Ein kleines bisschen OT, aber für deine Frage dennoch passend - kennst du die 4 F's ? Also Fight / Flight / Freeze / Fiddle(Flirt) ? Das sind so die vier grundlegenden Strategien in Stress-Situationen, nicht nur bei Pferden, sondern bei allen Lebewesen. Also "Angriff" / "Flucht" / "Erstarren" / "Herumalbern". Je nach angeborener Disposition (und ja, da spielen auch die Gene schon ein bisschen mit rein) und Lernerfahrungen tendiert jedes Lebewesen durchaus zu einer dieser Strategien stärker als zu anderen.
Ein Vollblut wählt ganz grundsätzlich tendenziell wahrscheinlich eher die Flucht, den beim Leben in der Steppe macht Fliehen mehr Sinn, als Erstarren. Ein Pony was eher aus einem Waldbewohner herstammt, tut sich mit Einfrieren und Tarnen besser, als damit, durchs Unterholz zu preschen... Natürlich zeigt jedes Lebewesen alle diese Strategien abhängig von der Situation und den Möglichkeiten.
Diese grundlegende Veranlagung wird man, denke ich, niemals vollständig weg trainieren können - und da unterschreibe ich auch beim bereits gesagten, da sollte man durchaus auch ehrlich mit sich sein und überlegen, womit man besser umgehen kann. Mir fällt Deeskalieren und Beruhigen um Welten einfacher, als mit einem erstarrten Pferd umzugehen, während andere es sicher hoch schätzen, wenn ihr Pferd im Zweifelsfall "nur" die Beine in den Boden rammt und nicht mehr ansprechbar ist.
Ansonsten gibt es ein schönes Zitat von Bob Bailey: "Jeder kann mit genug Zeit alles trainieren."
Mit der Krümeline habe ich an dem Spritzenthema (und das ist noch weit entfernt von Tierarztkompatibel) 9 Jahre immer wieder mal gearbeitet, bis ich sie selbst in die Brust spritzen konnte. Mit dem heutigen Wissen und wenn ich direkt zu Beginn schon meinen Fokus darauf gelegt (und viele weitere negative Erlebnisse vermieden) hätte, würde es wohl nur einige Wochen brauchen.
Was das Verhalten in Schrecksituationen angeht, gibt es die magische Kombination aus Desensibilisierung und Gegenkonditionierung. Also a) alles was dir einfällt trainieren und immer mit so kleinen Reizen beginnen, dass es keine Überreaktion auslöst + b) alles was dir einfällt mit was positivem verknüpfen. Wie z.B. grad das Sitzbeinhöckertarget bei der Krümeline, die super flinke Hinterbeine hat und auch keine Skrupel, die einzusetzen.
Denn auch wenn Schreckreize vom Gehirn super gut und schnell und generalisiert gelernt werden, gibt es als Gegenspieler die Inhibition - alles was schon mit etwas positivem verknüpft ist oder zumindest bekannt, kann selbst in einer sehr extremen Situation nicht mehr so negativ verknüpft werden, wie ohne diese Vorerfahrung. Deswegen ist es so wichtig, das Tier mit so vielen unterschiedlichen Dingen bekannt zu machen, wie einem nur einfallen kann.
Und dann, so als weitere Säule, steigt die eigene Sicherheit natürlich auch, je besser man im Körpersprache lesen wird. Ich bekomme beim Coaching öfter mal Videos, wo ich mir schon beim Ansehen des Pferdes denke "oooooh, Achtung" während die Wahrnehmung vor Ort eher ein "der chillt da ganz entspannt ist". So ein Pferd würde mich vermutlich also auch nicht mehr so komplett unerwartet erwischen.
>Nicht trainierbar< bedeutet meistens (wenn das Tier prinzipiell körperlich und kognitiv in der Lage ist, das Verhalten zu erlernen), daß man keinen passenden Plan hat, nicht genügend Zeit, einfach keine Priorität in das Training dieses Verhaltens legt oder nicht genügend Erfahrung dafür(>Hilfe holen).
Das bringt es für mich nochmal sehr gut auf den Punkt und führt mich zu, wenn du es möchtest(!) dann könnt ihr sehr viel erreichen. Aber das dauert. Und ob du in diesem Prozess feststellst, dass Spazierengehen und Reiten sehr viel an Priorität verloren haben, dass kann dir vorher auch keiner sagen
Bei vielen hier im Forum ist sicherlich letzteres passiert...