das blosse Anheben des durchhängenden Stricks und eine leichte Bewegung (vorwärts, seitwärts, rückwärts) des durchhängenden Stricks ausreicht, um mein Pferd zu bewegen.
Mag jetzt provokant klingen, aber bitte wo ist dann der unterschied zum NH?

Nur da sein, nur den Kontakt aufzunehmen, nur eine gemeinsame Balance zu finden, in der man sich gegenseitig anlehnt und ohne große Muskelspannung oder Aufwand gemeinsam stehen - ist schon eine größere Herausforderung.
Das verwundert mich mal gar nicht. Es gibt einen grund warum ich aus prinzip mit 2 zügeln arbeite. Ich habe es oben schon ausgeführt wie es aussieht wenn man mit nur 1 zügel (hier 1 strick) nach innen eine hilfe (resp. Parade) gibt. Und natürlich sieht man die in der bewegung deutlicher, dass ich das gewicht auf die außenschulter knalle als im stand trotzdem ist es so - dank simpler physik. Und ich hab auch verstanden, dass ihr da nur mäßige paraden gebt (stichwort halten statt ziehen) dennoch – so fein es auch ist – veranlasst diese „anfrage“ dass die innenschulter in der vorwärtsbewegung gehemmt wird und das pferd von der weg driftet. Dem wird normalerweise mittels außenzügel entgegengewirkt. Man vergleiche dazu das gangbild eines pferdes das in [ironie] wunderschönster [/ironie] manier innen abgespielt wird. Man sieht eigentlich fast immer eine taktstörung am inneren vorderbein wenn das vorschwingen des beins zeitgleich mit der „parade“ kommt – es sei denn das pferd hat gelernt TROTZDEM zu laufen.
Das mit dem rückwärts finde ich ein wenig verwunderlich, wo man doch davon ausgeht, dass rückwärts einen höheren versammlungsgrad braucht als vorwärts und das hinterbein mehr hankenbeugung zeigen „sollte" verwunderlich in dem sinne, dass sonst doch so viel wert auf kleinschrittigkeit gelegt wird. Aber gut ist ja an sich egal ob vorwärts oder rückwärts.
ich möchte die Balance vom Pferd nicht in dem Sinne stören, dass es sich vor dem Umfallen ausbalancieren muss. Es soll nicht hilflos sein, es soll in Folge mit Balanceveränderungen selbständig besser klarkommen.
Es wird seine Muskeln so organisieren, dass es in dieser Bewegung selbst leicht bleiben kann und weich.
Gut, aber da sind wir doch genau da wo ich vorhin hin wollte – wo mir doch noch alle gesagt haben, dass ich das nicht verstehe -  frei übersetzt: ich bringe eine bewusste balancestörung rein, damit das pferd sich DANACH leichter tut, ich hab das wort „umfallen“ ja auch bewusst unter anführungszeichen gesetzt. Für das pferd ist es das – wenn auch im kleinen rahmen. Es ist doch schließlich allgemein bekannt, dass die mehrheit der pferde wenn man sie aus der balance bringt ebendieser hinterher laufen – und das sind auch balanceverschiebungen, die in etwa im selben grad ausfallen. Nur wenige ausnahmen bleiben stehen um sich wieder zu sammeln.
Aber sagen wir mal ich versteh das nicht - trotzdem ist dieses prinzip für mich(!) unverständlich! Warum in aller herrgotts namen soll ich die balance eines angehenden reitpferdes herausfordern? die mehrheit der angehenden reitpferde ist nun mal nicht mit einem quadratisch, praktisch, gutem körper gesegnet, dessen tiefer schwerpunkt ein natürliches gleichgewicht ermöglicht, sondern sind schiefe mulis, die schlicht und ergreifend hilfe brauchen ihren körper zu sortieren. wenn ich also dem pferd stattdessen ein gefühl von „das ist deine mitte“ vermitteln kann, ist das doch viel schlauer. Ich räume ein, dass man dafür schon ein bisschen wendungen reiten können muss, aber im sinne des pferdes ist es allemal.
das gleiche Prinzip wende ich beim Zurückfüttern an. Das Pferd geht selbständig rückwärts, um an das Futter zu kommen. Dadurch kommt eine ganz andere Bewegungsqualität bei heraus als wenn ich es über die Hand vor der Brust zurückschiebe.
Ich gebe schon zu, dass die idee nett ist, allerdings lad ich dich gerne ein mein pferd zurückzufüttern. das einzige was du kriegst ist rollkur in perfektion. Der geht mit dem kopf gar nicht mehr weg von der brust – nur zurück weicht er nicht 1mm. Das geht mit nasenlinie in der waagrechten - völlig problemlos. Ja, das ist eine andere bewegungsqualität, aber ich persönlich würde in dem fall die wählen wo ich das pferd zurückschicke und nicht zurückfüttere. Weil ich ein bisschen druck als das geringere übel einschätze als mit eingerolltem hals nach hinten schicken.
Mein persönliches fazit: ich hab's schon verstanden! In meinen augen ist es unlogisch und nicht sonderlich pädagogisch wertvoll. Ich kann's am boden noch halbwegs nachvollziehen, aber reiten funktioniert nun mal nicht mit nur 1 zügel – noch dazu wo ich verfechter der theorie bin, dass selbst wenn ich mit beiden zügeln arbeite mit deren hilfe lediglich der rahmen vorgegeben wird und der rest der arbeit mittels sitz und schenkel erfolgt. Ich brauche auch ab und an zügelhilfen, aber es ist mir bewusst, dass ich in solchen momenten schlichtweg versagt habe, weil der rest meiner hilfengebung ungenügend war.
Titel: Re:Sinnhaftigkeit Kurland-Übungen? Was steckt dahinter?
Beitrag von: Ehemaliges Mitglied 55 am 18. Juli 2011, 14:57:09
*lesezeichen* :) sehr spannend alles
Titel: Re:Sinnhaftigkeit Kurland-Übungen? Was steckt dahinter?
Beitrag von: Muriel am 18. Juli 2011, 14:57:14
Zitat
allerdings lad ich dich gerne ein mein pferd zurückzufüttern
Fein... wo wohnt Dein Pferd?  :dops: :dops:

Du greifst voraus, soweit war ich doch noch gar nicht *hinterherrenn*
Aber hier (am Schläppi) mag ich so lange Texte nicht tippen, deshalb muss das noch ein paar Minuten warten mit der ausführlichen Antwort.
Titel: Re:Sinnhaftigkeit Kurland-Übungen? Was steckt dahinter?
Beitrag von: solera am 18. Juli 2011, 15:11:43
Fein... wo wohnt Dein Pferd?  :dops: :dops:
50km süd-östlich von wien.
Du greifst voraus, soweit war ich doch noch gar nicht *hinterherrenn*
Aber hier (am Schläppi) mag ich so lange Texte nicht tippen, deshalb muss das noch ein paar Minuten warten mit der ausführlichen Antwort.
kein stress! lass dir ruhig zeit!  ;)
Titel: Re:Sinnhaftigkeit Kurland-Übungen? Was steckt dahinter?
Beitrag von: Ehemaliges Mitglied 43 am 19. Juli 2011, 09:43:18
Huhu Solera,

nur kurz - bin mir sicher, dass Heike (oder auch ich, wenn ich das mit dem Besuch vielleicht doch mal hinbekomme 8)) dein Pferdl rückwärts füttern können... 8) Das ging bisher mit allen, mit denen es nicht geht...

Solera als trick für die „t'ai ch'i wall“ wäre noch das erden über die balancepunkte (akupressur niere 1) direkt hinter den fußballen zu erwähnen wodurch man wurzeln schlägt. hilft ungemein beim "nicht verschoben werden"
Genau, auf diese Punkte hat Alex bei den LIvedemonstrationen auch hingewiesen. Und die sind es auch die beim TaiChiWalk "zum Tragen" kommen ;-)


Solera Es geht beim seilwacheln nämlich eigentlich darum, dass ich dem pferd beibringe meine energie zu lesen.
Das verstehe ich. Nur halte ich "Seilwacheln als Beginn der Erklärung schon für einen sehr viel invasiveren Weg etwas zu erklären, als "Kontakt aufnehmen" übern Strick im Stehen ;-)


Solera Mag jetzt provukant klingen, aber bitte wo ist dann der unterschied zum NH?
Der Unterschied ist, dass man dem Pferd die Zeit lässt im Zweifel 1000 Minibewegungen/Balanceverschiebungen auszuprobieren, bis die erwünschte dabei ist und das dann clickt. Ach ja, und positiv verstärkte Verhalten, werden in der Folge von selbst vermehrt angeboten. Beim NH wird gegbenenfalls die Druckstufe erhöht um möglichst schnell die erwünschte Reaktion zu erhalten.


Muriel Nur da sein, nur den Kontakt aufzunehmen, nur eine gemeinsame Balance zu finden, in der man sich gegenseitig anlehnt und ohne große Muskelspannung oder Aufwand gemeinsam stehen - ist schon eine größere Herausforderung.
Solera Dem wird normalerweise mittels außenzügel entgegengewirkt.
Das mit dem rückwärts finde ich ein wenig verwunderlich, wo man doch davon ausgeht, dass rückwärts einen höheren versammlungsgrad braucht als vorwärts und das hinterbein mehr hankenbeugung zeigen „sollte“… verwunderlich in dem sinne, dass sonst doch so viel wert auf kleinschrittigkeit gelegt wird. Aber gut… ist ja an sich egal ob vorwärts oder rückwärts.


Da bist du gedanklich schon viiiel weiter mit diesen "Versammlungs-Gedanken" - Hier, ganz zu Anfang sämtlicher Arbeit, geht es erstmal nur um "Lenkung" und darum von Anfang an die Idee zu installieren, dass Pferd vom Mensch nur einen Hauch von Idee bekommt und dann lernt sowohl mental als auch körperlich selbst zu agieren und herauszufinden was ihm den nächsten Click einbringt, bzw. was sich in der momentanen Situation auch körperlich gut anfühlt und zusätzlich noch bestärkt wird.

Muriel ich möchte die Balance vom Pferd nicht in dem Sinne stören, dass es sich vor dem Umfallen ausbalancieren muss. Es soll nicht hilflos sein, es soll in Folge mit Balanceveränderungen selbständig besser klarkommen. Es wird seine Muskeln so organisieren, dass es in dieser Bewegung selbst leicht bleiben kann und weich.
Solera  Warum in aller herrgotts namen soll ich die balance eines angehenden reitpferdes herausfordern? die mehrheit der angehenden reitpferde ist nun mal nicht mit einem quadratisch, praktisch, gutem körper gesegnet, dessen tiefer schwerpunkt ein natürliches gleichgewicht ermöglicht, sondern sind schiefe mulis, die schlicht und ergreifend hilfe brauchen ihren körper zu sortieren.

Naja, aus dem gleichen Grund, aus man ihm klassicherweise mit Zügeln, Sitz usw "hilft". - um ihn in Balance zu bringen.
Und noch einen Schritt weiter, damit er künftig gar nicht mehr die Balance verliert - AKs Methoden geben dem Pferd Hilfe zur Selbsthilfe ;-)
Die Idee ist wirklich die, dass Pferd lernt, mit den ganzen Balance-Irritationen alleine und mit einem suchenden, weichen, sicheren Körpergefühl fertig zu werden.
Die "Störungen" werden Schicht für Schicht so klein weiter gesteigert , dass Pferd die weiteren Herausforderungen durch den Menschen obendrauf oder die Bewegung oder die Kurven oder den Untergrund als nächsten Kleinen Schritt auch wieder selbstständig meistern wird...

Außerdem liegt dem Prinzip das Wissen darüber zugrunde, dass selbst Erlerntes sowohl körperlich als auch mental sicherer sitzt.
Stell dir vor du willst balancieren lernen (Slackline, Hochseil) und da der Mensch eben nicht dazu gemacht wurde, auf nem dünnen Seil zu tanzen, hilft dir jemand. Immer wenn du drohst, auch nur ein bissl aus dem Gleichgewicht zu kommen, richtet dich jemand wieder über deiner Mitte aus oder hält dich dort - die Frage ist doch, kannst du dadurch balancieren lernen?
Was ist, wenn der Helfer mal mit sich selbst beschäftigt war oder es nicht mitbekommen hat, dass gleich Balanceverlust droht? Was ist, wenn du alleine balancieren musst?Was ist wenn du anfangen willst mit dem Helfer zusammen auf dem Seil zu agieren oder zu hüpfen usw.?



Titel: Re:Sinnhaftigkeit Kurland-Übungen? Was steckt dahinter?
Beitrag von: solera am 19. Juli 2011, 14:50:04
Hallo franzi,

Erstmal herzlichen dank für deine antwort.
nur kurz - bin mir sicher, dass Heike (oder auch ich, wenn ich das mit dem Besuch vielleicht doch mal hinbekomme 8)) dein Pferdl rückwärts füttern können... 8) Das ging bisher mit allen, mit denen es nicht geht...
ist einen versuch wert - gerne!

Genau, auf diese Punkte hat Alex bei den Livedemonstrationen auch hingewiesen. Und die sind es auch die beim TaiChiWalk "zum Tragen" kommen ;-)
Gut, aber das IST schlichtweg gute bodenarbeit und ein geschultes körperbewusstsein, das per se nix mit der haltung des stricks zu tun hat. Zumindest nicht in dem sinne, dass das pferd auf die strickerei reagieren müsste, sondern das pferd reagiert auf die energie.

Nur halte ich "Seilwacheln als Beginn der Erklärung schon für einen sehr viel invasiveren Weg etwas zu erklären, als "Kontakt aufnehmen" übern Strick im Stehen ;-)
Ähm ich versteh schon, dass jeder von uns seine bilder und glaubenssätze im kopf hat, aber für mich ist „seilwacheln“ einfach der überbegriff für die ganzen NH-schulen und hat per se nix mit einer bewegung des stricks zu tun. ;)

Der Unterschied ist, dass man dem Pferd die Zeit lässt im Zweifel 1000 Minibewegungen/Balanceverschiebungen auszuprobieren, bis die erwünschte dabei ist und das dann clickt. Ach ja, und positiv verstärkte Verhalten, werden in der Folge von selbst vermehrt angeboten. Beim NH wird gegbenenfalls die Druckstufe erhöht um möglichst schnell die erwünschte Reaktion zu erhalten.
Hmmm… diese variante von kleinschrittigkeit mag ja unique sein, aber erklären ist schlicht und ergreifend basis jederlei guten trainings und – für mich (!) – kommt ein nachdrückliches nachfragen nur bei einem pferd in frage, welches verstanden hat worum's geht, das ich in die lektion gut reingeführt habe und wo trotzdem irgendeine variante von streik zutage tritt. Mein sparthakus lässt sich oft ein zweites mal bitten auf die frage ob man eine hinterhand braucht und wenn ja, wieviel die tun muss, aber das ist ein alter routinier, den es ab und an zwickt und der vom stehen nur noch mehr lahm wird -  ist blöd, aber ist so.

Muriel Nur da sein, nur den Kontakt aufzunehmen, nur eine gemeinsame Balance zu finden, in der man sich gegenseitig anlehnt und ohne große Muskelspannung oder Aufwand gemeinsam stehen - ist schon eine größere Herausforderung.
Solera Dem wird normalerweise mittels außenzügel entgegengewirkt.
Das mit dem rückwärts finde ich ein wenig verwunderlich, wo man doch davon ausgeht, dass rückwärts einen höheren versammlungsgrad braucht als vorwärts und das hinterbein mehr hankenbeugung zeigen „sollte" verwunderlich in dem sinne, dass sonst doch so viel wert auf kleinschrittigkeit gelegt wird. Aber gut -  ist ja an sich egal ob vorwärts oder rückwärts.


Da bist du gedanklich schon viiiel weiter mit diesen "Versammlungs-Gedanken" - Hier, ganz zu Anfang sämtlicher Arbeit, geht es erstmal nur um "Lenkung" und darum von Anfang an die Idee zu installieren, dass Pferd vom Mensch nur einen Hauch von Idee bekommt und dann lernt sowohl mental als auch körperlich selbst zu agieren und herauszufinden was ihm den nächsten Click einbringt, bzw. was sich in der momentanen Situation auch körperlich gut anfühlt und zusätzlich noch bestärkt wird.
Okeee?! Gut, dann lassen wir mal die bewegung weg und ich widme mich rein der tatsache, dass man am innenzügel zieht zum wenden: damit sind wir in der kategorie „absichtlich abhärten gegen schlechtes reiten“ und es bestätigt eher nochmal meine vermutung, dass oftmals der clicker zur „beschönigung“ eingesetzt wird. Die lenkung ist schlichtweg nicht über den innenzügel. Der innenzügel ist wenn dann einzig und allein zum stellen und kauen abfragen.

Muriel ich möchte die Balance vom Pferd nicht in dem Sinne stören, dass es sich vor dem Umfallen ausbalancieren muss. Es soll nicht hilflos sein, es soll in Folge mit Balanceveränderungen selbständig besser klarkommen. Es wird seine Muskeln so organisieren, dass es in dieser Bewegung selbst leicht bleiben kann und weich.
Solera  Warum in aller herrgotts namen soll ich die balance eines angehenden reitpferdes herausfordern? die mehrheit der angehenden reitpferde ist nun mal nicht mit einem quadratisch, praktisch, gutem körper gesegnet, dessen tiefer schwerpunkt ein natürliches gleichgewicht ermöglicht, sondern sind schiefe mulis, die schlicht und ergreifend hilfe brauchen ihren körper zu sortieren.

Naja, aus dem gleichen Grund, aus man ihm klassicherweise mit Zügeln, Sitz usw "hilft". - um ihn in Balance zu bringen.
Und noch einen Schritt weiter, damit er künftig gar nicht mehr die Balance verliert - AKs Methoden geben dem Pferd Hilfe zur Selbsthilfe ;-)
Die Idee ist wirklich die, dass Pferd lernt, mit den ganzen Balance-Irritationen alleine und mit einem suchenden, weichen, sicheren Körpergefühl fertig zu werden.
Die "Störungen" werden Schicht für Schicht so klein weiter gesteigert , dass Pferd die weiteren Herausforderungen durch den Menschen obendrauf oder die Bewegung oder die Kurven oder den Untergrund als nächsten Kleinen Schritt auch wieder selbstständig meistern wird...
Jetzt sind wir vermutlich bei meinen glaubenssätzen und bildern im kopf… :cheese:
Für mich (!) ist es hochverrat an dem mir anvertrauten (jung-)pferd. Ich bin quasi der tanzlehrer, der dem pferd beibringen soll, dass tanzen voll toll ist und gänzlich ungefährlich. Dazu darf ich ihm weder auf die zehen steigen noch irgendetwas tun, woraufhin er/ sie das gleichgewicht verliert oder auch nur im entferntesten in diese richtung kommt. Ich will ja schließlich, dass er/ sie vertrauensvoll mit mir tanzt in der sicherheit, dass so schwer das vielleicht auch ist, ich helf ihm/ ihr da durch.

Außerdem liegt dem Prinzip das Wissen darüber zugrunde, dass selbst Erlerntes sowohl körperlich als auch mental sicherer sitzt.
Stell dir vor du willst balancieren lernen (Slackline, Hochseil) und da der Mensch eben nicht dazu gemacht wurde, auf nem dünnen Seil zu tanzen, hilft dir jemand. Immer wenn du drohst, auch nur ein bissl aus dem Gleichgewicht zu kommen, richtet dich jemand wieder über deiner Mitte aus oder hält dich dort - die Frage ist doch, kannst du dadurch balancieren lernen?
Nein. Angst und unsicherheit sind gleich nach schmerz die schlechtesten lehrer. Es gibt schlichtweg mehr sicherheit wenn man bei neu zu erlernenden bewegungsmustern jemanden zur seite hat, der einen führt und gegebenenfalls vor dem fall bewahrt. Aus dieser sicherheit heraus, experimentieren die meisten jungpferde dann mit ihrem gleichgewicht - stichwort: flegelphase, takt erarbeiten, tempounterschiede, wendungen - in allen diesen aufgaben fangen jungpferde mit ihrem frisch gewonnen gleichgewicht zu experimentieren an wo du als hellfühliger reiter diese unterschiede durchaus deutlich spürst.


Was ist, wenn der Helfer mal mit sich selbst beschäftigt war oder es nicht mitbekommen hat, dass gleich Balanceverlust droht? Was ist, wenn du alleine balancieren musst?Was ist wenn du anfangen willst mit dem Helfer zusammen auf dem Seil zu agieren oder zu hüpfen usw.?
Das ist normalerweise auch in weiterer folge kein problem! Gehen wir mal vom anreiten aus: ich fang mal auf einer geraden im schritt mit groß angelegten wendungen an – für bloße 5-10min in denen ich doch konzentriert arbeiten sollte. Wenn ich dann merke, dass das pferd stabil genug läuft dass ich auch mal einen trab wagen könnte, kann ich meine „aufmerksamkeit“ im schritt ein bisschen zurückdrehen. Das ist halt so der klassiker mit der steigerung der ansprüche: irgendwann fängt man an beim „standard-repertoir“ weniger zu unterstützen, aber das variiert natürlich von pferd zu pferd - und ganz eigentlich erlaube ich mir nur, dass meine aufmerksamkeit von 100% auf 80% zurückfahren darf, weil ich da sein muss wenn das pferd mich braucht – wofür ist man denn ein team? Lektionen funktionieren schlichtweg nur wenn ich sie reite – wenn ich zu blöd dafür bin oder nicht aufmerksam genug, dann muss ich damit rechnen, dass es nicht funktioniert – und ein gutes lehrpferd tut es dann auch nicht. Bin ich nicht in der tagesverfassung dafür, dann gibt's halt einfach ein leichteres programm oder ich geh spazieren oder sonstwie seele baumeln lassen.
Titel: Re:Sinnhaftigkeit Kurland-Übungen? Was steckt dahinter?
Beitrag von: Ehemaliges Mitglied 43 am 19. Juli 2011, 15:13:19
Hihi Solera,
weißt was - ich glaube wir sind eigentlich ziiemlich nah beieinander mit unseren Grundsätzen und Ideen  ;) :rotw: Wir packen da halt noch die in den letzten Jahren gewonnenen Erkenntnisse und Erfahrungen mit drauf, die zu unserer (vielzitierten 8)) Clickerphilosophie geführt hat.
Was Du schreibt erinnert mich zum Teil an das was ich ca vor 4 Jahren auf der Liste manchmal beschrieben/gesucht habe  8)
Titel: Re:Sinnhaftigkeit Kurland-Übungen? Was steckt dahinter?
Beitrag von: Muriel am 19. Juli 2011, 15:27:19
Hallo Solera,
bevor ich mich jetzt dransetze weiter zu schreiben (ich hatte ja um Geduld gebeten  ;) ) frage ich mich gerade was Du eigentlich möchtest.
Ich habe den Eindruck, du möchtest bestätigt haben (dein eigenes Glaubenssystem) dass Alexandra Kurland auch nichts andres tut als der Rest der Welt und deshalb braucht man das auch nicht, und möchtest dann noch vielleicht wissen, wie Du weitere Argumente dagegen sammeln kannst die deine eigenen Vorstellungen bestätigen.

Das kann und möchte ich Dir nicht liefern.
Falls Du ernsthaft dran interssiert bist, Verständnis für eine tatsächlich andere Herangehensweise an das Thema Reiten zu bekommen, bitte ich noch mal um Geduld, bis ich auch nur ansatzweise mal zur Beantwortung Deiner Fragen gekommen bin, denn

Zitat
Okeee?! Gut, dann lassen wir mal die bewegung weg und ich widme mich rein der tatsache, dass man am innenzügel zieht zum wenden: damit sind wir in der kategorie „absichtlich abhärten gegen schlechtes reiten“ und es bestätigt eher nochmal meine vermutung, dass oftmals der clicker zur „beschönigung“ eingesetzt wird. Die lenkung ist schlichtweg nicht über den innenzügel. Der innenzügel ist wenn dann einzig und allein zum stellen und kauen abfragen.
Ich kann aus dem bisher geschriebenen überhaupt nicht erkennen wo das bisjetzt so erklärt wurde, dass man daraus schliessen kann dass am innenzügel gezogen wird und das es um "Abhärtung gegen schlechtes Reiten" ist.

Wenn Du also Deine Vermutungen und Glaubensätze ein wenig beiseite stellen kannst und offenen Sinnes lesen kannst (und abwarten, bis ich es erklärt habe - bzw versucht habe), dann würde ich mich weiter an die Arbeit machen. (Die im übrigen noch niemand sonst so auf der Welt gemacht hat: dieses System in Kürze im Kern zu beschreiben und zusammenzufassen.)

Danke Franzi für Deine Unterstützung!! :danke2:
Titel: Re:Sinnhaftigkeit Kurland-Übungen? Was steckt dahinter?
Beitrag von: Muriel am 19. Juli 2011, 15:53:54
Ich versuch mich jetzt mal im Beschreiben des Übungsaufbaus des Single-Rein-Reiten (Ein-Zügel-Reiten) - und wie man mit nur einem Zügel ein Pferd geraderichten kann.
 :tipptipp:
Titel: Re:Sinnhaftigkeit Kurland-Übungen? Was steckt dahinter?
Beitrag von: solera am 19. Juli 2011, 16:18:44
Liebe heike,

Gleich mal vorweg: ich möchte das bitte nicht als persönlichen angriff verstanden wissen! Als solcher ist es nicht gemeint.
Ich habe den Eindruck, du möchtest bestätigt haben (dein eigenes Glaubenssystem) dass Alexandra Kurland auch nichts andres tut als der Rest der Welt und deshalb braucht man das auch nicht, und möchtest dann noch vielleicht wissen, wie Du weitere Argumente dagegen sammeln kannst die deine eigenen Vorstellungen bestätigen.
Möglich! Bewusst hab ich danach nicht gesucht, aber mein über-ich und ich unterhalten uns nicht immer so detailiert. Ich war eigentlich der meinung, dass ich mich bemühe. Sollte das irgendwie anders rübergekommen sein, tut mir das leid.
Das kann und möchte ich Dir nicht liefern.
ist klar!
Ich kann aus dem bisher geschriebenen überhaupt nicht erkennen wo das bisjetzt so erklärt wurde, dass man daraus schliessen kann dass am innenzügel gezogen wird und das es um "Abhärtung gegen schlechtes Reiten" ist.
Also das ist meines erachtens eine ganz logische schlussfolgerung. Einseitiger zug – egal in welcher intensität – verursacht eine balanceverschiebung zur gegenseite. Das mag von einem kleinen wanken bis zum wirklichen umschmeißen variieren, aber das ist fakt.
ich hab gelesen, dass das bewusst eingesetzt wird zur „balanceschulung“ und halt kleinschrittig aufgebaut bis zum reiten. Gut soweit!
Dann bin ich 1 schritt voraus, weil ich schon von bewegung rede, wo ich doch dachte, dass das der logische nächste schritt ist, und du doch auch schon angegangen wärst und ich soll mir das als „lenkung“ vorstellen.
Nunja, aber lenkung funktioniert nun mal nicht so. wendungen werden nicht am innenzügel geritten – egal wie wenig der ansteht – in einer gut gerittenen wendung darf der innenzügel auch durchhängen. Wenn ich also die „balanceschulung“ über den einseitigen zug vornehme, hat das durchaus eine daseinsberechtigung am boden, aber im sattel ist das mehr als kritisch zu sehen. Gut, sagen wir das pferd steckt das weg und meine argumente von oben sind von viel geringerer tragweite, so erziehe ich hier trotzdem einen reiter, der - wenn schon nicht isoliert so zumindest vorwiegend - einseitig einwirkt und der sich selbst die möglichkeit nimmt ordentliche wendungen zu reiten.
Das ist an sich nix persönliches gegen AKurland und ihre Lehren. Ich seh das mindestens so kritisch wie die die baucheristischen Lehren, die ua von PKarl unterrichtet werden – und den mag ich eigentlich als reiter und die haben auch ihre daseinsberechtigung.
Das problem ist nur, dass das zum einen ein reines korrekturmittel ist und diese einseitigkeit der zügelhilfen aus einem mehr als nur durchschnittlich guten sitz kommen müssen, weil es die balance im reiter stört, der dann wiederum das pferd aus dem gleichgewicht bringt, mehr als die zügelgeschichte das machen würde.
Wenn Du also Deine Vermutungen und Glaubensätze ein wenig beiseite stellen kannst und offenen Sinnes lesen kannst (und abwarten, bis ich es erklärt habe - bzw versucht habe), dann würde ich mich weiter an die Arbeit machen.
Bitte lass dich von mir von diesem projekt nicht abhalten. Ich dachte fragen und diskussion wäre erwünscht, wenn du aber lieber zunächst fertig schreiben magst, ist das für mich auch kein problem.
Titel: Re:Sinnhaftigkeit Kurland-Übungen? Was steckt dahinter?
Beitrag von: Muriel am 19. Juli 2011, 16:22:19
:thup:  :tipptipp:
Titel: Re:Sinnhaftigkeit Kurland-Übungen? Was steckt dahinter?
Beitrag von: Muriel am 19. Juli 2011, 16:30:16
Wie schon beschrieben ist die sogenannte TaiChiWall (ich spar mir jetzt mal die Akzente) eine Schlüsseltechnik (eine von mehreren).

ich beginne damit das Pferd mittels einer absolut minimalen Idee der Hand, die am Halfter/Strick-Übergang aufgestellt wird, zu einer Balanceverschiebung rückwärts und in Folge zu einem Schritt zurück zu bekommen.
Die andere Hand ist dabei am oberen Rand Schulterblatt bzw irgendwo da, unterhalb vom Widerrist.

Beide Hände mit dem Strick und den Schultern, die in der Schulterrotation stehen, bilden ein "Kräftedreieck", das den menschlichen Körper so stabil und balanciert macht, dass absolut minimalste nur gedachte Muskelbewegungen schon genügend Informationen für mein Gegenüber darstellen.

Daraus entwickelt sich mehreres:
• Der Hals bleibt gerade, weil die Hände ihn "gerade halten", durch die TaiChiWall.
• Wird aus dem Rückwärtsgehen das Kopfsenken entwickelt (eine weitere Schlüsselübung) kommt es zu einer ersten Form der Geraderichtung
(ja, jetzt dürfen wieder alle aufschreien: Geraderichtung im stehen und im Rückwärts geht ja mal gar nicht ;-) ).
Bei dem sehr tiefen Kopfsenken, bei dem die Nase des Pferdes bei ganz heruntergelassenem Hals und gerader Stirnlinie fast zwischen den Vorderhufen platziert wird, bilden die Schultern und die Hüfthöcker ein Viereck, das gerade wird. Da der Kopf unten ist, können die Schultern nicht anders als gerade, (dh in der Waagerechten in einer Ebene) zu sein - sämtliche Ausweichmanöver, die sonst immer gut funktionieren und sich aus der anatomischen Gegebenheit der Rumpfaufhängung ergeben, sind hier quasi ausgeschaltet.
Es wird sozusagen ein Quader aufgespannt, dessen Eckpunkte die Hufe vorne, die Schulterblattkanten oben, die Hüfthöcker hinten oben und die Hufe hinten sind.

Manches Pferd steht so das erste Mal in seinem Leben balanciert auf seinen Hufen.
(und ja, mir ist bekannt das man das auch anders erreichen kann, aber darum gehts jetzt gerade nicht)

Über die Kommunikation der Stricktechnik bekomme ich vom Pferd eine Bewegung, die selbst initiert ist - ich gebe die Idee vor, und das Pferd schliesst sich der Idee an.
Das Rückwärts was daraus entsteht ist einfach ein Rückwärts, hat noch überhaupt nichts mit Versammlung zu tun. Jedes Pferd kann rückwärts gehen, wenn es von einem anderen böse angeguckt wird (nur als Beispiel) - oder wenn es grast - manche Pferde grasen rückwärts.
Ein Pferd wendet vom Zaun rückwärts, es geht von der Raufe rückwärts weg.
All diese Bewegungen sind völlig wertfrei.

Vorwärts ist in sofern schwieriger, weil erstens der Mensch gerne zieht und das Pferd sich dann aus der Balance gebracht fühlt, was darin resultiert dass es dagegen hält.
Rückwärts ist einfacher für die Pferde und fühlt sich angenehmer an. Wenn das Pferd Vertrauen in die Sache gefunden hat und sich leicht bewegen lässt hat der Mensch auch schon mehr Idee wie er Impuls geben kann ohne zu ziehen. Dem schliessen sich die Pferde dann auch ganz gerne nach vorne an (wobei das in der Regel mehr Geduld braucht).

Nun ist also Vorwärts und Rückwärtsanfrage beim Pferd bekannt. Der Impuls wird immer begonnen mit einem Hinstreichen am Strick "Ich fühle Dich kommen". Das Hinstreichen ist quasi meine halbe Parade, danach kommt der Impuls "Wohin?"

Wenn das Pferd nun merkt dass es nicht gehalten wird (dem Impuls folgt stets das komplette Loslassen) kann es sich auch muskulär entspannen.
Nun beginne ich vielleicht (im Stand) nach einer seitlichen Bewegung zu fragen:
"Welches Körperteil kannst du bewegen, um die Idee von seitlich hinzubekommen?"
ich suche nach dem Nachgeben des Unterkiefers, nach einem Weichwerden, einem Kauen.

Wenn das Pferd das gefunden hat frage ich weiter:
Kannst du etwas Weiteres bewegen/lösen um die Idee von seitlich zu vertiefen?
und warte auf Bewegung im ersten Kopfgelenk.
So arbeite ich mich langsam durch die ersten Gelenke durch und bekomme ein Pferd, das auf diese einseitige Anfrage (meist eh mittig unterm Halfter) beginnt eine Idee zu bekommen, dass es den Hals seitlich biegen kann, und zwar von vorne ausgehend.

Das nehme ich dann mit in die Bewegung und frage genau das wieder beim Gehen an.
in der Kommunikation sieht das jetzt so aus, dass der Strick durchhängt, evtl überm Hals (dass das Pferd mir nicht davon rennt, ist andernorts erarbeitet worden (siehe Pre-WWYLM), ist jetzt nicht so wichtig wie, aber auch eine Voraussetzung: das Pferd geht frei mit mir mit. Sonst hänge ich immer nur am Strick, das ist nicht zielführend)

Ich gehe also mit dem Pferd, streiche am Strick entlang, bilde eine lockere taiChiWall und frage wieder ob das Pferd sich nun seitlich biegen kann - begonnen wieder am Unterkiefer/Kopfgelenke usw).
Wieder wichtig dass die TaiChiWall in irgendeiner Form besteht, denn die kann verhindern dass mit das Pferd zu diesem Zeitpunkt mit seiner Schulter gegen mich fällt (ein Grund warum ich daran mit Jack noch nicht viel arbeite - soweit ist war noch nicht).
Die Anfrage ist ganz sanft und sobald vom Pferd ein "Ja kann ich" kommt, loslassen, Click und Keks.
Solange das Pferd nicht gegen mich fällt, ist mir tatsächlich relativ egal was es mit dem Rest seines Körpers macht.
Ein-Kriterium-Arbeit: Anfrage Biegung vorne.


....weiter :tipptipp:
Titel: Re:Sinnhaftigkeit Kurland-Übungen? Was steckt dahinter?
Beitrag von: Muriel am 19. Juli 2011, 17:24:39
Die Hand am Schulterblatt kann auch mehrere Bedeutungen bekommen:
• sie kann als Target für das Pferd wirksam werden - es hebt die Schulter zur Hand hin (beim Reiten evtl sinnvoll)
• sie wird ein Fixpunkt, aber auch ein Orientierungspunkt für die Frage: Wo ist gerade?
Das entwickelt sich jetzt langsam aus den folgenden Übungen.


Das Pferd ist also jetzt soweit dass es, ohne umzufallen, ohne anzuhalten, ohne fest zu machen, auf eine sehr sachte Anfrage (im Idealfall Entlangstreichen und seitliches Anheben des durchhängenden Stricks) mit dem Kopf in die Stellung/Biegung gehen kann.
Es hat die Idee, dass die aufgestellte Hand etwas mit rückwärts zu tun hat, wenn der entsprechende Impuls da ist.

Nächste Übung ist also:
Wendung um einen Pylon.

Ich gehe mit dem Pferd so, dass wir den Pylon außen umrunden. Dabei beginne ich dann vor der Wendung wieder mit dem Anfrage in die Biegung, wenn das Pferd schön weich mitmacht, Click und Keks.
Hier kann ich nun schon sinnvoll das "Füttern für Position" anwenden, da wir nun mit einem "Pattern", einem sich wiederholenden Muster arbeiten werden, bei dem das Pferd sich sicher sein soll, was als nächstes kommt.
Alexandra spricht in ihren Büchern von tausenden von Wiederholungen, und auch wenn einem das sehr unrealistisch vorkommt, ist das tatsächlich ein nicht unerheblicher Anteil am "Erfolg".

Warum ist das so?

Ich weiss nicht ob jemand den Film "Karate Kid 2010" kennt. Jackie Chan als alternder KungFu lehrer (eigentlich Karate, aber das schmeissen sie irgendwie durcheinander :lol:) lässt seinen Schüler eine Reihe von Bewegungen durchführen, die total banal sind:
Jacke ausziehen.
Jacke auf einen Haken hängen.
Jacke abnehmen.
Jacke auf den Boden werfen.
Jacke hochnehmen.
Jacke anziehen.
Jacke ausziehen.
Jacke aufhängen usw usw.

Das lässt er ihn über Wochen (?) machen, bis der Junge rebelliert und gehen will.
Nun beginnt er ihn zu fordern und der Junge erkennt, dass er durch die tausendfache Wiederholung die Bewegungen so flüssig und sparsam machen kann, dass er in diese Bewegungen nun eine nie gekannte Kraft hineinlegen kann. Erst daraus entwickelt sich die eigentliche Kampfkunst.

Ganz viel davon entdecke ich in den Übungen von Alexandra.
Durch tausendfache Wiederholung auf einfachster Ebene bilden sich Reflexbahnen, es bildet sich Kraft, es bilden sich fliesende Bewegungen, die nicht mühsam sind.
Nicht umsonst heisst das "T'ai Ch'i Wall", Alexandra hat sich unter anderem viel mit asiatischer Körperarbeit beschäftigt und das fliesst alles mit ein.
Sie nimmt nicht in Anspruch, irgendwas davon selbst erfunden zu haben - einige Übungen sind aus dem Westernreiten, manches vielleicht aus NH.
Aber die Summe daraus ist schon etwas anderes, und es ist clickerkompatibel, obwohl mit "Druck" gearbeitet wird, der eben auf "Kontakt und Information" heruntergebrochen wird.

Exkurs Ende, weiter gehts ;-)


Wir gehen also um einen Pylon, das Pferd wird in die Biegung gefragt und da wo sonst der Click kommen würde frage ich nun mittels Hinstreichen  und Handaufstellen nach Rückwärts.
Ich leite die Vorwärtsenergie des Pferdes in das Rückwärts um, das es bereits erwartet.
 Indem ich die Hand aufstelle und das Pferd zurückschicke indem ich die Energie aufnehme und zurücksende.
Hier braucht es wieder die eigene Körperbalance, die Erdung, die klare Position.

Nach dem Rückwärts Click und Keks, Seitenwechsel, Rückwärts anfragen, Click und Keks, losgehen.

Was macht das? Das macht, dass das Pferd beginnt, seinen Schwerpunkt im Anhalten bereitwillig zurückzuverlagern. Es geht weich rückwärts da es nicht "geschickt" oder getrieben wird.
Tatsächlich macht das enorm viel aus in Punkto Lockerheit der Lende und der Hankenbeugung.
Klar, kennt man auch aus dem Westernreiten: Der Stop beinhaltet immer das Rückwärts und macht das Pferd dadurch vorne leicht. Wiederum, nur gutes Training - so hat Mirkos Ausbilder ihm schon damals sehr schonend das Anhalten bzw Stoppen beigebracht.

Später kann ich aus diesem Rückwärts auch wieder ins Vorwärts übergehen und an Kraft und Abschub arbeiten (-->Schaukel)

Wichtig hierbei ist: Wir sind immer noch mit Strick und Halfter und einseitiger Einwirkung.
Das Pferd wird sich zunächst um mich drehen, auf die Schulter stützen und evtl schräg zurücktreten. Darf es. Mein Kriterium ist erstmal "zurück", nicht "Qualitätsvoll zurück".

Je mehr sich das entwickelt, desto gerader wird das Pferd zurückgehen - und zwar genau deswegen weil ich einseitig einwirke und es seine Balance im Rückwärts darin finden kann, ohne dass ich es außen führe.
(<--WICHTIGER SATZ!)
Ist das Bewegungsmuster an sich für das Pferd klar, kann ich beginnen an der Form des Rückwärts zu arbeiten und den Hals geradehalten. Zu diesem Zeitpunkt ist das Halten aber kein "Halten" im Sinne von festhalten mehr, sondern längst zu einem "Führen" geworden, worin das Pferd auch Hilfe und Antwort sucht.

Die Drehung an sich, die zu Beginn noch oft fast 180 Grad sind, wird immer weniger werden, weil das Pferd merkt dass es nur um Rückwärts geht. Es wird immer mehr vorwegnehmen und Energie sparen, bis es schliesslich auf die einseitige Hilfe gerade anhält, und gerade zurückgeht.

Dazu sind viele Wiederholungen nötig, also ich rede hier nicht von 10 Mal innerhalb einer Einheit, sondern von vielen Malen in sehr vielen Einheiten. Wie lange es letztendlich dauert bis das "Zurück" von der Wendung um die Hand zu einem geraden zurück wird, hängt vom Pferd und vom Menschen und beider Geschicklichkeit ab.  Mit Jack übe ich das nun ein paar Monate, und wir kommen gerade zu einer zufriedenstellenden Leichtigkeit, von der aus wir weiter gehen können.

Und dass eine Übungseinheit jetzt nicht aus 200 x Wendung um den Pylon und Rückwärtsrichten bestehen sollte ist hoffentlich auch klar.
Pausen sind immens wichtig, damit sich auch das Verständnis des Pferdes für die Arbeit entwickeln kann.

Wenn das Pferd soweit ist, dass es am Halfter einseitig gut geführt anhält, zurückgeht und sich seitlich stellen und biegen lässt, können wir Zügel ans Halfter machen (oder beginnen auf Trense zu arbeiten).
Da jetzt der Einwirkungspunkt an anderer Stelle sitzt, müssen wir die Grundlagen so lange wiederholen, dass ich mit der seitlichen Führung das gleiche Ergebnis bekomme wie vorher.

Wenn das Pferd große Probleme mit der seitlichen Stellung hat, muss man mal jemanden gucken lassen ob im Genick/Hals/Unterkiefer Blockierungen und Verspannungen bestehen.


-------------------

So, hier erstmal Pause *Kopf lüften muss*
Danke, Solera, dass Du mich dazu bringst das mal so auf den Punkt zu bringen, denn das hatte ich schon sehr lange vor, war nur immer zu faul.  :cheese: :keks:
Titel: Re:Sinnhaftigkeit Kurland-Übungen? Was steckt dahinter?
Beitrag von: cinnamon am 19. Juli 2011, 22:51:08
danke heike  :D :thup: :cheerleader:
Titel: Re:Sinnhaftigkeit Kurland-Übungen? Was steckt dahinter?
Beitrag von: verena am 19. Juli 2011, 22:58:08
Super! :keks:
Titel: Re:Sinnhaftigkeit Kurland-Übungen? Was steckt dahinter?
Beitrag von: Ehemaliges Mitglied 43 am 20. Juli 2011, 09:02:45
Super Heike!! Das ist eine tolle Zusammenfassung!!

Zitat
Ist das Bewegungsmuster an sich für das Pferd klar, kann ich beginnen an der Form des Rückwärts zu arbeiten
Zitat
...weil das Pferd merkt dass es nur um Rückwärts geht. Es wird immer mehr vorwegnehmen und Energie sparen

- kenau!! Das ist eben auch das Clickerkompatible an der ganzen Sache, das Pferd bietet das Verhalten irgendwann von selbst an, weil es weiß, um was es grad geht und sich erneut einen Click abholen will. Und dieses Selbstanbieten zeigt, dass ihm die Bewegung, die es macht, bewußt ist.

In diesem Beispiel hier (rückwärts aus Bogen um Kegel) entscheidet es sich bald bewusst und selbstständig dafür, bereits in der Bewegung sein Gewicht nach hinten zu verlagern und dann ins Rückwärts zu fließen. Es "übt" also selbstständig mit.
Und wenn Pferd und Mensch diesen Moment in der Einheit erreicht haben, wird das Shapen der Qualität der gewünschten Bewegung noch intensiver möglich - da sich das Pferd eh in dem Moment dessen bewusst ist, was es tut.
Titel: Re:Sinnhaftigkeit Kurland-Übungen? Was steckt dahinter?
Beitrag von: Muriel am 20. Juli 2011, 10:32:35
danke Euch!
und weiter gehts.... :tipptipp:
Titel: Re:Sinnhaftigkeit Kurland-Übungen? Was steckt dahinter?
Beitrag von: Muriel am 20. Juli 2011, 11:47:45
Hier gibts nun mehrere Möglichkeiten welche Übungen als nächstes folgen:

WWYLM ("Why would you leave me" ) ist der Einstieg in die Gymastizierung durch Seitengänge.

• Beim Gehen um die Pylone kann ich mich auch zb mehr auf das untertretende Hinterbein focussieren. dh ich gehe wie beschrieben um die Pylone, bereite das Anhalten vor und gestalte das so, dass das Pferd herumschwenkt. Dabei wird es das innere Hinterbein unter den Schwerpunkt setzen und den Moment kann ich erstmal bestärken. Durch meine Drehung in dem Moment des Schwenks ergibt sich dass ich das Pferd anschaue bzw die Hüfte anschaue, da ich ja sehen will wann das Hinterbein untertritt.
Das Anschauen wird dann in späterer Folge wieder zum Signal dazu, das Bein unterzuschieben.
Das ist eine ungemein nützliche Tatsache bei Pferden, die eben nicht so sensibel sind, dass ich sie durch Blickrichtung steuern kann.
Mirko zb hat ja immer unwahrscheinlich mit der Balance zu tun gehabt, und auf klassische Art und Weise (Handarbeit auf Kappzaum oder Trense, mit zwei Zügeln und treibend einwirkender Gerte) habe ich es nie hinbekommen, dass er sich nicht doch nach vorne auf die Hand schmeisst.  Das Untertreten hab ich schon hinbekommen, aber gleich danach hat er sich nach vorne gehebelt und ist mir davongewalzt.
Mit den Kurlandübungen hab ich auf einmal ein Pferd, wo das Untertreten tatsächlich nur auf Körperdrehung und ein bisschen Schulter zurück und Hüfte angucken funktioniert.  Ich kann alles über die Strickverbindung und Position arbeiten, ohne eine Gerte zu benutzen - war völlig undenkbar früher.
Und da es zunächst nur um das Untertreten geht und dann der Click kommt, braucht das Pferd auch nicht fürchten aus der Balance zu kommen und sich zu entziehen.
Im sogenannten 3Flip3 kommt genau das dann zum Einsatz.

Kopfsenken und daraus antreten ist eine sehr gute Übung zum Geraderichten und passt gut zum bisher gesagten.
Alexandra sagt über das Kopfsenken (das aus dem Rückwärts erarbeitet wird):
"Kopfsenken ist keine Übung mit Vorwärtsbewegung" ("Headlowering is not a forward moving exercise") .
Warum ist das so? Wegen der weiter oben beschriebenen Auswirkung auf die Hüfte. Im tiefen Kopfsenken richten sich Hüfte und Schultern aus.
Aus dieser Position anzutreten bringt die Schubkräfte in gerader Linie auf die Schultern.
Und die Schulter ist im weiteren Verlauf des Single-Rein-Ridings ("Einzügelreiten") ziemlich wichtig.
-----------------
Wenn nun mein Pferd vom Boden aus gut manövrierbar ist, und die Übungen auch fein über die seitliche Zügelführung geht, setze ich das vom Sattel  aus um.
Nun kommen wir wieder zu den Knackpunkten, Sitz und Balance des Reiters.
Vorher wurde ja schon von der Schulterrotation gesprochen, die auch hier wieder zum Einsatz kommt. ist eine recht simple Sache und wirkt gut aufrichtend (natürlich gibt es zum Thema Sitz ein ganzes Universum an hilfreichen Übungen, brauch ich einer CR-Tante ja nicht zu sagen ;) ).

Die Grundlage fürs SRR (Single Rein Riding) ist erstmal dass der Zügel an der Schnalle gehalten wird, und wir nehmen mal an es geht links rum, dann hält die rechte Hand die Schnalle.
Jetzt beginne ich wie von unten mit dem Entlangstreichen am Zügel von der Mitte aus - und jetzt kommt das was mir am allerschwersten gefallen ist (und wo ich eine Weile mit Alexandra diskutiert habe und sie mich schliesslich gebeten hat, es einfach auszuprobieren) - die herunterstreichende Hand geht bis zur Sattelkante bzw Schulterblatt/Mähnenansatz und stellt sich dort auf, bei leicht gewinkeltem Ellbogen. Wieder entsteht eine "TaiChiWall", die Verbindung zwischen beiden Händen sollte nicht durchhängen. Die rechte Hand geht vor die Körpermitte und gewährleistet damit, dass der Reiter sich nicht verdreht.

Ich hab mich sehr gewehrt gegen dieses Feststellen der Hand, wenn das andere Zügelende im Maul des Pferdes ist. Vor dem Kurs habe ich ja schon einige Monate vor mich hin experimentiert und mir war das sehr zuwider. Ich habe dann noch kleiner die Anfrage gestellt und das in ein andauerndes Hinstreichen und Heben (a la PK) umgeformt, weil meine erste Anfrage immer das Kauen war. Ohne Kauen konnte Mirko den Hals nicht locker lassen. Ohne Kauen hat er den Kopf zwar hingehalten, aber eben auch nur das. Die Trense war nicht belebt, die Bewegungen waren hakelig. Und er hat sich ja früher eh immer hinter dem Zügel verkrochen - das letzte was ich wollte, war, das wieder irgendwie in Erinnerung zu rufen.

Nun sollte ich also meine Hand da hinstellen, und Mirko war leicht irritiert, versuchte erst dem Zügel durch Gegendruck zu entkommen, dann durch aus dem Druck gehen.
Aber.
Wir erinnern uns an das, was ich eingangs sagte: Es geht Alexandra ganz oft erstmal darum, dem Pferd eine Idee davon zu geben was man möchte, und sobald es die hat, geht der Mensch sofort in der Deutlichkeit der Anfrage zurück.

Und das ist in meinen Augen ein ziemlich großer Unterschied für das Pferd zu dem Vorgehen Druck zu erzeugen und bei Nachgeben den Druck wegzulassen. Es ist negative Verstärkung, natürlich, in diesem Moment. Es ist ein "Shortcut", eine Abkürzung.
Wenn ich das in das Clickertraining und die sonstige Vorgehensweise einbaue - Kleinschrittigkeit, positive Bestärkung, sofortiges Nachlassen des Zügels, Pause, kein verstärkender Druck, sondern konstante emotionslose Einwirkung und Warten, bis das Pferd die richtige Idee hat - dann kann ich das vertreten.

Bei Mirko war es so, dass er also zunächst genauso reagierte wie ich mir das vorher gedacht hatte, und mit einem leichten Grummeln im Bauch ritt ich weiter.  Wir sollten um Pylonen reiten, jedesmal in die Biegung hinein am Zügel streichen, hand hinstellen, bei Nachgeben sofort nachlassen, Click und Keks.
Nach ungefähr 5 Mal wurde es auf einmal besser und ich konnte von der Absolutheit der Verbindung sofort zu einem Hinstreichen und der Idee von Hinstellen hingehen.
Und was viel wichtiger war, es fühlte sich komplett anders an.
Es fühlte sich so an als ob Mirko begann, sich selbst darin zu organsieren und zu schauen, wie er das in guter Weichheit ausführen konnte.
Das hat mich dann überzeugt, da weiter zu gehen. Es hat für uns noch ziemlich lange gedauert, bis es sich tatsächlich so anfühlte, wie ich dachte dass es gut sei, aber da wir ja auch unsere Vorgeschichte haben und Mirko auch eine langjährige BWS-Blockierung, fiel es ihm halt sehr schwer.
Die Qualität des Kontakts jedenfalls hat sich unglaublich verbessert, und wir erreichten später auch in der "Normalen" zweizügeligen Verbindung eine sehr schöne Anlehnungsqualität, von der ich nie gedacht hätte, dass das mit Mirko so geht (meine RL,  die ihn schon immer kennt, auch nicht).

...    :tipptipp:
Titel: Re:Sinnhaftigkeit Kurland-Übungen? Was steckt dahinter?
Beitrag von: Ehemaliges Mitglied 55 am 20. Juli 2011, 12:08:42
Erstens Mal ein riesen Dankeschön dass du dir das antust :) Ist wirklich sehr lehrreich!
Nur ne Frage zum Antreten mit Kopfsenken - ist da das "Risiko" nicht ziemlich hoch dass das Pferd nur auf der Vorderhand latscht?
Titel: Re:Sinnhaftigkeit Kurland-Übungen? Was steckt dahinter?
Beitrag von: Muriel am 20. Juli 2011, 12:20:44
So, jetzt muss ich aufpassen dass ich mich nicht verzettele :lol:


Das Pferd lernt also erstmal wieder das Nachgeben über den einseitigen Zügel in die Stellung und Biegung. Dabei soll zuerst der Unterkiefer lösen, dann die Kopfgelenke usw.
Es wird wieder von vorne durch die Gelenke durchgegangen.

Nun kommen wir zu dem Punkt, den Du als "One Rein Stop" erkennst.

Wenn ich nun auf die Art um den Pylon reite, dass ich immer das Nachgeben vorne bestärke (erst durch Click und Nachgeben ("Release") und Futter (was natürlich Anhalten beinhaltet) wird das Pferd vorne immer weicher und lockerer. Durch das komplette Nachgeben hat es immer den ganzen Zügel um sich auszubalancieren und kann in der Stellung keine Festigkeit und keine Spannung aufbauen. Das Komplette Nachgeben des Zügels ersetzt dann in kurzer Zeit den Click und wird für das Pferd zu einem "Verlaufslob", zu einer konkreten "Ja"- Antwort.

Das es das wirklich wird, hat mir Mirko gezeigt, als er einmal bei einem solchen kompletten Nachgeben sofort die Bremse reinhaute und sich nach seinem Keks umschaute. :lol:

Wenn ich das also erreicht habe, kann ich den Bewegungsfluss erhalten und clicke nun beim Nachgeben nicht, sondern lasse komplett nach um sofort wieder anzufragen. Idealerweise bleibt das Pferd irgendwann in der Stellung und ich bekomme durch erneutes Anfragen nun eine bessere Biegung/Stellung. Noch idealerweise kann ich schon in dieser Phase ein sich Aufnehmen bekommen, wenn das Pferd davon Ideen entwickelt, indem es beginnt sich im Brustkorb zu heben.
Hier kann die Hand an der Schulter als Target angesehen werden, zu der sich das Pferd hebt, und das kann man in eine Extra-Session auch üben.

Wenn ich aber nun flüssiger um die Pylone reiten kann, kann ich nun beginnen mich auf das innere Hinterbein zu focussieren und spüren, wann es untertritt. Das passiert eher, wenn ich die Biegung, die Kurve etwas "enger" gestalte, und interessanterweise fühlt sich eine solche Kurve nicht unangenehm an, wenn sie so durch die Zügelarbeit vorbereitet wurde.
Im Gegenteil. Mirko ist ja Spezialist darin, um die linke Schulter zu drehen, kann er fast auf der Stelle, weil er sie immer so unterschiebt. Mit dieser Zügel-Stellungsgeschichte, in die Biegung hinein konstant immer wieder diese leichte Stellung zu erfragen hat ihm ganz enorm geholfen, die Kurve in einer ganz neuen Qualtiät zu gehen.
Den Focus auf das Hinterbein gelegt, bekam ich schon bald eine Idee davon wann das Hinterbein untertritt und konnte das  nun bestärken :click:

Nach einer Weile merkt man wieder, dass das Pferd begreift was ich da bestärke und es bietet an, das Bein mehr unterzusetzen.

Wenn das Pferd das verstanden hat, ist wieder Zeit einen Schritt weiterzugehen, zum sogenanten "Hip-Flip" - die Wendung der Hüfte.

Das Pferd hat also die Idee der Biegung ohne Widerstand, es hat die Idee vom Untertreten, denn das haben wir die ganze Zeit gemacht.
Nun streiche ich bei der nächsten Wendung noch viel weiter vor am Zügel als bis zur Schulter, und zwar bis zu dem wirksamen Punkt, der zum Fixpunkt wird und bei dem das Pferd mit der Hüfte herumschwenkt und dreht.
Weil das Pferd so vorbereitet wurde, ist das nun eine folgerichtige Geschichte.

Gehen - hinstreichen - Hand aufstellen am Zügel - Hüfte schwenkt herum - Click und Stop.

Sobald es das verstanden hat, gehe ich sofort wieder zurück mit der Hand an die Schulter.

Hier beginnt jetzt die Arbeit am "Kontaktpunkt" (zu der es eine 6-stündige DVD gibt mit sehr vielen kleinfuzzeligen Übungen für den Menschen), der ausmacht wie die Qualität der Arbeit aussieht. Und mit dem Timing meines Clicks kann ich hier ganz genau ausformen was ich haben möchte.

Und deshalb bin ich mit den Bildern in dem Buch ganz entspannt, weil ich eben die Erfahrung gemacht habe, dass ich das genau bestimmen kann was ich bekomme. Ich kann mir eine Anlehnung mit einem "Zug" erclickern: ein Pferd das in "angenehmer Art in die Hand drängt" (v. Neindorff), oder eine Anlehnung am leicht durchhängenden Zügel, oder ein Pferd das den Kopf in einer bestimmten Art trägt weil ich durch meinen Click und das Timing die Benutzung bestimmter Halsmuskeln bestärke (wie es zb durch die von Alexandra geschätzte "Pose" entsteht. Aber ich habe das in der Hand, was mich nicht von der Verantwortung entbindet zu verstehen was ich da tue, im Gegenteil.

Trotzdem finde ich das sehr wichtig zu betonen, eben auch für die die zuviel "Angst" haben etwas verkehrt zu machen. Denn ich kann auch genauso einen entspannten lang getragenen Hals bekommen, wenn ich das hier genauso ausforme.
Alexandra sagt selbst: " Such Dir Dein Zielbild, und dann arbeitest Du dort hin."
Sie hat nicht den Anspruch das jedes Pferd so gehen muss/soll. Es ist das, was ihr gut gefällt.

(mit der Pose gehen noch andere Aspekte einher, mit denen ich mich gerade beschäftige, aber das führt hier jetzt zu weit).

Kommen wir zurück zu der Wendung. Das Pferd geht in die Wendung, vorbereitet durch die Zügelanfragen, in die Stellung zu gehen. Durch die Arbeit am Boden hat es die Idee von Rückwärts durch den "blockierenden" Impuls am Zügel. durch die Wendungen um den Pylon hat es die Idee vom Untertreten mit dem inneren Bein (und nebenbei vom Weichwerden der Hankenbeugung - etwas das Hanna Engström zb als ein "soft leg", ein weiches Hinterbein, beschreibt).

Daraus ergibt sich nun dieses Schwenk und Stop. Aus der Bodenarbeit heraus ergibt sich dass das Pferd dabei geradebleibt. Und wenn ich den Impuls aufgreife, und im Rückwärtsschwenk den Zügel noch mal kurz "annehme" bekomme ich mehr Rückwärts, und wenn ich das erst auf einer Seite, dann direkt auf der anderen Seite (zb linke Schulter - rechte Schulter) mache, bekomme ich [bH]ip-Shoulder-Shoulder:[/b]

erst schwenkt die Hüfte herum und das innere Hinterbein tritt unter,
dann bewege ich erst die eine Schulter zurück,
dann die andere Schulter
und baue mir so wieder die Stabilität und Balance meines Quaders auf, den ich schon im Tiefen Kopfsenken und Rückwärts bekommen habe.

Je öfters ich nun dieses Schwenken mache, desto mehr weiss mein Pferd dass es nur um Rückwärts geht und wird den Schwenk immer kleiner machen, bis es schliesslich merkt dass es auch "einfach" nur rückwärts gehen kann.

Zu diesem Zeitpunkt wird sich durch die sehr sehr vielen Wiederholungen das Rückwärts von einer "irgendwie rückwärts"-Bewegung schon zu einem ansatzweise versammelten Rückwärts mit weicher Hinterhand, evtl gesenkter Kruppe, sich senkender Hüfte und weichen Hanken verändert haben.
Aus diesem Rückwärts nun kann ich jetzt, da nach vorne keine Widerstände mehr bestehen, die Kraft zum Antritt beginnen zu formen - aber das ist eine andere Geschichte und soll ein andermal erzählt werden ;)

Alles ist ein Prozess.

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Das wars erstmal, die Fragebox ist eröffnet.

Ich geh jetzt reiten. :cheese:  *kopf frei pustenmuss*
Titel: Re:Sinnhaftigkeit Kurland-Übungen? Was steckt dahinter?
Beitrag von: Muriel am 25. Juli 2011, 18:20:27
Na, nu kommt gar nichts mehr? Alle Fragen erschöpfend beantwortet? Kann ich mir gar nicht vorstellen  :cheese: ;)

Erstens Mal ein riesen Dankeschön dass du dir das antust :) Ist wirklich sehr lehrreich!
Nur ne Frage zum Antreten mit Kopfsenken - ist da das "Risiko" nicht ziemlich hoch dass das Pferd nur auf der Vorderhand latscht?

Hi,
das Antreten mit Kopfsenken, das aus dem Rückwärts entstanden ist, bringt eine ganz andere Balance ins Pferd als ein Antreten mit einem fallengelassenen Hals.
in dem zweiten Fall: Kopf ist tief, der Hals wird länger - verschiebt sich das Pferd immer mehr nach vorne, bis es die Balance nach vorne verliert und dann, um diese wieder herzustellen, antritt.
Das gibt dann unter Garantie ein Laufen auf der Vorhand, weil der Brustkorb von Anfang an nach unten durchsackt.

Hat das Pferd im Stand bzw aus dem Rückwärts das Kopfsenken erlernt, hebt es im Gegenteil im Anheben den Rücken von hinten und den Brustkorb an. es kann sich so nicht auf die Vorhand stützen.

Allerdings habe ich damit nicht soo viel experimentiert. Ich habe lediglich die Bewegungsidee mit Stellung im tiefen Kopfsenken geübt, um dann mit gehobenen Schultern antreten zu lassen.
Als ich dann wieder das Ganze von oben gemacht habe, kam der Kopf sehr schnell in eine Höhe auf Buggelenk. Allerdings hat sich dadurch schon eine andere Balance in den Schultern ergeben, so dass ich den Nutzen des Kopfsenkens in die Bewegung mitnehmen konnte.
Titel: Re:Sinnhaftigkeit Kurland-Übungen? Was steckt dahinter?
Beitrag von: solera am 26. Juli 2011, 11:00:13
Na, nu kommt gar nichts mehr? Alle Fragen erschöpfend beantwortet? Kann ich mir gar nicht vorstellen  :cheese: ;)
nein, aber du hast mich gebeten dem ganzen eine faire chance zu geben und jetzt muss ich noch ein bisschen experimentieren mit dem pony.
Titel: Re:Sinnhaftigkeit Kurland-Übungen? Was steckt dahinter?
Beitrag von: Muriel am 26. Juli 2011, 11:06:30
ah :thup: Bin gespannt!  :D