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Clickertraining in der Theorie => Lerntheorie und Signalkontrolle => Thema gestartet von: noothe am 30. März 2017, 17:35:04

Titel: Choice - wieviel Wahlfreiheit kann man seinem Pferd geben?
Beitrag von: noothe am 30. März 2017, 17:35:04
https://equineclickertraining.wordpress.com/2017/03/28/notes-from-the-art-and-science-of-animal-training-conference-orca-choice/
Choice is not just about providing reinforcement or about removing aversives.  It’s about providing the animal with opportunities to earn reinforcement in many ways and increasing the animal’s repertoire so it has the skills and opportunities to practice many different behaviors.


Freiheit und Wahlmöglichkeiten spielen beim Training mit positiver Verstärkung eine große Rolle. Das beinhaltet zum Beispiel die Freiheit von unangenehmen Reizen, die Freiheit das zu tun, was man möchte, sowie die Freiheit einer Wahlmöglichkeit und den Erhalt von Kontrolle.
Oft sind wir uns dessen nicht bewusst, dass unser Tier Einschränkungen unterliegt - es kann sich im Training zwar frei bewegen, jedoch sind die alternativen Möglichkeiten stark eingeschränkt, da es sich beispielsweise innerhalb eines umzäunten Areals oder in einer Skinnerbox befindet.
Auch ein beschränktes Verhaltensrepartoire kann zu Einschränkungen im Training führen - das Tier hat nur gewisse Verhalten zur Auswahl, die es anbieten kann.
Weiters nimmt der Trainer einen entscheidenen Faktor ein, da er die Belohnungen kontrolliert und die Möglichkeiten und Wege, sich diese zu verdienen.
Ein Beispiel für "echte" Freiheit wäre hier, ähnlich dem Contra Freeloading-Phänomen, dem Tier zeitgleich die gleiche Belohnung frei zur Verfügung zu stellen.  Belohnt man also das Pferd beispielsweise mit Pellets und fallen immer wieder einige zu Boden, kann es sein, dass das Pferd es trotzdem vorzieht, sich das Futter durch die Übung zu verdienen, anstatt es einfach nur vom Boden aufzusammeln. Es hat hierbei die Wahl getroffen, dass es sich das Futter lieber verdienen möchte - beispielsweise weil die Übung Spass macht oder körperliche Benefits bietet.

Eine weitere Möglichkeit, dem Tier eine Wahlmöglichkeit zu schaffen, ist, ihm beizubringen "Nein" zu sagen.  Man trainiert das Tier dabei etwa auf ein Target und gibt ihm die Möglichkeit, dieses während des Trainings ständig berühren zu können und dafür die gleiche Belohnung zu erhalten, wie für die eigentliche Übung. Das Tier kann damit signalisieren, dass es sich mit einer Übung oder einem Trainer nicht wohl fühlt. Dieses Konzept ist allerdings sehr komplex und lässt sich nicht immer mit jedem Tier oder jeder Tierart umsetzen.

Zusammenfassend kann man sagen: Echte Wahlfreiheit ist selten.  Viele Entscheidugen sind "erzwungen", da nur eine Entscheidung eine positive Konsequenz bedingt. Wahlmöglichkeiten und Kontrolle sind primäre Verstärker - man kann Tiere belohnen, indem man ihnen die Möglichkeit gibt, ihre Umwelt zu kontrollieren.
Diese Punkte sollten wir daher immer im Hinterkopf behalten, auch wenn wir überwiegend mittels positiver Verstärkung trainieren.

 :keks: :keks: :keks:
Titel: Re: Choice - wieviel Wahlfreiheit kann man seinem Pferd geben?
Beitrag von: Muriel am 30. März 2017, 21:38:14
:thup:

ich finde dass das eines der schwierigsten Dinge ist, die man im Lauf der Zeit entdeckt, die man sich mit Clickertraining beschäftigt. Denn das bedeutet Aufgabe der Kontrolle, dh. man muss sich überhaupt eingestehen dass man bei allem positiven Denken immer noch die Kontrolle bitte behalten möchte.  :nick:
Titel: Re: Choice - wieviel Wahlfreiheit kann man seinem Pferd geben?
Beitrag von: noothe am 30. März 2017, 23:44:46
Ich freu mich ja, dass es so langsam immer mehr verlinkbare Texte und Quellen gibt. Als ich vor ein paar Jahren angefangen hab, davon zu reden, haben mich alle für komplett besch*** gehalten :pfeif:
Titel: Re: Choice - wieviel Wahlfreiheit kann man seinem Pferd geben?
Beitrag von: Sanhestar am 31. März 2017, 05:52:18
:thup:

ich finde dass das eines der schwierigsten Dinge ist, die man im Lauf der Zeit entdeckt, die man sich mit Clickertraining beschäftigt. Denn das bedeutet Aufgabe der Kontrolle, dh. man muss sich überhaupt eingestehen dass man bei allem positiven Denken immer noch die Kontrolle bitte behalten möchte.  :nick:

ich kaue ja auch immer wieder auf diesem Thema herum, gerade, wenn es mal wieder eine Situation gab, in der Kontrolle notwendig war.

z.B. - Pferd bleibt mitten auf der Strasse stehen bei heran kommenden Autos. Pferd bleibt nicht stehen aus Angst, sondern weil es weiß, dass die Strasse bedeutet "wir gehen jetzt heim, Spielstunde beendet".

Auch sind diverse von Alexandra's Übungen ja durchaus darauf ausgelegt, Kontrolle über die Bewegungsrichtung/Bewegung an sich zu bekommen.

U.a. deswegen, weil ein unkontrolliertes Pferd eben auch wirklich eine Gefahr für Leib und Leben darstellt.

So toll das klinkt, mit dem "die Wahl geben" - wir müssen uns aber auch eingestehen, dass in der heutigen Welt und ausserhalb einer geschützten Umgebung - Kontrolle leider zum Wohl aller Beteiligten (ein unkontrolliertes Pferd auf einer Bundesstrasse als Extrembeispiel, von Schutzmassnahmen im Umgang mit Wildtieren mal gar nicht zu sprechen) eine Notwendigkeit ist.

In Diskussionen mit Alexandra und anderen Trainern kommt dann auch immer wieder zur Sprache, dass zu viel Wahlmöglichkeit bzw. dem Pferd als Fluchttier die schlussendliche Entscheidung in JEDER Situation zu überlassen, durchaus auch unfair sein kann. Hier wird dann gerne die Analogie zwischen Erwachsenem, der eine Situation auf deren Gefahrenpotential abschätzen kann, und kleinem Kind, dass die möglichen Gefahren nicht einschätzen kann, genannt.
Titel: Re: Choice - wieviel Wahlfreiheit kann man seinem Pferd geben?
Beitrag von: noothe am 31. März 2017, 09:43:09
Meiner Meinung nach geht es bei dem Konzept von Choice - als Mitbestimmung - gar nicht primär darum, ein regel- und kontrollfreies "Mach was du willst" Leben zu führen. Sondern es geht darum, dem Tier ein Mitbestimmungsrecht zuzugestehen, um so, ganz allgemein, den Umgang sicherer und zuverlässiger zu machen. Denn die Alternative, wenn das Tier keine trainierte Möglichkeit hat, Nein zu sagen, kennen wir alle. Agressionen, Übersprungshandlungen, das "Stehenbleiben auf der Straße" - wobei ich das Beispiel immer ein wenig an den Haaren herbeigezogen finde, weil da dann schon vorher verschiedene Dinge eben nicht komplett trainiert wurden oder Signale übergangen wurden. (Und ja, die Krümeline hat sich sogar schon mitten auf der Landstraße hingelegt zum Stresswälzen, das ist lange her und ich werde sie in diesem Leben nicht mehr in solch eine Situation bringen, wenn es irgendwie zu verhindern ist). Das musste gerade mal raus, weil das Beispiel immer kommt und scheinbar alle Leute permanent mit ihren Pferden auf Straßen herumstehen, zumindest erweckt es manchmal den Anschein.

Bei Choice geht es darum, dem Tier Mitbestimmung über seinen eigenen Körper zu geben, etwas, das bei Kindern eigentlich schon lange selbstverständlich sein sollte. Ein Nein ist erstmal ein Nein, und das muss man ernst nehmen. Es geht darum dem Tier nicht nur beizubringen, Berührungen zu ertragen (weil es dafür Kekse gibt) sondern ihm zu erklären, dass es auch ohne Berührungen Kekse haben kann - weil erst dann ist es wirklich eine echte Wahl. Ein Tier, dass gelernt hat, Nein sagen zu dürfen, sagt meiner Erfahrung eigentlich permanent Ja. Ich habe noch nie erlebt, dass sich ein Tier dann wie ein trotziges Kind hinstellt, die Arme verschränkt und sagt "NEIN NEIN NEIN". Im Gegenteil. Selbst die Krümeline mit ihrer Spritzenphobie sagt eben auch noch zum xten Mal "Naguuuut, ich bemüh mich. WARTE ICH KANN GERADE NICHT. Ok jetzt." Darum geht es bei Choice. Und darum ist sie, in meinen Augen, genauso ein Grundrecht wie Nahrung, Wasser und Sozialkontakt. Jedes Lebewesen verdient das Recht, über seinen eigenen Körper zu bestimmen.

Ein ganz nettes Beispiel von einer Freundin: Diese hat ihrem alten Hund beigebracht, dass er vor dem Spaziergang die Wahl hat. Blauer Teppich bedeutet Frisbee (sein Lieblingssport), roter Teppich bedeutet lockerer Spaziergang, Gelber Teppich bedeutet kurzes Lösen und dann Denkaufgaben im Garten. Nachdem der Hund das verstanden hatte, hat er IMMER an Tagen, an denen am Vortag Frisbee gespielt wurde, eine der anderen beiden Matten ausgewählt und sich so ganz von alleine die nötige Regenerationszeit genommen. Das schließt ja nicht aus, an Tagen an denen es keine Wahl gibt, die Frage einfach nicht zu stellen (und die Teppiche nicht hinzulegen).

Es gibt inzwischen eine Reihe von wirklich interessanten Setups, über die z.B. Ken Ramirez oder Eva Bertilsson und Emelie Johnson Vegh auf der Clickerexpo sprechen, die beweisen, WIE mächtig es ist, den Tieren ein Setup zu bieten, in dem sie eine reale Wahlfreiheit haben.

Genauso wie bei dem Versuch, wo die Pferde selbst entscheiden konnten, ob sie eine Decke tragen möchten: Wenn ein Pferd wegen einer Krankheit eben eine Decke braucht, dann hängt man die Tafel nicht hin. Nur weil wir den Tieren die Wahl lassen heißt es ja nicht, dass wir uns selbst im Umkehrschluss zu reinen Befehlsempfängern und Futtereinheiten machen.

Titel: Re: Choice - wieviel Wahlfreiheit kann man seinem Pferd geben?
Beitrag von: Muriel am 31. März 2017, 09:54:27
:thup:
Titel: Re: Choice - wieviel Wahlfreiheit kann man seinem Pferd geben?
Beitrag von: Sanhestar am 31. März 2017, 10:06:25
grins*

Stehen auf der Strasse hat für mich einen so hohen "Negativ-Wert", weil ich IMMER wenigstens ein paar Meter an der Strasse entlang muss, um draussen spazieren gehen zu können, solange die Ponies am Hof stehen. Es gibt KEINE Alternative, weil der Hof keinen direkten Zugang zu Feldwegen hat und direkt an einer Strasse gelegen ist.

Also ist "auf die Strasse gehen" beim Weggehen etwas, was die Ponies gerne tun. Aber auf dem Heimweg ist es eben das klare Signal, dass es nun unwiderruflich nach Hause geht. Und auch wenn ich da zwischendrin immer wieder noch clicke, so ist es entlang der Strasse einfach schwerer, da eine wirklich gute Clickerhistorie aufzubauen, weil man eben doch ein Verkehrshindernis darstellt, wenn man andauernd stehen bleibt.

Im Gegensatz zu Dir kann ich diese Situation also nicht verhindern/vermeiden, es sei denn, wir verbringen den Rest unserer Tage nur auf dem Hofgelände (und nicht mal dann, weil eben auch die Weiden auf der anderen Strassenseite liegen und "von der Weide gehen" vermutlich noch weniger bestärkend ist als "heimkommen").

Ich stimme Deinen Ausführungen zu, gerade, was Zustimmung bei medizinischen oder sonstigen Umgangs"prozeduren" betrifft.

Ich finde es aber genauso wichtig, zu erkennen, dass "dem Tier die Wahl lassen" u.U. bei demjenigen, der sich mit dem Konzept erstmalig befasst, ein verzerrtes Bild entstehen lässt (evtl. sogar gefährliche Black Beauty-Romantik o.ä. erzeugt).

Interessanterweise habe ich gerade die Zusammenfassung über die beiden Vorträge von Jesus und Ken im ORCA Blog auch gelesen und ein wichtiger Satz daraus ist  für mich

"freedom is the perception of choice" da 100% freie Wahl nirgendwo im Leben existiert.

Das "Nein"-Projekt hört sich auch ganz toll an, aber auch hier warnt Ken davor, dass man das nicht mit allen Tieren/Tierarten machen kann/sollte.

Nachzudenken ist auch über die Ausführungen von Jesus, dass man einem Tier mehrere Verhalten zur Verfügung stellen solle, um es nicht zu stark in seinen Wahlmöglichkeiten einzuschränken.

Das bringt mich zurück auf unseren täglichen Umgang mit unseren Pferden. Schon allein das hohe Verstärken von z.B. grown-ups als immer akzeptables Default-Behaviour (oder head-lowering im gleichen Zusammenhang) ist eigentlich eine Einschränkung von Choice. Ich sage jetzt nicht, dass das unter Berücksichtigung der o.g. Vorträge nun "schlecht" ist. Sondern, dass wir uns als Trainer bewusst sein sollten, wann und aus welchem Grund wir Choice einschränken (vermutlich aus der Wahrnehmung heraus, dass WIR Kontrolle haben  :roll: )
Titel: Re: Choice - wieviel Wahlfreiheit kann man seinem Pferd geben?
Beitrag von: noothe am 31. März 2017, 10:14:12
Oh doch ich kenne das Problem mit der Straße verdammt gut, und es hat mich insgesamt 3 Stallwechsel gekostet es loszuwerden... Und es war ein sehr realistisches Problem, weil die Pferde zu jedem Weidewechsel von verschiedenen Menschen an der Straße entlang geführt werden mussten(!) und ich daher nicht mal die Wahl hatte es nicht zu trainieren und auf dem Paddock zu bleiben, so wie ich das jetzt endlich habe. Sorry für's OT (und Choice könnte eh einen eigenen Thread vertragen). Straßen zu ignorieren wäre bei uns also keine Frage gewesen von "was mit der Krümeline machen oder nicht" sondern von "ich bete dass sie mir auch diesmal rechtzeitig Bescheid sagen damit ich mir für den Weidewechsel (alle drei-vier Wochen) einen Tag Urlaub nehmen kann, damit ich nicht den Anruf bekomme dass mein Pferd wahlweise vors Auto gelaufen oder einen Miteinsteller krankenhausreif getreten hat.

Und jetzt muss ich mal los, ich würde mich echt freuen das in einem eigenen Thread noch viel ausführlicher zu diskutieren.
Titel: Re: Choice - wieviel Wahlfreiheit kann man seinem Pferd geben?
Beitrag von: eboja am 31. März 2017, 10:23:59
Danke für die interessante Diskussion! :thup:

Ich bin mir da noch nicht so ganz schlüssig, wie ich Carinjo ein eindeutiges "Ja"- und "Nein"-Signal beibringen kann. Ich hatte ja mal angefangen, nur dann aufzusteigen, wenn Carinjo freiwillig an die Aufstieghilfe geht. Allerdings habe ich da verschiedene Probleme, v.a. bei der Aufstieghilfe am Hof (die ich für Ausritte nutze), die gleichzeitig Anbinde"stange" ist (ein liegender Baumstamm). Hat Carinjo das Verhalten "an DIESER Aufstieghilfe einparken" überhaupt ausreichend gelernt, um sicher zu wissen, was ich von ihm möchte (kleineres Problem, lässt sich ja einfach noch weiter auftrainieren)? Bleibt er stehen, weil er bewusst "Nein" sagt, oder weil er einfach noch vom Putzen usw. in einem Dösemodus ist und gerade überhaupt nichts "sagt"? Klar, da kann ich auch argumentieren, dass er gewisserweise Nein sagt, weil er eben weiter dösen möchte. Zu meiner Frage "Was hälst Du von einem Ausritt?" gibt es mir dann aber keine Information...

Ich finde das in der Theorie ein wunderbares Konzept, komme aber in der Praxis noch wenig klar damit. Es hapert einfach (für mich!) an einer Umsetzung, bei der ich sicher sein kann, eine bewusste Antwort auf eine Frage zu bekommen und nicht nur ein "Zufallsverhalten". :nixweiss: Spannend ist es dennoch und es auch wert, da weiter drüber nachzudenken und es auszuprobieren! :nick:
Titel: Re: Choice - wieviel Wahlfreiheit kann man seinem Pferd geben?
Beitrag von: eboja am 31. März 2017, 10:25:19
Und jetzt muss ich mal los, ich würde mich echt freuen das in einem eigenen Thread noch viel ausführlicher zu diskutieren.
Ich habe auch schon gedacht, dass das einen eigenen Thread verdient, ich trenne es mal ab :nick:.

Edit: erledigt. Falls Ihr einen besseren Vorschlag für den Titel habt, ändere ich das gerne, war nur gerade selbst nicht so einfallsreich :rotw:.
Titel: Re: Choice - wieviel Wahlfreiheit kann man seinem Pferd geben?
Beitrag von: Sve am 31. März 2017, 10:29:02
Was für eine tolle Idee, das auszulagern! Ich muss mich hier noch fleißig einarbeiten. Beiden Pferden möchte ich gern die Möglichkeit der Mitbestimmung geben, weiß aber noch nicht so recht, wie ich das aufbaue. Daher bin ich super dankbar für das Thema und eure Beiträge, gerade von denen, die sich schon mehr damit beschäftigt haben und mehr Ahnung von der Materie haben.  :keks:
Titel: Re: Choice - wieviel Wahlfreiheit kann man seinem Pferd geben?
Beitrag von: snöflingan am 31. März 2017, 10:33:52
Mega spannend, muss mitlesen  :D

Titel: Re: Choice - wieviel Wahlfreiheit kann man seinem Pferd geben?
Beitrag von: Honey am 31. März 2017, 10:35:59
Ich finde das auch total spannend zu lesen.

Das Beispiel mit dem Hund und den Teppichen finde ich echt krass - unglaublich, was alles möglich ist!
Da merk ich mal wieder, wie sehr ich noch am Anfang stehe...   :rotw:
Titel: Re: Choice - wieviel Wahlfreiheit kann man seinem Pferd geben?
Beitrag von: Sanhestar am 31. März 2017, 10:39:41
ich muss auch erstmal Büro und Ziegen erledigen, dann komme ich hoffentlich nochmal zurück, denn gerade die Ideen mit gleichwertiger Verstärkung und "anti-freeloading" finde ich sehr ansprechend (aber gleichzeitig auch nicht so einfach umsetzbar).
Titel: Re: Choice - wieviel Wahlfreiheit kann man seinem Pferd geben?
Beitrag von: snöflingan am 31. März 2017, 10:40:34
Ich finde die Teppiche auch seerhr cool, will das am liebsten direkt einüben  :nick:

Meine Tiere sind in ihrer Wahl meistens relativ eingeschränkt. Sicher wesentlich weniger als nicht geclickerte, aber es wäre auf jeden Fall viel mehr möglich. Ich arbeite momentan nur mit "gut hinhören"  :rotw:
Titel: Re: Choice - wieviel Wahlfreiheit kann man seinem Pferd geben?
Beitrag von: cinnamon am 31. März 2017, 10:44:20
am besten den artikel lesen - da stehen die  antworten zu diesen fragen drinnen. die deutsche übersetzung ist ja nur ein grober umriss des artikels.
in erster linie ist es ein denkanstoss, kein "du musst das jetzt genau so machen".
viele wege führen nach rom und kein ansatz ist pauschal besser oder schlechter. man sollte nur stets aufmerksam bleiben und die prozesse beachten, die dabei im hintergrund ablaufen.
Titel: Re: Choice - wieviel Wahlfreiheit kann man seinem Pferd geben?
Beitrag von: noothe am 31. März 2017, 10:52:04
Ich bin jetzt leider auch erstmal bis abends unterwegs.

Ein bisschen was zum Wie hatte ich schon mal geschrieben:

http://www.clickertiere.de/themen/clickertraining/selbstbestimmtes-lernen#selbstbestimmtes-lernen
http://www.clickertiere.de/themen/clickertraining/medical-training-maulspritze#medical-training-maulspritze
http://www.clickertiere.de/themen/clickertraining/choice-befolgen-oder-mitmachen-#choice-befolgen-oder-mitmachen-
Titel: Re: Choice - wieviel Wahlfreiheit kann man seinem Pferd geben?
Beitrag von: Aennekin am 31. März 2017, 11:02:41
Ich lese auch mit. Seeeehr spannend. Ich finde gerade die Verknüpfung von Choice/ Mitbestimmung und aber auch der Aspekt, den Sanhestar angesprochen hat (Verantwortung tragen für ein Lebewesen, dass Konsequenzen weniger gut überblicken kann als ein erwachsener Mensch) ist sehr interessant.

Könnten wir hier konkreter diskutieren, wie wir solche "bunten Auswahl-Teppiche" für unsere Tiere erclickern? Mit ganz praktisch umsetzbarer Variante für den normalen Pferdealltag, also wenn man nicht so oft mit dem Tier zusammen ist wie mit einem Hund? Ich vermute, bei einem Hund geht die Verknüpfung zwischen Teppichwahl und nachfolgendem Verhalten schneller.

Danke für die verschiedenen Links die ihr schon gepostet habt!
Sanhestar, könntest Du den Link zu den Vorträgen, die Du erwähnst hier noch verlinken zum Nachlesen?

Offtopic: Tine, ich musste laut lachen, als ich deinen Satz zu den auf der Straße stehenden Pferden gelesen habe.  :lol:
Was mir in der realen Situation ganz praktisch auch hilft: selbst die Situation gelassen sehen. In unserem alten Stall mussten wir auf dem Weg zur Weide ebenfalls einen stark von LKW befahrenen Weg entlang - eine Kiesgrube war in der Nähe. Ich musste da fast jeden Tag mit zwei Pferden lang. Die zugegeben brav waren, aber: Zum Überholen war es an den meisten Stellen eigentlich zu eng. Erst habe ich mich gestresst, die Pferde an den Rand gequetscht, gehofft dass sie nicht die Hinterhand in den Laster schwenken. Und dann habe ich einfach gedacht: Autos und Laster haben Bremsen. Wenn wir den Weg bis zur nächsten Ausbuchtung versperren, weil wir in der Mitte weiterlaufen - na und? Dann fahren sie halt Schritttempo. Mit einem netten Lächeln und sich Bedanken, wenn sie dann vorbei konnten, waren die meisten Fahrer zufrieden.
Titel: Re: Choice - wieviel Wahlfreiheit kann man seinem Pferd geben?
Beitrag von: noothe am 31. März 2017, 11:10:19
Ja das ist ein wenig wie wenn man als Fahranfänger laufend den Motor abwürgt... Ist halt so :shy: Guter Punkt :nick:

Das Trainieren von sowas ist eigentlich relativ simpel, ich kann dazu nachher was schreiben. Oder einfach mal den Versuchsaufbau vom Deckenexperiment durchlesen!
Titel: Re: Choice - wieviel Wahlfreiheit kann man seinem Pferd geben?
Beitrag von: Sanhestar am 31. März 2017, 11:14:36
hier mal der Choice und "no-project" link

https://equineclickertraining.wordpress.com/2017/03/28/notes-from-the-art-and-science-of-animal-training-conference-orca-choice/
Titel: Re: Choice - wieviel Wahlfreiheit kann man seinem Pferd geben?
Beitrag von: Sanhestar am 31. März 2017, 12:44:52
Bleibt er stehen, weil er bewusst "Nein" sagt, oder weil er einfach noch vom Putzen usw. in einem Dösemodus ist und gerade überhaupt nichts "sagt"? Klar, da kann ich auch argumentieren, dass er gewisserweise Nein sagt, weil er eben weiter dösen möchte. Zu meiner Frage "Was hälst Du von einem Ausritt?" gibt es mir dann aber keine Information...

Ich finde das in der Theorie ein wunderbares Konzept, komme aber in der Praxis noch wenig klar damit. Es hapert einfach (für mich!) an einer Umsetzung, bei der ich sicher sein kann, eine bewusste Antwort auf eine Frage zu bekommen und nicht nur ein "Zufallsverhalten". :nixweiss: Spannend ist es dennoch und es auch wert, da weiter drüber nachzudenken und es auszuprobieren! :nick:

Du könntest ein anderes Verhalten zwischenschalten. z.B. vom Anbindebalken in einem Kreis weggehen, Pferd mit etwas Distanz "parken", während Du selber zum Anbindebalken zurückgehst und ihn dann heran rufen.

Da mich das Thema ja auch weiter beschäftigt, habe ich das ganze gerade bei der Skype-Session mit Mary auch nochmal angesprochen.

Es bleibt der Punkt, dass es Situationen gibt, gerade mit Pferden im Strassenverkehr, wo wir die Wahlmöglichkeiten massiv einschränken müssen auf z.B. head lowering oder targeting. Oder in bereits genannten, medizinisch indizierten Situationen, wo wir als Mensch einfach das Potential für Folgeschäden besser abschätzen können.

In anderen Situationen kann das anders sein. Wobei mir, beim nachdenken über das Thema, auffällt, dass gerade beim "no-project" dem Orca-Weibchen eigentlich auch immer nur eine Wahl zwischen maximal drei Möglichkeiten gegeben wurde:

- gewünschtes Verhalten ausführen
- no-Verhalten ausführen
- komplett wegschwimmen

Und das führt zu anderen Studien (die auch Mary erwähnte, weil sie sie selbst miterlebt hat) aus z.B. Marketing: wird zu viel Wahlmöglichkeit gegeben, wirkt das verwirrend und frustrierend, teilweise sogar angsteinflössend.

Und dann, aber danach muss ich wirklich aufhören, sonst wird das etwas in den Ausmaßen einer dialektischen Argumentation  :confused:, auch noch ein Thema, das eher die Hundebesitzer betrifft.

Wahlmöglichkeiten unter Berücksichtigung genetischer Prä-Disposition. Abhängig von Rasse und Selektion auf Arbeitsleistungsbereitschaft (=will to please, will to run) kann man bestimmten Hunden auch nicht die 100%ige Wahl über ein bevorzugtes Verhalten geben. Denn in vielen Fällen würde dann die angezüchtete Bereitschaft, über die eigenen Grenzen zu gehen (Hütehunde, modernere Schlittenhunderassen, Jagdhunde) die Wahl z.B. zwischen Ruhe und weitergehender Kooperation verfälschen.

Titel: Re: Choice - wieviel Wahlfreiheit kann man seinem Pferd geben?
Beitrag von: Ehemaliges Mitglied 959 am 31. März 2017, 13:36:15
Meiner Meinung nach geht es bei dem Konzept von Choice - als Mitbestimmung - gar nicht primär darum, ein regel- und kontrollfreies "Mach was du willst" Leben zu führen. Sondern es geht darum, dem Tier ein Mitbestimmungsrecht zuzugestehen, um so, ganz allgemein, den Umgang sicherer und zuverlässiger zu machen.
(...)
Bei Choice geht es darum, dem Tier Mitbestimmung über seinen eigenen Körper zu geben, etwas, das bei Kindern eigentlich schon lange selbstverständlich sein sollte. Ein Nein ist erstmal ein Nein, und das muss man ernst nehmen.

So verstehe ich das auch  :nick:  Finde das Thema sehr spannend und lese hier mal mit  :)
Titel: Re: Choice - wieviel Wahlfreiheit kann man seinem Pferd geben?
Beitrag von: JeyChey am 31. März 2017, 14:01:07
Dito
Als Kontrollfreak *hust* hab ich bisher nur zwei Möglichkeiten - mitmachen oder nicht.
Das Thema hier muss für mich noch etwas reifen :)
Titel: Re: Choice - wieviel Wahlfreiheit kann man seinem Pferd geben?
Beitrag von: noothe am 31. März 2017, 17:52:35
Ich bin zwar immer noch unterwegs aber muss noch was einwerfen:

Mit Wahlfreiheit meine ich die informierte Wahl zwischen bekannten Wahlmöglichkeiten. Und ja, es gibt Situationen, da gibt es eben schlichtweg eine Möglichkeit, und dann ist das so! Und im Normalfall handelt es sich eben um A oder B, mitmachen oder was anderes machen, Ja/Nein/Später, Decke an oder Decke aus usw.

Ich sehe weder Sinn darin noch halte ich es für praktikabel, mich vor das Pferd zu stellen und zu sagen "so, mach mal". Außer in einem sicheren Trainingsumfeld. Genauso wie ich meinen Freund frage "Pizza oder Nudeln?" und eher selten "Was wollen wir essen". Oder "magst du eine Massage? Nein? Ok ich frag später".

Und, aber ja, das ist ziemlich philosophisch, ich vertrete tatsächlich die Meinung, dass es kaum eine Situation gibt, wo etwas in einem konkreten Moment genau so und so muss, ohne dass auch nur ein Mü davon abgewichen werden darf. Nicht mal bei einem offenen Beinbruch. Selbst da kann man noch die 5min investieren und bei wachem Pferd den ersten Kontakt vom TA so gestalten, dass das Pferd involviert ist. Aber das ist mein Glaubenssystem und eine ganz persönliche Sache.
Titel: Re: Choice - wieviel Wahlfreiheit kann man seinem Pferd geben?
Beitrag von: Avaris am 31. März 2017, 18:27:18
Dein Glaubenssystem gefällt mir Tine :hug:
Ich finde dieses Thema sehr interessant. Es ist im Clickerzusammenhang tatsächlich ganz neu für mich.
Bisher gibt es bei uns - und nichtmal das immer :shy: - nur die Wahl: Machst du mit oder nicht.
Hierzu mal ein Theorievortrag hören, das wäre toll!
Titel: Re: Choice - wieviel Wahlfreiheit kann man seinem Pferd geben?
Beitrag von: Ehemaliges Mitglied 779 am 31. März 2017, 18:36:55
Ich möchte nur kurz einwerfen, dass ich das genau wie Tine sehe und das super formuliert ist!
Titel: Re: Choice - wieviel Wahlfreiheit kann man seinem Pferd geben?
Beitrag von: JeyChey am 31. März 2017, 20:45:55
Find ich auch, toll geschrieben! :keks:
Titel: Re: Choice - wieviel Wahlfreiheit kann man seinem Pferd geben?
Beitrag von: Sanhestar am 01. April 2017, 07:09:36
Und, aber ja, das ist ziemlich philosophisch, ich vertrete tatsächlich die Meinung, dass es kaum eine Situation gibt, wo etwas in einem konkreten Moment genau so und so muss, ohne dass auch nur ein Mü davon abgewichen werden darf. Nicht mal bei einem offenen Beinbruch. Selbst da kann man noch die 5min investieren und bei wachem Pferd den ersten Kontakt vom TA so gestalten, dass das Pferd involviert ist. Aber das ist mein Glaubenssystem und eine ganz persönliche Sache.

Ja! Ich möchte auch nicht den Eindruck erwecken, dass ich komplett gegen das System "Choice" eingestellt bin. Mitnichten.

Ich stolpere eher über die Momente, wo Choice und reelles Leben kollidieren und wie damit umzugehen ist.

Ggfs. ist es nötig, sich beim Aufbau neuer Übungen zu überlegen, welche verschiedenen Verhalten akzeptabel für die Situation sind, für die das Verhalten etabliert werden soll - wenn wir jetzt mal vom generellen Konzept "Choice" zu den Ausführungen von Jesus gehen, nach denen es für ein Tier weniger frustrierend und einschränkend ist, mehr als ein Verhalten zur Verfügung zu haben.

Nehmen wir mal "neben mir hergehen" = führen beim Pferd

Welche verschiedenen Verhalten können mit dieser Anforderungen verbunden werden, ohne mit der Realität oder Sicherheitsaspekten zu kollidieren?

Will ich mitgehen, wäre stehen bleiben zwar ein alternatives Verhalten, aber keines, was nützlich ist. Sollte das dem Pferd Clicks bringen?

Kompatibel wären z.B. mitgehen in entspannter Kopf-/Hals-Haltung; in Pose; in leichter Stellung; mit gesenktem Kopf.

Nur, wie funktioniert das in der tatsächlichen Situation? Der Artikel geht da leider nicht drauf ein, da müsste man mal sehen, was es an zusätzlicher Literatur/Videos, etc. gibt, wie Jesus sowas aufbaut/einsetzt.

Denn ich frage mich gerade, kommt das eher in Shaping-Prozessen zum Einsatz? Oder auch (noch) unter Signalkontrolle? Sind das nur Laborbedingungen? Geht es "nur" darum, dass das Tier sich Clicks verdienen kann? Oder auch um "relevantes" Verhalten mit Konsequenzen im Umgang?

Titel: Re: Choice - wieviel Wahlfreiheit kann man seinem Pferd geben?
Beitrag von: Sanhestar am 01. April 2017, 07:39:48
Hach, es lässt mich nicht los und ich habe noch ein paar Minuten, bevor ich los muss.

Das Fenster mit dem Vortrag ist noch offen und ich hab' grad nochmal die Passage über Choice und verschiedene Verhalten gelesen und habe so langsam den Verdacht, dass ich die Passage beim ersten Lesen falsch verstanden habe.

"So, one way to limit constraint and increase choices in animal training is to increase the animal’s behavioral repertoire.  This gives them more choices on several different levels because they have more options for reinforceable behavior overall, and it also may make it possible for you to give them more options at any given time.

To summarize:

Choice is not just about providing reinforcement or about removing aversives.  It’s about providing the animal with opportunities to earn reinforcement in many ways and increasing the animal’s repertoire so it has the skills and opportunities to practice many different behaviors.

Remember that:

    A small repertoire = more constraint
    limited skills = limited opportunities

If our goal is to increase freedom, then we need to be aware that individuals can be constrained by the available environment and available behavior."

Den fett markierten Teil habe ich beim ersten Lesen so verstanden, dass das Repertoire an Verhalten sich auf eine isolierte Trainingssituation bezieht.

Nochmal gelesen, ist das vermutlich falsch und bezieht sich eher darauf, dass wir den Tieren möglichst viele Möglichkeiten zur Verfügung stellen, sich Verstärker zu verdienen und das damit zu tun, dass die Tiere möglichst viele Verhalten können (aber nicht begrenzt auf eine isolierte Situation, sondern auf das gesamte Repertoire).

Das würde heissen: wenn ich z.B. einer Ratte in einem Versuchsaufbau nur Verstärker zukommen lasse, wenn sie einen Hebel runterdrückt, limitiere ich ihre Wahlmöglichkeiten extremst. Kann sich die Ratte (oder das Pferd) aber auch Verstärker mit anderen Verhalten verdienen, vergrössere ich die Wahlmöglichkeiten. Also Targeting in den verschiedensten Formen, Pose, grown-ups, ruhiges Stehen, entspanntes mitgehen, usw.

Ohne das jetzt in der Praxis getestet zu haben (und im Moment komplett theorisierend) würde ein solches Repertoire dann auch in "no choice" Momenten noch die Möglichkeiten für eine limitierte, aber dennoch vorhandene Choice ermöglichen.

Beispiel:

Pferd in einer Situation mit "Scheu-Potential" in einem Umfeld, das Gefahren enthält.

Kann das Pferd neben der Standard-Reaktion "head lowering" andere Verhalten, die es ebenfalls vom Scheuen abhalten, wie z.B. Hand- oder andere Targets, würde das vorhandene Repertoir weniger Beschränkung und mehr Choice bedeuten, was dann u.U. dazu führen könnte, dass sich das Pferd weniger dieser Situation ausgeliefert fühlt.

Was dann für uns Trainer bedeuten würde, dass wir unser Training mit soviel wie möglich kompatiblen Verhalten und Signalen aufbauen.

Klingt, wenn ich es jetzt so schreibe, komplett offensichtlich aber augenscheinlich hat es auf der anderen Seite ganz viel Potential zum nachdenken.........
Titel: Re: Choice - wieviel Wahlfreiheit kann man seinem Pferd geben?
Beitrag von: Ehemaliges Mitglied 52 am 01. April 2017, 10:31:10
Hi,

ich habe für mich persönlich bemerkt, daß ich aufpassen muß, dem Pferd mittels Clicker nicht mehr Vorgaben zu machen als in unserer Vorclickerzeit. Also einfach weil man prinzipiell so gut wie alles trainieren kann, wozu das Tier körperlich und mental in der Lage ist, es auch zu tun, ohne auf die aktuelle Stimmung oder Wünsche zu achten.

Ach ja, ich arbeite besonders in der letzten Zeit wieder verstärkt daran, die Kommunikation meiner Tiere zu beachten. Letztes Beispiel vor einigen Tagen: Ein relativ warmer Tag. Kala war beim Reiten am Abend ins Schwitzen gekommen. Sie stellte sich neben den Brunnen, dorthin, wo sie auch abgespritzt wird, wenn sie eben gewaschen wird (wenn die Temperaturen passen, liebt sie Duschen). Die Temparatur war mittlerweile auf 5 Grad abgesunken. Meinte sie das ernst? Anscheinend. Also Abschwitzdecke mit Halsteil und Schweißmesser geholt, Schlauch aufgedreht, kurz Beine abgespritzt und Wasserstrahl dann in Brusthöhe vor sie gehalten. Sie ist reingelaufen und hat begonnen, sich darin zu drehen... (hat sie dank Decke danach gut überstanden. Wenn es noch kälter gewesen wäre, hätte ich ihren Wunsch abgelehnt, wobei sie dann vermutlich eh nicht hätte duschen wollen).
Meine Hündin Susi hat bei Spaziergängen (an der Flexileine wegen Verkehr und Wild) meistens auch die Auswahl bei der Richtung. Sie achet streng darauf, die verschiedenen Routen regelmäßig abzugehen (stellt euch eine Art vierblättriges Kleeblatt mit unserem Haus im Mittelpunkt vor).

Oft sind die Aufforderungen zumindest meiner Tiere so eindeutig, daß ich tatsächlich keinen Umweg über ein trainiertes Signal brauche: Bestimmtes Körperteil wird vor mein Gesicht geschoben: "Bitte kratzen".Position wird verändert: "Und jetzt bitte hier!" Pferd läßt sich vor dem Reiten nicht aufhalftern (normalerweise problemlos) und rennt weg. Beginnt dann rumzutschundern (unterstützt von Pony und mir). "Ich muß mich mal kurz auslaufen, kann mich sonst nicht konzentrieren". Nach einigen Minuten Raserei (im Mittelteil vom Pony begleitet) kam sie dann her und steckte die Nase ins Halfter (meine verstorbene Vollblüterin, die sowieso immer sehr deutlich war).

Ich glaube, es reicht oft schon aus, auf die Aktionen und Reaktionen unserer Tiere zu achten: welchen Körperteil präsentieren sie, wohin gucken/zeigen sie? Wie reagieren sie, wenn wir Verhalten zeigen, ihren vermuteten Wunsch zu erfüllen? Kriegen wir ein "ja, genau das" oder ein "nein, ich meine das"? Wie sieht das bei unseren Tieren aus? Haben sie auch sowas wie Markersignale für uns bei richtigem Ansatzverhalten, das wir noch ausbauen müssen?

Das Hund-Teppichbeispiel ist sicher super spannend. Bei etlichen Dingen ist es sicher auch schwierig für unser Tier, uns mitzuteilen, was es möchte bzw. es weiß nicht, welche Dinge zur Auswahl stehen. In vielen Situationen ist das allerdings anders, und man kann ohne Training den direkten Weg gehen (Decke z. B. hinhalten. Pferd läßt sich eindecken oder geht weg. Da trifft dann möglicherweise sogar zu: je weniger dieses spezielle Verhalten - ruhig stehen zum Eindecken trainiert wurde, umso sicherer wird die Auswahl getroffen. Zumindest solange sich das Pferd nicht vor der Decke/der Bewegung des Überwerfens fürchtet....

Bin wohl gerade etwas philisophisch oder so...
Titel: Re: Choice - wieviel Wahlfreiheit kann man seinem Pferd geben?
Beitrag von: noothe am 01. April 2017, 10:48:11
Ich bin da voll deiner Meinung :nick: Nur dass es leider so oft nur in gewachsenen Beziehungen funktioniert und im Training (z.B. eben auch von Zootieren etc) noch einen viiiiiel zu geringen Stellenwert hat.

@Sanhestar: Genau so verstehe ich das :nick:
Titel: Re: Choice - wieviel Wahlfreiheit kann man seinem Pferd geben?
Beitrag von: eboja am 01. April 2017, 11:20:45
Ich lasse mal einen Topf :cookiesbig: da für die schönen Gedanken und -Anstöße, die Ihr hier schreibt! :thup:

Da trifft dann möglicherweise sogar zu: je weniger dieses spezielle Verhalten - ruhig stehen zum Eindecken trainiert wurde, umso sicherer wird die Auswahl getroffen. Zumindest solange sich das Pferd nicht vor der Decke/der Bewegung des Überwerfens fürchtet....
Das trifft meinen "Knackpunkt" bei Carinjo gerade ganz gut: ist das Verhalten, das er zeigt, eine echte "Antwort" oder ist es ein erlerntes Verhalten und ihm nicht klar, dass er auch anders regieren könnte/dürfte?

Für mich nehme ich erstmal mit, einfach wieder (noch) mehr hinzuhören und zu -gucken, um kleinere, leisere Äußerungen von ihm besser wahrzunehmen und darauf reagieren zu können.
Titel: Re: Choice - wieviel Wahlfreiheit kann man seinem Pferd geben?
Beitrag von: Ehemaliges Mitglied 1058 am 01. April 2017, 11:24:18
Ich finde dieses Thema hochspannend und zerbreche mir schon die halbe Nacht das Hirn, was selbiges für meine Arbeit bedeuten würde :confused: Ich clickere nun noch nicht so lange und fange gerade erst an, tiefer in die Materie einzutauchen. Den Transfer zwischen Theorie und Praxis bzgl Choice bekomme ich (glaube ich) gerade nur in Ansätzen hin. Könnte mir jemand ein situationsbezogenes Beispiel für die Arbeit mit Pferd geben?  :help:
Titel: Re: Choice - wieviel Wahlfreiheit kann man seinem Pferd geben?
Beitrag von: snöflingan am 01. April 2017, 11:56:25
Solches "offensichtliches" Wählen/Wünschen haben wir auch  :nick: - meine Tiere sind etwas berüchtigt dafür, wie deutlich sie sich mitteilen (dürfen!)  :rotw:

Ich finde speziell das faszinierend, was über das "ohne Signal" hinausgeht und bin wild entschlossen, die Teppichgeschichte mit Hund und Pferd zu erarbeiten. Das wären nämlich Wahlmöglichkeiten, die ich den beiden gern öfter mal zugestehen würde.
Titel: Re: Choice - wieviel Wahlfreiheit kann man seinem Pferd geben?
Beitrag von: Aennekin am 01. April 2017, 13:51:29
Viele Pferde zeigen ihre Präferenz ja auch durch das Einschlagen des Wegs (lieber Richtung Reitplatz als Richtung Gelände, Abbiegen nach Hause oder doch größere Runde etc) 

@Minnettchen, so ein ganz konkretes Beispiel dafür, wie es in der Praxis aussehen kann, fände ich auch toll!

Ich verstehe es so, dass man für verschiedene Möglichkeiten, die man im Alltag im Training regelmäßig anbietet, eine zusätzliche "Verhaltenskette" aufbaut. D.h. erst mal nutzt man immer Target A/ Teppich A/ Signal A oder was auch immer für die Trainingsvariante A und entsprechend für B,C,D etc. Und wenn die Verknüpfung zwischen Target/Teppich dann sicher scheint, fängt man an, die verschiedenen Targets zu präsentieren und lässt das Pferd entscheiden welches Target (und die damit verknüpfte Trainingsvariante) es aussucht. Wahrscheinlich ist es einfacher, die Zahl an Targets/Wahlmöglichkeiten einzugrenzen?

Es ist interessant, wieviel unterschiedliche Sachen man doch mit seinem Pferd so macht. Wenn man aus allen Optionen Wahlmöglicheiten macht, ist das Pferd sicher überfordert. Also für Kategorien wie Bodenarbeit, frei Laufen auf dem Platz, Zirkus/Denkaufgaben, Spaziergang, langsam ins Gelände, schnell ins Gelände, Reiten auf dem Platz, zurück auf den Paddock/die Weide Wahlmöglichkeiten zu etablieren - das würde sicher ewig dauern, oder? Das wären doch wahrscheinlcih schon viel zu viele Optionen für den Anfang - und selbst die könnte man ja nochmal in ganz viele winzige andere Dinge unterteilen.
Ganz praktisch geht die Verknüpfung von Target/Teppich und Trainingsoption wahrscheinlich einfacher, wenn man das erst mal für nur zwei, drei, vier Sachen macht? 

Das würde mich schon brennend interessieren, wenn jemand das praktisch umsetzt, wie diese Details dann ausssehen.
@Snöflingan, Du musst das definitiv dokumentieren, wenn du das anfängst, bitte bitte bitte  :nick:
Titel: Re: Choice - wieviel Wahlfreiheit kann man seinem Pferd geben?
Beitrag von: Ehemaliges Mitglied 1058 am 01. April 2017, 15:19:41
Zitat
Ich verstehe es so, dass man für verschiedene Möglichkeiten, die man im Alltag im Training regelmäßig anbietet, eine zusätzliche "Verhaltenskette" aufbaut
Das habe ich verstanden und finde das auch sehr spannend. Wie die Einführung solcher Verhaltensketten aussieht, würde mich auch brennend interessieren :dops:

Mir geht es eher darum, wie ich das Element des Wählens in meine Arbeit reinpacken kann. Da weiß ich nicht, ob meine Vorstellung von der Umsetzung richtig ist. Wir arbeiten z. Bsp. derzeit am Wippen, was Minette sehr viel abverlangt (geistig + koordinativ). Wenn ich noch eine Matte hinlegen würde, die sie als hochbestärktes Target kennt, hätte sie dann ja die Möglichkeit, selbst zu entscheiden wie sie sich ihre Kekse verdient (wir arbeiten fast immer frei). Ist das die richtige Grundidee (konkret auf diese Situation bezogen?)

Und würde sie sich dann nicht immer bzw. sehr oft für die einfache Variante (Matte) entscheiden?  :P

Titel: Re: Choice - wieviel Wahlfreiheit kann man seinem Pferd geben?
Beitrag von: cinnamon am 01. April 2017, 23:17:40
kommt drauf an - die wippe hat ja einige benefits, die die matte nicht hat: sie fühlt sich gut an, löst ggf. kleine verspannungen, man kann höher klettern, es ist ein neuer, spannender gegenstand. möglicherweise hat man auch nicht die gleichen belohnungsintervalle oder die gleiche belohnungswertigkeit, eben weil die übung anspruchsvoller ist. oder sie ist von der belohnungshistorie her überhaupt mit jackpots verknüpft.
Titel: Re: Choice - wieviel Wahlfreiheit kann man seinem Pferd geben?
Beitrag von: Sanhestar am 02. April 2017, 06:49:55
Könnte mir jemand ein situationsbezogenes Beispiel für die Arbeit mit Pferd geben?  :help:

Falls Du noch nicht tief genug in die Arbeit nach Alexandra eingetaucht bist, wird Dir vermutlich "capturing the saddle" nicht unbedingt etwas sagen.

Das ist die Arbeit mit/am Sattelblock, bei der die Übung irgendwann so aufgebaut wird, dass das Pferd eigenständig zum Bock kommt und sich passend zum aufsteigen platziert.

Ich habe letztes Jahr aus ganz anderen Gründen angefangen, ein Halsseil-Signal zu trainieren.

Die Ausgangsmotivation für das Training war ein Pony, das jedesmal, wenn die Tür zum Laufstall offen war, sich am Menschen vorbei oder unter der noch gespannten oberen E-Litze durch gedrückt hat, weil er im Winter draussen zugefüttert wurde.

Um für ihn klarer zu machen, wann ER raus kann und wann ein anderes Pony dran ist, habe ich ein Halsseil eingeführt, das er umgelegt bekam VOR dem Aufhalftern.

Daraus hat sich relativ schnell entwickelt, dass - weil ich nun mal die Vier habe und jeder drängelt zum Clickern - nur das Pony mit mir mitgeht zum clickern, dass das Halsseil trägt. Macht es für die anderen, die als "Trostpflaster" entweder Heucobs oder Pellets auf den Boden geworfen bekommen, klarer, dass sie sich nicht auch noch am Ausgang platzieren müssen.

Aus dem "Du bist dran" entwickelte sich dann "willst Du dran kommen?" durch Präsentation des Halsseiles. Hatte ein Pony (was selten vorkommt) keine Lust - denn der nächste Schritt ist, dass ich nun warte, bis das Pony nach Präsentation des Halsseiles sich von Futter oder anderer Tätigkeit ab- und zu mir zuwendet und dann den Kopf entsprechend präsentiert, damit ich zuerst Halsseil und dann Halfter anziehen kann - dann habe ich jemand anderen dran genommen.

Das hat sich dann oft so dargestellt, dass das Pony, was sagte "jetzt nicht", bei der nächsten Runde ganz explizit am Ausgang auf mich gewartet hat.

Bzgl. Deiner Frage zur Matte: ja, wenn die Matte hochverstärkt ist (nicht einfacher) ist es möglich, dass, zumindest anfangs, die Matte häufiger gewählt wird. Aber eben nicht immer. Wenn die Pferde ihre Wahlmöglichkeiten verstanden haben, wählen sie durchaus oft eine schwierigere Übung, weil auch die Herausforderung belohnend ist.

Laudine hatte vor ein paar Wochen so einen Tag. Sie war "geladen", ich war einige Tage nicht da und das Wetter war entsprechend für spritziges Temperament.

Hatte einen WWYLM-Zirkel ausgelegt und wollte mit einfachem Pre-WWYLM anfangen. Sie hat mir, obwohl sie das stark anstrengt (extrem tiefer Hallenboden, natürliche Steife, weil wenig gymnastiziert diesen Winter) aber gezeigt, dass sie Trabarbeit auf dem Zirkel machen will und hat hier knapp 15 Minuten wirklich "geackert". Ich habe nur kurze Sequenzen abgefragt und häufig geclickt, aber sie hat immer und immer wieder den Trab angeboten.

Interessant war der eine Moment, wo sie kurz auf der Matte ausruhen durfte und sie von sich aus direkt wieder los ist, raus auf die Kreisbahn.

An anderen Tagen sucht sie die Matte auf als Zeichen, dass es jetzt "genug" ist, z.B. wenn wir eine Zeitlang Seitengänge, Hinterhand herein, usw. gemacht haben.

Das ist sicherlich für ein Vollblut weniger signifikant, für ein Energiesparmodell-Robustpony ist das eine eindeutige Entscheidung PRO-Anstrengung.
Titel: Re: Choice - wieviel Wahlfreiheit kann man seinem Pferd geben?
Beitrag von: ClickerHafi am 02. April 2017, 09:57:39
Ich habe bis hierher nur gelesen und ein bisschen versucht in meinem Kopf zu Sortieren. Das Problem ist, dass ich eigentlich auch so überhaupt kein Englisch kann und den Anfangstext so gar nicht verstehe, außer ein paar Bruchstücken :tuete:

Aber von dem, was ihr so schreibt, finde ich das Thema sehr spannend und ich denke es spricht so ziemlich jeden Clickermenschen an, weil man ja im allgemeinen glaubt, dass man mit dem Clicker seinem Pferd ohnehin schon sehr viel Meinungs-/Wahlfreiheit bietet.

Aber im Grunde ist es bei mir auch so, wie hier teilweise auch schon geschrieben wurde, dass ich bei Momo doch oft 'sage' Du machst das bitte jetzt oder wir lassen es ganz bleiben :shy: Wenn sie zum Beispiel beim kreiseln eben sagt: 'Nein jetzt nicht' dann wird sie halt am Strick genommen und dann 'ergibt' sie sich halt (was für mich jetzt sehr grausig klingt).

Mittlerweile ist es oft so, dass ich sie zu einer bestimmten Übung mitnehme, zum Beispiel Pre-WWYLM. Zwischendurch parkt sie mal und schaut in die Ferne. Dann halte ich ihr immer wieder das HaTa hin, in kürzen Abständen. Wenn sie stupst, frage ich erneut ob es weitergehen kann und eigentlich in allen Fällen können wir das auch, sobald sie das HaTa berührt hat.
Das gleiche mache ich auch, wenn sie grast und ich sie frage ob sie weiter machen möchte. Hebt sie den Kopf, biete ich das HaTa an, berührt sie es nehme ich sie mit, wenn nicht, warte ich noch ein paar Sekunden/Minuten ehe ich erneut frage :juck:

Weil ich immer noch ein bisschen :confused: im Kopf bin, weiß ich nicht, ob mein Beispiel zum Choice Thema gehört :tuete:
Titel: Re: Choice - wieviel Wahlfreiheit kann man seinem Pferd geben?
Beitrag von: Sanhestar am 02. April 2017, 11:24:50
Wie  gesagt, ich habe das Thema auch noch andauernd im Kopf. Und nirgends kann man so gut denken, wie bei einer langen Autobahnfahrt  ;)

So fiel mir dann gestern noch ein weiteres Kriterium für "Choice"-Verhalten ein: es muss sicher sein.

Choice geben ist schön und gut und wichtig. Aber dem Pferd die 100%ige Kontrolle über das Alternativverhalten zu lassen, kann u.U. gefährlich werden. z.B. bei Pferden, die ein entsprechend explosives Alternativverhalten, wie Steigen, Beissen, Bocken, Losreissen bereits im Repertoire haben. Oder alleine schon wegdrängen oder über den Haufen rempeln.

Ich hatte mich mit Mary am Freitag auch darüber noch unterhalten, da am letzten Wochenende bei der Draussen-Arbeit mit Laudine wir ja einen kleineren bis mittleren Extinction burst erlebten zu einem Verhalten von Laudine, das sich im letzten Sommer als nicht ganz 100%ig astreines (nach dem heutigen Standard) Choice-Verhalten (bzw. einem Verhalten, das anzeigt, dass sie sich mit einer Situation nicht mehr wohl fühlt) entwickelt hatte:

Laudine hielt nicht mehr sauber an, liess die innere Schulter fallen, drängte gegen mich. Bei Korrektur wich sie in Seitengänge Richtung Entwässerungsgraben aus.

Ja, es war wichtig, nun endlich durch dieses Verhalten durch zu arbeiten und da wieder auf eine sichere Basis zu kommen. Aber ich fühlte und fühle mich nicht ganz wohl dabei, dass ich ihr nun ein wenig die "Stimme" in diesen Situationen genommen habe, weil sie mit diesem Verhalten keinen Erfolg mehr haben wird = ich dieser "Argumentation" nicht mehr folge.

Möchte ich von ihr aber weiterhin "hören", wann sie sich unwohl fühlt, ohne dass sie mich bedrängt, muss ich mit ihr ein anderes Signal erarbeiten, dass sie mir geben kann, wenn sie unsicher wird, so dass ich ihr Sicherheit geben kann.

Kopfsenken, was ein offensichtliches Verhalten wäre, fällt im Moment aufgrund ihrer Vorgeschichte mit "Gras tauchen" erst mal weg. Die Führhand berühren möchte ich nicht, könnte dann in schnappen oder hapsen enden. Stehen bleiben ist auch so eine Sache. Laudine tut das selten, da bin ich eher negativ vorbelastet durch Xee und Teddy, die "Festfrierer" sind und mir dieses Verhalten ziemlich verleidet haben und Laudine eher die Füsse bewegt, wenn sie Stress hat.

So denke ich im Moment über etwas aus dem Hundetraining mit reaktiven Hunden nach, und zwar Bringsel-Training (Bringsel am Halsband, Hund darf/kann das greifen als akzeptable Übersprungshandlung) und wie man das auf Pferdeverhalten übersetzen könnte......
Titel: Re: Choice - wieviel Wahlfreiheit kann man seinem Pferd geben?
Beitrag von: Ehemaliges Mitglied 1058 am 02. April 2017, 11:52:57
@Sanhestar: danke dass du dir die Zeit für so eine ausführliche Antwort genommen hast  :danke2:
Titel: Re: Choice - wieviel Wahlfreiheit kann man seinem Pferd geben?
Beitrag von: noothe am 02. April 2017, 12:13:18
Vor Jahren gab es mal jemanden in einem Forum, der seinem schnappenden Wallach tatsächlich einen riesigen Schnulli am Halfter befestigt hat :kicher: Und Chance durfte, als sie noch deutlich jünger war, eine Gerte herumtragen.

Heute haben wir ein Dauerhandtarget, also fester und langer Kontakt zu meiner Hand, so wie diese "Pattex-Übung bei den Hunden... Das bietet sie besonders auf dem Paddock zwischen den anderen Pferden an, und ich finde es für uns total gut, denn wenn sie die Nüstern in meine Hand drückt steigt sie nicht.

Steigen, Beißen und Rempeln ist ja genau das was passiert, wenn die Pferde eben keine andere Alternative haben oder kennen. Ich glaube nicht, dass sich ein Pferd freiwillig dafür entscheidet, wenn es einfachere Verhalten zur Auswahl hat, die dieselbe Funktion erfüllen.
Titel: Re: Choice - wieviel Wahlfreiheit kann man seinem Pferd geben?
Beitrag von: cinnamon am 02. April 2017, 12:21:46
hier noch ein video von ken über das no-projekt (c.a. 20 minuten):

https://www.facebook.com/clickertraining/videos/10154329660038861/

Live from ClickerExpo - Ken Ramirez presents “Dr. No: How Teaching an Animal to Say “No” Can Be the Right Prescription.”

darin geht er nochmal auf einige der angesprochenen punkte ein.
Titel: Re: Choice - wieviel Wahlfreiheit kann man seinem Pferd geben?
Beitrag von: cinnamon am 02. April 2017, 12:22:37
Vor Jahren gab es mal jemanden in einem Forum, der seinem schnappenden Wallach tatsächlich einen riesigen Schnulli am Halfter befestigt hat :kicher:

das war die erika - die beiträge müssten noch irgendwo hier rum schwirren.
Titel: Re: Choice - wieviel Wahlfreiheit kann man seinem Pferd geben?
Beitrag von: cinnamon am 02. April 2017, 17:28:52
und noch etwas zur ergänzung: ich glaube nicht, dass es sinvoll ist, dem tier in jeder lebenslage unmengen an alternativen anzubieten. ich kann mir vorstellen, dass das ähnlich wie beim menschen schnell in stress ausartet und man unterm strich eher unzufrieden ist, weil man sich nicht sicher ist, ob man sich  für die bestmögliche option entschieden hat (das natürlich übertrieben formuliert da [die meisten] tiere nicht ganz so abstrakt und reflektiert denken). manchmal tut man sich einfach leichter, wenn es nur zwei sorten ketchup zur auswahl gibt und nicht 20 und manchmal, wenn bei einer sache oder aktivität überhaupt nur eine option besteht.
möglicherweise verliert das tier auch schneller das interesse und beschäftigt sich eher mit mehreren übungen oder gegenständen oberflächlich,  anstatt, dass es in eine sache tiefer eintaucht.
nichtsdestotrotz sollte man im hinterkopf behalten, dem tier immer mal im rahmen seiner möglichketen verschiedene optionen zur verfügung zu stellen und die entscheidungen ins traininsresumee miteinfließen zu lassen.  ich könnte mir zb. vorstellen, dass ein pferd, das lieber das target wählt, als die schwierige übung, vielleicht mit der größe der trainingsschritte überfordert ist. vielleicht bietet auch die belohnung zu wenig anreiz bzw. passt von der wertigeit her nicht zur übung. oder das tier hat körperliche probleme, die komplexere aufgabe auszuführen.
Titel: Re: Choice - wieviel Wahlfreiheit kann man seinem Pferd geben?
Beitrag von: noothe am 02. April 2017, 17:52:57
Das wollte ich auch nochmal dazu sagen (für den Rest fehlen mir immernoch PC-Zeit und Nerven..) - ich denke es geht am Ende einfach darum, einen Mittelweg zwischen "Mein Pferd darf ohne mich nicht mal entscheiden wann es atmet" und "Ich setze mein Pferd in der Prärie raus und guck dann mal, was ihm so einfällt" zu finden.

Genauso wie wir uns im Training immer Mühe geben sollten, machbare und logisch aufeinander aufbauende Kriterien zu finden, um das Training selbst so stressfrei und positiv wie möglich zu gestalten, sollten wir eben auch immer hinterfragen, was das Pferd am Ende dazu sagen würde. Ob es überhaupt Spaß an dieser Art von Aufgaben hat und körperlich dazu in der Lage ist - nicht jeder Mensch kann Profi-Fußballer oder Schlangenmensch werden, oder Orchestermusiker oder Opernsänger, ganz egal wieviel er trainiert.

Aber die Kernfrage für mich bei dem kompletten Thema "Choice" ist tatsächlich: Darf mein Tier wirklich Nein sagen?

Oft ist das Argument ja "es kann ja weg gehen, wenn es nicht will". Aber mal ganz im Ernst - wie oft lässt man das wirklich zu? Sei es durch die Gestaltung der Trainingsumgebung (soll es sich doof mitten auf den Platz stellen?), durch die Auswahl der Verstärker (hochwertige Leckerli können über vieles hinwegtäuschen) oder schlicht und ergreifend dadurch, dass das Pferd gar nicht weiß dass "Weggehen" als Alternative zur Verfügung steht. Weg vom Menschen ist nämlich nix. Kein Sozialkontakt, keine Kekse, nix. Von daher ist die Aussage "Es hat ja die Wahl, es kann ja Gehen" in meinen Augen Augenwischerei und keine ernsthafte Alternative.

Ein schönes Beispiel dazu von einer Giraffe im Zoo, die immer die Nase über das Gitter gehalten hat, und daraufhin von allen Menschen gestreichelt und gefüttert wurde (also hier geht es jetzt um Pfleger und so), die Videos haben wir auf einem Seminar gesehen. Im ersten Schritt wurde trainiert, dass die Giraffe nur noch berührt wird, sobald sie ein Target berührt hat (+ Click & Keks). Ihr dürft raten wie oft sie das Target berührt hat. Richtig - immer. Dann haben sie ein zweites Target trainiert, bei dem es einfach nur C/B gab, ohne Berührung. Und jetzt ratet mal, welches Target die Giraffe berührt hat, wenn beide zur Auswahl standen. 100% Berührungen für das Target OHNE Berührung. Hatte sie im ersten Setup schon eine Wahl? In der Theorie schon. Wann ist ihr bewusst geworden, welche Wahl sie hat? Erst im zweiten.

Und genau darum geht es für mich. Wenn nur eine Option zur Verfügung steht, dann ist die Chance dass das Tier für Ja (zum Verstärker und Sozialkontakt) entscheidet, ziemlich groß. Und Nein wird eigentlich erst dann gesagt, wenn es wirklich vorne und hinten nicht passt - Nein sagen bedeutet nämlich negative Strafe und ist damit keine realistische Option.

Wenn man dem Tier nun aber beibringen kann, dass Nein eine tatsächliche Alternative für gleichwertige Verstärker ist, dann ist es extrem spannend zu beobachten, was passiert. Ganz oft probieren sie es nämlich nur so lange aus, bis sie das Prinzip verstanden haben und dann verschwindet das Nein ganz von alleine. Dazu gibt es halt schlichtweg wenig Forschung bisher - ein Punkt der ganz oben auf der ToDo-Liste von vielen Sprechern auf der ClickerExpo im letzten Jahr war - aber es ist im Kommen.

Und deswegen geht es bei Choice eben nicht darum, 40 unterschiedliche Spielzeuge hinzustellen und dann zu sagen "beschäftige dich mal, mir ist egal womit" oder in einer Stresssituation zu sagen "Nee da musst du jetzt alleine rauskommen, ich helf dir nicht". Weil das ist nicht das worum es geht. Es geht auch nicht um Kontrollverlust oder antiautoritäre Erziehung, denn am Ende bestimmen wir ja doch immer noch, wo wir mit dem Pferd sind und was zur Verfügung steht etc. Aber wir können ihm ein Stück weit tatsächliche Kontrolle über seinen Körper und das Tempo des Trainings geben, die auch in der Praxis existiert und nicht nur in einem theoretischen Konstrukt von "es könnte ja gehen". Das können nicht mal wir Menschen, wie man es ja immer und immer wieder erlebt wenn es um psychischen und physischen Missbrauch geht.

Es geht darum dem Tier in einem Trainingsprozess beizubringen, "wenn du DIESES Verhalten zeigst, dann nehme ich das Ernst und unterbreche was wir tun, um zu hinterfragen, was gerade schief läuft. Oder zumindest schaffe ich uns schnellstmöglich aus der Situation (irgendwie) und überlege dann, was du mir in dem Moment mitgeteilt hast". Die Körpersprache der Pferde lesen zu können, ist das eine. Dem Pferd ein Verhalten beizubringen, von dem es auch WEISS dass es das gezielt zur Kommunikation anwenden kann - und zwar im operanten Handlungsmodus und nicht im reaktiven Stressmodus - macht für das Pferd einen riesengroßen Unterschied aus.
Titel: Re: Choice - wieviel Wahlfreiheit kann man seinem Pferd geben?
Beitrag von: ClickerHafi am 02. April 2017, 20:04:48
Vielen Dank für deine Worte und deine Ausführung :keks: :hug:
Ich denke, ich habe jetzt wirklich verstanden worum es geht. Gerade das Beispiel mit der Giraffe ist sehr verständlich :nick:
Titel: Re: Choice - wieviel Wahlfreiheit kann man seinem Pferd geben?
Beitrag von: Avaris am 02. April 2017, 20:12:43
Ganz viele Kekse für diesen ganz tollen Beitrag Tine!

 :cookiesbig: :cookiesbig: :cookiesbig:
Titel: Re: Choice - wieviel Wahlfreiheit kann man seinem Pferd geben?
Beitrag von: Buschpony am 02. April 2017, 20:54:13
Das hast du ganz toll und klar geschrieben. Vielen Dank, Tine!   :gogo: :jubel: :verneig:

Beste Grüße,
Dörte.
Titel: Re: Choice - wieviel Wahlfreiheit kann man seinem Pferd geben?
Beitrag von: Ehemaliges Mitglied 865 am 06. April 2017, 11:19:40
Ich finde deinen Beitrag auch sehr gut verständlich, vielen Dank dafür  :keks: Ein sehr spannendes Thema, über das ich sicher noch viel nachdenken und mich weiter belesen werde  :nick:
Titel: Re: Choice - wieviel Wahlfreiheit kann man seinem Pferd geben?
Beitrag von: Sanhestar am 07. April 2017, 06:40:56
Ich fange ja an, mehr mit Choice zu spielen.

Heute morgen beim Wachwerden kam mir ein Gedanke dazu:

Wenn ich, basierend auf meinem aktuellen Aufbau beim rausholen eines Ponies, Choice biete, um heraus zu finden, ob ein Pony Lust auf clickern hat = Halsseil, Kopf in's Halfter, frei mitkommen.

Und dann - das fange ich gerade an - nach dem rausholen abwarte, bis Pony sagt "jetzt bin ich soweit" = auf die Matte vor dem Laufstall treten, obwohl Heu direkt daneben liegt.

Wie würde sich das langfristig für's Pony auswirken, wenn ich danach noch klare Unterscheidungen treffe, ob ich im Hof bleiben oder ob ich mit Pony rausgehen will?

Ich persönlich möchte ja auch sehr gerne wissen, wenn ich mich mit jemandem treffe, was man dann gemeinsam tut. Ein "komm doch einfach mal mit" hinterlässt sicherlich bei jedem von uns ein mehr oder weniger intensives Gefühl von "apprehension" = nicht 100% angenehmer Erwartung, was kommt.

Bislang ist es nur die eingeschlagene Richtung: links Richtung Hoftor, rechts Richtung Halle/Platz, die dem Pony eine Idee davon gibt, was ich geplant habe.

Muss ich mal weiter drüber nachdenken.........
Titel: Re: Choice - wieviel Wahlfreiheit kann man seinem Pferd geben?
Beitrag von: noothe am 07. April 2017, 08:24:15
Berichte dann mal :nick:
Titel: Re: Choice - wieviel Wahlfreiheit kann man seinem Pferd geben?
Beitrag von: Ehemaliges Mitglied 865 am 07. April 2017, 16:00:32
Ja das finde ich auch sehr spannend  :nick:
Titel: Re: Choice - wieviel Wahlfreiheit kann man seinem Pferd geben?
Beitrag von: Muriel am 07. April 2017, 16:39:58
zuviel Wahlmöglichkeit ist auch nix :teuf:
Titel: Re: Choice - wieviel Wahlfreiheit kann man seinem Pferd geben?
Beitrag von: Sanhestar am 07. April 2017, 18:07:45
das ist richtig.

Aber wir haben Tage, da ist "raus auf die Strasse" keine gute Wahl für Pony und mich.

Xee zeigt das bereits schön an, wenn sie beim Stehen auf Matte vor Laufstall aus eigenem Antrieb Kopfsenken anbietet, beunruhigt sie was und ich brauche mit ihr garnicht an rausgehen denken.

Die anderen kommunizieren noch nicht so deutlich.
Titel: Re: Choice - wieviel Wahlfreiheit kann man seinem Pferd geben?
Beitrag von: Muriel am 07. April 2017, 18:20:31
sorry meine Antwort bezog sich tatsächlich überhaupt nicht auf Dich, sondern auf die Kreativität unserer Pferde heute nacht ;)   ich weiss, ist ein ernstes Thema :pfeif:
Titel: Re: Choice - wieviel Wahlfreiheit kann man seinem Pferd geben?
Beitrag von: Sanhestar am 07. April 2017, 18:34:38
ups!
Titel: Re: Choice - wieviel Wahlfreiheit kann man seinem Pferd geben?
Beitrag von: Ehemaliges Mitglied 52 am 08. April 2017, 11:20:49
Hi,

Tine, das Beispiel mit den Giraffen finde ich super interessant. Ob die Menschen lernen könnten, Berührungen für Giraffen attraktiver zu gestalten (Bürsten, ev. am Stiel im Fellwechsel...wie ausgeprägt ist der Fellwechsel bei Giraffen ????

Sanhestar, du berichtest das Ergebnis deiner Gedankengänge?

Ich habe vor kurzem ein Hühnermodul 1 (in Vorarlberg) besucht, und da geht es so ziemlich um das glatte Gegenteil von freier Auswahl. Wenn man es richtig macht, bieten die Tiere das gewünschte Verhalten allerdings sehr sicher an (Alternative: ohne Futter wieder zurück in den Käfig).
Einerseits macht Training auch den Tieren m. E. viel mehr Spaß, wenn sie die Regeln kennen und sie möglichst klare Unterstützung kriegen, andererseits >müssen< sie oft für sie total sinnlose Dinge machen, die vermutlich auch oft keinen Spaß machen (oft machen auch sinnlose Sachen offensichtlich Spaß, aber eben nicht immer).

Außerdem arbeite ich wieder etwas öfter mit Kala und Lele gemeinsam. Wir haben dabei immer noch das Eifersuchtsproblem, das ich in keiner der vorigen Pferdekonstellationen annähernd so hatte (geht hauptsächlich von Lele aus). Manchmal setzt sich auch eine der beiden ab und geht grasen. Üblicherweise nur kurz, und dann ist sie wieder da (Futterbelohnung nach Click: Wiesencobs, Hafer, Hanfsamen). Speziell Lele nimmt öfter nur einen Happen Gras und kommt dann wieder angelaufen. Kala frißt manchmal anfangs etwas länger, bleibt dann aber voll bei der Sache. (Und wenn ich ausreichend häufig clickere und die beiden gut genug beobachte und notfalls rasch umleite, kann ich mittlerweile die meisten Attacken aufeinander vermeiden). Spannend für mich zu beobachten, daß das Gras zwar attraktiv, aber nicht attraktiv genug ist, um sie vom Training abzuhalten. Ach ja, sie leben mit nur stundenweiser Wiese (und derzeit noch gar keiner Wiese).

Viele Grüße

Carola
Titel: Re: Choice - wieviel Wahlfreiheit kann man seinem Pferd geben?
Beitrag von: classic am 08. April 2017, 16:34:56
Ich könnte mir vorstellen, dass viele Wahlmöglichkeiten eher für trainingserfahrene Tiere relevant sind. Junghennen am Chicken Camp profitieren da schon von linearen Abläufen ohne Schnörkel und Abzweigungen.
Für mich steht gezieltes arbeiten mit Choice auf einer Stufe mit Concept Training, da braucht es ein erfahrenes Team. (Bezogen jetzt auf Wahlmöglichkeit in einer Trainingseinheit. Sachen wie "Möchtest du eine Decke anziehen, oder lieber nicht?" sind ja wieder was anderes.)
Titel: Re: Choice - wieviel Wahlfreiheit kann man seinem Pferd geben?
Beitrag von: Sanhestar am 09. April 2017, 05:34:54
Ich könnte mir vorstellen, dass viele Wahlmöglichkeiten eher für trainingserfahrene Tiere relevant sind. Junghennen am Chicken Camp profitieren da schon von linearen Abläufen ohne Schnörkel und Abzweigungen.
Für mich steht gezieltes arbeiten mit Choice auf einer Stufe mit Concept Training, da braucht es ein erfahrenes Team. (Bezogen jetzt auf Wahlmöglichkeit in einer Trainingseinheit. Sachen wie "Möchtest du eine Decke anziehen, oder lieber nicht?" sind ja wieder was anderes.)

Im Moment gehen meine Gedankengänge erstmal in Richtung von mehr Konsistenz im Training: dass ICH bessere Signale gebe, die meine Intention klarer machen, was ICH vom Pony möchte.

D.h. für mich z.B. nicht innerhalb von Momenten umentscheiden ob Spaziergang draussen oder Hallen-/Platztraining oder Reiten oder Fahren ohne vorherige Änderungen im Ablauf.

Wie ich das aufbaue, damit es praxistauglich bleibt, ist ein Anfang. Was sich draus entwickelt, bleibt abzuwarten.

Ich habe ja schon ein paar solche Signale/typische Abläufe eintrainiert:

- Capturing the saddle gehört schon fest in's Repertoire als Abfrage reiten oder nicht
- Vorabfrage - das habe ich mit Teddy angefangen - ist ein Targeting neben dem Sattel zum putzen

- an einer Variation vom capturing the saddle zum Fahren/Einspannen arbeite ich noch = Pony stellt sich freiwillig in die Schere/vor den SaddleChariot

Idealerweise würde ich die Unterscheidung jetzt mit Zäumung weiter verfeinern aber alle meine Ponies bevorzugen massiv ihre Halfter anstelle jeder Zäumung, die ich bislang (wieder) angeboten habe.

Sprich: gewohnte Abläufe entwickeln, um Pony mehr Sicherheit zu geben, weil es "weiß", was nun kommt: Halle/Platz, raus, Reiten, Fahren, Spiele, Langzügel, usw. - und mich hier selbst mehr zu organisieren für mehr Klarheit im Training.

Hat anfänglich eher weniger mit Choice zu tun, kann sich aber dahin entwickeln, finde ich.......
Titel: Re: Choice - wieviel Wahlfreiheit kann man seinem Pferd geben?
Beitrag von: Ehemaliges Mitglied 1058 am 09. April 2017, 09:25:56
Genau das waren auch meine Gedanken dazu in letzter Zeit. Ich weiß nur noch nicht, welche Indikatoren ich für welches Vorhaben nutzen möchte. Bis jetzt weiß Minette z.Bsp. nur, dass ich gerne ins Gelände möchte, wenn sie Hufschuhe angezogen bekommt. Aber das erscheint mir ziemlich unpraktisch (anziehen ist umständlich und bei einem Nein müsste man sie halt wieder ausziehen). Ich muss mir da mal was praktischeres überlegen.
Titel: Re: Choice - wieviel Wahlfreiheit kann man seinem Pferd geben?
Beitrag von: Sanhestar am 09. April 2017, 12:30:56
Hierzu würde mir spontan einfallen, dass Du vor dem anziehen der Schuhe einen Zwischenschritt einbaust, z.B. alle Hufschuhe neben eine Matte legen/stellen und Pony geht erst zur Matte, dann werden Schuhe angezogen. Ggfs. kannst Du später die Matte ausschleichen und die Schuhe als "Bodentarget" nehmen.

So könnte Pony "nein" anzeigen, indem es nicht zu den Schuhen kommt.
Titel: Re: Choice - wieviel Wahlfreiheit kann man seinem Pferd geben?
Beitrag von: Sanhestar am 13. April 2017, 08:40:39
gestern ein paar interessante Beobachtungen zum Thema Choice (leider hatte sich die Kamera schon abgeschaltet):

Pre-WWYLM und andere Spiele mit Finn auf dem Aussenplatz.

Finn's bevorzugtes Alternativverhalten, sofern möglich, ist apportieren. Stehen also irgendwo Pylone rum oder andere Dinge, die man in's Maul nehmen und hochheben kann, ist das SEIN Ding. Ich habe letztes Jahr auch angefangen, apportieren gezielt als sekundären Verstärker einzuführen.

Im Zuge des Pre-WWYLM durfte Finn schon ein paarmal Pylone apportieren. Das war nun zu Ende (das Pre-WWYLM) und ich wollte den Equizaum für ihn als Signal für Langzügelarbeit einführen.

Erster Schritt war das simple Berühren des Equizaums, während er auf der Matte in der Mitte des Pylonenzirkels steht. Noch hat er das Halfter an und ich halte den Strick lose in der Hand.

Präsentiere Equizaum, Finn touched und bekommt C&T. Macht das zuverlässig.

Nehme das Halfter ab, präsentiere erneut den Equizaum. Finn schaut sich Zaum an, schaut sich die Pylone an und geht Pylone apportieren  :cheese:

Er hat das gewünschte Verhalten "targeting des Equizaumes" ausgeführt, solange er durch die Begrenzungen von Halfter und Strick keine andere Wahlmöglichkeit hatte. Denn er ist im Höflichkeitstraining schon so weit fortgeschritten dass wegziehen, einfach so loslaufen, am Halfter keine Option mehr ist.

Seine Entscheidung, welches Verhalten er bevorzugen würde, sobald er frei war, war dann sehr eindeutig.
Titel: Re: Choice - wieviel Wahlfreiheit kann man seinem Pferd geben?
Beitrag von: Ehemaliges Mitglied 1058 am 19. April 2017, 20:23:59
Zitat
So könnte Pony "nein" anzeigen, indem es nicht zu den Schuhen kommt.

Eine gute Idee, danke für den Tipp. Derzeit gehen wir nicht so häufig ins Gelände, weswegen es nicht so viele Möglichkeiten gibt, das einzuführen. Aber beim Arbeiten auf dem Platz und bzgl der Frage, was wir dort tun, hat Minette inzwischen selbst einen Weg gefunden, um Nein zu sagen. Halte ich den Equizaum in der Hand, pfeife nach ihr und sie kommt (nach eingehender Beobachtung) nicht, ist das ein Nein zum Longieren. Anfangs war ich noch nicht sensitiv genug, um darauf einzugehen, und habe ihn ihr trotzdem angezogen - spätestens dann sagt sie erneut Nein, indem sie nicht mit auf den Longierzirkel möchte.
Zum Longieren sagt sie manchmal Nein (i.d.R. dann, wenn ich es beim Longieren davor nicht geschafft habe, klar zu sein oder häufig genug zu bestärken), zum Spielen bzw. freien Arbeiten (da habe ich nur die Tasche um und nichts in der Hand) hat sie bis jetzt nur einmal Nein gesagt (da gab es gerade Heu und vorher waren wir schon spazieren gewesen).
Titel: Re: Choice - wieviel Wahlfreiheit kann man seinem Pferd geben?
Beitrag von: Sanhestar am 20. April 2017, 06:14:38
Interessant, dass auch Dein Pony zum Equizaum ab und zu Nein sagt. Meine mögen den, sehr zu meiner Enttäuschung, auch nicht sehr...... (s. oben)
Titel: Re: Choice - wieviel Wahlfreiheit kann man seinem Pferd geben?
Beitrag von: Muriel am 20. April 2017, 07:35:08
den Zaum oder das Longieren?
Titel: Re: Choice - wieviel Wahlfreiheit kann man seinem Pferd geben?
Beitrag von: Ehemaliges Mitglied 1058 am 20. April 2017, 11:53:02
Ich beziehe ihr Nein aufs Longieren und nicht auf den Equizaum an sich. Der ist gefühlt das beste, was wir bis jetzt an Kappzäumen hatten. Ich denke vielmehr, dass sie weiß wofür er steht und dazu dann ggf Nein sagt (aus o.g. Gründen vermutlich)  :jaso:
Titel: Re: Choice - wieviel Wahlfreiheit kann man seinem Pferd geben?
Beitrag von: noothe am 27. Juli 2017, 10:29:13
Karolina Westlund Friman hat gerade einen sehr netten Blog-Artikel über Choice geschrieben, sogar mit Pferdevideo  :)

http://illis.se/en/does-your-animal-have-control/
Titel: Re: Choice - wieviel Wahlfreiheit kann man seinem Pferd geben?
Beitrag von: Ehemaliges Mitglied 779 am 27. Juli 2017, 11:02:27
Am 8. September findet bei der PPG ein Webinar zum Thema Choice mit Irith Bloom statt, dass auch für Nicht-Mitglieder geöffnet ist :)

https://petprofessionalguild.com/event-2581545

:)
Titel: Re: Choice - wieviel Wahlfreiheit kann man seinem Pferd geben?
Beitrag von: Honey am 27. Juli 2017, 11:23:33
Karolina Westlund Friman hat gerade einen sehr netten Blog-Artikel über Choice geschrieben, sogar mit Pferdevideo  :)

http://illis.se/en/does-your-animal-have-control/

Das ist aber ein toller und auch sehr sympathisch geschriebener Artikel! Danke für´s Teilen!  :keks:

Titel: Re: Choice - wieviel Wahlfreiheit kann man seinem Pferd geben?
Beitrag von: noothe am 27. Juli 2017, 11:56:12
Karolina ist auch sehr symphatisch  :nick:
Titel: Re: Choice - wieviel Wahlfreiheit kann man seinem Pferd geben?
Beitrag von: Muriel am 27. Juli 2017, 13:28:50
sehr schöner Artikel!!  :keks:  (Film läuft bei mir nur mit dem Firefox, nicht auf Safari. )
Titel: Re: Choice - wieviel Wahlfreiheit kann man seinem Pferd geben?
Beitrag von: noothe am 09. November 2017, 19:26:29
Das Contrafreeloading beschreibt in erster Regel die Beobachtung, dass Tiere (ursprünglich Ratten, aber es wurde inzwischen an vielen Spezies untersucht) sich bei freier Wahl zwischen frei zu Verfügung stehendem Futter (gefüllte Futterschüssel) und Futter für dass sie etwas tun müssen (zb einen Hebel drücken) entgegen der Erwartung für das schwieriger zu erarbeitende Futter entscheiden - außer sie sind kurz vor dem Verhungern.

Evolutionär macht das auch Sinn, denn wer nicht bereit ist ggf. einen beträchtlichen Aufwand in die Nahrungssuche zu stecken, der lebt nicht lange, daher ist quasi "Arbeit für Futter" etwas, wonach jeder Organismus strebt.

Deswegen stehen unsere Pferde zb auch oft an der Heutonne oder den Heunetzen, obwohl es auch zwei Raufen mit Heu zur freien Verfügung gibt.
Titel: Re: Choice - wieviel Wahlfreiheit kann man seinem Pferd geben?
Beitrag von: Ehemaliges Mitglied 1065 am 11. November 2017, 07:01:59
danke
Titel: Re: Choice - wieviel Wahlfreiheit kann man seinem Pferd geben?
Beitrag von: Susi am 12. November 2017, 10:55:22
Das Thema finde ich auch mega spannend!
Bisher habe ich einfach nur mitgelesen, mir still meine Gedanken dazu gemacht und reflektiert was bei uns im Training so abläuft.
Ich hätte sehr gerne ein klares Signal, ob er überhaupt mit mir etwas arbeiten möchte, bzw. wäre es natürlich sehr cool, wenn er mir auch mitteilen könnte was er machen möchte.

Zu dem Thema ob er was machen möchte sieht das aktuell so aus:
Ponymann stellt sich häufig am Reitplatzeingang auf (Reitplatz liegt quasi mitten auf dem Paddock) während ich am Aufbauen bin (z.B. Pylonenzirkel fürs WWYLM). Eindeutiger kann er eigentlich nicht sagen, dass er was machen möchte finde ich.

Natürlich ist das nicht immer so, wenn er nicht am Eingang wartet stelle ich mich dort hin und rufe ihn.
Kommt er dann trotzdem nicht, gehe ich näher zu ihm hin, streiche vielleicht über dir Kruppe und rufe ihn nochmal, dann kommt er eigentlich immer mit. Dazu muss man sagen, er hat 24 Stunden Heu und nutzt das auch konsequent aus, steht also quasi immer am Heu. Halfter überziehen und ihn somit zum mitkommen zwingen tue ich nicht.

Wenn ich jetzt so darüber nachdenke habe ich doch eigentlich seine Meinung nicht respektiert und darauf "bestanden", dass er mitkommt wenn ich direkt zu ihm hingegangen bin und ihn nochmal gefragt habe. Quasi ob er sich wirklich ganz sicher ist nicht mitkommen zu wollen, statt ihn an solchen Tagen einfach in Ruhe zu lassen. :rotw:

Also wäre sein Signal für mich dafür, dass er etwas machen möchte, dass er am Reitplatzeingang wartet, oder??

Oder ist es okay ihn zu rufen und dann zu schauen, ob er kommen möchte, aber dann ist es ja irgendwie nichtmehr 100%ig seine eigene Entscheidung, oder??
Sollte ich mir etwas anderes einfallen lassen?

Ich weiß viele Fragen und es ist mir nicht leicht gefallen meine Gedanken in die richtigen Worte zu fassen aber ich hoffe ihr könnt verstehen was ich meine :confused:
Und ich hoffe das sind jetzt keine all zu blöden Fragen :tuete:


Titel: Re: Choice - wieviel Wahlfreiheit kann man seinem Pferd geben?
Beitrag von: Sanhestar am 12. November 2017, 11:50:42
hmm - manchmal können sie auch einfach nicht kommen. Es steht ein ranghöheres Pferd so, dass das eigene Pferd nicht vorbeikommt oder es fehlt eben noch der letzte Bissen zum satt sein.

Ich frage da auch durchaus mal an, wenn eines von meinen noch frisst - ich verwende hierzu einen Seil-Halsring als Signal "Du bist dran, kein Anderer!" u.a. auch deswegen, weil ich nicht immer am Eingang von einem arbeitswütigen Pony gemobbt werden möchte.

So, hat also Pony Nase im Futter und kommt auf das Zeigen vom Halsseil vom Futter weg, dann ist es willens, was zu machen. Geht der Kopf sofort wieder runter oder kommt garnicht hoch, dann lasse ich Pony in Ruhe und frage ggfs. später nochmal nach.
Titel: Re: Choice - wieviel Wahlfreiheit kann man seinem Pferd geben?
Beitrag von: Susi am 12. November 2017, 19:36:20
Stimmt, vielleicht kann er auch manchmal nicht, daran habe ich auch noch nicht wirklich gedacht. Also zumindest nicht an solche Dinge wie du es jetzt geschrieben hast, sondern eher an Dinge die ihn alleine betreffen oder Fehler die ich vlt gemacht habe.

Einen Ausrüstungsgegenstand einfach zu präsentieren ist wirklich eine nette Variante, das werde ich auch ausprobieren, Dankeschön!   :cookiesbig:
 
Titel: Re: Choice - wieviel Wahlfreiheit kann man seinem Pferd geben?
Beitrag von: Ehemaliges Mitglied 1034 am 26. Oktober 2018, 22:24:16
Mir kam heute in den Sinn Theo wählen zu lassen zwischen reiten und Bodenarbeit .
Ich möchte dies allerdings nicht mittels Sattel oder Aufstiegshilfe trainieren , da ich manchmal auch ohne Sattel reite oder nicht immer eine Aufstiegshilfe zur Verfügung habe .
Meine Profane Idee war es , 2 Targets einzuführen .
Genauer hab ich mir noch keine Gedanken gemacht , es sollte aber etwas möglichst unkompliziertes sein . Vielleicht einmal Faust , einmal Flache Hand ? Oder 2 kleinere Gegenstände ?
Ich dachte ich lasse ihn zu Anfang immer vor dem Satteln das ,,reit - Target „ berühren und vor dem Gang zum Platz oder Spaziergang , das ,,bodenarbeitstarget“. Nach einiger Zeit würde ich ihm probeweise mal beide Targets zur Auswahl stellen und je nachdem  welches er wählt dann das reit oder Bodenarbeitsprogramm absolvieren .
Falls es mal Tage gibt , an denen er aus welchen Gründen auch immer nicht wählen kann/ soll , würde ich ihm nur das entsprechende Target anbieten .
Mir ist es wichtig , das ganze Alltagstauglich zu gestalten .

Haltet ihr meine Vorgehensweise für zielführend oder denk ich zu einfach ?
Titel: Re: Choice - wieviel Wahlfreiheit kann man seinem Pferd geben?
Beitrag von: noothe am 26. Oktober 2018, 23:08:42
Eine gute Freundin hat das mit ihrem Hund trainiert mit drei Bodentargets, also mehr oder weniger dein Aufbau. Der hatte die Wahl zwischen Tricktraining, Spazieren und Frisbee und hat dann später tatsächlich auch sehr gezielt zwischen anstrengenden und ruhigen Sachen abgewechselt.

Ich würde vermutlich nicht die Hand als Target nutzen sondern was vom Körper entkoppeltes, also verschiedene Matten oder Targets am Zaun zb.
Titel: Re: Choice - wieviel Wahlfreiheit kann man seinem Pferd geben?
Beitrag von: Ehemaliges Mitglied 1034 am 26. Oktober 2018, 23:33:32
Matten wären mir etwas zu umständlich zum transportieren . Je nach Lichtverhältnissen starte ich entweder unten an der Koppel oder oben am Stall . Aber wären Haushaltsgegenstände eine Alternative ? Z.b ne leere zewarolle und ein eimerchen oder so ?
Ich möchte möglichst ortsunabhängig arbeiten können .
Titel: Re: Choice - wieviel Wahlfreiheit kann man seinem Pferd geben?
Beitrag von: Monika am 26. Oktober 2018, 23:45:37
Mal doch die zewarollen in unterschiedlichen Farben an. Und Frisbeescheiben gibts auch günstig in verschiedenen Farben
Titel: Re: Choice - wieviel Wahlfreiheit kann man seinem Pferd geben?
Beitrag von: noothe am 26. Oktober 2018, 23:54:46
Wenn das Pferd noch keine Farbunterscheidung kennt, würde ich vermutlich am ehesten mit zwei unterschiedlichen Gegenständen arbeiten, um es einfach zu machen.
Titel: Re: Choice - wieviel Wahlfreiheit kann man seinem Pferd geben?
Beitrag von: Sanhestar am 27. Oktober 2018, 06:56:49
Ich hatte mir Eimerdeckel besorgt und da mit Isolierband/Duct-Tape unterschiedliche geometrische Figuren (Quadrat, Strich, Dreieck, Plus) drauf geklebt.
Titel: Re: Choice - wieviel Wahlfreiheit kann man seinem Pferd geben?
Beitrag von: Romy am 03. Januar 2019, 23:17:17
Ich hab eine wahrscheinlich eher laienhafte Frage zum Thema Choice. Laienhaft deshalb, weil ich mich damit noch nie auf eine systematische Weise beschäftigt habe. Nachgedacht hab ich natürlich viel, aber ich hab nie versucht, das in eine Methode oder ein Vorgehensmodell zu übersetzen.

Hier der Ausgangspunkt meiner Frage: Mich hat schon immer gewundert, dass so viele Menschen gern konkrete Signale etablieren, um sicherzustellen, dass ihr Pferd eine Wahl hat. Ich hab mich immer gefragt was so ein Signal mir in Bezug auf meine Interaktion mit meinen Pferden an zusätzlicher Information geben würde - einfach weil ich das Gefühl habe, dass die Pferde ohnehin total deutlich darin sind, was sie machen wollen.

Wenn ich einen Vorschlag mache und das Pferd findet das toll, dann macht es voller Enthusiasmus mit.
Wenn ich einen Vorschlag mache und das Pferd findet das so lala, dann macht es nur halbmotiviert mit.
Wenn ich einen Vorschlag mache und das Pferd hat eine bessere Idee, dann bietet es anstatt dessen diese bessere Idee an.
Wenn mein Pferd eine Idee anbietet und ich finde die toll, dann mache ich voll mit und belohne total enthusiastisch.
Wenn mein Pferd eine Idee anbietet und ich finde die so lala, dann mache ich nur halbmotiviert mit und belohne nur halbmotiviert.
Wenn mein Pferd eine Idee anbietet und ich finde die nicht gut, dann belohne ich so wie "danke, dass du es probiert hast, aber das interessiert mich gerade eher weniger" und gehe ein paar Schritte weg, so dass das Pferd mit einer neuen Idee auf mich zukommen kann.

...allerdings ist das alles ziemlich überspitzt, erstens weil es dutzende Graustufen dazwischen gibt und zweitens weil wir eigentlich ja meist schon vor einem expliziten Angebot sehen ob der andere interessiert ist und worauf er Lust hat und deswegen keine Angebote machen müssen, die ins Leere laufen. Anstatt dessen können wir auf Basis dieses Mikro-Feedbacks Ideen entwickeln, die zur aktuellen Stimmung des anderen passen.

In diesem Zusammenhang stellt sich mir die Frage, ob mir ein Choice-Signal einen Mehrwert oder eine zusätzliche Info bringen würde und wenn ja, welche. Weiterhin frage ich mich, ob der Nutzen von Choice-Signalen in direktem Zusammenhang mit dem Wunsch nach Stimuluskontrolle steht. Findet (oder fändet) ihr explizite Choice-Signale genauso hilfreich, wenn euer Pferd Pferd im Training ohnehin genau so wie ihr Vorschläge macht (oder machen würde)? Oder anders gefragt: Variiert der Wert eines Choice-Signals aus eurer Sicht damit, wie symmetrisch oder asymmetrisch die Initiative verteilt ist?

Falls nicht und es aus eurer Sicht auch bei einer komplett symmetrischen Jeder-macht-Vorschläge-Interaktion hilfreich wäre, explizite Choice-Signale zu verwenden: Was genau wären aus eurer Sicht Situationen in denen das hilfreich wäre und was ist aus eurer Sicht der Mehrwert, den ihr daraus ziehen würdet?
Titel: Re: Choice - wieviel Wahlfreiheit kann man seinem Pferd geben?
Beitrag von: noothe am 04. Januar 2019, 00:01:33
Also für mich sind konkrete "etablierte" Signale in jedem Kontext relevant, in dem es um unangenehme oder restriktive Handlungen geht. Thema Kooperationssignal, Initiatorsignal, Startsignal... Wenn ich also ein bestimmtes (notwendiges) Ziel habe, wie z.B. eine Spritze oder Einsprühen oder Wundversorgung etc. und ein gewisses Maß an Kooperation in definierter Form wichtig ist, um Pferd und Menschen nicht zu schädigen - da möchte ich dem Pferd gezielt die Signalkontrolle über die Situation geben. D.h. ich stelle das Setting und vermittele dem Pferd, worum es geht, aber es passiert nichts ohne dass das Pferd entscheidet wann. Dabei kann man auch in diesem Rahmen vollkommen flexibel bleiben, aber es ist doch mehr vorgegeben als z.B. bei einer freien Einheit auf dem Platz oder einem Spaziergang o.ä. Deswegen sind mir hier klar definierte Signale sehr wichtig, damit auch das Pferd ganz sicher sein kann und nicht herumprobieren muss.

Ich hatte letztes Jahr mal das Einsprühen trainiert und da mit einem eher irrelevanten aber dafür sehr deutlichen Startsignal gearbeitet, damit jegliche Verwechselungen ausgeschlossen sind.

Beispiel: Einsprühen - Pferd zeigt ein bestimmtes Verhalten (gehen in die vom Futtertrog entfernte Ecke), dafür wird gesprüht, geclickt, gefüttert.

https://youtu.be/8lAkXgQdRew

Das was du beschreibst fällt für mich eher unter den Begriff "mands" also Vorschläge/Aufforderung wie zb. Blick in einen Futtereimer, hingehen zum Ball / Tor, Kratzen an einer bestimmten Stelle usw. - also jegliche Interaktion bei der es um die Äußerung von Wünschen und Bedürfnissen geht, auf die man komplett flexibel eingehen kann, je nach Lust und Laune. Genauso Vorschläge/Angebote von Menschenseite, wie der Sattel, ein Spielzeug, Futter, Wasser, Kraulen etc. In diesem ganzen Setting sind mir konkrete Signale eher egal, Hauptsache man versteht sich.

Beispiel: Pferd stellt sich, während der Mensch mit dem Schlauch den Wasserbottich auffüllt, demonstrativ daneben und richtet extra einen bestimmten Körperteil in den Wasserstrahl.

Und dann gibt es natürlich noch die ganze Wahlfreiheit im Alltag, also alle Möglichkeiten die das Pferd ohne Signale an den Menschen hat, seine Bedürfnisse zu erfüllen.

Beispiel: Wassersprenger läuft auf dem Weg neben dem Paddock, Pferd stellt sich so hin, dass es geregnet wird.

Das sind für mich alles Komponenten von Choice oder Wahlfreiheit die alle darauf abzielen, die Selbstwirksamkeit, also die Kontrolle über die Folgen des eigenen Verhaltens, möglichst zu maximieren.
Titel: Re: Choice - wieviel Wahlfreiheit kann man seinem Pferd geben?
Beitrag von: Romy am 04. Januar 2019, 01:24:16
Danke für deine Antwort, Tine, das ist super interessant und hilfreich. :)
Titel: Re: Choice - wieviel Wahlfreiheit kann man seinem Pferd geben?
Beitrag von: noothe am 04. Januar 2019, 01:53:05
Ich bin gespannt welche Gedanken dir noch zum Thema einfallen, bei euch haben die Pferde ja schon eine sehr große Portion Mitspracherecht.

Was genau wären aus eurer Sicht Situationen in denen das hilfreich wäre und was ist aus eurer Sicht der Mehrwert, den ihr daraus ziehen würdet?

Ein Gedankenanstoß noch dazu, da du in deinem Beitrag viel darüber grübelst, was du tust und wie du reagierst und welchen Mehrwert es für dich haben könnte - ich denke (genauso wie bei der Signalkontrolle übrigens) ist die viel wichtigere Frage "Was hat das Pferd davon?"
Titel: Re: Choice - wieviel Wahlfreiheit kann man seinem Pferd geben?
Beitrag von: Romy am 04. Januar 2019, 02:47:26
Ich bin gespannt welche Gedanken dir noch zum Thema einfallen, bei euch haben die Pferde ja schon eine sehr große Portion Mitspracherecht.

Ja, da denke ich gern weiter drüber nach - nur nicht mehr heute, irgendwie ist es mal wieder später geworden als geplant. Besonders spannend fand ich aber deinen Punkt mit den restriktiven Situationen und da werde ich in den nächsten Tagen mal überlegen wie das bei uns ist und wie wir das ohne explizite Signale handhaben.

Dass die Pferde Mitspracherecht haben klingt für mich ein bisschen ungewohnt, wahrscheinlich weil ich schon so lange nicht mehr mit Pferdeleuten zu tun hatte sondern nur noch mit den Koppelkindern. Da ist es eher so, dass die Pferde Personen wie jeder andere sind. Klar kann man überlegen wie viele Rechte sie haben, oder wie viele Rechte ich habe oder wie viele Rechte unsere Nachbarn oder Freunde haben, wenn sie zu Besuch kommen. Das macht auch durchaus Sinn. Nur ist es kein Denkrahmen, der mir spontan einfallen würde, wenn wir gemeinsam Zeit verbringen.

Ein Gedankenanstoß noch dazu, da du in deinem Beitrag viel darüber grübelst, was du tust und wie du reagierst und welchen Mehrwert es für dich haben könnte - ich denke (genauso wie bei der Signalkontrolle übrigens) ist die viel wichtigere Frage "Was hat das Pferd davon?"

Ups, da hab ich mich unklar ausgedrückt, mir war gar nicht aufgefallen, dass man das als ein "entweder/oder" verstehen kann. Da ich keine richtigen Trainingsziele habe sondern das einzige mir wirklich wichtige Ziel ist, einen Rahmen zu schaffen in dem die Pferde tun können was sie wollen, ergibt sich der Mehrwert für mich im Wesentlichen daraus, dass die Pferde einen Mehrwert haben. Also im Prinzip ganz egoistisch, aber dennoch oder gerade deswegen mit der Frage "Was hat das Pferd davon?" als Leitlinie. :)
Titel: Re: Choice - wieviel Wahlfreiheit kann man seinem Pferd geben?
Beitrag von: noothe am 04. Januar 2019, 09:34:22
Ich glaub den meisten fällt es tatsächlich noch schwer, das aus dieser Perspektive zu sehen, deswegen wollte ich es nochmal bewusst machen (auch für die, die später mitlesen)  :)
Titel: Re: Choice - wieviel Wahlfreiheit kann man seinem Pferd geben?
Beitrag von: Ehemaliges Mitglied 1237 am 09. Februar 2020, 23:07:39
Wenn man dem Tier nun aber beibringen kann, dass Nein eine tatsächliche Alternative für gleichwertige Verstärker ist, dann ist es extrem spannend zu beobachten, was passiert. Ganz oft probieren sie es nämlich nur so lange aus, bis sie das Prinzip verstanden haben und dann verschwindet das Nein ganz von alleine. Dazu gibt es halt schlichtweg wenig Forschung bisher - ein Punkt der ganz oben auf der ToDo-Liste von vielen Sprechern auf der ClickerExpo im letzten Jahr war - aber es ist im Kommen.

Ich bin eine die später mitliest  :cheese:
Super Texte sind hier entstanden :)
Nur leider versteh ich diesen Teil hier nicht Tine. Kannst du mir das noch erklären bitte?  :keks:
Titel: Re: Choice - wieviel Wahlfreiheit kann man seinem Pferd geben?
Beitrag von: noothe am 09. Februar 2020, 23:14:06
Was genau verstehst du nicht?  :) Ich erkläre sehr gern nochmal, müsste den kompletten Zusammenhang des Threads aber sonst auch nochmal nachlesen :tuete:

Im Grunde geht es einfach darum, dass jemand der weiß, dass er Nein sagen KANN nicht mehr Nein zu sagen BRAUCHT, weil das veränderte Gefühl der Kontrolle über die Situation die Emotionen in der Situation verändert.
Titel: Re: Choice - wieviel Wahlfreiheit kann man seinem Pferd geben?
Beitrag von: Ehemaliges Mitglied 1237 am 09. Februar 2020, 23:28:17
Danke für deine Anwort Tine :) Mit dem Thread Stop Signal wurde mir das auch klarer.
So richtig vorstellen kann ich mir das aber noch nicht. Wenn meine RB zB weiß dass sie nein sagen kann zu einer Übung und machen darf was sie gerade möchte, warum sollte sie dann nicht immer wieder nein sagen?
Titel: Re: Choice - wieviel Wahlfreiheit kann man seinem Pferd geben?
Beitrag von: noothe am 09. Februar 2020, 23:52:34
Gegenfrage: Warum sollte "machen was sie möchte" nicht auch das sein, was du grade trainieren willst :grinwech:

Ich glaub der Denkfehler ist immer noch, dass die Tiere grundsätzlich "alles andere" der Mitarbeit mit dem Menschen vorziehen. Doch das ist nicht so. Lebewesen sind dafür geboren, mit ihrem Verhalten die Umgebung zu beeinflussen. Und dabei auch durchaus lange unangenehme Phasen durchzuhalten - siehe stundenlange Nahrungssuche etc. (Stichworte Contra-Freeloading, SEEKING-Circuit). Und dann haben wir im Clickertraining auch noch extrem hochwertige Verstärker, so im Verhältnis zum "langweiligen ereignislosen Alltag auf der Wiese".

Also ist ganz grundlegend jegliche Interaktion per se mal lohnenswert und erstrebenswert und bis zu einem bestimmten Punkt auch stresstolerant. Sehr spannend wird es dann, wenn der Stress eigentlich überwiegt und das Tier in die Zwickmühle kommt zwischen:

Bleiben & was blödes ertragen

vs.

Gehen und Interaktionspartner & Verstärker verlieren

Genau dieser Zwiespalt löst dann so Sachen aus wie mit Mulis Losreißen neulich.

Wenn nun aber die Wahlmöglichkeit ein wenig verändert zwischen:

Bleiben & was Blödes auf niedriger Stärke ertragen

vs.

Übung stoppen & gemeinsam was anderes machen

dann minimiert sich der emotionale Zwiespalt auf ein Minimum und es sind mehr oder weniger die emotionalen Ressourcen da zu sagen "Ja guuut, ein bisschen unangenehm ist es ja schon, aber wir könnten ja eh jederzeit was anderes machen, also schaff ich das schon noch" (so mal in sehr vermenschlicht umschrieben).

Und nach einer Weile verändert sich die Emotion zur unangenehmen Sache und plötzlich ist es nur noch die Wahl zwischen "hey nice" und "geile Sache"  :cheese:

Zusätzlich kann man sich folgendes Vorstellen: Man macht was Unangenehmes (Bsp. Pieksen), das Tier sagt "nee lass mal, Handtarget ist besser", Handtarget, Click, Futter. Nach ein paar Wiederholungen kündigt das Pieksen das Handtarget an, was wiederum den Click ankündigt, der das Futter ankündigt.

Was wissen wir über Signale für Verhalten, die mit positiver Verstärkung trainiert wurden? Richtig, sie Verstärken das Verhalten davor :cheese: Und Schwups wird das Pieksen lassen indirekt über das "Nein" des Pferdes (Handtarget) verstärkt.

Aus trainingstechnischer Sicht ist das Nein also nur ein zwischengeschalteter Schritt zwischen Wunschverhalten und Verstärker und darf aus diesem Grund sehr gerne hochwertig verstärkt werden  ;)

Macht es das so klarer?

Edit: wirre Groß- und Kleinschreibung geht auf Uhrzeit und Handytastatur, ich bitte um Verzeihung :shy:
Titel: Re: Choice - wieviel Wahlfreiheit kann man seinem Pferd geben?
Beitrag von: Ehemaliges Mitglied 1237 am 10. Februar 2020, 00:18:30
Na so ganz klar ist mir das alles noch nicht  :lol:
So richtig nein (Kopf schütteln)  macht sie grad nur aufn Platz und wenn ich sie beim Paddock hinten raus führe (wegen Gras). Da findet sie grade alles doof, weil sie sich ständig wälzen will und graben will. Sonst mach ich ja auch viel auf dem Paddock, wo ich dann sowieso das Interessanteste bin  :P und sie in einer stressfreien Umgebung ist. Da hat sie noch nie den Kopf geschüttelt.

In Verbindung mit dem anderen Thread "Stop Signal" würde ich also erst das Kopf senken nach dem Kopf schütteln abfragen. C+B und dann wälzen lassen? Aber woher weiß ich dann dass sie das dann irgendwann als NEIN verwendet und nicht als alternatives Verhalten, weil einfacher? Das macht sie ja jetzt schon als Bettelverhalten :juck:  Also müsste ich ihr ja ein Signal beibringen was sie noch gar nicht kennt.  :confused: ahhhh ich bin verwirrt.
Titel: Re: Choice - wieviel Wahlfreiheit kann man seinem Pferd geben?
Beitrag von: Sanhestar am 10. Februar 2020, 06:08:23
da Du Dich mit Leuten aus Amerika unterhälst, gehe ich davon aus, dass Du recht gut Englisch verstehst/schreiben kannst.

Deswegen wären für Dich folgende Quellen interessant:

- Ken Ramirez - Dr. No: Vortrag auf einer ClickerExpo zum Thema "Nein" - kann über die Karen Pryor Akademie als video on demand gekauft werden

- Choice & Control Vorträge von Eva Bertilsson und Emelie Johnson Vegh von Carpe Momentum, Schweden - bieten Kurse und Vorlesungen an, die entweder über die Karen Pryor Akademie oder die Tromplo online Akademie (Polen) - alles in Englisch - bezogen werden können. Von Eva & Emelie sind die Start Button Kurse auch sehr, sehr nützlich.

Die Webseite "Animals in Control" liefert auch noch einiges

http://animalsincontrol.com/

tromplo.com - dann nach Eva&Emelie bei den Instruktoren suchen

https://video.clickertraining.com/programs/dr-no-how-teaching-an-animal-to-say-no-can-be-the-right-prescription

Titel: Re: Choice - wieviel Wahlfreiheit kann man seinem Pferd geben?
Beitrag von: noothe am 10. Februar 2020, 11:20:50
Kopfsenken, Graben und Wälzen können in eurem Fall eher nach Übersprungsverhalten, also nach Anzeichen für Stress  :) Die Eskalationsleiter der Krümeline sieht ungefähr genauso aus. Plus dann eben Losreißen :nick:

In der beschriebenen Situation würde ich persönlich also vermutlich beim kleinsten Anzeichen für Kopfschütteln ("Nein, Das ist mir grad zu viel") irgendwas mega simples Abfragen ("guck, Handtarget geht doch immer") und dann direkt umdrehen und auf zügigem Weg wieder dahin zurück, wo die Stimmung noch entspannt sein kann.

Damit das Pferd in erster Linie mal lernt, dass es seine Gefühle kommunizieren kann, wenn es beginnt sich unwohl zu fühlen, und dass der Mensch dann auch aktiv helfen kann, diese Situation zu beenden.
Titel: Re: Choice - wieviel Wahlfreiheit kann man seinem Pferd geben?
Beitrag von: Ehemaliges Mitglied 1237 am 14. Februar 2020, 20:13:13
Kopfsenken, Graben und Wälzen können in eurem Fall eher nach Übersprungsverhalten, also nach Anzeichen für Stress  :) Die Eskalationsleiter der Krümeline sieht ungefähr genauso aus. Plus dann eben Losreißen :nick:

Stress ist es nicht. Ich kenn Mulis Mimik und Gestik bei Stress. Die Situation an denen sie Kopf schüttelt sieht so aus: Wir gehen auf den Platz, sie fängt an mit schnüffeln. Ich will mit ihr was machen. Sie schnüffelt die ganze Zeit. Mimik und Gestik aber sehr sehr entspannt. Sie lächelt dabei auch so süss. Dann bitte ich sie mir zuzuhören. Da schüttelt sie dann mit dem Kopf. Ich lass sie dann machen. Sie schnüffelt, gräbt rum und schmeißt sich genüsslich hin. Bleibt sogar liegen. Sie ist in dem Moment wirklich sehr sehr entspannt. Danach hört sie mir meist dann auch wieder zu und wir können was machen. Bis wir wieder an eine Stelle kommen wo sie wieder vermehrt schnüffelt. Wenn ich sie da dann bitte weiterzugehen wird sie etwas garstig. Bleibt stehen, schüttelt ihren Kopf und gibt mir zu verstehen dass sie gerade nicht weiter möchte. Wenn ich sie lasse schnüffelt sie wieder, gräbt und schmeißt sich genüsslich hin. Das gleiche ist auch wenn sie lieber Gras fressen will als weiterzulaufen. Da schüttelt sie ihren Kopf und wenn ich sie lasse dann grast sie. Es ist bei ihr definitv ein: Ich will jetzt was anderes machen und sage Nein zu deiner Idee. Ich hab auch noch nie ein Pferd so viel schnüffeln gesehen. Sie verhält sich da wie ein Hund. Viele Leute mit Mulis meinten auch schon zu mir dass sie eher wie Hunde sind. :kicher: Kopf senken macht sie nur wenn ich eine Pause mache. Vorher hat sie immer wieder Hüfttarget versucht. Das hab ich dann aber ignoriert weil ich das noch nicht unter Signal gesetzt habe und das unser erster Clickerversuch war, was nicht so klug war  :pfeif: Sie langweilt sich total schnell und hat den Platz auch schon als "Wälzparadies" abgespeichert. Sie möchte nämlich IMMER wenn ich sie reinhole auf den Platz zum wälzen :kicher:

Vielleicht deute ich das alles auch total falsch. Als sie sich letztes Mal losgerissen hat, hat sie ja auch vorher mit dem Kopf geschüttelt als ich zu ihr meinte dass wir jetzt nicht zu den anderen gehen können. Da ich ihrer Bitte nicht nachkam, ging sie. Auch da hab ich alles mögliche mit Kopf senken und Handtarget versucht. Ging alles nicht. Ich deute das Kopf schütteln schon eher als ein Nein und nicht als Stress. Obwohl das ja sehr beinander liegt. Wenn sie etwas nicht machen kann was sie möchte stresst sie das natürlich. Aber ich mag den Begriff in dem Zusammenhang nicht. Denn ich kenne Muli wenn sie wirklich Stress hat: Fester Körper, Schweif schlagen, angelegte Ohren, fester Kiefer, Stressauge. Ich muss sie schon immer sehr stark von Dingen überzeugen. Da sind Pferde nicht so meinungsstabil finde ich. Ich kann ja morgen mal ein Video machen. Vielleicht übersehe ich auch Stressanzeichen.
Titel: Re: Choice - wieviel Wahlfreiheit kann man seinem Pferd geben?
Beitrag von: noothe am 14. Februar 2020, 21:16:45
Huhu  :) Beim Lesen fällt mir gerade auf, dass ich Stress in diesem Zusammenhang vielleicht noch genauer definieren sollte. Also wenn ich von Stress rede meine ich einfach insgesamt eine hohe Erregungslage, ganz egal ob durch Vorfreude oder Unbehagen. Darunter fällt auch sowas wie "uuuuunbedingt auf dem mega tollen Reitplatzboden wälzen wollen aber nicht können weil noch am Strick und überhaupt"  :) Bei uns aktuell ist "auf dem Reitplatz zum Zaun rennen und Wallache anrossen" meeeega gewünscht, aber ich kanns halt nicht zulassen, weil sonst immer eine der Parteien in den Zaun haut und das für alle nicht sinnvoll ist. Das für zu wüldestem Kopfschlagen und Buckeln :roll: Hormone...

Und mit Übersprungshandlung meine ich Verhalten, das gezeigt wird, weil ein anderes (instinktives) Verhalten auf Grund der Situation nicht gezeigt werden kann. Wunschverhalten: Gras, zur Besi, Wälzen oder auch "nicht in den Matsch", Flucht o.ä. Wenn die Motivation, dieses Verhalten zu zeigen, sehr hoch ist - aber die Ausführung nicht möglich (weil z.B. am Strick gegengehalten wird, oder im Clickerfall auch gerne mit hochwertigem Futter "abgelenkt" wird), dann kommen solche Situationsunpassenden Verhalten bei raus. Bei der Krümeline Kopfschlagen, Wälzen, Vorderbeine komisch überkreuzen, bei manchen Pferden scharren oder dann halt eben auch Rempeln oder Beißen.

So wie du es ja auch beschrieben hast :thup:

Sowohl Stress als auch Übersprungshandlung sind dabei nicht wertend gemeint oder pauschal negativ.

Was als Gedanke hilft - um den Bogen zu Choice wieder zu spannen - ist zu sagen, ok, wie können wir die "Übersprungshandlung" durch ein trainiertes und operant/bewusst gezeigtes Verhalten ersetzen. Also in Mulis Wälzfall z.B.: Auf den Platz gehen, direkt zu Beginn Handtarget abfragen, Wälzen lassen. Oder aus dem Paddock raus, Handtarget, kurz Grasen lassen. Das überschreibt dann nach einer Weile dieses Hinundhergerissensein, weil das Pferd lernt, aha, wenn ich mich gern Wälzen möchte, dann ist das Handtarget ein sehr zielführender Weg das zu kommunizieren.

Dazu mag ich mal noch ein altes Video von uns einstellen, wo genau die aufgezählten Verhaltensweisen vorkommen (im Fall der Krümeline als Übersprungshandlung wegen negativem Stress  weil der eigentlich Wunsch, zurück zur Herde zu 'fliehen' nicht möglich ist). Man sieht es im Video ein bisschen, wie sie verschiedene Targets anbietet (Handtarget, Pylone anstupsen), die meiste Zeit kann sie sich dafür aber nicht genug beherrschen.

https://youtu.be/ZKSMFItdKoI

Die Choice-Komponente ist in diesem Fall ganz am Ende, als sie zu Sixtus-Andrea flieht die am Filmen ist - das war zu der Zeit mein ultimatives Abbruchkriterium, wenn sie sich aktiv von mir abwendet und eine andere Person "um Hilfe bittet". Das ist natürlich extrem spät und im Normalfall wäre ich vermutlich spätestens nach dem 1./2. starken Kopfschlenkern vorsichtig Richtung Ausgang, so lange es die Umgebung hergibt. Choice mal ganz stark in Anführungszeichen, weil ich natürlich in dem Setup 100000000 Signale übergangen habe.

Aber im Grunde ist z.B. auch ein Pferd, das immer unkontrolliert zu einem Gegenstand hin zieht (siehe Heike und Amadeus und die Wippe) in einem ähnlichen Zustand.

Irgendwie fällt es mir gerade nicht so leicht, weit genug auszuholen um alles zu formulieren, was ich sagen will :roll: Aber ich geb mein bestes.

Edit: Link hinzugefügt, ohne macht's keine Sinn :tuete:
Titel: Re: Choice - wieviel Wahlfreiheit kann man seinem Pferd geben?
Beitrag von: Ehemaliges Mitglied 1237 am 14. Februar 2020, 21:44:52
Und mit Übersprungshandlung meine ich Verhalten, das gezeigt wird, weil ein anderes (instinktives) Verhalten auf Grund der Situation nicht gezeigt werden kann. Wunschverhalten: Gras, zur Besi, Wälzen oder auch "nicht in den Matsch", Flucht o.ä. Wenn die Motivation, dieses Verhalten zu zeigen, sehr hoch ist - aber die Ausführung nicht möglich (weil z.B. am Strick gegengehalten wird, oder im Clickerfall auch gerne mit hochwertigem Futter "abgelenkt" wird)

da muss ich dir wiedersprechen  :cheese: Muli kann sich IMMER losreißen. Sie weiß ganz genau dass sie gehen kann wenn sie möchte.  Auch mit Geibss, auch mit so vielen leckeren Sachen. Wenn sie will dann ist ihr der Lieblingsapfel egal. Ich glaub das ist halt auch typisch Muli. Das Ding ist ja, seitdem ich ihr zuhöre und unser Vertrauen stetig steigt, dass sie sich nicht mehr losreißt sondern mir deutlich durch das Kopfschütteln sagt dass sie das nicht möchte. Sie hat ja auch gelernt dass ich dann mein Verhalten dadurch änder. Das macht sie ganz Freiwillig. Weil sie eben bei mir gelernt hat: Ich höre ihr zu und geh auf sie ein. Vorher hat sie sich einfach gleich losgerissen, weil sie wusste dass ich ihr nicht zuhöre. Seitdem ich ihr aber zuhöre drückt sie sich ganz anders aus. Oder besser gesagt: sie drückt sich endlich aus! Ich weiß noch das eine Mal beim lonigeren. Da ist sie einfach über die Schulter weg losgerannt, obwohl ich ein Gebiss drin hatte. Ich habs dann nochmal versucht, und sie ist immer wieder zu mir reingekommen. Da hats dann bei mir click gemacht und ich wusste dass sie es nicht kann und hab ihr zugehört. Muli kann man nicht halten, weder mit Schmerzen noch mit Leckeries. Da gibts einige Videos von Eseln die nicht über eine Brücke gehen wollen, obwohl sie so viel verkloppe bekommen, gehen sie nicht weiter. Das ist so ein Unterschied zwischen Esel, Muli und Pferd  :cheese:

Ich will ja auch ihr Nein nicht mit etwas überschreiben. Sie soll ihren Willen kriegen, jedoch will ich sie besser überzeugen können dass die ein oder andere Übung ja vielleicht doch Spaß macht.

Zum Video: so reagiert Muli nicht. Sie ist beim graben, kopfschlagen und wälzen viel entspannter. Es ist eher so ein kurzes "nein" mit ihrem Kopf schlagen. Dann gräbt sie ganz genüsslich und legt sich hin. So gar nicht explodierend. Ich mach morgen mal ein Video. Vielleicht wird es dadurch klarer.
Titel: Re: Choice - wieviel Wahlfreiheit kann man seinem Pferd geben?
Beitrag von: Muriel am 14. Februar 2020, 22:25:31
Zitat
Wenn sie etwas nicht machen kann was sie möchte stresst sie das natürlich. Aber ich mag den Begriff in dem Zusammenhang nicht. Denn ich kenne Muli wenn sie wirklich Stress hat: Fester Körper, Schweif schlagen, angelegte Ohren, fester Kiefer, Stressauge. Ich muss sie schon immer sehr stark von Dingen überzeugen.

Diese Anzeichen sprechen schon für einen enorm hohen stresslevel. Das bedeutet nicht, dass sie vorher _keinen_ Stress hat, sondern nur, dass der Stress vorher nicht erkannt wurde. Einfrieren ist ja auch eine Stress-Strategie.

Ich habe in den letzten Jahren enorm viel über Stressanzeichen gelernt, und für mich beginnt es z.b. bei vermehrtem Augenblinkern. Oder wenn das Tier auf einmal nicht mehr das macht, was es vorher zuverlässig gezeigt hat.

Wenn ein Tier "meinungsstabil" ist, ist es meine Aufgabe, ihm attraktive Alternativen aufzuzeigen, die ich zum einen hochbestärke, und zum anderen hochverfügbar mache, damit das Pferd überhaupt eine Wahl hat. Wenn es nämlich nur "Plan A vom Mensch, der gerade doof ist" oder "eigenen Plan, der attraktiver erscheint, aber schwer durchführbar ist" als Möglichkeiten hat, gibt das nicht so viel Handlungsspielraum, und dann entsteht meistens Plan C, etwas ganz anderes, als "so beende ich die Situation für mich".

Deshalb ist es gerade bei Tieren, die sich im Zweifelsfall viel eher für den eigenen Plan als für den des Menschen entscheiden, so viel wichtiger, kleine, sehr einfache Dinge wie zb. das Handtarget oder Kopfsenken sehr hoch zu bestärken (damit meine ich ein paar hundert Wiederholungen, nicht 10 oder so  :cheese: )

Erst dann bekommt das Tier wirklich eine Wahl, wenn es Handlungsalternativen hat, di helfen, auf andere Art aus der aktuellen Situation herauszukommen. Und ja, ich kenne solche Mulis :)
Titel: Re: Choice - wieviel Wahlfreiheit kann man seinem Pferd geben?
Beitrag von: francelaura am 14. Februar 2020, 22:33:48
Sie weiß ganz genau dass sie gehen kann wenn sie möchte.  Auch mit Geibss, auch mit so vielen leckeren Sachen. Wenn sie will dann ist ihr der Lieblingsapfel egal.

...

Ich weiß noch das eine Mal beim lonigeren. Da ist sie einfach über die Schulter weg losgerannt, obwohl ich ein Gebiss drin hatte.

...

Muli kann man nicht halten, weder mit Schmerzen noch mit Leckeries.

Solche Sätze liest man so immer wieder - bei Pony-, Pferde- und sonstigen Equiden-Besitzern. :cheese:


Gute Idee, ein Video wäre toll!
Titel: Re: Choice - wieviel Wahlfreiheit kann man seinem Pferd geben?
Beitrag von: noothe am 14. Februar 2020, 22:37:45
Zitat
Zum Video: so reagiert Muli nicht. Sie ist beim graben, kopfschlagen und wälzen viel entspannter. Es ist eher so ein kurzes "nein" mit ihrem Kopf schlagen. Dann gräbt sie ganz genüsslich und legt sich hin. So gar nicht explodierend. Ich mach morgen mal ein Video. Vielleicht wird es dadurch klarer.

Das habe ich auch so nicht verstanden! Ich hoffe das ist im Beitrag auch deutlich geworden, deswegen war mir die Begriffsklärung sehr wichtig :thup:

Muli ist ja auch in deinen schon eingestellten Videos nicht vergleichbar mit dem Krümel :nick:
Titel: Re: Choice - wieviel Wahlfreiheit kann man seinem Pferd geben?
Beitrag von: Ehemaliges Mitglied 1237 am 15. Februar 2020, 13:52:54
Vielen Dank euch meinen Knoten im Kopf zu lösen  :cheese:
Ich glaub jetzt hab ichs verstanden. Danke auch für die Links!

@laura: ja, wie oft ich schon von Leuten hören musste: Mensch, dann mach halt ein Gebiss rein! Leider bin ich diesem Rat einmal gefolgt und hab mich dann total über mich selbst geärgert.

Titel: Re: Choice - wieviel Wahlfreiheit kann man seinem Pferd geben?
Beitrag von: noothe am 15. Februar 2020, 14:21:54
Wenn ein Tier "meinungsstabil" ist, ist es meine Aufgabe, ihm attraktive Alternativen aufzuzeigen, die ich zum einen hochbestärke, und zum anderen hochverfügbar mache, damit das Pferd überhaupt eine Wahl hat. Wenn es nämlich nur "Plan A vom Mensch, der gerade doof ist" oder "eigenen Plan, der attraktiver erscheint, aber schwer durchführbar ist" als Möglichkeiten hat, gibt das nicht so viel Handlungsspielraum, und dann entsteht meistens Plan C, etwas ganz anderes, als "so beende ich die Situation für mich".

Das möchte ich im Bezug auf das Video der Krümeline auch nochmal aufgreifen.

Im Video haben wir den klassischen Fall einer No-Choice-Situation. Die Krümeline hat "die Wahl" zu mir zu kommen und dort Kekse zu bekommen, oder im Roundpen herum zu laufen und [wasauchimmer] zu machen.

Aber die eigentliche Motivation ist, den Roundpen zu verlassen und auf dem schnellsten Weg die Trennung von der Herde zu beenden. Und sie hat kein Verhalten in ihrem Verhaltensrepertoire, mit dem sie das in der gegebenen Situation umsetzen kann. Das wäre evtl. was anderes, wenn sie Tore öffnen oder hoch genug springen könnte, aber da sie beides nicht kann, hat sie 0% Verhaltensweisen auf die sie zurückgreifen kann, um zurück zur Herde zu kommen. Also hat sie auch keine Wahl.

Insgesamt war es eine sehr verzwickte Situation, denn sie ist zu der Zeit sehr motiviert bis zum Roundpen gelaufen - dann war aber alles an Ressourcen aufgebraucht und sowohl direktes Zurückgehen als auch Zeit im Roundpen verbringen waren beides kritisch :roll: (Einer der Gründe, warum ich später überhaupt gar nicht mehr mit ihr bis zum Reitplatz gegangen bin, weil sich daran auch im Verlauf der Jahre und mit viel Übung wenig bis gar nichts geändert hat).

Für uns beide war also an diesem Punkt der einzig sinnvoll mögliche Handlungsstrang, so schnell wie möglich zurück zur Herde zu gehen, denn auch mir standen in dem Fall ja keine wirklichen Handlungsalternativen zur Verfügung.

Also ja, wie an manchen Stellen in diesem Thread bereits erwähnt, manchmal gibt es Situationen (aus welchem Grund auch immer sie entstanden sind), in denen die Frage nach Choice mehr oder weniger irrelevant ist, weil es keine zwei ansatzweise gleichwertigen Handlungsmöglichkeiten mehr gibt. Dann ist das so.

Wäre sie allerdings noch etwas entspannter und ansprechbarer gewesen wäre es durchaus eine Option gewesen, im Roundpen z.B. ein paar Matten zu verteilen und eine davon in die Nähe vom Tor zu legen. Falls sie sich auf diese Matte stellt -> Strick dran, Tor auf, ein Stück Richtung Heimweg oder sogar zurück zur Herde. Danach gerne auch nochmal zurück, je nach Stimmung halt. Wenn man sowas ein paar Mal übt, dann kann das Pferd durch ein "Ende" Signal anzeigen, wenn es die Situation verlassen möchte (egal ob es Stress hat oder satt ist oder gerne was trinken würde oder grad der Traktor mit dem Heu um die Ecke gekommen ist). Und das lernen sie wirklich schnell  :)

Hätten wir sowas in der Video-Situation bereits gehabt, dann wäre die Situation eine durchaus andere gewesen. Heute rennt die Krümeline an solchen Tagen zur Wippe und stellt sich drauf oder steckt den Kopf unter den Flattervorhang. Dort gibt es dann viele Heldenkekse für ihre kluge "Exit"-Strategie und ich bringe sie anschließend auf direktem Weg zurück zum Paddock.
Titel: Re: Choice - wieviel Wahlfreiheit kann man seinem Pferd geben?
Beitrag von: noothe am 27. Februar 2020, 12:07:23
Katie Bartlett teilt jedes Jahr ihre Conference-Notes der Art and Science of Animal Training Conference (ASAT) und dieses Jahr ist der erste Artikel so passend zu diesem Thread, dass er hier unbedingt mit rein gehört. Dr. Joe Layng spricht darüber, dass es auch Zwang durch Anwendung von positiver Verstärkung geben kann ohne dass aversive Reize angewendet werden. Dazu geht es um das Konzept der Freiheitsgrade, dass ich gleich auch nochmal versuche zu erklären. Der Original-Artikel ist aber auf jeden Fall eine unbedingte Leseempfehlung für alle, die Englisch verstehen!

https://equineclickertraining.wordpress.com/2020/02/26/asat-conference-2020-dr-joe-layng-coercion-without-aversive-stimuli/

Zitat
Degrees of freedom is defined as the number of alternatives minus 1 (n-1). If you have three options, your degrees of freedom are 2 (n -1). If you have any degrees of freedom (more than zero), then we call this choice. If you have zero degrees of freedom, then we call it coercion.

"Freiheitsgrade sind definiert als die Anzahl möglicher Alternativen minus 1 (n-1). Wenn du 3 Optionen hast, beträgt dein Freiheitsgrad 2 (n-1). Choice / Wahlfreiheit ist dann vorhanden, wenn eine beliebige Anzahl Freiheitsgrade (größer Null) vorhanden ist. Wenn die Anzahl von Freiheitsgraden 0 beträgt, reden wir von Zwang."

Das Konzept der Freiheitsgrade sagt aus, dass man bei einer Anzahl n an Wahlmöglichkeiten n-1 Freiheitsgrade hat. Also z.B. wenn das Pferd auf der Weide steht auf der sich ebenfalls ein Heuballen befindet + der Besitzer gerade die Schüssel mit Heucobs hingestellt hat, dann hat es 2 (3-1) Freiheitsgrade. Es kann theoretisch frei zwischen Gras, Heu und Heucobs wählen.

Diese Wahlmöglichkeiten stehen aber nur zur Verfügung, wenn das Pferd auch die benötigten Skills hat, sie wahrzunehmen. Wenn das Pferd nun also auf der Weide steht, auf der aber bis auf die Geilstellen alles abgefressen ist, und der Heuballen ein so engmaschiges Netz hat, dass es davon nicht richtig fressen kann, hat es bei "gleicher" Auswahl plötzlich nur noch 0 Freiheitsgrade (1-1). Wenn dann noch der Besitzer die Heucobsschüssel an einer sehr gruseligen Stelle präsentiert (meinetwegen im Hänger), dann gibt es zwar Futter, aber eine Wahl hat es nicht.

Ok, die Beispiele aus dem verlinkten Artikel sind da noch eindrücklicher, aber ich will das jetzt auch nicht 1:1 klauen.

Jetzt ist die Frage, wie ist das mit dem Verwenden von Start-Signalen?

Stellen wir uns vor, das Pferde hat folgende Auswahlmöglichkeiten: Target berühren startet Spritzentraining + Futter; Target nicht berühren -> keine Interaktion/Futter. In diesem Fall hat das Pferd nur eine reale Option (Target berühren) und damit 0 Freiheitsgrade. Es hat also keine Wahl, denn die Alternativen sind nicht gleichwertig bzw. gehen nicht um die selbe Ressource.

Hat das Pferd nun aber die Wahl zwischen: Target berühren startet Spritzentraining + Futter; Kopfsenken startet Apportieren + Futter - dann hat es auf den ersten Anschein eine gleichwertige Wahl (2 Optionen - 1 = 1 Freiheitsgrad). Aber nur(!) wenn es denn auch in der Lage ist, das Target zu berühren und den Kopf zu senken. Fehlt ihm eine der beiden Möglichkeiten, weil es das Verhalten nicht kennt oder das Target unangenehm ist oder das Genick beim Kopfsenken weh tut, dann ist die vermeintliche Wahl wieder nicht vorhanden.

Sabine (Sanhestar) hatte es weiter vorne im Thread ja schon so passend zusammengefasst: Je mehr Verhalten das Tier kennt & kann, desto größer werden die Wahlmöglichkeiten. Gegeben der Tatsache, dass wir das Setup auch so anpassen, dass die Wahlmöglichkeiten gleichwertig sind.

Titel: Re: Choice - wieviel Wahlfreiheit kann man seinem Pferd geben?
Beitrag von: SaBo am 27. Februar 2020, 12:26:01
Ich habe dazu noch eine konkrete Verständnisfrage. Ich hoffe, ich hab das nicht überlesen.

Wenn ich also meinem Pferd die Wahl lasse, zwischen bspw. deinem Beispiel Spritzentraining und das Alternativverhalten Kopf senken. Und ich clicke beides gleichgut. Woher weiß es dann, dass beide Alternativen zur Verfügung stehen, bzw. auch: Wie bekomme ich dann ein Verhalten, dass ihm unangenehm ist und schwer fällt und die leichtere Übung gleich hoch verstärkt wird. Ist die Antwort einfach: Isso! ? weil wie weiter oben beschrieben, dass wenn die Pferde wissen, sie können dem unangenehmen selbstbestimmt ausweichen, halten sie es besser durch?

Aber zunächst muss ihnen ja klar sein, dass sie die Wahl theoretisch auch haben... :juck: Ich stelle es mir grad schwierig vor, in die Praxis umzusetzen....
Titel: Re: Choice - wieviel Wahlfreiheit kann man seinem Pferd geben?
Beitrag von: Muriel am 27. Februar 2020, 13:09:10
Das ist genau ein Grund, warum ich zb bei Amadeus aufgehört habe, Interaktion mit dem Besen mit Futter zu bestärken. Es stresst ihn unglaublich, die Anwesenheit von Futter und "Tu was, es ist eine Möglichkeit Futter zu bekommen" ist in dem Fall ein Zwang, und keine Verbesserung der Situation.

Für ihn hat es die Situation "Fegen" eher schlimmer gemacht als verbessert, deshalb sind wir wieder zu "Atmen, wahrnehmen, dass nichts passiert, weitergehen, lächeln" übergegangen, auch wenn es länger dauert.
Am ehesten wäre noch das Setting denkbar, dass er mit dem Gehen auf eine entferntere Matte (Click und Futter) Raum zwischen sich und das Fegen bringen kann, aber das ist keine echte Option, weil es das Fegen abstellt, wenn wir eigentlich fegen müssten, und wir keine "Amadeus beendet das Fegen" Option wollen (keine Wahlfreiheit für uns).
Ich hab da auch noch einen Film, den ich noch bearbeiten will, damit man die Situation noch mal sieht.

Auch wenn ich mit dem Training neu anfange mit einem Pferd, ist mein erstes Ansinnen, ihm mehrere Möglichkeiten zu geben statt nur "Benimm dich, dann gibt es Futter".
Titel: Re: Choice - wieviel Wahlfreiheit kann man seinem Pferd geben?
Beitrag von: noothe am 27. Februar 2020, 13:12:08
Die Knoten haben doch ganz viele  :) Die Fragen von nao beziehen sich ja auf die selben Punkte mehr oder weniger.

Woher weiß es dann, dass beide Alternativen zur Verfügung stehen [?]

Diesen Trainingsprozess müssen wir mit dem Pferd natürlich gehen. Die Pferde lernen das aber total schnell. Also, wenn man meinetwegen 10x Targetberühren clickt und beim 11. Mal statt dem Click die Spritze präsentiert und dann clickt, und beim 12. Mal auch wieder die Spritze präsentiert und dann clickt, dann checkt das Pferd spätestens beim 13. Mal, dass das Target berühren irgendwie was mit der Spritze zu tun hat.

Dann könnte man z.B. das Target und die Spritze zur Seite legen und dafür das Apportel bereitlegen und Kopfsenken abfragen. Und auch hier nach 10x Kopfsenken beim 11. Mal statt dem Click das Apportel anbieten + Click, beim 12. Mal wieder usw.

(Meine Erfahrung aus der Praxis zeigt, bei einem erfahreneren Pferd wie der Krümeline reichen 1-2 Widerholungen und sie weiß genau, um welche Verknüpfung es grad geht.)

Wenn man dann beide Übungssituationen auf dieses Weise "aufgeladen" hat, dann kann man z.B. Spritze und Apportel sichtbar liegen lassen und das Target wieder hervor holen. Und dann einfach mal gucken, was das Pferd denn anbietet. Geht es zum Target? Spritze präsentieren & Click. Senkt es den Kopf? Apportel anbieten & Click.

"Einfacher" ist es natürlich z.B. mit zwei unterschiedlichen Targets zu arbeiten, weil dann noch klarer ist, was zur Verfügung steht. Aber auch hier kommt es wieder auf die Lernhistorie des Pferdes an.

Ich wage es mal, mich so weit aus dem Fenster zu lehnen um zu sagen, JEDES unserer Pferde hat dieses EINE Alternativverhalten was es spätestens dann anbietet, wenn es das gewünschte Trainingsverhalten nicht mehr zeigen kann/will. Sei es Kopfsenken, Handtarget, Gewichtsverlagerung, Kompliment oder eben Scharren, Schubsen, Beißen, Weggehen... Wenn man mal genau drauf achtet, dann findet man es  ;)

[BEITRAG GETRENNT WEGEN ZU LANG :roll:]
Titel: Re: Choice - wieviel Wahlfreiheit kann man seinem Pferd geben?
Beitrag von: noothe am 27. Februar 2020, 13:12:17
[TEIL 2]

Wie bekomme ich dann ein Verhalten, dass ihm unangenehm ist und schwer fällt und die leichtere Übung gleich hoch verstärkt wird.

Da möchte ich mal auf etwas eingehen, was ich neulich schon versucht habe zu schreiben. Ein "Denkfehler" der uns bei dieser Art vom Training echt oft im Weg steht ist die Annahme, dass manche Übungen per Definition quasi unangenehmer/schwieriger/unbeliebter für das Pferd sind was zum Schluss führt, dass wir eigentlich nur die Option haben, das einfachere/beliebtere/tollere Verhalten "abzuwerten", um die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass wir unser Wunschverhalten bekommen.

Dabei geht es eigentlich immer nur um die (Belohnungs-)historie und bisherige Lernerfahrungen im Bezug auf das konkrete Verhalten.

Nehmen wir mal ganz konkret das Beispiel der Krümeline und der Spritze, weil da der Kontrast vielleicht besonders deutlich wird.

Ich weiß nicht, warum sie genau so eine Panik vor Spritzen und Untersuchungen hat, weiß aber durch ihre Vorbesitzerin, dass es mindestens 2 Fälle von Behandlung gab, bei der es über einen längeren Zeitraum dauernden "Kampf" (also Fixierung, Verarzten von Schmerzen unter Zwang) gab. Wenn nun also jemand in bestimmter Weise in ihre Richtung greifen möchte, wird das alles getriggert. "Stillhalten" beim Spritzen wäre nun also mein Wunschverhalten, aka 4 Hufe am Boden, Kopf gradeaus.

Gegenverhalten ist das Handtarget, was eines der allerersten Clickerverhalten war und daher eine extrem lange Belohnungshistorie und Verknüpfung mit Futter und tollen Sachen (meistens).

Plane ich mein Training nun so, dass alles rund ums Spritzen kleinschrittig genug ist, dass es mit der Ursprungssituation - Fixieren & Schmerzen - erstmal nichts zu tun hat, dann ist es für die Krümeline egal, ob wir am Spritzen arbeiten oder sie das Handtarget anbietet. (Und ganz theoretisch bräuchte ich in diesem Fall nicht mal ein alternatives Verhalten, weil das Training ja kein Problem sein sollte).

https://youtu.be/QKwGSMI7mug

In dem Video sieht man eine Trainingseinheit Spritzen mit der Krümeline. Ich gehe so vor, dass ich in jedem Durchgang das Kriterium minimal steigere. Dabei gibt es mehrere Möglichkeiten:

a) Die Krümeline zeigt direkt wieder das Start-Signal (Target berühren) -> ich steigere im nächsten Durchgang das Kriterium.

b) Die Krümeline berührt meine Hand -> Click & ich wiederhole im nächsten Durchgang das vorherige Kriterium.

c) Die Krümeline berührt mehrfach nacheinander -> Click & keinerlei Interaktion mit der Spritze, bevor sie nicht wieder das Target berüht. WICHTIG! Also auch kein Target mit dem Finger anklopfen, drauf hinweisen, Futter in der Nähe vom Target präsentieren oder irgendwas, um sie dahingehend zu beeinflussen!

Ansonsten gibt es das selbe Futter aus der selben Tasche nach dem selben Marker, d.h. ich versuche auch in meiner kompletten weiteren Handhabung zu zeigen - es ist beides vollkommen gleichwertig, egal ob du das Target berührst oder meine Hand (oder ggf. sogar den Kopf senkst) - für MICH ist jedes deiner Angebote toll!

Und ich verspreche dir, dass die Spritze einzig und allein ausschließlich dann präsentiert wird, wenn du vorher das Target berührst.

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Als sich dann später der Tierarzt-Termin genähert hat, habe ich (bewusst) die Wahlmöglichkeiten eingeschränkt. Im folgenden Video ist der Fokus eher "Ich mache kleine Schritte aber ich MACHE sie, und zwar in jedem Durchgang ein bisschen mehr. ABER du kannst es durch dein Verhalten beenden / beeinflussen, d.h. jegliche Form von Entspannung führt zu Stop & Click." Hier steht tatsächlich dann die negative Verstärkung im Vordergrund und das sieht man auch an ihrer Ausstrahlung, dass sie generell hektischer ist und sich auch immer mal weg lehnt etc.

https://youtu.be/MWZVn0b5PfU

In beiden Videos gibt es schrittweises Steigern der Kriterien, Clicks und Futter, aber im ersten Fall gibt es Wahlfreiheit, im zweiten eher nicht.

Daher habe ich auch absichtlich zwei unterschiedliche Trainingsorte und -setups gewählt, im ersten Fall der große Reitplatz und das deutlich sichtbare Target, im zweiten Fall ein kleiner Bereich auf dem Paddock ohne Target.

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Das ist jetzt sehr lang geworden, aber macht den Unterschied vielleicht nochmal ein bisschen deutlicher.
Titel: Re: Choice - wieviel Wahlfreiheit kann man seinem Pferd geben?
Beitrag von: Muriel am 27. Februar 2020, 13:31:16
Zitat
Ansonsten gibt es das selbe Futter aus der selben Tasche nach dem selben Marker, d.h. ich versuche auch in meiner kompletten weiteren Handhabung zu zeigen - es ist beides vollkommen gleichwertig, egal ob du das Target berührst oder meine Hand (oder ggf. sogar den Kopf senkst) - für MICH ist jedes deiner Angebote toll!

Und ich verspreche dir, dass die Spritze einzig und allein ausschließlich dann präsentiert wird, wenn du vorher das Target berührst.

Ganz genau. Es darf nicht ein "Spiel" werden, bei dem das Pferd weiß "wenn ich Futter haben will, muss ich erst das Unangenehme in Kauf nehmen".

Die Arbeit mit dem Kooperationssignal mit Amadeus war auch sehr interessant (auch hierzu muss ich noch einen Film bearbeiten). Man kann nicht tricksen oder das Pferd überlisten, und man muss in sich sehr gerecht bleiben (was manchmal schwierig ist, weil man es doch so arg möchte - und genau das ist das Problem des Pferdes mit uns).
Titel: Re: Choice - wieviel Wahlfreiheit kann man seinem Pferd geben?
Beitrag von: Zeuserl am 01. März 2020, 07:31:08
Ich finde das Thema so spannend  :dops:
Denke auch, dass die Krux oft darin liegt ganz fair zu bleiben. Man muss je nach Schwere des Problems echt viel Geduld haben und wenn man die nicht hat, macht man es mitunter schlimmer  :-\
Titel: Re: Choice - wieviel Wahlfreiheit kann man seinem Pferd geben?
Beitrag von: Ehemaliges Mitglied 1302 am 07. März 2021, 22:10:15
Ich wage es mal, mich so weit aus dem Fenster zu lehnen um zu sagen, JEDES unserer Pferde hat dieses EINE Alternativverhalten was es spätestens dann anbietet, wenn es das gewünschte Trainingsverhalten nicht mehr zeigen kann/will. Sei es Kopfsenken, Handtarget, Gewichtsverlagerung, Kompliment oder eben Scharren, Schubsen, Beißen, Weggehen... Wenn man mal genau drauf achtet, dann findet man es  ;)

Wäre solch ein Alternativverhalten zum Beispiel, wenn meine Stute die Hufe gemacht bekommt und weil sie das eine Hinterbein aufgrund von Schmerzen bzw die Erinnerung daran weiter oben nicht heben konnte/wollte, mir die ganze Zeit verzweifelt versucht Küsschen zu geben? Das hat meine Schwester ihr mal beigebracht und weil sie das so sanft macht, rief bei den Mädchen am Stall immer große Begeisterung hervor, das hat sie geliebt.
Titel: Re: Choice - wieviel Wahlfreiheit kann man seinem Pferd geben?
Beitrag von: noothe am 07. März 2021, 22:13:55
:nick: Genau sowas meinte ich damals :nick:

Die Krümeline fängt dann mit dem Handtarget an, was immer fester und intensiver wird und irgendwann so endet, dass sie mich mit der Nase zur Seite schubst.

Kannst du erkennen, ob das Küsschen geben anders / intensiver angeboten wird als so normal im Alltag?
Titel: Re: Choice - wieviel Wahlfreiheit kann man seinem Pferd geben?
Beitrag von: Ehemaliges Mitglied 1302 am 08. März 2021, 18:30:28
:nick: Genau sowas meinte ich damals :nick:

Die Krümeline fängt dann mit dem Handtarget an, was immer fester und intensiver wird und irgendwann so endet, dass sie mich mit der Nase zur Seite schubst.

Kannst du erkennen, ob das Küsschen geben anders / intensiver angeboten wird als so normal im Alltag?

Ja definitv! Viel häufiger auch, weil ich ja nicht wie gewünscht reagieren kann und dann wird sie immer hektischer. Das ist ja interessant, kann ich jetzt viel besser einordnen.
Titel: Re: Choice - wieviel Wahlfreiheit kann man seinem Pferd geben?
Beitrag von: noothe am 08. März 2021, 19:58:46
Sehr spannend! Und echt cool, dass du das überhaupt bemerkt hast :thup: Oft werden solche Pferde dann ja sogar noch als unhöflich oder frech eingeordnet und bestraft.