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anspruchsvolles Reiten - nur mit positiver Verstärkung?

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EscyKane
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anspruchsvolles Reiten - nur mit positiver Verstärkung?
« am: 18. Dezember 2009, 17:41:24 »
erstellt am:  27 Sep 2008 0:08

Hallo ihr Lieben! Da wir noch keinen einzigen Beitrag im Themenbereich "Reiten" hatten und ich auf keinen Fall das Vorurteil bestärken  will, Clickertrainer würden nicht (viel) Reiten, hier also unsere erste Diskussionsbox zum Thema  :D

Es ist ein sicher ziemlich schwieriges Thema, aber ich hoffe dass wir hier sachlich und freundlich diskutieren können.

Ist es überhaupt möglich, allein mit positiver Verstärkung ein Pferd unter dem Sattel auszubilden, so dass es später auch wirklich vernünftig läuft? Also schwungvoll, über den Rücken, mit reeller Versammlung etc.?

Jeder kennt sicher die Bilder von Alexandra Kurland, auf denen die Pferde in einer unnatürlichen Kopfposition laufen, die eher andressiert als gesundheitsfördernd aussieht.

Dazu die Frage, ist nicht bereits eine einfache Schenkel- oder Zügelhilfe eine negative Verstärkung?
Schenkeldruck wird aufgebaut, dies ist dem Pferd unangenehm, es bewegt sich vom Schenkel weg (beidseitiger Druck nach vorne, einseitig zur Seite), daraufhin lässt der unangenehme Druck nach.
Darüber kann man noch diskutieren - ist Schenkeldruck wirklich unangenehm, oder ist die Reaktion vielmehr ein konditioniertes Verhalten?
Aber wie ist es dann bei den Zügelhilfen? Wirken sie auf die Zunge, sind sie dem Pferd definitiv unangenehm. Auch Druck in den Maulwinkeln löst bei Pferden eine Ausweichreaktion (öffnen des Maules) aus.
Und erst recht mit der Gerten- oder Sporenhilfe?

Im Verlauf der Ausbildung strebt der Reiter natürlich an, jegliche Form von Druck so weit zu minimieren, dass bereits ein Hauch von Berührung zur gewünschten Reaktion führt - dennoch kommt man zwangsläufig mal in die Situation, in der es etwas mehr Druck wird.

Was ich mir auch sehr sehr schwierig vorstelle, ist das Zerlegen des ganzen Komplexes "Reiten" in einzelne Übungsschritte - wie soll ich die richtige Reaktion auf meine Schenkelhilfe clicken, wenn ich doch auch permanent mit Zügel und Gewicht einwirke? Was mache ich, wenn das Maul des Pferdes gerade genau richtig reagiert, de Hinterhand im selben Moment aber total ausfällt? Das Pferd existiert nunmal im Ganzen und kann auch nicht teilweise geritten werden.  :roll:

Ich selbst habe noch kein Pferd mit Clickertraining angeritten oder wirklich ausschließlich mit Clickertraining unter dem Sattel gearbeitet. Ich würde mich über Erfahrungsberichte von Leuten freuen, die das Experiment gewagt haben.
Natürlich sind auch die Gedanken derer willkommen, die wie ich noch keine Erfahrungen haben.

Also immer her mit euren Gedanken!

Liebe Grüße Alena
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Re:anspruchsvolles Reiten - nur mit positiver Verstärkung?
« Antwort #1 am: 18. Dezember 2009, 17:42:14 »
27 Sep 2008 0:28

nettes Thema.
dazu fällt mir um diese Uhrzeit erst mal nur ein Satz ein:
"Clickertraining wandelt Druck in Information" - von Alex Kurland.

Und den Rest meiner Gedanken dazu (ok, einen Teil  ) gibt es morgen nach dem Ausschlafen.     
*wink*
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Re:anspruchsvolles Reiten - nur mit positiver Verstärkung?
« Antwort #2 am: 18. Dezember 2009, 17:44:43 »
28.9.08

Hi!
ist jetzt zwar auch nicht besser von der Uhrzeit, aber egal.

Zitat
Dazu die Frage, ist nicht bereits eine einfache Schenkel- oder Zügelhilfe eine negative Verstärkung?
Schenkeldruck wird aufgebaut, dies ist dem Pferd unangenehm, es bewegt sich vom Schenkel weg (beidseitiger Druck nach vorne, einseitig zur Seite), daraufhin lässt der unangenehme Druck nach.

Gerade die erwünschte Reaktion auf Schenkelhilfen muss ein Pferd doch lernen. denn dieses:

beidseitiger Druck nach vorne
ist keine natürliche Reaktion.
was für mich auch bedeuten würde, daß die Reaktion keine Anwort auf Druck ist, sondern eine erlernte Reaktion auf eine Einwirkung.

Die vortreibende und später versammelnde Hilfe durch den Schenkel ist, wenn gelernt, eine Antwort der Bauchmuskulatur.
Der Schenkel nimmt Kontakt zum Bauch auf, die Muskulatur reagiert, kontrahiert und das Hinterbein wird durch die Kontraktion der Muskulatur stärker nach vorne geführt.

Ist für mich etwas völlig anderes als zum Beispiel das Vortreiben mittels der Peitsche.

In dem Sinne würde ich sagen, Schenkelhilfen - und auch der Sporn, wenn richtig beigebracht - sind konditionierte Hilfen.

Zitat
Aber wie ist es dann bei den Zügelhilfen? Wirken sie auf die Zunge, sind sie dem Pferd definitiv unangenehm. Auch Druck in den Maulwinkeln löst bei Pferden eine Ausweichreaktion (öffnen des Maules) aus.
Und erst recht mit der Gerten- oder Sporenhilfe?

es kommt m.E. auch immer auf die Stärke und Ausformung der Einwirkung an.
Wenn ich jemanden schubse, ist das unangenehm, unangebracht und unhöflich. Wenn ich denselben in einem Tanz führe, wird es ein Miteinander.
Dazu hat mein Partner gelernt, sich führen zu lassen.
was wiederum für eine gemeinsame Bewegung unerlässlich ist.

Reiten ist für mich inzwischen viel mehr als nur "Einwirken" und "Reagieren". Es ist ein Spiel von Balance, ein Übereinkommen und Geschickterwerden.

Und das ist etwas, was ich mit dem CT sehr gut verstärken kann.

Zitat
Was ich mir auch sehr sehr schwierig vorstelle, ist das Zerlegen des ganzen Komplexes "Reiten" in einzelne Übungsschritte - wie soll ich die richtige Reaktion auf meine Schenkelhilfe clicken, wenn ich doch auch permanent mit Zügel und Gewicht einwirke? Was mache ich, wenn das Maul des Pferdes gerade genau richtig reagiert, de Hinterhand im selben Moment aber total ausfällt? Das Pferd existiert nunmal im Ganzen und kann auch nicht teilweise geritten werden.   

Stimmt. Aber gebe ich meine Hilfen tatsächlich immer ganz gleichzeitig?

Ich versuche eine Gesamtkörperreaktion des Pferdes zu clickern. also zb eine Erhöhung der Körperspannung (positiv). Ein Nachgeben im Hals. Ein Weichwerden. Ein Herandehnen an den Zügel.

Um einzelne clickbare Punkte zu bekommen, muss ich meine Achtsamkeit auch darauf legen nur einzelne Sachen abzufragen.
das wiederum schult meine Aufmerksamkeit darauf, nicht zu viele Sachen gleichzeitig zu verlangen. Und ist letzenendes für das Pferd dadurch leichter verständlich.

Zum Beispiel:
Ich möchte ein Schulterherein reiten.
das geht nur aus lockerer Anlehnung, aktiver Hinterhand, guter Balance, meinem guten Sitz der das Pferd nicht stört.
Also kann ich erst dann das SH verlangen, wenn die ersten Punkte alle abgearbeitet sind.
wenn das alles gut stimmt, gebe ich die Hilfe zum SH und bestärke jede kleinste Regung des Pferdes, diesem Impuls nachzugeben.
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Re:anspruchsvolles Reiten - nur mit positiver Verstärkung?
« Antwort #3 am: 18. Dezember 2009, 17:48:07 »
Morgen,

Erfahrung hab ich nicht viel, aber so ein paar Ideen und Vorstellungen schon:
Zitat
Jeder kennt sicher die Bilder von Alexandra Kurland, auf denen die Pferde in einer unnatürlichen Kopfposition laufen, die eher andressiert als gesundheitsfördernd aussieht.

Ein angeclickertes V/A sieht für mich auch meist künstlich und extrem vorhandlastig aus. Was nicht zwangsläufig heißt, dass es immer in diesem reinen "Nase runter"-Stadium bleiben muss. Und so ähnlich ist es auch mit den AK-Pferden. Ich sehe da welche, da stellt es mir die Haare, und andere, die bewegen sich ganz gut damit.

Zitat
Darüber kann man noch diskutieren - ist Schenkeldruck wirklich unangenehm, oder ist die Reaktion vielmehr ein konditioniertes Verhalten?

Plädiere für konditioniertes Verhalten, da Schenkeldruck bei jungen Pferde von Vorwärts über Rückwärts bis Überschlag alles Mögliche auslösen kann. Auch spontanes Treten nach dem Schenkel ist beliebt. Vorwärts muss also erst mal durch KOndi etabliert werden, ist keinesfalls immer selbstverständlich. Auch nicht, wenn das Pferd davor doch immer vorwärts gegangen ist ;-)

Zitat
Aber wie ist es dann bei den Zügelhilfen? Wirken sie auf die Zunge, sind sie dem Pferd definitiv unangenehm. Auch Druck in den Maulwinkeln löst bei Pferden eine Ausweichreaktion (öffnen des Maules) aus.
Nur nebenbei: hat eigentlich jemals wer glaubhaft bewiesen, dass Druck auf die Zunge als schlimmer empfunden wird als Druck auf die Maulwinkel? Also einen Puls oder so dabei gemessen, den Adrenalingehalt oder sonstwas?
Und das Öffnen des Maules als Ausweichreaktion les ich hier ehrlich auch zum 1. Mal. Ist das echt so? Dachte, das sei teilweise ein Reflex?

Zitat
Im Verlauf der Ausbildung strebt der Reiter natürlich an, jegliche Form von Druck so weit zu minimieren, dass bereits ein Hauch von Berührung zur gewünschten Reaktion führt - dennoch kommt man zwangsläufig mal in die Situation, in der es etwas mehr Druck wird.
*g* da könnte grobes Overtuning rauskommen, wenn man den ersten Satz wörtlich nähme.
Ich wünsch mir das so: Das Pferd soll auf ein gewisses Maß an Druck reagieren. Abstufungen, die darüber liegen, sollte es als Zeichen von Dringlichkeit verstehen. Abstufungen, die darunter liegen, sollte es ignorieren.
Das hört sich erst mal irritierend an, aber es macht schon Sinn, dass man seine Beine noch am Pferd hängen lassen kann, ohne dass das Pferd deshalb ständig Gas gibt. Und mir ist klar, dass diese "Stufenkonzept" nicht so einfach beizubringen ist. Das ist quasi gehobene Signalunterscheidung, und ich glaube, da kann man nur noch richtige Reaktionen beclicken und falsche ruhig abfangen.

Zitat
Was ich mir auch sehr sehr schwierig vorstelle, ist das Zerlegen des ganzen Komplexes "Reiten" in einzelne Übungsschritte - wie soll ich die richtige Reaktion auf meine Schenkelhilfe clicken, wenn ich doch auch permanent mit Zügel und Gewicht einwirke? Was mache ich, wenn das Maul des Pferdes gerade genau richtig reagiert, de Hinterhand im selben Moment aber total ausfällt? Das Pferd existiert nunmal im Ganzen und kann auch nicht teilweise geritten werden.

Erst mal kannst Du, zu Beginn der Ausbildung, sicher gut einzelne/ vereinfachte Hilfen beclicken. Niemand setzt sich auf eine junge Remonte und klemmt die zwischen Hand und Schenkel, da gibts immer erst mal vereinfachte Lenkung.
 Der Rest ist ein bißchen Glaubenssache:
a) man geht davon aus, dass das Pferd z. B. das Zusammenwirken der Hilfen in einer halben Parade von Natur aus versteht, gibt also eine korrekte halbe Parade und clickt dann die daraus entstehende Tendenz, sich aufzunehmen. Wenn man die Parade richtig gegeben hat, hat man die richtigen Muskeln zur richtigen Zeit angesprochen und den Bewegungsablauf so beeinflusst, dass dem Pferd fast nichts anderes übrig bleibt, als in gewünschter Weise zu reagieren. Viel zu verstehen gibt es dabei nicht, außer das Pferd hat Angst vor der Versammlung (aus welchem Grund auch immer). Der Click dient dabei eher als Motivationshilfe.

b) man glaubt, dass das Zusammenspiel der Hilfen z. B. zur halben Parade in vorsichtigen Einzelschritten steigernd gelehrt werden muss und beginnt damit, einfaches Verlangsamen auf Schließen der Fäuste zu clicken.  Dann nimmt man das Kreuz dazu und clickt Verlangsamen auf Kreuz + Schließen der Hände, dann kommt der Schenkel davor. Hübsch wirds natürlich, wenn dabei die Anlehnung da bleibt, das Pferd sich locker setzt und man das Schließen der Hände möglichst dezent gestaltet im Lauf der Zeit ;-)
 
Also so stell ich mir das halt vor...zur richtigen und systematischen Umsetzung kanns noch ein paar Jährchen dauern. :oops:
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Ehemaliges Mitglied 22
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Re:anspruchsvolles Reiten - nur mit positiver Verstärkung?
« Antwort #4 am: 18. Dezember 2009, 17:48:37 »
Hallo Linda,

sicherlich hast Du Recht, dass einfaches "Nase-am-Boden-schleifen" zu clickern noch nichts mit korrektem Vorwärts-Abwärts zu tun hat. Ich denke aber trotzdem, dass viele Leute genau das ihrem Pferd erstmal erlauben sollten. Dafür habe ich mehrere Argumente:

- den Kopf und Hals tief fallen zu lassen widerstrebt den meisten Pferden zuerst, weil sie als eher fluchtorientierte Tiere ja eher ihre Umgebung beobachten möchten. Ihnen also zu ermöglichen, nicht mehr kontrollieren zu müssen, sondern sich wirklich erstmal zu entspannen kann schon ein echter Durchbruch sein.

- auch wenn das Pferd erstmal vorhandlastig läuft, wenn gleichzeitig auf gutes Untertreten geachtet wird, hebt sich auch bei dieser Methode tatsächlich der Rücken.

- übrigens: hast Du mal erlebt wie manche Leute Probleme haben, ihrem Pferd überhaupt zu erlauben sich mal gaaaanz tief zu strecken? Die Menschen trauen sich nicht, den Zügel wirklich loszulassen, bis auf ein letztes bißchen Leder zwischen den Fingern und die Pferde trauen ihren Menschen nicht, dass sie es mit der Entspannung wirklich ernst meinen.

- mentale Entspannung und körperliche Entspannung gehen Hand in Hand oder besser Huf in Huf! Spannung aufbauen können die meisten Leute sehr gut, aber wie das Pferd wieder runter bringen?

- Und nochwas, gerade für Islandleute wichtig: "Nase-tief" heißt auf jeden Fall, dass der Rücken mal nicht weggedrückt und der Unterhals nicht rausgedrückt wird. Und es ist die Wahrheit, soooo viele Isländer laufen noch immer so.
Für die und viele anderen ist der tiefe Kopf/Hals am Anfang Gold wert.

Das zu erclickern ist manchmal nicht leicht, aber es lohnt sich. Hochbekommen kann man die meisten Pferde danach problemlos.

Grüße
Steffi
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Re:anspruchsvolles Reiten - nur mit positiver Verstärkung?
« Antwort #5 am: 18. Dezember 2009, 17:51:25 »
Zitat von: Arconowitsch
Hallo,

seehr interessant hier!

Ich denke wenn man mit sich selbst geklärt hat, ob man CT wirklich nur übers Formen anwenden möchte oder auch über "Beeinflussung" dann kann man noch mal genauer über das Thema CT beim Reiten nachdenken.

Für mich selbst hat da der Titel einer AK-DVD viel bewirkt:
"Shaping on a point of contact."

Diese Idee des Point of contact ist für mich gut mit dem Spruch "Gutes Reiten ist wie von Zabuerhand bewegt" übereinzubringen und das ist ein Bild, das ich anstrebe.

Ich finde das Tanzpartnerbild hier sehr wichtig und richtig, denn beim Reiten besteht eben Körperkontakt zwischen zwei Lebewesen und der eine möchte Führen.
Wenn ich meine Hand in der des Tanzpartners habe und er seine Hand auf meinem Rücken, dann ist das das Schenkel in Neutralposition hängen lassen, das Linda beschreibt.

Ja, es ist auch eine Art Druck, genauso, wie der Sattel auf dem Rücken oder das Zaumzeig auf dem Kopf, aber die allermeisten PFerde lernen, dass das eine sehr neutrale Sache ist, so wie wir uns eines Kleidunsgstückes auch erst dann bewusst werden, wenn es "drückt" :-)

Nun kann man, wie ich mir vorstelle und auch bei meinen beiden beclickten Pferde ausprobiere, eben KOntakt zueinander aufnehmen und so Signale senden, die dann am Ende in einem gemeinsamen Tanz enden.

Und da kam mir nun die Art wie meine Reitlehrer eh schon Pferd und Reiter auch ohne Clicker unterrichten sehr zu Gute:
Man kann sehr gut die Hilfen aufsplitten.
Man kann z.B. einen einzelnen Zügel seitwärts nach innen, seitwärts an den Hals, nach hinten und nach oben einsetzen und die verschiedenen  Bedeutungen/Reaktionen dann clicken, wenn sie wie erwünscht eintreten.

Das heißt, dass in dem Moment wirklich die Schenkel oder der Rest des Reiters neutral gehalten werden!
Genauso kann man auch ausschließlich "Anlegen der Schenkel heißt schneller werden" üben/clicken.
Dabei muss man in der reinen Erklär- und Übephase natürlich den Zügel wirklich nur an der Schnalle anfassen und dem Pferd die Richtung, in die es geht, selbst überlassen! Denn es geht ja nur um das Kriterium schneller wenn gewünscht. (halbierte Halle hat sich dabei bewährt)

USW USW

Diese Art, die Hilfen in Teilsapekten zu lehren und erst zusammenzubauen, wenn sie in den Einzelteilen verstanden wurden, hilft auch dem Reit(anfänger) unheimlich!!

Man ist doch auch als Mensch überfordet, wenn man die vielen EInzelelemente der Hilfen von Anfang an alle gleichzeitig machen soll.
Finde es immer wieder erschreckend, wenn ich Leute sehe, die noch sehr mit ihrer Ballance, der Feinfühligkeit der Hände, des Begleitens der Nickbewegung, dem geziehlten Einsatz des Schenkels oder gar der Gerte (PATSCH!) zu tun haben,
die dann aber schon Seitengänge reiten wollen oder meinen, ihr Pferd muss doch "am Zügel" gehen oder die einfach das Komanndogewitter eines Reitlehrers versuchen zu erfüllen und dann natürlich ziehen und drücken und knuffen müssen... um einigermassen die Form zu erfüllen.

Achtung, nächster Spruch von AK:
Everything is everything else!

Das sollte man sich auch beim Reiten immer wieder hinter die Ohren schreiben finde ich!
Und sich viel mehr Zeit für das Erlernen und Erspüren der feinen Einzelteile nehmen.
Im Idealfall hat man doch mit seinem eigenen Pferd gut zwei Jahrzehnte Zeit!! jajajaja, ich weiß, wer will schon sooo lange warten...
Aber da geht es mir mehr um die innere Einstellung beim Ganzen als darum, dass man wirklich erst nach 15 Jahren all das reiten kann, was man erträumt...

Nochmal konkreter:
Wenn ich dem Pferd in einzelnen kleinen Schritten beigebracht habe, dass ein Zügelkontakt verschiedene Bedeutungen haben kann, kann ich den mit den Schenkelhilfen kombinieren und auch wieder richtige Reaktionen clicken.
BSpw: Zügel verkürzen ist die Aufforderung zu mehr Aufrichtung und gibt so einen (Hals-)Rahmen vor, ohne dabei mehr Zug am Zügel zu bedeuten.
Wenn dann noch "Schenkel anlegen" mehr Aktivität von hinten oder mehr Gas bedeutet, kann ich das kombinieren usw... und habe eben nicht ein Pferd, dass hinten getrieben und vorne festgehalten wird.


Den Beitrag von Steffi finde ich große Klasse und das V/A-Strecken und -gehen muss doch auch nicht nur außschließlich frei geshapt werden!
 
Wenn man sich mal außschließlich mit dem Treiben beschäftigt hat und dabei dem Pferd den Zügel wirklich lang gelassen hat, das ganze dann vielleicht auch noch auf einem Zirkel (echt, eine halbierte Halle oder Platz hat ein Superformat!), dann bekommt man meist relativ von alleine ein Pferd, dass a) sich mit der HH abdrückt und b) den Hals fallen lässt.

Klar kann man dann ganz ketzerisch nachfragen, ob Pferd dabei das bein hinten unterm Körper rausschiebt oder wirklich Last aufnimmt oder oder...
Aber warum?
Man kann doch damit mal einen Anfang machen, Muskeln, Körpergefühl, Balance und Verständis des Pferdes trainieren.
Und sich um das vermehrte Vorfußen der HH evtl. erstmal nur von unten an der Longe kümmern, von wo aus man sieht, wo der Fuß hintritt und wann man nachtreiben muss.
Wenn auch das dann noch positiv verstärkt wird, dann wird doch die Wahrscheinlichkeit, dass das Verhalten vermehrt (und auch in anderen Situationen/unterm Reiter) gezeigt wird, erhöht!
 :D

Soweit mal meine Gedanken heut - hoffe, nicht zu wirr und viel...

LG Franzi

(beim nochmal durchlesen, hat sich's für mich so angehört, als wäre mir der Zügel soo furchtbar wichtig. Nicht, dass ein falscher Eindruck entsteht: als Erstes und Wichtigstes kommt für mich beim Reiten, dass Pferd und Reiter sich über die Signale für das Vorwärts einig sind!)
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Re:anspruchsvolles Reiten - nur mit positiver Verstärkung?
« Antwort #6 am: 18. Dezember 2009, 17:54:29 »
erstellt am:
01 Okt 2008 16:51

Zitat von: EscyKane
Aber wie ist es dann bei den Zügelhilfen? Wirken sie auf die Zunge, sind sie dem Pferd definitiv unangenehm. Auch Druck in den Maulwinkeln löst bei Pferden eine Ausweichreaktion (öffnen des Maules) aus.

Zitat von: lindalotze
Nur nebenbei: hat eigentlich jemals wer glaubhaft bewiesen, dass Druck auf die Zunge als schlimmer empfunden wird als Druck auf die Maulwinkel? Also einen Puls oder so dabei gemessen, den Adrenalingehalt oder sonstwas?

Bei uns war es so:
Mirko hatte durch meine falsche Interpretation schön gelernt sich durch einen geringen Zügelkontakt hinter der Senkrechten zu verkriechen.
An den Zügel bekamen wir ihn nicht gut heran, schon gar nicht mit der Nase vor der Senkrechten.

Als wir mit den Abkauübungen begannen und damit, mit dem Gebiss auf die Maulwinkel einzuwirken (also nach oben), nahm er das zunächst ganz gut an.
In den nächsten Wochen wurde es dann für mich sehr schwierig, weil er auf  einmal total gegen den Zügel ging. Ich begann schon auf die neue Reitweise zu schimpfen, da bemerkte meine RL, daß er das genau dann machte, wenn ich auf die Zunge nach hinten einwirkte - und das war erheblich öfters als ich dachte.

Wenn ich nach oben einwirkte, war alles bestens. Nach hinten - direkt totaler Widerstand.
Scheinbar war es ihm doch erheblich angenehmer und er hatte für sich beschlossen, das andere nicht mehr zu tolerieren.

Über die Abkauübungen, die Flexionen und die Massgabe, ihn nicht mehr hinter die Senkrechte kommen zu lassen, hat sich dann sehr viel verbessert und wir erreichten dann zum ersten Mal so etwas wie ein an den Zügel herantretendes Pferd, das trotzdem leicht blieb.


Jetzt les ich erst mal die anderen Beiträge, sonst wird das hier zu lang.

Zitat
Und das Öffnen des Maules als Ausweichreaktion les ich hier ehrlich auch zum 1. Mal. Ist das echt so? Dachte, das sei teilweise ein Reflex?
da muss man zweierlei unterscheiden.

Das Pferd hat zwei Möglichkeiten, dem durch den Zügel aufgebauten Druck auszuweichen (wenn es zuviel Druck ist) - zum einen durch das Nachgeben im Genick, eine durchaus erwünschte Reaktion bei vielen Reitern - oder durch das Nachgeben im Unterkiefer.

Da meist das Maul durch ein Sperrhalfter zugebunden ist, ist das Nachgeben im Genick dann auch schon die einzig mögliche Variante für viele Pferde.

ist das Maul nicht zugebunden kann das Pferd dem Druck durch Nachgeben im Unterkiefer weichen.
in der hiesigen Reitlehre ist das nicht erwünscht, die französische Reitlehre  ist aber eher darauf orientiert als auf das Nachgeben im Genick.

Dabei geht es wiederum aber nicht darum, so viel Druck zu machen bis das Pferd das Maul aufsperrt.
Sondern die Einwirkung auf die Maulwinkel und das anschliessende Öffnen des Mauls und Kauen (dadurch Lockern des Unterkiefers) wird sehr kleinschrittig beigebracht und bekommt in späterer Form die Funktion eines angelernten Reflexes, bei dem nur noch die Hand leicht eingedreht wird und das Pferd durch Kauen den Unterkiefer lockert.
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Re:anspruchsvolles Reiten - nur mit positiver Verstärkung?
« Antwort #7 am: 18. Dezember 2009, 17:55:10 »
Zitat von: Steffi
sicherlich hast Du Recht, dass einfaches "Nase-am-Boden-schleifen" zu clickern noch nichts mit korrektem Vorwärts-Abwärts zu tun hat. Ich denke aber trotzdem, dass viele Leute genau das ihrem Pferd erstmal erlauben sollten.
Ich sehe das auch genauso: das ist eine Übergangsphase. Zunächst müssen die Pferde erst mal die Gewissheit bekommen, daß sie wirklich völlige Freiheit im Hals bekommen und sich in der Muskulatur lockern können.
Dann entwickelt sich daraus durch das gesamte Aktivieren des Schwungs und der Hinterhand und die sich dadurch ergebende vermehrte Muskelspannung ein korrektes Vorwärts/Abwärts mit Nase auf Bughöhe.

Zitat
- übrigens: hast Du mal erlebt wie manche Leute Probleme haben, ihrem Pferd überhaupt zu erlauben sich mal gaaaanz tief zu strecken? Die Menschen trauen sich nicht, den Zügel wirklich loszulassen, bis auf ein letztes bißchen Leder zwischen den Fingern und die Pferde trauen ihren Menschen nicht, dass sie es mit der Entspannung wirklich ernst meinen.

ohja!! Wie oft sag ich Zügel lang und nachgeben, und dann lassen die meisten nur fünf Zentimeter nach. Dann sag ich "Länger" und sie lassen noch mal 5 Zentimeter und ich bekomme schon ungläubige Blicke.
den Zügel bis an die Schnalle loszulassen ist für viele eine unglaublich schwere Sache, weil sie ihrem Pferd in Freiheit nicht trauen.
Und wenn sie es dann erleben, daß das Pferd trotzdem - oder gerade deswegen - entspannter läuft als vorher, fällt es ihnen leichter sich selbst darin zu entspannen.
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lindalotze
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Re:anspruchsvolles Reiten - nur mit positiver Verstärkung?
« Antwort #8 am: 18. Dezember 2009, 17:55:42 »
Zitat
ist das Maul nicht zugebunden kann das Pferd dem Druck durch Nachgeben im Unterkiefer weichen.
in der hiesigen Reitlehre ist das nicht erwünscht,

Also ein Pseudo-Nachgeben durch Verkanten und seitl. Verschieben des Kiefers ist nicht gewünscht. Ein Öffnen des Unterkiefers und dann Kauen aber schon, bitte.
Und was in suboptimalen Etablissements mit Sperriemen getrieben wird, hat nur bedingt mit den Anforderungen einer Reitlehre zu tun. (Ich glaub, das passiert da aus den gleichen Gründen, wie der hingegebene Zügel nicht passiert...)

Tamaris verkriecht sich ja auch mal gern mal - signifikant nur noch im letzten Drittel der Stunden, wenn einfach die Kraft ausgeht. Und bei der hilft "nach oben wirken" so gut wie nichts, die machts sich dabei eng und enger und rennt ungespitzt in den Boden rein. Da hilft nur kurz Hand zu und Kreuz dran.

Freundin kommt, bis später...
lg
Linda
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Re:anspruchsvolles Reiten - nur mit positiver Verstärkung?
« Antwort #9 am: 18. Dezember 2009, 17:56:06 »
Zitat von: lindalotze
Und bei der hilft "nach oben wirken" so gut wie nichts, die machts sich dabei eng und enger und rennt ungespitzt in den Boden rein. Da hilft nur kurz Hand zu und Kreuz dran.

ja, einfach nur "nach oben wirken" bringt auch nix, das ist klar. Ganz früher hab ich das mit Mirko auch probiert, aber es half keinem von uns. Das einzige was damals half, war Beine dran, weil dadurch die Bauchmuskulatur angespannt wird und damit muss der Kopf hochkommen. Aber das geht eben nur kurzzeitig und ist, wie du selbst sagst, eine Frage von Kraft.

Das Abkauen und über die Maulwinkel einwirken beinhaltet aber eine gründliche und wirklich kleinschrittige Schulung des Pferdes auf diese Einwirkung - und das fängt ganz klein vom Boden aus an.

Kann ich gerne einen Thread zu aufmachen, wenn es mehr interessiert. Ich hab das ja recht bald mit dem CT verbunden und ohne diese verbindung wäre Mirko sicherlich nicht da wo er jetzt ist - die Kauanforderung war ihm echt zu anstrengend.
da das Kauen aber als zentrales Element angesehen wird, bin ich da immer wieder dran hängengeblieben und nicht wirklich weiter gekommen.
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Re:anspruchsvolles Reiten - nur mit positiver Verstärkung?
« Antwort #10 am: 18. Dezember 2009, 17:56:54 »
Zitat von: Sady
So, ich versuch mich mal einzuclicken *g* ist etwas schwierig, weil ich jetzt ein paar Tage nicht dazu gekommen bin und eure Diskussion schon so weit fortgeschritten ist.

Ich denke, dass man beim Reiten bzw. auch bei der Bodenarbeit gar nicht so sehr zwischen den einzelnen Verstärkungsformen unterscheiden kann. Nichtmal Wissenschaftler kommen da oft  auf einen grünen Zweig. In der Praxis finde ich das teilweise auch gar nicht sooo relevant, sofern man sich des Prinzips der operanten Konditionierung bewusst ist. Sicher ist das Clickertraining ursprünglich als reines Training über positive bestärkung gedacht, aber die Rechnung geht halt nicht immer auf.

Wenn man das jetzt mal ganz wissenschaftlich angehen würde (so wie ich es auffasse ...)
Positive Verstärkung kommt rein theoretisch für mich nur dann vor, wenn ich auf ein Verhalten des Pferde reagiere, ohne das ich vorher agiert habe. Also freies Formen im eigentlichen Sinne. Sobald die Reaktion des Pferdes als eine Reaktion auf meine Aktion erfolgt, ist es eigentlich schon keine positive Bestärkung mehr. Eine Hilfe wird meiner Meinung nach fast immer aus einer negativen verstärkung heraus gelernt, da auch die Vorstufe von Druck bereits eine negative Verstärkung darstellt. Wenn ich also auf dem Pferd sitze, passiv bin und auf eine richtige Reaktion warte, dann wäre das imho positive Verstärkung. Wenn ich aber den Schenkel anlege, dann ist das zwar eine Information, aber da das Pferd ja auf meine Aktion reagiert, glaube ich nicht, dass das reine positive Verstärkung ist.  Ich versuche mal Beispiele dazu zu bringen ...

Wenn ich zum Beispiel auf einem umzäunten Platz bin und möchte, dass mein Pferd rechts herum läuft, kann ich einfach warten, was passiert. Ganz sicher, wird das Pferd irgendwann von sich aus rechts herum laufen, das kann ich dann bestärken. Aber was spricht dagegeben, sanft aber bestimmt zu sagen, jetzt links herum. Ich glaube, das ist für das Pferd viel weniger frustrierend, als Verhalten ohne Reaktion. Es wird feststellen, dass sich sein Verhalten - nämlich in die falsche Richtung zu laufen - nicht lohnt, weil es keine Bestätigung dafür bekommt. Also wird es etwas anderes versuchen, um seine emotionale und physische Fitness zu steigern (denn diese nimmt ja ab, wenn es sich nicht lohnt durch z.B. Stress oder Ermüdung etc.) Man könnte jetzt sagen, das Pferd bekommt doch seinen Willen, aber davon hat es ja garnichts. Es hat nur gelernt "wie blöd, jetzt renne ch schon seit 2 Minuten rechts herum und habe überhaupt nichts davon ...) Es wird also weiterhin versuchen, seine Situation zu optimieren, in dem es etwas anderes versucht (Trial and Error Prinzip). Vielleicht hält es an. Wenn ich dann meinen Focus nicht verloren habe , dann kann ich das für mich nutzen in dem ich freundlich aber bestimmt dem Pferd erneut die Aufforderung gebe, nach links zu gehen. Ich kann auch das Pferd erstmal nach links drehen, um eine bessere Voraussetzung zu schaffen, damit mein Pferd eine Idee bekommt, was es tun soll (vielleicht weiß es das ja noch nicht ...) und kann dann, wenn auch nur im Ansatz die richtige Reaktion erfolgt, sofort belohnen. Das wäre dann aber eigentlich schon keine positive Verstärkung mehr, dennoch das Pferd ha gelernt, sein Verhalten ist richtig (es hat sich gelohnt) und auch unsere Position verbessert sich, da das Pferd ja auch gelernt hat, dass sich seine Situation durch seine Reaktion auf mein Verhalten gelohnt hat.

Natürlich kann ich das Pferd auch Strafen, in dem ich ihm mit der Gerte eins vor die Brust haue, damit es sich entschliesst, vielleicht doch meiner Aufforderung nachzugehen. Aber dann hat es nur gelernt "wenn ich nicht tue, was man mir sagt, dann gibts haue". Das wäre übrigens eine positive Strafe, da ich dem Pferd etwas unangenehmes hinzugefügt habe. Eine negative Strafe wäre hier schwierig, da diese nur unter Ausschluss von sämtlichen Bestärkungsfaktoren stattfinden könnte. Ich könnte mich umdrehen und das Pferd ignorieren, damit würde ich den Sozialkontakt (oberste priorität) streichen. Aber es ist nicht davon auszugehen, dass das in dieser Situation grossartig was bringt. Beide Strafmassnahmen haben darüber hinaus nur die Möglichkeit, das Verhalten kurzfristig abzustellen, bieten aber keine Lösungsansetze für das Pferd, also lassem dem Pferd keine Möglichkeit, richtig zu reagieren und so dass Verhalten für das Pferd lohnend zu machen (in dieser Situation zumindest, im Hang-Beispiel hat das Pferd natürlich einen so grossen Nutzen davon, dass die Strafe reguliert wird). Von daher sollte Strafe in den meisten Fällen schon mal ausgeschlossen werden.

Eine andere Möglichkeit wäre die "negative Bestärkung". Das ist immer so eine Sache. Eine negative Bestärkung ist nämlich eigentlich keine Reaktion auf ein Verhalten, sondern geschieht vor einem Verhalten. Ich übe also einen aversiven Reiz aus, um dem Pferd eine Situation unangenehm zu machen, bevor ich in einem Konflikt bin (das Prinzip der Hilfen ...). Und das wiederum führt nahtlos von der positive Bestärkung zur negativen Bestärkung. Eine Hilfe sollte als Hilfe gesehen werden, wenn von ihr kein ernst zunehmender Druck ausgeht, also ein Signal, welches eine Reaktion auslöst. Im Ernst, weiß jemand da den Zusammenhang? Kann positive Verstärkung überhaupt "vorhanden" sein, wenn wir vorher in irgendeiner Weise agiert haben? Ein Annehmen des Schenkels ist zwar Information für das Pferd und im Idealfall sollte dies mit sowenig Druck wie möglich erfolgen, aber ihr werdet mir sicher zustimmen, wenn ich sage, es ist die Vorstufe zu druck. Und da auch die Vorstufe des Hinzufügens eines aversiven Reizes schon negative Verstärkung darstellt ... erst dann eine negative Verstärkung, wenn damit auch Druck einhergeht. Denn wir haben den unangenehmen Reiz reduziert, so dass wir nur noch das Signal dazu haben, das Pferd zu etwas zu veranlassen. Wenn ich allerdings anfange, den Druck zu erhöhen, weil das Pferd nicht reagiert, dann ist das eine Konsequenz, die sich aus einem Verhalten entwickelt, die ich mit etwas negativem konfrontiere. Ich reagiere also mit Druck, auf ein nicht ausgeführtes Verhalten. Da sich der Druck allerdings sofort verabschiedet, wenn das Pferd richtig reagiert hat, spricht man hier von einer negativen Verstärkung und nicht von einer positiven Strafe. Allerdings kann die negative Verstärkung leicht zu einer solchen werden, wenn ich nämlich verpasse, im richtigen Moment nachzulassen und sich beim Pferd Frustration durchsetzt und es dicht macht, oder aber das Pferd gar nicht daran denkt, in meinem Sinne zu handeln (muss ich dann bei der negativen Verstärkung immer mehr druck machen ...). Dann habe ich nur noch einen Abbruch als Möglichkeit und muss auf null zurückgehen und von vorne anfangen und hoffen, das das Pferd mir das nicht übel nimmt. Unter Umständen kann so eine Aktion aber zum zumindest vorübergehend völligem Zusammenbruch eines Verhaltens führen.

Ohjeohje, so kompliziert ...

Was ich sagen will eigentlich *G* Ich glaube nicht, dass man - wenn man von meiner Auffassung ausgeht - nur mit positiver Verstärkung auskommt. Ich halte das aber auch nicht für notwendig, solange man mit operanter Konditionierung arbeitet und den Focus auf die Motivation legt. Viele positiven Effekte der positiven Verstärkung kann man imho auch im Zusammenhang mit der negativen Verstärkung, die für mich völlig wertfrei vorhanden ist, nutzen. Wenn man eben das Prinzip verstanden hat. Ich glaube, dass ein Training nur über positive Verstärkung unter dem Sattel nicht möglich ist, oder sagen wir, seltenst möglich ist. Da das Pferd nun mal nicht zu kognitivem / logischem Denken fähig ist, kann es auch nicht wissen, dass es sich z.B. lohnt, an seine Grenzen zu gehen. Und ichdenk, da kommt man nämlich mit der positiven Verstärkung einfach auch an seine Grenzen. Ein Leistungssportler weiß, wenn ich mich jetzt anstrenge, dann lohnt sich das, auch wenn ich da erstmal keinen Spass dran habe. Mensch irgendwie verliere ich den Faden und ich weiß nicht, ob irgendwer versthet, worauf ich hinaus will^^

Sady
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EscyKane
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Re:anspruchsvolles Reiten - nur mit positiver Verstärkung?
« Antwort #11 am: 18. Dezember 2009, 17:57:55 »
Wow, ich finde es wirklich klasse wie viele Reaktionen es hier schon gab und ich habe schon beim Überfliegen schon richtig Lust aufs Diskutieren.

So viele interessante Aspekte!

Leider habe ich im Moment nicht die Zeit auf die Texte zu antworten! Nicht denken, dass ich das Thema vergessen habe! Sobald ich die Zeit habe steige ich in die Diskussion wieder ein!  :)
Zu den ersten beiden Beiträgen:

Steffi:
Hm, also zwischen "alle guten Ergebnisse clicken" und ansonsten klassisch arbeiten und "mit dem Clickertraining ausbilden" ist schon noch ein ziemlicher Unterschied. Ich mache mir den Clicker auch oft zunutze und clicke einzelne Lernschritte, das erhöht die Motivation und erleichtert es, dem Pferd zu sagen, was man von ihm will. Aber wirklich NUR mit +V zu arbeiten ist noch einmal etwas ganz anderes. Es würde ja im Endeffekt bedeuten (in Extremform gedacht), reglos auf dem Pferd zu sitzen, bis das Pferd losgeht. C+B, wieder reglos sitzen bis es losgeht, C+B usw. Nächster Schritt, Signalkontrolle: Wenn das Pferd losgeht, lege ich die Schenkel an. C+B usw. Nächster Schritt: Auf Anlegen der Schenkel geht das Pferd los.
Das ist jetzt mal extrem gedacht, aber nach diesem Schema müsste man ja dann eigentlich arbeiten, oder?
Ich habe mein Pferd anpiaffiert mit einem Mix aus normalem Training und Clickern. Die Motivation war sehr hoch, dank CT musste ich nie mehr so vie Druck machen, dass das Pferd Stress hatte, außer ganz kurz am Anfang bis zur ersten gewünschten Reaktion. Mein Pferd war so gierig und arbeitswillig, dass es mir sogar ungewünscht die Piaffe anbot. Ein ziemlicher Erfolg - bis ich dann angefangen habe, die Dauer zu steigern. Als wir bei 10 wirklich gesetzten Piaffetritten angekommen waren, reichte C+B nicht mehr aus, bzw wäre die Ausbildung allein über +V so langsam voran gekommen, dass wir heute vielleicht bei 11 guten Schritten wären. Freixe ist immer noch motiviert und hat Spaß, aber ich muss inzwischen schon richtig Hilfen geben, damit er die Lektion ausführt, nicht mehr das  Anbieten der Piaffe bei jeder (un) möglichen Situation  :wink:

Zitat
Stimmt. Aber gebe ich meine Hilfen tatsächlich immer ganz gleichzeitig?
Ich versuche eine Gesamtkörperreaktion des Pferdes zu clickern. also zb eine Erhöhung der Körperspannung (positiv). Ein Nachgeben im Hals. Ein Weichwerden. Ein Herandehnen an den Zügel.
Hm, also 100% gleichzeitig werden Hilfen ja nie gegeben. Leider wird die "englische" Reitweise ja oft mißverstanden mit "vorne ziehen, hinten reintreten" und zwar beides gleichzeitig. Das sollte aber auch in dieser Reitweise nie der Fall sein - richtig wäre es, die Schenkelhilfe zu geben und sie nach vorne durch zu lassen, und erst dann vorne wieder mit der Hand einzuwirken. Das kann sich auch in Millisekunden abspielen, aber gleichzeitig wird nicht eingewirkt.
Auf das Clickern bezogen macht es das aber nicht wirklich leichter, finde ich. Man muss ja trotzdem die eigenen Hilfen UND das Pferd genau koordinieren können, so viele Aspekte zeitgleich beachten um die gewünschte Reaktion zu clicken. Ich bekäme das vermutlich nicht auf die Reihe, eher noch wenn zB meine RL den Clicker in der Hand hielte und dann clickt, wenn sie es gerade besonders gut findet.

Zitat
es kommt m.E. auch immer auf die Stärke und Ausformung der Einwirkung an.
Wenn ich jemanden schubse, ist das unangenehm, unangebracht und unhöflich. Wenn ich denselben in einem Tanz führe, wird es ein Miteinander.
Dazu hat mein Partner gelernt, sich führen zu lassen.
Schon, aber was unangenehm ist, ist ja auch noch einmal von Pferd zu Pferd verschieden. Manche sind relativ drucktolerant und geraten nur selten in Stress bzw fühlen sich nicht unwohl. Während mein Wallach schon mit dem Schweif schlägt wenn man das Bein mal etwas fester andrückt, kenne ich auch einen Haflinger, deren Besitzerin regelmäßg mit der Gerte draufbretzelt ohne dass überhaupt irgendeine Reaktion kommt! Zumindest scheint es dem Tier nicht so unangenehm zu sein, dass es sich lohnen würde, das Tempo zu erhöhen um den Schlägen zu entgehen.
Aber nur weil der Hafi nicht "aua, aua" schreit, noch nicht einmal mit dem Schweif zuckt, ist es deshalb gerechtfertigt, mit der Gerte drauf zu hauen?

Oder anders herum: Wenn ein seelisch ausgeglichenes Pferd nach NH gearbeitet wird und schon so früh die gewünschte Reaktion auf die Hilfen zeigt, dass es nie zu einem unangenehmen Druck kommt, ist die Methode dann nicht zumindest für dieses PFerd genauso geeignet wie +V?
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Re:anspruchsvolles Reiten - nur mit positiver Verstärkung?
« Antwort #12 am: 18. Dezember 2009, 17:58:42 »
Zitat
Oder anders herum: Wenn ein seelisch ausgeglichenes Pferd nach NH gearbeitet wird und schon so früh die gewünschte Reaktion auf die Hilfen zeigt, dass es nie zu einem unangenehmen Druck kommt, ist die Methode dann nicht zumindest für dieses PFerd genauso geeignet wie +V?

das gehört jetzt wieder eher in das andere Thema  :wink:

aber das mit der Druckstärke heisst nicht unbedingt, daß bei einem druckresistenten Tier eine hohe Druckstärke bis zur Reaktion auch bedeutet, daß das Tier damit keinen Stress hat.

äh, also was ich meine: Mirko zb hat eine hohe Druckresistenz.
da muss ich lange draufklopfen bis was passiert, rein als Reaktion auf den Druck (mit der Gerte).
am Bein ist er superfein, und auf Gewichtshilfen auch sehr empfindlich.

Wenn ich den Gertendruck jetzt so steigere, bis er reagiert, hat er Mordsstress.
das habe ich früh schon erkannt und verworfen als Möglichkeit.

Also habe ich zb in der Übung Rückwärts-Antraben auch mit Clicker gearbeitet, um jede gewünschte Reaktion zum einen bestätigen zu können und auch gleichzeitig, um den Stress herauszunehmen.
Damit habe ich mir Impulsion erarbeitet, die vorher einfach nicht da war.
da war als einzige mögliche Reaktion auf die Gertenhilfe Stress, ohne daß da mehr Bewegung rauskam.
Jetzt kann ich mit ganz wenig Druck viel Bewegung bekommen, weil er durch den Clicker gelernt hat, daß er da a) keinen Stress haben muss und b) Bewegung gewünscht ist.

Und das unterscheidet das eben doch gewaltig von Methoden, die als einzige Möglichkeit die Drucksteigerung haben. (ja ok, das ist auch wieder das andere Thema)

 :wink:

Sady, ja ich hab Dich verstanden. Aber ich muss es nochmal lesen um zu wissen was ich da antworten will.  :D
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Re:anspruchsvolles Reiten - nur mit positiver Verstärkung?
« Antwort #13 am: 18. Dezember 2009, 18:00:24 »
erstellt am:
01 Okt 2008 21:41

Zitat von: Sady
Zitat von: Muriel
Also habe ich zb in der Übung Rückwärts-Antraben auch mit Clicker gearbeitet, um jede gewünschte Reaktion zum einen bestätigen zu können und auch gleichzeitig, um den Stress herauszunehmen.
Damit habe ich mir Impulsion erarbeitet, die vorher einfach nicht da war.
da war als einzige mögliche Reaktion auf die Gertenhilfe Stress, ohne daß da mehr Bewegung rauskam.
Jetzt kann ich mit ganz wenig Druck viel Bewegung bekommen, weil er durch den Clicker gelernt hat, daß er da a) keinen Stress haben muss und b) Bewegung gewünscht ist.

Ja, aber war das dann positive Bestärkung? Doch auch eher negative Bestärkung, oder? Wie hast du ihn dazu gebracht die gewünschte Reaktion zu zeigen? (falls es so rüberkommt, ist nicht patzig gemeint *ggg*)
LG Sady
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Re:anspruchsvolles Reiten - nur mit positiver Verstärkung?
« Antwort #14 am: 18. Dezember 2009, 18:01:32 »
Nee, das war eindeutig negative Verstärkung.
Aus meiner Sicht wäre das über alleinige positive Verstärkung nicht möglich gewesen, weil er von sich aus eben eher Energiesparend unterwegs war und nichts in der Richtung angeboten hat.

das Ganze, was dann schlussendlich draus wurde, daß er sich jetzt so toll fühlt, daß er aufs Handtarget angaloppiert kommt usw - das war dann der weitere Weg daraus.
aber ohne negative Verstärkung wäre das für mich so nicht erreichbar gewesen.

Ich habe allerdings einmal deutlich und in der Herde auch in anderen Situationen gesehen, wie wenig Mirko auf direkte Negative Verstärkung (=reinbeissen) tatsächlich reagiert. Von daher kann man das nicht mit empfindlicheren Pferden vergleichen. Und doch ist er hochsensibel, aber eben nicht im Bereich der Hautempfindlichkeit auf Druck=Reaktion.


Zitat
Wie hast du ihn denn dazu gebracht, die gewünschte Reaktion zu zeigen

Durch Wiederholung und Impulssteigerung.

Ich wollte mehr Antritt aus der Hinterhand aus dem Rückwärtsrichten. Mehr Impuls eben.
also hab ich rückwärts - vorwärts im Schritt geübt, und jedes energischere Antreten (auch mit Stimme) geclickt.
Wenn ich mehr wollte als er angeboten hat, hab ich im Moment des Antretens die Kruppe touchiert und jede positive Reaktion (= mehr Wuppdich, mehr Kraftentfaltung) direkt geclickt und Pause gemacht.

Danach Rückwärts im SH und Antreten daraus.
dann kam später Rückwärts - Trab dazu - wieder mit etwas Touchierhilfe und sofortigem Click, wenn auf das Kommando richtiges kräftiges Antreten kam.

So hatten wir dann auch unsere erste Kapriole   :roll:  da war die Druckstärke dann zu hoch für seinen Gemütszustand bzw da kam dann die richtige Impulsion dabei heraus.

danach hab ich eigentlich alles nur noch auf Signalstärke heruntergefahren, aber die Impulsion ist geblieben - und er hat keinen Stress mehr damit.
Alles kommt zu dem, der warten kann.
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