Willkommen Gast. Bitte einloggen oder registrieren.

Benutzername: Passwort:

Natürlicher Fluchtinstinkt unter Kontrolle

  • 75 Antworten
  • 35222 Gelesen

0 Mitglieder und 2 Gäste betrachten dieses Thema.

Mannimen
*

Natürlicher Fluchtinstinkt unter Kontrolle
« am: 18. Mai 2011, 23:13:44 »
Hallo Ihr Lieben,

diese Frage habe ich nun aus dem Tagebuch von Bettina rausgelöst, damit dieses dort nicht noch mehr zerrissen wird.

Mit diesem Ansatz von Johanna: "Übrigens finde ICH, dass ein Pferd, wessen Vertrauen ich habe, wovon ich in deiner und meiner Situation weitgehend ausgehe, mir das letzte Wort lässt und eben nicht flüchtet, weil es das grade für sinnvoll erachtet.
Es dürfte nämlich im Laufe der Zeit gelernt haben, dass ich es nicht in Gefahr bringe und insofern ist Flucht erst auf mein Zeichen hin angesagt, Erschrecken bzw. Scheuen ist eine andere Nummer." bin ich nicht einverstanden, denn er nimmt dem Tier ein Stück weit seine natürlichen Instinkte bis auf das Scheuen.

Ein Beutetier wird immer sein Heil in der Flucht suchen. Selbst im Herdenverband, sichert dieses Verhalten eines jeden Mitgliedes und nicht nur des Leittieres das Überleben aller. Einer meint eine Gefahr erkannt zu haben und alle schließen sich ihm zunächst an. Erkennt nun das Leittier, dass die Sache überhaupt nicht schlimm ist, wird es die Flucht abbrechen und alle anderen Mitglieder schließen sich dann wieder an.

Erwarte ich nun, dass bei jedem Alarm erst einmal nach dem Leittier geschaut wird, kann diese Sekunde schon über Leben und Tod entscheiden. Damit gibt dieses Tier sein Leben in meine Hand und das hat für mich nichts mehr mit Vertrauen zu tun, sondern mit einer gewissen "Selbstaufgabe". Oftmals wird auch davon gesprochen, dass Pferde die ihr natürliches Verhalten gänzlich abgelegt haben, irgendwie schon "tot" sind. Es wird jedoch besser mit "cool" bezeichnet.

Das sind dann genau die Pferde, die "drumdösig" durch die Lande trotten und sich fürchterlich erschrecken und dann auch scheuen, wenn sie aus dieser "Trance" durch etwas rausgerissen werden, was sie nicht zuordnen können und ihren Menschen womöglich auch aus seiner Ruhe und Gelassenheit gebracht hat. Das kommt dann ohne jede Vorankündigung völlig überraschend.

Mir ist viel lieber, mein Pferd signalisiert mir schon früher, dass ihm etwas nicht geheuer vorkommt, denn dann habe ich Zeit mich darauf vorzubereiten und es davon zu überzeugen, dass das überhaupt nicht schlimm ist.

Meine Reaktionszeit ist einfach mal doppelt so lang als die meines Pferdes. Ich habe sonst keine Chance mehr, wenn ich nicht vorgewarnt werde. Insofern bin ich meinem Pferd sehr dankbar, wenn es sich frühzeitig mir mitteilt. Ich werde also einen Teufel tun, ihm dieses Verhalten abzuerziehen. An dieser Stelle bin ich gerne Chef, höre mir an was es zu sagen hat und beruhige es dann wieder genau wie das Leittier in der Herde auch. Das wird auch nicht sagen: Hey halt mal die Luft an, Du hast ja schon Paranoia oder so. Es prüft die gemeldete Situation und trifft dann seine eine Entscheidung, der die anderen dann auch wieder folgen.

Sicher sind solche unruhigen Pferde auf Dauer sehr anstrengend aber lieber einmal mehr aufgepasst, als "kein Licht mehr im Schacht". Besonders Stuten haben ein erhöhtes Sicherheitsbedürfnis und werden daher wachsamer sein als Wallache, denen eh schon alles völlig egal ist. Und Hengste werden jede gute Gelegenheit nutzen, um die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.

Das ist einfach völlig normal! Warum muss man das diesen Tieren abgewöhnen? Dann kann man sich auch auf einen Drahtesel setzen, der keinen Piep mehr sagt und gemütlich seine Runden drehen.

Ich lehne das jedenfalls ab.
Manfred
  • Gespeichert

  • *****
  • Administrator
  • 12698 Beiträge
Re:Natürlicher Fluchtinstinkt unter Kontrolle
« Antwort #1 am: 18. Mai 2011, 23:26:26 »
Hmm, wie definierst Du denn "Erschrecken bzw. Scheuen"? Und wäre es für Dich völlig okay, wenn Dein Pferd 5 Minuten lang unkontrollierbar durchgeht?

Ich habe den Eindruck, dass Ihr beide im Prinzip vom Gleichen sprecht: das Pferd darf sich erschrecken und scheuen (d.h. kurze Strecken rennen), sollte dann aber wieder "zuhören", wenn der Reiter ihm mitteilt, dass alles in Ordnung ist und nicht wirklich ein Grund zur Flucht vorhanden ist. Und sich dann auch wieder durchparieren und/oder lenken lassen.

Oder verstehe ich jetzt entweder Dich oder Johanna völlig falsch?
Viele Grüße,
Esther
  • Gespeichert

  • Bertafan ツ
  • *****
  • Administrator
  • 11709 Beiträge
Re:Natürlicher Fluchtinstinkt unter Kontrolle
« Antwort #2 am: 18. Mai 2011, 23:54:09 »
Ehrlich gesagt verstehe ich das Problem überhaupt nicht.

Willst du damit sagen, dass der Wunsch des Reiters, den Fluchtinstinkt des Pferdes im Griff zu haben, dem Naturell der Pferde zuwider läuft und ich deswegen "schlecht" bin, weil ich eben diesen versuche zu minimieren bzw. ihn gegebenenfalls unterbrechen können will?

Falls du das nicht sagen willst, dann frage ich mich, worauf du stattdessen hinaus willst?

Ich lese aus deinem Beitrag aber genau obiges heraus.

Den Fluchtinstinkt kann man Pferden ohnehin nicht abtrainieren. Man kann ihn nicht wegzüchten, man kann ihn nicht aberziehen, was auch immer. Pferde werden seit 6000 Jahren domestiziert (ja, böses Wort) und sie haben ihn immer noch.
Und es ging mir in meinem Tagebuch NIE darum, dass ich Berta ihre Instinkte nicht zugestehe. Aber ich als Mensch, der sich in der zivilisierten Welt auskennt und weiß, dass Flucht im gegebenen Fall vielleicht nicht nur nichts bringt, sondern für mich, das Pferd oder andere Beteiligte gefährlich werden kann, bin verpflichtet, die Situation im Griff zu haben. Und zwar nun erstmal völlig unabhängig von der Fragestellung, ob dieses Verhalten nun natürlich ist oder nicht - ich unterbinde es. Fertig.
Meine Einstellung demgegenüber ist aber nicht: "Dummes Pferd, du hast nicht wegzulaufen."
Bertas "Paranoia" (ich bleibe bei meiner Wortwahl, weil ich nichts verwerfliches daran sehe) nehme ich durchaus ernst. Ich unterstelle ihr nicht - auch wenn das vielleicht so rüberkam -, dass sie "spinnt". Klar seufze ich, wenn der Fliederbusch umme Ecke scheinbar plötzlich Reißzähne bekommen hat, aber ich weiß auch, dass sie dann eben grade etwas sieht/hört/riecht, was ihr nicht geheuer ist. Dann hat sie vielleicht grade noch einen schlechten Tag und ist eh aufgeregt und dann reicht der Fliederbusch als "Auslöser". Ist okay. Wegrennen deshalb ist nachvollziehbar, aber keinesfalls okay, weil das einfach nicht geht. Unser Stall liegt nun mal nicht in der australischen Steppe.

EDIT:
So verstehe ich Johanna auch und so meine ich das auch. Erschrecken, Scheuen (=mal nen Hüpfer, 2, 3 Sprünge) usw... kommt halt vor. Dann halt ich, beruhige das Pferd, zeige ihm falls möglich das Objekt des Schreckens und wenn es sich beruhigt, gehts normal weiter.

Wenn es hier nur darum geht, was man für eine Einstellung dem gegenüber hat.... Ja, mei, ich bin halt auch nur a Mensch, ge? Und verstehe ja auch, warum Berta etwas tut oder nicht tut... aber das muss ja nicht heißen, dass ich nicht mal nen Seufzer loslassen darf ... und diesen Seufzer dann hier, verpackt in ironisch angehauchte, augenzwinkernde Worte, verbalisiere?

« Letzte Änderung: 19. Mai 2011, 00:34:57 von Bettina1986 »
  • Gespeichert

  • Bertafan ツ
  • *****
  • Administrator
  • 11709 Beiträge
Re:Natürlicher Fluchtinstinkt unter Kontrolle
« Antwort #3 am: 19. Mai 2011, 00:12:28 »
Sicher sind solche unruhigen Pferde auf Dauer sehr anstrengend aber lieber einmal mehr aufgepasst, als "kein Licht mehr im Schacht".
Auf Dauer betrachtet haben solche unruhigen Pferde eher irgendein Problem, würde ich sagen.
Wenn Berta dauerhaft so unruhig wäre bei unserem vorletzten Ausritt (beim letzten war es ja schon viel besser), würde ich das grundlegend überdenken und schauen, wie das kommt und was ich dagegen machen kann. Denn ein solch unruhiges Pferd hat vor allem eines: Stress.
Und ich finde, man kann nicht jedes Pferd, das im Gelände einfach gemütlich seiner Wege geht, als "innerlich tot" bezeichnen - auch wenn es solche Exemplare ebenso sicher wie leider gibt.
Im Übrigen haben sich in den 6000 Jahren Domestikation tatsächlich die Sinnesleistungen der Pferde vermindert, verglichen mit ihren Vorfahren.
  • Gespeichert

Anajo
*

Re:Natürlicher Fluchtinstinkt unter Kontrolle
« Antwort #4 am: 19. Mai 2011, 01:19:06 »
Hab die Anfangsdiskussion nicht mitgelesen, scheint aber sehr persönlich(?) zu sein?
Meine erste Überlegung auf deinen Grundgedanken Manfred wäre- aber ich grübel weiter :nick::

nun hab ich einige meiner Tiere schon über 10 Jahre; und früher war ich leider doch manchmal in der Situation, dass Vierbeiner so sehr Angst vor seiner Umwelt bekam, dass er sein Heil in der Flucht suchte...

Aber, und das mag eine anzweifelhafte Behauptung sein; auf die Schnelle würde mir jetzt seit einigen Jahren keine Situation mehr einfallen, in der ich Panik in meinen Tieren gespürt habe - und die muss mMn. vorhanden sein, damit mehr als ein Hupfer passiert.
Ich wage zu behaupten, dass das nicht "anerzogen" ist- gerade die Hafis standen mehr oder minder in Pension ohne kontinuierlichem Antischeutraining (das ja für das "Abstumpfen" notwendig wäre)- so waren sie zB. letztes Jahr übern Sommer auf der Alm...

Und trotzdem sind sie nicht in Panik verfallen, als bei einem kleinen Besuchsausritt das Militär seine Kanonenoderwasauch immer, jedenfalls was verdammt Lautes plötzlich in der Nähe abschoßen... nebst der Tatsache, dass das in dem steinigem Gelände sicher nicht gut ausgegangen wäre (womit ich was positives am "coolen Pferd" finden könnte); ich habe damals und auch in anderen Situationen das Gefühl, dass "Zivilisierung" (also die Konfrontation von Klein auf mit der menschlichen Umwelt) sowie zu einem sehr großen Teil das Vertrauensverhältnis zwischen Mensch und Tier der Grund dafür waren/sind.

Bei zB. einem Ausritt alleine- also nur Mensch und Pferd besteht somit eine "2erGemeinschaft" (keine Herde im sprichwörtlichen Sinne, glaube, dass Pferd Mensch nie als Artgenoße betrachtet- ABER ein Miteinander 2er Lebewesen, die miteinander in Interaktion treten, die sich in der Gegenwart des anderen wohl fühlen)
wenn nun Gefahr auftaucht- der Mensch aber keine Panik entwickelt, sondern im Gegenteil, sich entspannt, der Gefahr keine Beachtung schenkt-- würde ein Pferd, dass nicht darauf aus ist, "sinnlos" Energie aufzuwenden, es bei der Muskelarbeit von 1-2 Sprüngen belassen... oder?

Behaupte, dass zB. in der Savanne minimalst vergleichbare Sitationen auftreten- Gazellen-Zebras- da wird auch meist gemeinsam gepanikt- bzw. wenn ein Teil nicht mitmacht wieder stehengeblieben...


Was ganz anderes sind die "Schreckgespenster"- die kenne ich auch von einem Herren- DAS hat aber nichts mit dem natürlichem Fluchtinstinkt zu tun (also jetzt bei meinem Herren, bzw. bei mehreren Pferden die ich im Training hatte)
Bei ihm ist es eine Mischung aus Reizarmut ---(wenn er nicht genügend Hirnarbeit hat, dann sucht er sich eben was um seine überschüssige Energie (wobei es bei ihm meist nicht die körperliche ist :lol:) abzulassen-- bzw. eine Disharmonie zwischen uns 2...
Interessanterweise habe ich jahrelang damit argumentiert, dass er eben nicht das abgestumpfte trainierte gern gesehene Menschpferd ist- sondern noch Charakter und eigenen Willen sowie Instinkte zeigt...
Nachdem wir die Grundprobleme gemeisam angearbeitet haben sind die "Gespenster" verschwunden...
  • Gespeichert

strizi
*

Re:Natürlicher Fluchtinstinkt unter Kontrolle
« Antwort #5 am: 19. Mai 2011, 06:52:17 »
grundsätzlich habe ich in meiner herde beobachten können, dass sich einzelne tiere frei auf der koppel durchaus mal schrecken und nen hüpfer machen............. abgedüst wird aber erst, wenn die beiden leittiere es für notwendig erachten. so gesehen: JA - sie fragen erstmal nach/werfen einen blick aufs leittier!!

und, nein, ich stelle ganz sicher nicht den anspruch ein "leittier" für meine pferde zu sein.

weitere beobachtung: moirin war extrem schreckhaft, als ich sie bekam. sie ist weggebockt, wenn sie ein eingetrocknetes pferdepemmerl zufällig weitergekickt hat (seeeeeeeeeehr mühsam), sie ist nicht nur einmal im gelände blitzartig umgedreht und wollte flüchten, usw. usf.
nun haben wir uns über 10 jahre und sowas ist seit über 5 jahren NIE mehr vor gekommen. sie zuckt noch manchmal oder macht gaaaaanz selten mal nen side-step - aber egal ob mitten in der arbeit oder am hingegebenem zügel im gelände: abziehen oder oben-genanntes macht sie nicht mehr.
sie  orientiert sich in heiklen situationen SEHR an mir!!! wenn ich weiteratme (!!!), meine körperspannung im griff habe und gespenster einfach "übersehe", dann entspannt sie sich umgehend wieder!

die elfe ist sowieso unerschreckbar und morghain - keine ahnung, die hab ich einfach noch nie so richtig ausm häusl erlebt.

was ich sagen will: es ist mir ziemlich wurscht, ob das "abtrainieren" des fluchtreflexes nicht artgerecht sein könnte! ich finde es um einiges verantwortungsloser, das als gegeben hin zu nehmen und sich ungezogenheiten seines pferde "schön zu reden"! es ist schlichtweg lebensgefährlich, wenn 600 kg "zusammenpacken" und unkontrollierbar losrennen! (ich spreche hier nicht von schreckhüpfern und so kleinigkeiten) weiters find ichs fürs pferd einfach angenehmer, wenn es lernen darf, dass mit einem menschen die panische flucht absolut vergeudete energie ist, weil man dem komischen zweibeiner einfach vertrauen kann - genau DARUM gehts nämlich in meinen augen!

die entscheidung des pferdes - renne ich los oder schau ich mir das erstmal an - hängt in meinen augen zu 100% vom eigenen selbstvertrauen und zum vertrauen in sein menschliches umfeld ab.

dem pferd seinen ungehemmten fluchtreflex einfach unmanipuliert (ich wähle dieses wort ganz bewußt!) bis ans ende seiner tage zu lassen ist fast das gleiche, als würde ich zu meinem hund sagen: du bist ein raubtier-hast also nen jagd/nachlaufreflex - weißt was: du kümmerst dich jetzt selbst um deine ernährung....................

gefährdet genauso hund und umgebung!
  • Gespeichert

Mannimen
*

Re:Natürlicher Fluchtinstinkt unter Kontrolle
« Antwort #6 am: 19. Mai 2011, 07:25:12 »
Hmm, wie definierst Du denn "Erschrecken bzw. Scheuen"? Und wäre es für Dich völlig okay, wenn Dein Pferd 5 Minuten lang unkontrollierbar durchgeht?
Erschrecken ist ein kurzes Zusammenzucken, teilweise verbunden mit einem blitzartigen Wegspringen und Scheuen ist die Steigerung dessen bis hin zum Steigen oder Durchgehen. Wenn das innerhalb einer Sekunde passiert, habe ich als Mensch nicht die geringste Chance daran etwas zu ändern. Wenn ich nicht aus dem Sattel gefallen bin oder über den Haufen gerannt wurde kann ich dann nur noch mit Ruhe und Gelassenheit reagieren, die das Tier jedoch kaum noch wahrnehmen wird, weil es in da schon längst das Hirn ausgeschaltet hat. Insofern muss ich massiv einwirken, um überhaupt noch an dieses Tier ran zu kommen. Genau das will ich aber nicht. Lässt sich jedoch nicht immer vermeiden. Ist also eine absolute Ausnahmesituation und sollte es auch bleiben.

Und wenn das Tier dann 5 Min. lang sich nur auf sich selbst verlässt, bin ich als Orientierung in seinen Augen einfach nicht kompetent genug. Da kann ich dann machen was ich will, es wird mir nicht vertrauen und erst wieder zu Ruhe kommen wenn es sich selbst davon überzeugen konnte, dass sein Leben nicht mehr in Gefahr ist. Wenn das also so ist, dann darf ich mit diesem Tier mich nur an sicheren Orten aufhalten und muss diese dazu nutzen das gegenseitige Vertrauen überhaupt erst einmal herzustellen, denn es ist nicht vorhanden. Ich würde grob fahrlässig handeln, mit so einem Tier alleine ins Gelände zu gehen.
  • Gespeichert

  • *****
  • Mitglied
  • 1674 Beiträge
Re:Natürlicher Fluchtinstinkt unter Kontrolle
« Antwort #7 am: 19. Mai 2011, 07:36:10 »
Mir geht es da wie Esther :five:
Vor allem nach diesem Absatz habe ich mich auch gefragt, was das Problem eigentlich ist, denn ich denke, beides läuft aufs selbe raus.

Meine Reaktionszeit ist einfach mal doppelt so lang als die meines Pferdes. Ich habe sonst keine Chance mehr, wenn ich nicht vorgewarnt werde. Insofern bin ich meinem Pferd sehr dankbar, wenn es sich frühzeitig mir mitteilt. Ich werde also einen Teufel tun, ihm dieses Verhalten abzuerziehen. An dieser Stelle bin ich gerne Chef, höre mir an was es zu sagen hat und beruhige es dann wieder genau wie das Leittier in der Herde auch. Das wird auch nicht sagen: Hey halt mal die Luft an, Du hast ja schon Paranoia oder so. Es prüft die gemeldete Situation und trifft dann seine eine Entscheidung, der die anderen dann auch wieder folgen.

Ich denke, hier möchte keiner sein Pferd zu einem Befehlsempfänger ohne jeglichen natürlichen Instinkte erziehen :neinnein:
Knackpunkt ist dieses "Zuhören" vom Pferd (und vom Menschen) in solchen Situationen - und darauf wollte Bettina, glaube ich, auch raus.


weiters find ichs fürs pferd einfach angenehmer, wenn es lernen darf, dass mit einem menschen die panische flucht absolut vergeudete energie ist, weil man dem komischen zweibeiner einfach vertrauen kann - genau DARUM gehts nämlich in meinen augen!

Dem kann ich auch nur zustimmen.
Auch finde ich, dass man dem Menschen sein Urteilsvermögen nicht völlig absprechen sollte, nur weil das Pferd besser hört/wahrnimmt ;) Stimmt ja, aber trotzdem möchte ich mein Pferd das gruselige Ereignis nicht unbedingt in eine Skala von "Alles palletti" und "Nix wie weg" einordnen lassen, ohne vorher mal "drüber gesprochen" zu haben ;)
In den seltensten Fällen ist es wohl so, dass Mensch und Pferd wirklich in Lebensgefahr sind und insofern finde ich es wichtig, dass das Pferd nach der ersten Schrecksekunde (die es haben darf!!), schon lernen kann, auch darauf zu achten, was der Mensch dazu sagt - Beispiel:

Malika drückt sich zwar um eine Sache rum, schlimmstenfalls macht sie auch mal einen Hüpfer , wenn ihr etwas nicht geheuer ist. Mittlerweile sind wir aber so weit, dass ich dann sagen kann "Hey guck mal, ist gar nicht so schlimm! Komm, wir gehen nochmal hin!" Und mit eifrigem Geclicker für mutige Schritte geht sie nun auch selbst auf Dinge zu, die sie nicht "versteht" und das ist mir enorm viel Wert!
Das ist für mich dieses "Lernen dürfen". Ich finde es schön zu sehen, wie mein Pferd immer besser lernt, mit solchen Situationen umzugehen und ich denke nicht, dass ich ihr da irgendeinen Instinkt mit abtrainiere.
Liebe Grüße
Isabell mit Malika & Mira
  • Gespeichert

Mannimen
*

Re:Natürlicher Fluchtinstinkt unter Kontrolle
« Antwort #8 am: 19. Mai 2011, 07:47:14 »
Willst du damit sagen, dass der Wunsch des Reiters, den Fluchtinstinkt des Pferdes im Griff zu haben, dem Naturell der Pferde zuwider läuft und ich deswegen "schlecht" bin, weil ich eben diesen versuche zu minimieren bzw. ihn gegebenenfalls unterbrechen können will?
Bettia, Du bist nicht schlecht und Du hast aus meiner Sicht alles richtig gemacht. Das möchte ich erst einmal klarstellen.

Es ist grundsätzlich erforderlich eine vertrauensvolle Beziehung zu seinem Tier aufzubauen. Diese sollte jedoch jedem Partner seine natürlichen Verhaltensweisen zugestehen und darauf angemessen eingehen, sie also ernst nehmen und berücksichtigen. Es sind Mittteilungen, die mir etwas über sein persönliches Empfinden sagen und das ist in einer Partnerschaft eine fundamentale Grundlage, sonst ist es keine Partnerschaft.

Was ich also damit sagen möchte ist, dass ich genau das keinesfalls unterdrücken darf oder meinem Tier, wie zitiert, nur auf Signal hin erlaube zu flüchten. Damit setze ich mich völlig über die Bedürfnisse des Partners hinweg und diktiere ihm, was er darf und was nicht. Das ist keine Partnerschaft mehr und in meinen Augen Grund genug, das mal zur Sprache zu bringen.

Zitat
Den Fluchtinstinkt kann man Pferden ohnehin nicht abtrainieren.
Da muss ich dir widersprechen. Doch das kann man. Ich kann mein Tier bewusst in solche Stresssituationen bringen es es diesen solange aussetzen, bis es jeden Fluchtgedanken aufgibt. Dann habe ich diesen Instinkt bewusst vernichtet. Siehe M.R. z.B. der die Tiere so lange im Kreis umherscheucht, bis sie sich entscheiden müssen, ob sie bis zur völligen Erschöpfung davon laufen wollen oder schon vorher aufgeben, um dann zu erkennen, dass sie eben nicht gefressen werden. Diese Tiere werden in kontrollierbaren Situationen nicht mehr an Flucht denken. Was bleibt, sind die Situationen, in denen sie sich erschrecken und die sind für mich dann nicht mehr kontrollierbar.

Ziel sollte es meiner Meinung nach sein, die Partnerschaft so weit zu festigen und auszubauen, dass man schon im Ansatz eine Mitteilung erkennt und nur minimal darauf zu antworten braucht, damit der andere wieder beruhigt ist. So wird dann auch Dauerstress vermieden. Aber ein verträumtes umhertingeln wird es nicht geben, denn man muss ständig aufmerksam bleiben, weil immer etwas passieren kann. Insofern ist so ein Ausritt nur dann ein Vergnügen, wenn die Kommunikation zwischen Tier und Mensch einwandfrei klappt, sie sich verstehen und einander vertrauen.

Das raschelt etwas im Wald, ein Schatten, mein Pferd spitzt die Ohren, bleibt stehen, ich schaue in die Richtung in die es gebannt starrt, sprechen mit leiser ruhiger Stimme zu ihm, streiche es am Hals ab und setze meinen Ritt erst fort, wenn ich fühle, dass sich seine Anspannung wieder löst. So mache ich es heute. Damals wurde mir beigebracht, in solchen Situationen die Führung zu übernehmen, den Befehl zum weitergehen zu erteilen, denn von anhalten war keine Rede und es an der vermeintlichen Gefahren Situation vorbei zu treiben. Das halte ich für falsch und das wurde so hier auch nicht gesagt, nicht dass wir wieder an einander vorbeireden. Aber die Tendenz ging in dieser Richtung und das wollte ich im Ansatz so eben nicht stehen lassen. Mein Pferd darf nicht flüchten, wenn ich es ihm erlaube sondern ich habe darauf zu achten, dass es erst nicht so weit kommt.

« Letzte Änderung: 19. Mai 2011, 08:01:12 von Mannimen »
  • Gespeichert

strizi
*

Re:Natürlicher Fluchtinstinkt unter Kontrolle
« Antwort #9 am: 19. Mai 2011, 07:54:03 »
ich glaube, man darf auch niemals vergessen, dass das training und die vertrauensbildung ja wo gaaaaaaaaaaaaaaanz wo anders beginnt, als in extremsituationen, wo das pferd dann am steigen ist (wobei mir steigende pferde immer nur dann untergekommen sind, wenn man sie an der flucht extrem hindern wollte...........ich hab noch nie erlebt, dass ein pferd im ersten, gröbsten schreck steigt - womit ich nicht sagen will, dass es das nicht gibt!!)

das eigentliche training für solche ausnahmesituationen findet doch im alltäglichen umgang statt. wenn pferd lernt, achtsam mit dem menschen um zu gehen und sich an ihm zu orientieren (was mir in unserer zivilisierten welt einfach unerlässlich erscheint - in den unendlichen weiten ner prärie mag das eher untergeordnet sein..............), weil mensch einfach WEIß, was in dieser komischen welt wirklich gefährlich ist und was harmlos, dann wirds im normalen alltag kaum zu solchen auszuckern kommen - außer es passiert wirklich was schröcklich-ungewöhnliches  :cheese:

so wie malika schreibt: pferde wachsen an ihren aufgaben (das ist jetzt meine freie interpretation von: schritt für schritt hinclickern!)

@fluchtreflex abtrainieren: da hast schon wieder NUR die "dunkle seite" des pferdetrainings erwähnt!!! wie wäre es, wenn du dich mal den schönen seiten zuwenden würdest und dem pferd ein ersatzverhalten (kleinschrittig, wie halt immer und überall beim clickern) beibringst?
  • Gespeichert

  • *****
  • Mitglied
  • 5165 Beiträge
    • www.spassmitpferd.bplaced.net
Re:Natürlicher Fluchtinstinkt unter Kontrolle
« Antwort #10 am: 19. Mai 2011, 09:37:30 »
Warum muss man das diesen Tieren abgewöhnen?  
weil es lebensgefährlich ist.

weil das pferd dabei unter stress steht.

weil wir ihm auf nette art beibringen können, ein sozial kompatibles verhalten zu zeigen und immer noch das zu bekommen, was es will - weg von der gefahrenquelle. kopfsenken statt losreissen, vergrößern der distanz als funktionelle belohnung.

angstverhalten ist nicht rein instinktgesteuert, sondern in vielen fällen einfach erlernt. wenn es erlernt ist, kann es genausogut verlernt bzw. umgelernt werden. das hat nichts damit zu tun, dass man die natur des pferdes unterdrückt. wenn`s danach geht, müsste man sofort alle pferde frei lassen und sämtliche sättel verheizen.

wir haben als pferdehalter die pflicht unserem pferd wege aufzuzeigen, wie es in unserer welt überleben kann, ohne stress oder schaden zu nehmen.

manfred, bei dir habe ich immer das gefühl, du schwankst zwischen esogeschwurbel und wenn`s dann doch nicht hinhaut, kommt wieder die druckschiene.
probier doch mal den mittelweg und versuche es mit progressivem training - mit dem clicker hast du da ja schon mal das ideale werkzeug dafür.

« Letzte Änderung: 19. Mai 2011, 09:46:03 von cinnamon »
www.spassmitpferd.bplaced.net


A horse without spots is like the night without stars!
  • Gespeichert

maus
*

Re:Natürlicher Fluchtinstinkt unter Kontrolle
« Antwort #11 am: 19. Mai 2011, 12:41:07 »
braves zimterl!!  :keks: du hast meine gedanken in worte gefasst!

  • Gespeichert

  • Bertafan ツ
  • *****
  • Administrator
  • 11709 Beiträge
Re:Natürlicher Fluchtinstinkt unter Kontrolle
« Antwort #12 am: 19. Mai 2011, 23:29:38 »
Ich glaube trotzdem, dass der Fluchtinstinkt so tief verwurzelt ist im Pferd, dass er bleibt. Was sich ändert ist meiner Meinung nach eher die Reizschwelle.
Mag jetzt wortklauberisch erscheinen, aber auch ein MR und sein Join up "beseitigen" den Fluchtreflex nicht, denke ich. Und gutes CT beseitigt ihn auch nicht - sondern erhöht eben die Reizschwelle, imho. :nixweiss:

Was ich also damit sagen möchte ist, dass ich genau das keinesfalls unterdrücken darf oder meinem Tier, wie zitiert, nur auf Signal hin erlaube zu flüchten. Damit setze ich mich völlig über die Bedürfnisse des Partners hinweg und diktiere ihm, was er darf und was nicht. Das ist keine Partnerschaft mehr und in meinen Augen Grund genug, das mal zur Sprache zu bringen.
[...]
Aber die Tendenz ging in dieser Richtung und das wollte ich im Ansatz so eben nicht stehen lassen. Mein Pferd darf nicht flüchten, wenn ich es ihm erlaube sondern ich habe darauf zu achten, dass es erst nicht so weit kommt.
Wir haben aber doch differenziert in Flucht und Erschrecken. Mit Flucht meine ich - und soweit ich es einschätzen kann, meint das auch Johanna so - ein kopfloses Davonrennen. Und das erlaube ich tatsächlich nicht - wobei ich mich Worte wie 'erlauben' schon fast gar net in den Mund nehmen trau... :confused: Aber das tust du doch auch nicht, oder?

Und darüber hinaus muss ich sagen, dass ich mich - völlig jenseits jeglicher Dominanzgedanken!!! - glaube ich nicht in einer völlig gleichberechtigen Partnerschaft mit dem Pferd befinde. Es ist (Achtung, evtl. hinkender Vergleich...  :cheese:) eher gleichzusetzten mit einer Eltern-Kind-Beziehung, finde ich. Ich höre mir die Ängste und Sorgen meines Kindes (wenn ich mal eins hab) auch an - aber deswegen muss es trotzdem zum Zahnarzt. ;)
Will heißen: Ich überfahre Kind/Pferd nicht und nehme natürlich Rücksicht auf Bedürfnisse, Emotionen usw. - aber letztendlich entscheide ich in gewissen Bereichen durchaus "dikatorisch", was sein darf und was nicht. Und natürlich unterstütze ich das Pferd durch entsprechendes Verhalten meinerseits sowie Training darin, dass es gar nicht erst das Bedürfnis bekommt, bei jedem raschelnden Blatt die Beine in die Hand zu nehmen.

:juck: Und das fett markierte versteh ich nicht.... :juck:

« Letzte Änderung: 19. Mai 2011, 23:31:14 von Bettina1986 »
  • Gespeichert

  • *****
  • Mitglied
  • 5165 Beiträge
    • www.spassmitpferd.bplaced.net
Re:Natürlicher Fluchtinstinkt unter Kontrolle
« Antwort #13 am: 19. Mai 2011, 23:50:09 »
auch ein MR und sein Join up "beseitigen" den Fluchtreflex nicht, denke ich.

doch, flooding und erlernte hilflosigkeit können reflexe ausschalten.
gibt da eine reihe "netter" versuche zu...
www.spassmitpferd.bplaced.net


A horse without spots is like the night without stars!
  • Gespeichert

  • Bertafan ツ
  • *****
  • Administrator
  • 11709 Beiträge
Re:Natürlicher Fluchtinstinkt unter Kontrolle
« Antwort #14 am: 19. Mai 2011, 23:55:45 »
Flooding = Reizüberflutung?
Alles klar... klingt äußerst unnett....  :-\
  • Gespeichert