Das wollte ich auch nochmal dazu sagen (für den Rest fehlen mir immernoch PC-Zeit und Nerven..) - ich denke es geht am Ende einfach darum, einen Mittelweg zwischen "Mein Pferd darf ohne mich nicht mal entscheiden wann es atmet" und "Ich setze mein Pferd in der Prärie raus und guck dann mal, was ihm so einfällt" zu finden.
Genauso wie wir uns im Training immer Mühe geben sollten, machbare und logisch aufeinander aufbauende Kriterien zu finden, um das Training selbst so stressfrei und positiv wie möglich zu gestalten, sollten wir eben auch immer hinterfragen, was das Pferd am Ende dazu sagen würde. Ob es überhaupt Spaß an dieser Art von Aufgaben hat und körperlich dazu in der Lage ist - nicht jeder Mensch kann Profi-Fußballer oder Schlangenmensch werden, oder Orchestermusiker oder Opernsänger, ganz egal wieviel er trainiert.
Aber die Kernfrage für mich bei dem kompletten Thema "Choice" ist tatsächlich: Darf mein Tier wirklich Nein sagen?
Oft ist das Argument ja "es kann ja weg gehen, wenn es nicht will". Aber mal ganz im Ernst - wie oft lässt man das wirklich zu? Sei es durch die Gestaltung der Trainingsumgebung (soll es sich doof mitten auf den Platz stellen?), durch die Auswahl der Verstärker (hochwertige Leckerli können über vieles hinwegtäuschen) oder schlicht und ergreifend dadurch, dass das Pferd gar nicht weiß dass "Weggehen" als Alternative zur Verfügung steht. Weg vom Menschen ist nämlich nix. Kein Sozialkontakt, keine Kekse, nix. Von daher ist die Aussage "Es hat ja die Wahl, es kann ja Gehen" in meinen Augen Augenwischerei und keine ernsthafte Alternative.
Ein schönes Beispiel dazu von einer Giraffe im Zoo, die immer die Nase über das Gitter gehalten hat, und daraufhin von allen Menschen gestreichelt und gefüttert wurde (also hier geht es jetzt um Pfleger und so), die Videos haben wir auf einem Seminar gesehen. Im ersten Schritt wurde trainiert, dass die Giraffe nur noch berührt wird, sobald sie ein Target berührt hat (+ Click & Keks). Ihr dürft raten wie oft sie das Target berührt hat. Richtig - immer. Dann haben sie ein zweites Target trainiert, bei dem es einfach nur C/B gab, ohne Berührung. Und jetzt ratet mal, welches Target die Giraffe berührt hat, wenn beide zur Auswahl standen. 100% Berührungen für das Target OHNE Berührung. Hatte sie im ersten Setup schon eine Wahl? In der Theorie schon. Wann ist ihr bewusst geworden, welche Wahl sie hat? Erst im zweiten.
Und genau darum geht es für mich. Wenn nur eine Option zur Verfügung steht, dann ist die Chance dass das Tier für Ja (zum Verstärker und Sozialkontakt) entscheidet, ziemlich groß. Und Nein wird eigentlich erst dann gesagt, wenn es wirklich vorne und hinten nicht passt - Nein sagen bedeutet nämlich negative Strafe und ist damit keine realistische Option.
Wenn man dem Tier nun aber beibringen kann, dass Nein eine tatsächliche Alternative für gleichwertige Verstärker ist, dann ist es extrem spannend zu beobachten, was passiert. Ganz oft probieren sie es nämlich nur so lange aus, bis sie das Prinzip verstanden haben und dann verschwindet das Nein ganz von alleine. Dazu gibt es halt schlichtweg wenig Forschung bisher - ein Punkt der ganz oben auf der ToDo-Liste von vielen Sprechern auf der ClickerExpo im letzten Jahr war - aber es ist im Kommen.
Und deswegen geht es bei Choice eben nicht darum, 40 unterschiedliche Spielzeuge hinzustellen und dann zu sagen "beschäftige dich mal, mir ist egal womit" oder in einer Stresssituation zu sagen "Nee da musst du jetzt alleine rauskommen, ich helf dir nicht". Weil das ist nicht das worum es geht. Es geht auch nicht um Kontrollverlust oder antiautoritäre Erziehung, denn am Ende bestimmen wir ja doch immer noch, wo wir mit dem Pferd sind und was zur Verfügung steht etc. Aber wir können ihm ein Stück weit tatsächliche Kontrolle über seinen Körper und das Tempo des Trainings geben, die auch in der Praxis existiert und nicht nur in einem theoretischen Konstrukt von "es könnte ja gehen". Das können nicht mal wir Menschen, wie man es ja immer und immer wieder erlebt wenn es um psychischen und physischen Missbrauch geht.
Es geht darum dem Tier in einem Trainingsprozess beizubringen, "wenn du DIESES Verhalten zeigst, dann nehme ich das Ernst und unterbreche was wir tun, um zu hinterfragen, was gerade schief läuft. Oder zumindest schaffe ich uns schnellstmöglich aus der Situation (irgendwie) und überlege dann, was du mir in dem Moment mitgeteilt hast". Die Körpersprache der Pferde lesen zu können, ist das eine. Dem Pferd ein Verhalten beizubringen, von dem es auch WEISS dass es das gezielt zur Kommunikation anwenden kann - und zwar im operanten Handlungsmodus und nicht im reaktiven Stressmodus - macht für das Pferd einen riesengroßen Unterschied aus.