Erstellt von: SCVet
am: 21 Mai 2009 10:11
Hallo,
spannende Diskussion. Ist irgendwie mühsam, aus verschiedenen Nachrichten zu zitieren, hoffe es ist auch so OK.
Nu, meine verstorbene Vollblüterin, verfügte ebenfalls über einen hervorragenden Orientierungssinn (im Gegensatz zu mir). Sie zeigte an Kreuzungen (wenn sie schon Lust hatte, nach Hause zu gehen) mit ihrer Nase deutlich an, welcher Weg Richtung Stall führte. Entweder ich lies sie gehen, oder ich lenkte sie in eine andere Richtung. War (von der problematischen Anfangszeit abgesehen) kein Problem. Ich hab's einfach als Vorschlag ihrerseits gesehen.
Auch Kala äußert sich. Oft schon beim weggehen. Wenn's paßt, folge ich ihrem Vorschlag (Andeutung mit Kopf/Hals), wenn z. B. die Runde zu groß würde (weil ich weg muß, das Wetter ziemlich katastrophal aussieht - ich habe Gewitterangst...), dann ziehe ich die Nase vorsichtig in meine Richtung, und wir gehen eben dorthin, wo ich es für richtig halte.
Führen am langen Strick: Da halte ich nix davon, wenn Mensch Pferd nicht sehr gut kennt und Pferd nicht wirklich sicher ist. Ein Sprung nach vorne, Pferd keilt aus - und Mensch hat Hufe in den Rippen (hab'ich auch schon gesehen; Notarztwagen wurde gerufen). Bin da mehr für die 20-30 cm-Variante, dabei aber Strick durchhängend. WENN Pferd dann den besagten Sprung nach vorne macht, ruckt es sich 1. selbst auf der Nase und 2. zieht es mich notfalls neben der Schulter, aber nicht hinter sich mit (natürlich gehe ich auch oft mit ultralangem Strick, schon alleine, damit Pony z. B. beim Gehen fressen kann, ohne daß ich mich ständig anpassen muß. Macht Nelly super: sie trabt ans Strickende voraus, stoppt, frißt, wartet, bis ich vorbei bin, trabt vor, frißt...und das alles mit nie wirklich stark gespanntem Strick, also mit Reaktion bevor der Strick wirklich wieder straff wird. Zur Meinung von anderen: ist der Ruf erstmal ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert. Speziell wenn Kala z. B. nervig wirkt, ist der Strick aber deutlich kürzer, nur eben in der Kürze durchhängend, sofern sie nicht gerade wirklich mal durch einen Seitensprung o.ä. spannt.)
Warum heute so ziemlich jede Reaktion eines Pferdes als Dominanzverhalten ausgelegt wird, ist mir auch ein Rätsel.
Ich denke aber, daß der Umgang nach NH relativ leicht wirklich sowas wie Dominanz fördert (weil dominante Pferde eher das Recht kriegen, mehr Selbstbestimmung und Ruhe vor lästigen Menschen zu haben).
Spannend finde ich auch, daß ja Selbsterfahrungsseminare mit Pferden hochmodern sind, und irgendwie habe ich den Eindruck, daß sie nur bei NH-Betrieben durchgeführt werden - also bei Pferden, die gelernt haben, am besten auf durchsetzungskräftige Menschen zu reagieren, die ausstrahlen, daß sie ihren Forderungen auch Nachdruck verleihen. Daß Pferde deutlicher auf Menschen reagieren, die sich bemerkbar machen, ist ja auch naheliegend. Geht uns genauso, was aber nicht heißt, daß uns Menschen, die sich deutlich bemerkbar machen, immer angenehm sind.
Eine weiteren Zug der Zeit sehe ich darin, daß es üblich ist, den Pferden immer stärker vorzugeben, wie genau sie zu gehen haben, auch in welcher Haltung. Rumprobieren und selbst Körpergefühl entwickeln ist total passée (einzige mir bekannte Ausnahme: gerade mal im Buch von Imke Spilker arbeiten Pferde massiv selbst an Körpererfahrung).
Gestern unterhielt ich mich mit einer Freundin über Reiten und Hilfszügel. Sie meinte auch, daß in ihrer Jugend ein Martingal das absolute Maximum an Hilfszügel für Reitschüler gewesen sei (ist auch meine Erfahrung). Heutzutage sieht das massiv anders aus.
Was mich an der üblichen Ausbildung auch so massiv stört, ist eben, daß bereits in der Lernsituation unangenehmer Druck aufgebaut wird. Nix mit leichtem Signal, abwarten, bis eine Minireaktion kommt - die in dieser Anfangssistuation oft eine Zufallsreaktion ist und das dann bestärken oder überhaupt Dinge einfangen und unter Signalkontrolle bringen (OK, nicht immer möglich). Aber bestimmte Verhaltensweisen sind in bestimmten Situationen vorhersehbar, wodurch ich ein Signal vorher einfügen kann. Irgendwann löst dann mein Signal das Signal aus dem Umfeld ab.
Bezüglich massiven Strickrucken. Die brauche ich, wenn das Training für die entsprechende Notsituation nicht ausreicht, um schlimme Folgeschäden zu verhindern. In meiner Jugend (mit ca. 14) bedeutete das oft viele heftige Rucke bei boxengehaltenen, viel Hafer fressenden, mich ständig beißenden, so ziemlich null ausgebildeten jungen Galopperhengsten. Ich denke, heutzutage würde ich es schlicht und einfach ablehnen, unter solchen Bedingungen solche Pferde zu führen (sprich ohne gezieltes Training).
Viele Grüße
Carola