Clickerforum

Clickertraining in der Theorie => Lerntheorie und Signalkontrolle => Thema gestartet von: Ehemaliges Mitglied 32 am 13. November 2012, 14:52:41

Titel: Weiterentwicklung?
Beitrag von: Ehemaliges Mitglied 32 am 13. November 2012, 14:52:41
Ich beschäftig mich wegen meiner Ausbildung (Agrarpädag.) grad mit den Lerntheorien usw.
Natürlich kommt man da auch am Behaviorismus (Skinner, Pawlov, Thorndike) nicht vorbei. Im Menschenunterricht werden die Errungenschaften der Behavioristen ja eher als veraltet hingestellt, genauso wie das System mit Lernen durch Belohnung und Strafe.
Viel mehr ist jetzt der Konstruktivismus in, also dass die Kids selbst auf etwas draufkommen.

Ich les auch grad ein Buch über Hundeerziehung (muss erst nachschauen von wem), wo es so ähnlich dargestellt wird. Also weg vom Denken, Tier=Maschine und Tier lernt daher nur durch Belohnung und Strafe hin zu mehr Gefühl in der Hundeerziehung. Im Prinzip liest man das doch auch hier. Klar, gute Clickerer halten sich an die Spielregeln, passen auf was sie bestärken usw. Aber gleichzeitig les ich hier immer wieder, dass die aktuellen Launen und Gefühle des Pferdes im Training ganz stark mitberücksichtigt werden.

Denkt ihr, findet auch im Pferdetraining gerade so eine Art Umbruch statt? Wie kann man den Konstruktivismus im Pferdetraining einsetzen? Geht das überhaupt? Ist es eine Form, wie sich das Clickertraining aktuell entwickelt?
Titel: Re:Weiterentwicklung?
Beitrag von: verena am 13. November 2012, 22:14:55
Ich finde, es gehört zur Clickerphilosophie dazu, daß man die Gefühle, die Befindlichkeiten des Tieres respektiert, ins Training miteinfließen lässt und darauf reagiert. Ich zwinge meinen Hund sicher nicht ins Platz, wenn ich weiß, er hasst Nässe und die Wiese ist naß und/oder matschig. Da trainiere ich halt mal was anderes. Oder Bessi ist heute eher nicht nach Ball spielen zumute, sondern lieber nach Podest, da nehme ich auf jeden Fall Rücksicht drauf. Allerdings glaube ich nicht, daß sich grundsätzlich allgemein  beim Pferdetraining was geändert hätte, zumindest nicht hier in unserer Gegend. Bei den Hunden beobachte ich jetzt schon so ganz langsam bei uns ein leichtes Umdenken . Bezüglich Konstruktivismus kann ich nicht viel dazu sagen, weil ich mich damit nie beschäftigt habe und nicht darüber Bescheid weiß. Ich könnte mir nur vorstellen, das ein wenig wie free shaping zu sehen, da muß der Trainee ja auch selber irgendwie rausfinden was gefragt ist. Ist meiner Meinung nach aber nicht bei allen Individuellen Charakteren geeignet. Meine Lena und auch Gloa sind emotional sehr unsicher, eher ungeduldig und wenig streßresistent. Vielleicht würde es bei einem perfekten Trainer klappen, der es schafft, sie ohne Streß zu entwickeln auch mittels free shaping zu trainieren, ich bin dazu auf jeden Fall zu langsam/schlecht, was auch immer :cheese:.
Titel: Re:Weiterentwicklung?
Beitrag von: Ehemaliges Mitglied 32 am 14. November 2012, 15:51:08
Eben, für uns hier gehört es zum CT, dass man die Gefühle und Launen mitberücksichtigt.
Streng nach Definition gehört es aber nicht dazu. Die Tiere werden als Opportunisten beschrieben, die lediglich für die Erfüllung ihrer Bedürfnisse arbeiten. Die direkte Beziehung zum Tier wird dabei außen vor gelassen. Ist sicher praktisch bei einem Wildtier, aber nicht ganz passend für unsere Haustiere.
Sabine Winkler schreibt dazu in ihrem Buch "So lernt mein Hund": "Clickertrainer betrachten zuverlässige Signalkontrolle (Gehorsam) ausschließlich als Produkt von fachgerechtem Training, was aber nicht heißt, dass sie keine Beziehung oder Dominanzbeziehung zu ihren Hunden hätten. Nur sehen sie kaum einen Zusammenhang zwischen Signalkontrolle und solchen Beziehungsfragen."
Das Buch, dass ich grad les ist von Elisabeth Beck und heißt "Wer denken will, muss fühlen". Sie schreibt: "Wenn Clickertrainer sich dessen bewusst sind, dass eine Methode nicht mehr - und auch nicht weniger - leisten kann, als einem Tier bestimmte Lernaufgaben zu vermitteln, ist das eine wirklich achtbare Haltung und ein sehr klarer und kluger Umgang mit dem Thema Methode. Nicht richtig ist es hingegen, dass die Mensch-Tierbeziehung keinen Einfluss auf Lernprozesse und natürlich auch auf den Gehorsam hätte."

Und ich denke an dem Punkt stehen die meisten hier in diesem Forum bzw. auf das will ich hinaus. Skinner usw. ging es rein um das erforschen des Lernverhaltens von Tieren, aber nicht um die Beziehung zum Tier bzw. die Gefühle des Tieres (sonst hätten sie wohl keine Tierversuche mit Stromschlägen gemacht). Gleichzeitig steht in vielen Büchern übers CT aber mehr oder weniger, dass wir uns heute in erster Linie beim CT an den Erkenntnissen von Skinner und seinen Nachfolgern orientieren. Das stimmt meiner Meinung halt nur mehr bedingt, weil die Leute hier, die aktiv CT machen, die Gefühle nicht außer Acht lassen. Oder interpretiere ich viele Bücher zum CT (zb die Werke von Karen Pryor) einfach falsch? (Ich vermute, dass K.P. so ziemlich das gemeint hat, was wir hier machen, es ihr aber in den Büchern in erster Linie um die Technik und die Methodik geht und nicht um unsere Gefühle)

Ist klar, was ich meine?
Titel: Re:Weiterentwicklung?
Beitrag von: hyxc am 14. November 2012, 18:26:05
Sabine Winkler schreibt dazu in ihrem Buch "So lernt mein Hund": "Clickertrainer betrachten zuverlässige Signalkontrolle (Gehorsam) ausschließlich als Produkt von fachgerechtem Training, was aber nicht heißt, dass sie keine Beziehung oder Dominanzbeziehung zu ihren Hunden hätten. Nur sehen sie kaum einen Zusammenhang zwischen Signalkontrolle und solchen Beziehungsfragen."

Welche (überarbeitete) Auflage hast du? Ich weiß, dass sie das Buch nochmal überarbeitet (oder eher neu schreibt, meinte sie). Würde mich nur interessieren, ob das ein aktueller Standpunkt von ihr ist oder der Satz nach der Überarbeitung nicht mehr so da steht.
Titel: Re:Weiterentwicklung?
Beitrag von: Ehemaliges Mitglied 32 am 14. November 2012, 19:17:52
Sabine Winkler schreibt dazu in ihrem Buch "So lernt mein Hund": "Clickertrainer betrachten zuverlässige Signalkontrolle (Gehorsam) ausschließlich als Produkt von fachgerechtem Training, was aber nicht heißt, dass sie keine Beziehung oder Dominanzbeziehung zu ihren Hunden hätten. Nur sehen sie kaum einen Zusammenhang zwischen Signalkontrolle und solchen Beziehungsfragen."

Welche (überarbeitete) Auflage hast du? Ich weiß, dass sie das Buch nochmal überarbeitet (oder eher neu schreibt, meinte sie). Würde mich nur interessieren, ob das ein aktueller Standpunkt von ihr ist oder der Satz nach der Überarbeitung nicht mehr so da steht.
Ist die Version von 2001, zitiert in dem Buch von Elisabeth Beck! Ich hab das Werk von Winkler nicht gelesen, werde es aber sicher noch nachholen!
Titel: Re:Weiterentwicklung?
Beitrag von: eboja am 14. November 2012, 20:40:28
Ich finde das eine sehr interessante Frage, Coco! Allerdings weiss ich nicht so wirklich eine Antwort darauf :rotw:. Ich glaube, dass Bob Bailey mit seinen Chicken Camps (und damit dann vermutlich auch Viviane Theby, die Kurse sind ja meines Wissens nach sehr gleich) sehr stark auf das rein "Skinnersche" abzielt, was für mich aber halt einfach das "ordentliche Handwerkszeug" ist. Wobei ich dazu sagen muss, dass ich noch kein Chicken Camp mitgemacht habe.

Allerdings sehe ich es schon auch so, dass die Clickertrainer, die ich "kenne" (ob nur persönlich aus Seminaren oder nur aus Büchern), die jeweilige Gefühlslage des Tieres mit betrachten. Vielleicht nicht in klaren "Trainingseinheiten" (die dann sehr Chicken Camp-mässig ablaufen könnten), aber sicher im normalen Alltag.

Okay, jetzt habe ich zwar gelabert, aber eigentlich nichts gesagt  :rotw: .....
Titel: Re:Weiterentwicklung?
Beitrag von: hyxc am 14. November 2012, 21:06:53
Ist die Version von 2001, zitiert in dem Buch von Elisabeth Beck! Ich hab das Werk von Winkler nicht gelesen, werde es aber sicher noch nachholen!

Ich hab auch die "alte" Ausgabe. Die finde ich sehr gut, um Lerntheorien zu verstehen. Deswegen bin ich auf die neue Ausgabe gespannt, weil sie gesagt hat, dass sie vieles jetzt nicht mehr so schreiben würde wie damals.

Über's Thema selbst muss ich noch bisschen nachdenken...
Titel: Re:Weiterentwicklung?
Beitrag von: Julika am 14. November 2012, 22:05:44
Als "Chicken-Campler"  8) kann ich für mich nur sagen, daß ich mit perfektem Handwerkszeug noch besser auf die emotionale Lage meines Trainingspartners einstellen kann. Gerade durch das systematische Verstehen von Training, in dem viele wenn-dann-Entscheidungen von mir als Trainer gefragt sind, kann ich das Pferd noch mehr da abholen, wo es gerade ist.
Durch meine Arbeit clickere ich regelmäßig mir völlig fremde Tiere und sie "funktionieren" schon in der dersten Stunde. Ohne daß wir uns bei einer gemütlichen Tasse Möhrensaft in Ruhe kennengelernt haben :lol: Durch die Trainingserfolge baut sich rasch eine Beziehung auf, weil das Pferd mein Verhalten gut deuten kann. Und wer in der zweiten Stunde schon flehmend auf der Zweibeinwippe steht und nicht davon runterwill, hat mein Herz eh gewonnen...
Titel: Re:Weiterentwicklung?
Beitrag von: Ehemaliges Mitglied 32 am 15. November 2012, 10:25:38
Esther, ja genau, das meinte ich!

@Julika
Das "Handwerk" ist unerlässlich, das ist klar. Mir fehlt nur manchmal eben die Gefühlsebene in den Clickerbüchern, die ja erstrangig auf Menschen abzielen, die mit ihrem eigenen Haustier arbeiten. Mit fremden Tieren oder Wildtieren ist es wieder anders, da find ich deinen Ansatz, dass man die Beziehung über das Training bzw. im Laufe des Trainings aufbaut, sehr interessant. Hab ich mir noch nie so genau überlegt, aber du hast sicher recht.
Du hast eh auch geschrieben "funktionieren". Skinner würde das sicher genauso sehen, nehm ich mal an.
Aber ich möchte meinen Leuten im Hundekurs nicht sagen, sie sollen das Handwerk lernen, dass ihr Tier funktioniert. Bis jetzt hab ich gesagt, Tiere sind Opportunisten, die tun nur was für Belohnung. Ich hab es so rüberbebracht, dass die emotionale Ebene im Training eher unwichtig ist. Das möchte ich jetzt anders machen.
Fazit: Handwerk ist extrem wichtig, aber daneben darf man die Gefühle nicht außer Acht lassen.
Titel: Re:Weiterentwicklung?
Beitrag von: Ehemaliges Mitglied 32 am 15. November 2012, 10:27:42
Da meine Pferde ja alleine am Hof stehen komm ich nicht so oft in Kontakt mit nicht clickernden Reitern. Denkt ihr, ist es bei denen auch so, dass die Launen und Gefühle des Pferdes eine Rolle spielen? Oder steht da immer noch das "da muss das Pferd eben mal durch" auf der Tagesordnung?
Titel: Re:Weiterentwicklung?
Beitrag von: Bettina am 15. November 2012, 10:47:37
Was ich hier so sehe ist "Das Pferd muss da jetzt durch" in sehr vielen Fällen noch an der Tagesordnung. Aber vielleicht ändert sich das ja langsam.

Ein Gedanke zur "Gefühllosigkeit" des CTs, den ich aber noch nicht so echt formuliert bekomme:
Vielleicht ist man da nach Jahren von "Dominanztheorien", wo alles und jedes Problem auf die Beziehung zwischen Mensch und Pferd / Hund / usw. zurückgeführt wird, auch bewusst ein bisschen davon abgerückt.
Ich finde das an sich, wenn man mal so vermessen ist, zu meinen, man betrachtet die "Gesamtentwicklung" ;), einen sinnvollen Zwischenschritt, gewissermaßen. Ich habe das Gefühl, dass es grade in der Reiterwelt bei vielen Menschen noch nicht angekommen ist, nach welchen Gesetzmäßigkeiten ein Tier überhaupt etwas lernt. Und nichts anderes bildet die "Clickertheorie" ja zunächst mal (emotionslos) ab: universelle Lerngesetze.
Wenn ich das dann mal verstanden habe, kann ich mich auch wieder mit der Bindung zu meinem Tier beschäftigen ... aber auf eine andere Art und Weise.
Dann achte ich auch (wie vielleicht zuvor) auf die Gefühlsebene, aber interpretiere sie anders. Oder so. :juck:

Ich gehe jedenfalls vollkommen mit euch überein, dass man dann die Gefühlsebene nicht außer Acht lassen sollte. Weder jetzt an sich im Training, noch die generelle Gefühlslage zwischen Trainer und Trainee. Ich habe aber bei Clickertrainern, die mit Pferd und Hund arbeiten eigentlich nie oder zumindest nur selten das Gefühl, dass das da sehr mechanisch trainiert wird.

... so. Ich hör mal auf zu tippen, meine Gedanken sind irgendwie noch recht unsortiert. :rotw: Vielleicht liest ja einer von euch raus, was ich damit sagen wollte. :lol: :grinwech:
Titel: Re:Weiterentwicklung?
Beitrag von: verena am 15. November 2012, 11:39:04
Ich tue mir da irgendwie ganz schwer zu formulieren, wie ich das sehen würde :-\. für mich ist die Bindung, die Beziehung , sprich die Gefühlsebene zum Tier die eine Sache und gutes Training, das ja speziesübergreifend auf feststehenden Lerntheorien beruht, die andere Sache. Ich denke, es könnte ein sehr guter Clickertrainer, der aber keinerlei emotionale Beziehung oder Bindung zu meinen Tieren hat, wahrscheinlich auch sehr gutes Training im Sinne von raschen Lernfortschritten machen. Das ist für mich einfach das Handwerkszeug. Mechanistisch würde ich das einsetzen, wenn ich unabhängig von den Vorlieben, dem gegenwärtigem Gemütszustand, den äußeren Umständen (zB nasser Platz) mein jeweiliges Traininsziel einfach durchziehe. Dazu gehört auch das vielerorts gehörte 'da muß er jetzt durch', unabhängig von der Trainingsweise.  Was dann an Gefühlsebene dazukommt, ist die Rücksichtnahme auf den jeweiligen psychischen und /oder physischen Zustand meines Tieres. Aber das ist ja wieder unabhängig vom technisch perfekten (wenn es so etwas überhaupt gibt) Training. Wobei auch da die Frage ist, ob ein technisch sehr erfahrener Clickertrainer zB meinen Basti durch genug kleinschrittiges Training in Kombination mit der richtigen, sprich im richtigen Moment absolut hochwertigen Belohnung dazu doch bringen könnte, die Belohnung als so erstrebenswert anzusehen, daß sie höherwertig wäre und das Platzmachen auf einer nassen Wiese dadurch trotzdem erstrebenwärt für ihn wäre :juck: :nixweiss: oder fällt das unter mechanistisches Training ohne die Gefühlsebene ? :juck:
Titel: Re:Weiterentwicklung?
Beitrag von: Malika am 15. November 2012, 12:31:39
Ich tue mir da irgendwie ganz schwer zu formulieren, wie ich das sehen würde :-\. für mich ist die Bindung, die Beziehung , sprich die Gefühlsebene zum Tier die eine Sache und gutes Training, das ja speziesübergreifend auf feststehenden Lerntheorien beruht, die andere Sache. Ich denke, es könnte ein sehr guter Clickertrainer, der aber keinerlei emotionale Beziehung oder Bindung zu meinen Tieren hat, wahrscheinlich auch sehr gutes Training im Sinne von raschen Lernfortschritten machen. Das ist für mich einfach das Handwerkszeug. Mechanistisch würde ich das einsetzen, wenn ich unabhängig von den Vorlieben, dem gegenwärtigem Gemütszustand, den äußeren Umständen (zB nasser Platz) mein jeweiliges Traininsziel einfach durchziehe. Dazu gehört auch das vielerorts gehörte 'da muß er jetzt durch', unabhängig von der Trainingsweise.  Was dann an Gefühlsebene dazukommt, ist die Rücksichtnahme auf den jeweiligen psychischen und /oder physischen Zustand meines Tieres. Aber das ist ja wieder unabhängig vom technisch perfekten (wenn es so etwas überhaupt gibt) Training.

Da unterschreibe ich einfach mal :uschreib:
So hatte ich das auch im Kopf, aber nicht getippt bekommen  :rotw:

Bei Malika und mir findet auch viel Interaktion fernab von "neutralem Trainingszustand" statt und das gehört für mich dazu. Und ich denke, das passiert auch automatisch, weil sich - ob nun gewollt oder nicht gewollt - die Beziehungsebene von Training zu Training mit entwickelt :juck:
Titel: Re:Weiterentwicklung?
Beitrag von: penelope am 15. November 2012, 13:43:54
Eine emotionale Bindung zum Tier würde ich jetzt nicht nur auf Rücksichtnahme auf Befindlichkeiten beschränken. Und ich würde das auch nicht so einseitig sehen, dass nur ich auf die Tagesform vom Tier eingehe. Ich kann gerade keine richtig guten Worte finden, aber was ich unter einer emotionalen Bindung verstehe ist ehe so ein "sich verlassen können" oder ein "für den anderen einsetzen".

Ich kann es echt schwer sagen, aber irgendwo schwingt da für mich auch ein Stück "Selbständigkeit" mit.

Und ja, da ist eine Sache, wo ich im Clickertraining die Balance zwischen kleinschrittigen Vorgehen und der Förderung von Selbständigkeit schwierig finde. Ein "selbst drauf kommen" wie Coco es im Eigenangspost geschrieben hat, findet ja auch im Freeshapen nur in Bezug auf Bestätigung durch außen statt. Der Trainee "kommt selbst drauf", was der Trainer will und wofür er bestärkt wird, aber ein selbständiges Lehrnen eben im konstruktivistischen Sinn gibt es da nicht. Auch ein "Fehler machen lassen" ist bei sehr kleinschrittigen Vorgehen eingeschränkt, obwohl ich gerade das recht wichtig finde.

So weit meine diffusen Gedanken zu diesem spannenden Thema  :lol:
Titel: Re:Weiterentwicklung?
Beitrag von: Ehemaliges Mitglied 32 am 15. November 2012, 15:32:47
Penelope, ich stimm dir vollkommen zu! Ich kann nicht beschreiben, was die Beziehung zum Tier ausmacht, es ist mehr als nur das eingehen auf Vorlieben, Launen und Befindlichkeiten. Absolut!

Wenn ich meiner Lucy (Hund) zuschau, dann frag ich mich eben immer, wo die Selbstständigkeit ist. Sie lernt gut und schnell und kann Menschen gut lesen, aber sie würd nie auf die Idee kommen, zb die Türe selbstständig aufzumachen, nur weil sie irgendwo hin will. Statt dessen hat sie gelernt, in einem bestimmten Tonfall zu bellen, dann kommt jemand und lässt sie raus oder rein. Dieser "jemand" hat das aber auch bestärkt durchs öffnen der Tür, also frag ich mich wieweit das wirklich ein selbstständiger Lernvorgang ist.
Asterix hingegen, dem trau ich schon zu dass er wesentlich selbstständiger lernt. Dem hat nie wer gezeigt, wie man Knoten aufmacht und das hat auch nie wer in kleinen Schritten bestärkt. Und er macht beim Training vor allem bei meinem Freund immer wieder Dinge, wo keiner später erklären kann, wie er das gelernt hat. Es ist, also ob der Kleine Gedanken lesen könnte (Spiegelneuronen?).

Ich frag mich nur, wo das Clickertraining in Bezug auf Haustiere hingeht. Weg von sturem Handwerk hin zu einem produktivem Arbeiten unter Berücksichtigung der Beziehungsebene und des Handwerks, das haben wir schon festgestellt, da sind wir uns alle recht einig, oder? Aber fördert es ein Tier auch im eigenständigen Denken? Wie passt da das freie Formen ins Bild?
Titel: Re:Weiterentwicklung?
Beitrag von: Bettina am 15. November 2012, 15:49:59
Es gibt aber doch immer eben solche, die "selbstständig" ausprobieren und welche, die das einfach nur in bestimmten Bereichen (man kriegt ja nie alles mit, zumindest beim Pferd) oder generell eher nicht machen. Das ist ja auch Typsache?
Natürlich ist ein kleinschrittig begleiteter Lernvorgang nicht das gleiche, wie wenn das Tier etwas völlig aus sich heraus probiert, bis es funktioniert.

Und dann unabhängig von Typsache:
Die Motivation dazu muss ja immer irgendwo her kommen. Berta kann sich offenbar in sauber erlernter Manier unter einem Zaun durchfieseln, ohne dass selbiger kaputt geht, weil die Motivation dazu auf der anderen Seite wächst ...
Wenn ich ihr dann aber Kompliment beibringen möchte, dann hab ich ja ein Zielbild, von dem sie an sich erstmal nichts hat -- da schaffe ich die Motivation halt, in dem ich ihr den Weg dahin schmackhaft mache und ihr zeige, dass sich akrobatische Höchstleistungen auch lohnen, wenn nicht das Grün auf der anderen Seite lockt.

Okay, ich merk schon, ich bekomm das auch nicht sortiert ... :lol:

Ich versteh nur nicht ganz, wo ihr Selbstständigkeit vermisst, muss ich gestehen? :rotw: :help: Kommt halt immer drauf an, was es ist, das ich will und ob ich dem Trainee zumuten kann, es für sich allein rauszufinden oder ob ich ihm kleinschrittig helf. Und dann muss ich halt individuell schauen, wie kleinschrittig es wirklich sein muss und wie gern da jemand rumprobiert.

Spannendes Thema jedenfalls! :thup:
Titel: Re:Weiterentwicklung?
Beitrag von: penelope am 15. November 2012, 18:14:16
Ist es Zufall, dass du als positives Beispiel für Kleinschrittes Clickern eine Zirkuslektion nennst  ;)

Genau da sehe ich auch den Vorteil vom Clickern: ich hab ein genaues Bild vor Augen, was ich will, das Pferd sieht darin erst mal keinen Nutzen und ich versuch ihm das dennoch freundlich und positiv beizubringen.

Ein Beispiel, wo ich denken würde, dass da das Pferd eher "konstruktivistisch" lernen muss, wäre beispielsweise, wenn ich beim Ausritt einen Weg durchs Unterholz nehme. Ich geb die grobe Richtung vor, und Pferd muss dann halt zusehen (muss da durch) wie es jetzt seinen Job am besten macht. Das denke ich, ist eine Sache, wo ein Pferd selbst einen Nutzen sehen kann, Fehler machen und daraus lernen kann.

Klar könnt ich jetzt auch kleinschrittig vorgehen und beispielsweise zig Variationen vom Treten über Äste üben, aber das käme mir irgendwie "größenwahnsinnig" vor. Vier Beine zu sortieren ist der Kompetenzbereich vom Pferd. Was ich dem Pferd da beibringen könnte, wäre sichlerlich schlechter als das, was es "von alleine" lernt.
Titel: Re:Weiterentwicklung?
Beitrag von: verena am 15. November 2012, 21:18:48
Ich versteh nur nicht ganz, wo ihr Selbstständigkeit vermisst, muss ich gestehen? :rotw: :help: Kommt halt immer drauf an, was es ist, das ich will und ob ich dem Trainee zumuten kann, es für sich allein rauszufinden oder ob ich ihm kleinschrittig helf. Und dann muss ich halt individuell schauen, wie kleinschrittig es wirklich sein muss und wie gern da jemand rumprobiert.

Ich denke auch, daß gerade beim freien Formen das höchste Maß an selbständigem Denken eingesetzt/erreicht werden kann. Je nach Typus des Tieres kann ich ja da den Click eher länger hinauszögern und das Tier selbst kreativ werden lassen bei der Suche nach der richtigen Antwort, oder bei Exemplaren, die lieber 'geführt' werden wollen und die allzugroße Erwartung an selbständiges Herausfinden eher nervös und unsicher macht, kann ich ja die Schritte/Clicks kleiner machen.
Titel: Re:Weiterentwicklung?
Beitrag von: penelope am 15. November 2012, 21:43:52
Ja, ich glaub, Das mit der "richtigen Antwort" ist es, was mir Gedanken macht. Ich als Trainer weiß, was die richtige Antwort ist und gebe dem Pferd die entsprechende Antwort.
Das passt für Zirkus, Tricks und auch für viele Sachen "ernsthafter" Grunderziehung, aber gerade beim Reiten, besonders im Gelände (also das, was ich mit meinem Pferd vorwiegend tue   ;)), finde ich Das irgendwie unpassend. Das geht es eher darum gemeinsam eine Situation zu meistern und sich aufeinander verlassen zu können. Da bin ich nicht Trainer, versuchen Pferd und ich als Team immer besser zu funktionieren. Ich kann nicht vorher als Kriterium festlegen, was die gute Balance und Trittsicherheit ist, was ich dann bestärken kann. Das kann in jeder Sekunde anders sein und man meistert Situationen zusammen, gewinnt an Erfahrung und lernt einfach dadurch, dass etwas eben für sich richtig ist und funktioniert, ohne externe Bestärkung.
Titel: Re:Weiterentwicklung?
Beitrag von: verena am 15. November 2012, 22:25:04
Ja, das stimmt natürlich, aber so eine Situation, würde ich jetzt auch nicht als Trainingssituation sehen, sondern als gemeinsames Erleben, eine Aufgabe, die man zusammen meistert, das kann auch ein gemeinsamer Spaziergang mit den Hunden durch unwegsames Gelände sein, wo man gemeinsam seinen Weg sucht und sich auch aufeinander verlässt und das ohne jeden Gedanken an Training.   Ich hätte die ursprüngliche Frage von Coco aber speziell auf eine Trainingssituation hin verstanden, inwieweit auch hier Selbständigkeit erlangt werden oder gefördert werden kann. Aber vielleicht bin ich da auch ganz am Thema vorbei :juck: :rotw:
Titel: Re:Weiterentwicklung?
Beitrag von: Bettina am 16. November 2012, 00:06:26
Ist es Zufall, dass du als positives Beispiel für Kleinschrittes Clickern eine Zirkuslektion nennst  ;)
:lol: War des erste, was mir eingefallen ist. Wir können ja kein Kompliment. (Berta kann sich aber sehr wohl unter Zäunen durchfieseln. :watch:)

Zitat
Ein Beispiel, wo ich denken würde, dass da das Pferd eher "konstruktivistisch" lernen muss, wäre beispielsweise, wenn ich beim Ausritt einen Weg durchs Unterholz nehme. Ich geb die grobe Richtung vor, und Pferd muss dann halt zusehen (muss da durch) wie es jetzt seinen Job am besten macht. Das denke ich, ist eine Sache, wo ein Pferd selbst einen Nutzen sehen kann, Fehler machen und daraus lernen kann.

Klar könnt ich jetzt auch kleinschrittig vorgehen und beispielsweise zig Variationen vom Treten über Äste üben, aber das käme mir irgendwie "größenwahnsinnig" vor. Vier Beine zu sortieren ist der Kompetenzbereich vom Pferd. Was ich dem Pferd da beibringen könnte, wäre sichlerlich schlechter als das, was es "von alleine" lernt.

Okay, jetzt versteh ich glaub ich. Sowas hatt ich auch noch irgendwo im Kopf rumschwirren. Der Punkt in dem Fall ist aber auch: Die Motivation, da aufzupassen ist ja da (pschische Ausnahmezustände :drama: ausgenommen ;)), das Pferd will ja auch selber nicht auf die Nase fallen. Da braucht es auch an sich keinen Menschen oben drauf, der das Pferd da lobt (... was ich trotzdem auch mache, aber ebenfalls auch nicht clicke.) Hast du auch geschrieben, da sind wir uns eh einig.

Ich würde das auch - wie Verena - weniger als Trainingssituation sehen, in der ICH der Trainer bin, der irgendwas in irgendeine Richtung forciert, sondern eben genau als das, was du auch meintest: Da macht das Pferd selbstständig und ich freu mich halt oben drauf bissl mit, wenns gelingt. :lol:

Aber ich glaube, ich verstehe ein bisschen, was du meinst. :juck: An sich bin ich mit dem Beitrag ganz bei dir. :five:

Nur ist ja eh alles Leben irgendwie ein Lernen (mal mehr, mal weniger) ... ich war jetzt gedanklich eher in relativ abgeschlossenen Trainingssituationen, wo ich bestimmte Verhalten tatsächlich irgendwie "beibringe" bzw. das Pferd auf dem Weg dahin aktiv begleite. -- Im Gegensatz zu Sachen, wo ich zwar vielleicht dabei bin, aber eigentlich keine aktive Rolle hab.
Schön find ich aber auch, wenn man eben beide Situationen im Alltag hat: Solche, wo man trainermäßig aktiv ist und solche, wo man das lernende Pferd einfach mehr oder weniger passiv begleitet.

... bin ich eigentlich schon OT? :grinwech:
Titel: Re:Weiterentwicklung?
Beitrag von: penelope am 16. November 2012, 06:37:28
Ok, dann sind wir uns ja doch einig  :cheese:  haben  aber wohl einfach unterschiedliche Assoziationen zum Begriff Training :nick:. Ich denken da zuerst am Kraft, Kondition, Gleichgewicht ... trainieren.
Titel: Re:Weiterentwicklung?
Beitrag von: Sisu am 16. November 2012, 08:48:34
Genau da sehe ich auch den Vorteil vom Clickern: ich hab ein genaues Bild vor Augen, was ich will, das Pferd sieht darin erst mal keinen Nutzen und ich versuch ihm das dennoch freundlich und positiv beizubringen.

Ein Beispiel, wo ich denken würde, dass da das Pferd eher "konstruktivistisch" lernen muss, wäre beispielsweise, wenn ich beim Ausritt einen Weg durchs Unterholz nehme. Ich geb die grobe Richtung vor, und Pferd muss dann halt zusehen (muss da durch) wie es jetzt seinen Job am besten macht. Das denke ich, ist eine Sache, wo ein Pferd selbst einen Nutzen sehen kann, Fehler machen und daraus lernen kann.
Hmm, also ich muss sagen, ich seh das Ganze ein bisschen anders...
Für mich ist nämlich auch das Clickern, bei dem ich ein ganz genaues Bild vor Augen habe (und das sollte ich ja immer haben) schon konstruktivistisch.
Mal schauen, ob ich das in Worte fassen kann...

Auch wenn ich mein Zielbild in ganz kleine Schritte zerlege, bleibt es immer noch dem Pferd überlassen, selbst heraus zu finden, was gerade gefragt ist und dabei kreativ zu werden.

Ich schmeiß hier mal in Auszügen die 10 Grundannahmen der modernen Lernpsychologie von Wikipedia (http://de.wikipedia.org/wiki/Konstruktivistische_Didaktik#Zehn_Grundannahmen) mit rein...
Zitat von: Wikipedia

  • Wissenserwerb erfolgt konstruktiv in Abhängigkeit von Vorwissen, Wahrnehmung, Handlungskontext und Affektlage.
  • Wissenserwerb verläuft individuell unvorhersehbar entlang eines unabgeschlossenen Kontinuums von Stadien des Interimswissens.
  • Wissenserwerb kann nicht determiniert, sondern nur gelenkt werden, da Wissen selbstorganisierend und emergent ist.
  • Wissen ist im Idealfall miteinander vernetzt und daher produktiv, flexibel und fachübergreifend transferfähig.
  • Wissen ist dynamisch und befindet sich progressiv wie regressiv in ständigem Umbau, der auch träges und fossiliertes Wissen erzeugt.
  • Wissen erwächst aus Problemlösesituationen und führt zu routinierten Lösungsstrategien wie zu einer allgemeinen, kreativen Problemlösekompetenz in jenen Domänen, für die der Lerner zu einem Experten wird, der funktional handeln kann.
  • Wissensvermittler verstehen sich daher als Gestalter effektiver Lernumgebungen und versuchen, die Lerner in bestimmte Domänen der Expertenkultur einzuführen.

Ist das nicht genau das, was ich mit Clickertraining mache? Also, ich versuche schon, mich daran zu halten und mir kommt es auch so vor, also ob das Lernen bei Filipp genau so abläuft.
Ich schaffe die Umgebung, er wird kreativ und ich lenke ihn dabei sanft in die "richtige Richtung".
Und ja, er entwickelt dabei Problemlösungsstrategien, die er auch auf andere Situationen umlegt (aktuell ist das bei uns z.B. die Höflichkeit/Selbstbeherrschung). Auch lernt er mit der Zeit immer schneller :juck:

Oder hab ich jetzt einen Denkfehler drin? Bzw. ist überhaupt verständlich, was ich sagen will? :shy: :rotw:
Titel: Re:Weiterentwicklung?
Beitrag von: Bettina am 16. November 2012, 09:01:17
Ok, dann sind wir uns ja doch einig  :cheese:  haben  aber wohl einfach unterschiedliche Assoziationen zum Begriff Training :nick:. Ich denken da zuerst am Kraft, Kondition, Gleichgewicht ... trainieren.
Achso! Daran denk ich schon auch. :nick:
Aber jetzt mit kreativ und gefühlseinbezogen usw. war ich eher bei Training von nicht in erster Linie "körperlichen" Dingen, ja.
Titel: Re:Weiterentwicklung?
Beitrag von: Julika am 16. November 2012, 21:44:24
Auf die Geländesituation bezogen kann ich als Reiter aber meinem Pferd -durch Clickertraining- Fähigkeiten und Fertigkeiten vermitteln, die es in die Lage versetzen, die frische Harvester-Gasse zu meistern. Natürlich ohne im Unterholz den Clicker zu benutzen. Als ich im Urlaub mit Frieda, die kaum Walderfahrung hat, durch so ein Waldstück ritt, war ich entzückt, wie elegant sie da durchkam. Auf Balken, Treckerreifen und Wackelbrettern herumzuturnen hat sie körperlich und geistig in die Lage versetzt, mit einem ungewohnten, anders schwierigem Boden zurechtzukommen. Da konnte ich mich voll auf sie verlassen.

Um noch einen Bogen zu schlagen, ist für mich die wichige Frage zu Anfang: Was für ein Partner möchte ich für mein Pferd sein? Wie soll unsere Beziehung sein? Und ich erinne mich an eine PNH-lerin, die ("bekehrt" nach 4 Wochen Praktikum hier)  via Verstehen von Lerntheorie zuerst enttäuscht über die Erkenntnis war, Pferde würden einen irgendwann liebhaben, wenn man Spiele mit ihnen spielt. Meine Pferde sind meine Partner, ja, aber ich habe die Hosen an :cheese:

Wie oft muss ein Pferd, alleine aus Sicherheitsgründen im Alltag funktionieren? Aufhalftern, führen, anbinden, putzen, Hufe geben, entwurmen, Hufe machen, verladen, eindecken, Fliegenmaske anziehen, Tierarzt, anhalten, stehenbleiben... Und da sehe ich es als meinen Job an, meinem Pferd auf dem schnellstmöglichen Weg zum Erfolg zu verhelfen.

Man kann nicht nicht trainieren.

On Top können wir unglaublich viel Spaß beim Shapen haben, aber für den Trainee ist es teilweise stressiger. Zumindest menschliche Probanden werden sogar massiv nervös :D Ich liebe aber auch den Gesichtsausdruck, wenn sie denken und dann den Spezialkeks knuspern,wenn es geschnackelt hat.