Clickerforum

Clickertraining im Alltag => Clickertraining allgemein => Thema gestartet von: Avaris am 01. Januar 2016, 19:10:16

Titel: Stimmsignale vs. körpersprachliche Signale
Beitrag von: Avaris am 01. Januar 2016, 19:10:16
Hallo ihr Lieben,

ich habe mir in den letzten Tagen ein paar Gedanken zu diesem Thema gemacht, und konnte leider in meiner (bisher noch eher kleinen  :cheese: ) Sammlung an Literatur nicht wirklich etwas dazu finden.

Und zwar ist mir aufgefallen (allerdings schon vor längerer Zeit), dass mein Wallach ERHEBLICH besser bzw. lieber auf körpersprachliche Signale reagiert, als auf Stimmsignale. Bei Stimmsignalen könnte ich manchmal nicht einmal mit Sicherheit sagen, ob er dies gerade als Stimmsignal erkannt hat, oder ob es für ihn nur ein weiters Geräusch in der Geräuschkulisse ist, die ich so von mir gebe.

Das erscheint mir auch absolut logisch, immerhin kommunizieren ja Pferde untereinander ebenfalls zu einem Großteil über Körpersprache. Daher mein Gedanke, dass mein Wallach von Natur aus besser mit optischen Signalen umgehen kann, als mit Stimmsignalen. (Dazu kommt noch, dass ich leider eingestehen muss, einer der Tanten zu sein, die ihrem Pferd gerne (auch unbewusst) eine Frikadelle ans Ohr labert...ob sich da ein Stimmsignal noch so ohne weiteres von abhebt?)

Ich habe also dementsprechend die letzten Monate viel Gewicht auf körpersprachliche Signale gelegt und mich bemüht, heraus zu finden, welche Bewegung von mir er wie interpretiert und beantwortet. Dabei ist mir absolut aufgefallen, WIE viel stärker und schneller er auf körpersprachliche Signale reagiert.

Da stellt sich mir nun die Frage: Welchen Sinn machen da alleinige Stimmsignale? Diese müssen ja erst mehr oder weniger mühsam antrainiert werden, und werden in einer brenzligen Situation vermutlich weniger Wirkung zeigen als die (manchmal beinahe automatische, so kommt es mir vor) Reaktion auf ein körpersprachliches Signal.


Ich habe für mich und meinen Wallach schon so gut wie beschlossen, es wie auch bisher hauptsächlich bei körpersprachlichen Signalen zu belassen, die, wo es Sinn macht, ergänzt werden um ein Stimmsignal. (Ruhige, tiefe Töne scheinen zum Beispiel gut eine entspannte Körperhaltung zu unterstützen.)

Probleme bereiten mir aber momentan Situationen, in denen ein vermeintliches körpersprachliches Signal und ein Stimmsignal im Widerspruch zu einander stehen.
So üben wir seit Dienstag Signalkontrolle auf "Touch" für sein Gertentarget. Bedeutet, er sieht es, soll es aber erst auf das Stimmsignal "Touch" hin anstupsen.
Er scheint das Erscheinen des Targets bisher als "körpersprachliches", oder sagen wir besser "optisches" Signal verstanden zu haben, das Target zu berühren. Daher steht das Warten auf das Stimmsignal "Touch" momentan, so erscheint es mir, ein wenig im Widerspruch für ihn mit dem doch dort deutlich sichtbaren "vermeintlichen Signal" zum Anstupsen des Targets.

Nun mein Gedanke: Wäre es nicht viel einfacher für ihn, das "Touch" mit einem neuen, für ihn sinnvollen, körpersprachlichen Signal zu ergänzen...meinetwegen einem leichten Wedeln mit dem Target, oder einer Kopfbewegung in Richtung Target. Ich glaube, ich werde mich da mal dran versuchen.

Wie ist es bei euren Pferden? Reagieren sie auch so viel spontaner und schneller auf Körpersprache, als auf Stimme?
Inwiefern machen (alleinige) Stimmsignale einen Sinn, oder haben sogar einen Vorteil ggü. körpersprachlichen Signalen? Mir fällt da momentan nur "Aufmerksamkeit erregen" ein, aber ich bin gespannt auf mehr Ideen!  :cheer:

Titel: Re: Stimmsignale vs. körpersprachliche Signale
Beitrag von: Ehemaliges Mitglied 913 am 01. Januar 2016, 20:17:53
Alleinige Stimmsignale machen beim Reiten Sinn finde ich, wenn man dem Pferd zB Gangartenwechsel ohne Druck beibringen will. Deshalb habe ich für mein Jungpferd bisher die Stimmsignale "Halt", "Scherit" und "Terab" etabliert, die ich dann auch beim Reiten nutzen möchte.

Ansonsten denke ich dass man sich punkto Signalwahl ganz nach seine Vorlieben und denen des Pferdes richten sollte bzw darf.

Beim Targettraining ist es erstmal logisch, dass das Pferd zunächst das Erscheinen des Targets als Signal zum Berühren auffasst, da man ja anfangs jede Annäherung und Berührung sofort clickt. Das Signal zum Berühren (das auch ein optisches sein kann) ist dann der nächste Schritt.
Titel: Re: Stimmsignale vs. körpersprachliche Signale
Beitrag von: Ehemaliges Mitglied 981 am 01. Januar 2016, 20:26:22
Ich glaube es kommt ein wenig darauf an, wie der Trainer ist und wo ich drauf hin arbeite (Langzeitziel)

Viele Dinge im Umgang gehen bei uns mit Körpersprache einher, und dieses "blinde Vertrauen" ist bei meinem Opi einfach drin.
Allerdings bin ich beim Clickern so ruhig und leise geworden, dass Stimmsignale eingebaut werden können, und das jeder Zeit.
Aber auch hier muss ich für mich sagen, dass ich das Stimmsignal häufig sehr früh einbaue, um das von dir beschriebene Problem gar nicht erst entstehen zu lassen. Dummerweise bin ich nicht gerade erfinderisch was die Wörter für das Stimmsignal angeht.

Andererseits geht es bei mir häufig um ein Langzeitziel.
Unsere Show auf dem Mittelaltermarkt ist so geschrieben, dass der Reiter von Cashmere in der Show irgendwann betrunken herunterfällt. Letzte Saison war dann immer einer in der Nähe der sie festgehalten hat.
Unser aktuelles Ziel ist, dass sie auf Kommando des Reiters eigenständig auf eine Matte läuft, wo der Reiter sie wieder einsammeln kann. Somit muss ein Stimmsignal etabliert sein, denn mit Körpersprache ist da nicht mehr viel zu wollen (schließlich liegt der Reiter am Boden, und ich sitze auf einem anderen Pferd)

Titel: Re: Stimmsignale vs. körpersprachliche Signale
Beitrag von: Ehemaliges Mitglied 972 am 01. Januar 2016, 21:17:16
Mir fällt auch auf, dass sich mein Pferd sehr an meiner Körpersprache orientiert und dabei hat er schon öfter aufgedeckt, dass Stimmsignale, die vermeintlich sitzen, in Wahrheit gar keine Bedeutung für ihn haben, weil ich mein Körpersprache Signal selbst gar nicht wahrgenommen hab  :kicher: oopsi
Titel: Re: Stimmsignale vs. körpersprachliche Signale
Beitrag von: Avaris am 01. Januar 2016, 22:22:07
Mensch, so viele so interessante Antworten und das so schnell  :cheese:

Alleinige Stimmsignale machen beim Reiten Sinn finde ich, wenn man dem Pferd zB Gangartenwechsel ohne Druck beibringen will. Deshalb habe ich für mein Jungpferd bisher die Stimmsignale "Halt", "Scherit" und "Terab" etabliert, die ich dann auch beim Reiten nutzen möchte.

Ach Mensch natürlich, jetzt wo du's sagst...das Schnalzen für Trab und das Küsschengeräusch für Galopp (er wurde Western eingeritten), das nutze ich immer noch und er reagiert auch sehr gut darauf. Hab ich gar nicht dran gedacht, das ist mir wohl schon so in Fleisch und Blut übergegangen  :rotw:



Aber auch hier muss ich für mich sagen, dass ich das Stimmsignal häufig sehr früh einbaue, um das von dir beschriebene Problem gar nicht erst entstehen zu lassen. Dummerweise bin ich nicht gerade erfinderisch was die Wörter für das Stimmsignal angeht.

Erzähl mal, wie machst du das denn so? Und hast du dann nur noch das Stimmsignal, auf das dein Pferd reagieren soll, "egal" was da gleichzeitig an (unbeabsichtigten) körpersprachlichen Signalen kommt?
Was mich auch noch interessieren würde ist, wie denn das Stimmsignal für die Vorführung geplant ist? Das müsste ja schon fast was sein, was man brüllen kann, bei der Geräuschkulisse? Wird es irgendein Wort, das gut in die Szene passt? Oder wie hast du dir das überlegt? Finde ich sehr interessant!



Mir fällt auch auf, dass sich mein Pferd sehr an meiner Körpersprache orientiert und dabei hat er schon öfter aufgedeckt, dass Stimmsignale, die vermeintlich sitzen, in Wahrheit gar keine Bedeutung für ihn haben, weil ich mein Körpersprache Signal selbst gar nicht wahrgenommen hab  :kicher: oopsi

GENAU das kenne ich auch  :cheese:
Titel: Re: Stimmsignale vs. körpersprachliche Signale
Beitrag von: Ehemaliges Mitglied 981 am 02. Januar 2016, 13:25:08
Also das erste deutliche Stimmsignal, was völlig unabhängig von jeglicher Körpersprache bei uns genutzt wird ist das PARKEN.

Dies bedeutet ganz klar: Hier bleibst du stehen und bewegst deine Hufe nicht einen Millimeter, egal was passiert.

Auf den MA Märkten ein absolutes Must Have, da wir mal zwischen den Ständen in Gassen stehen müssen, mal für Fotos posieren müssen, oder auch das Pferd alleine stehen lassen müssen, während der Show.
Bei Egal was passiert, heisst wirklich egal was passiert, da kommen auch schon mal Greifvögel in die Nähe der Pferde (bei meinem Opi auch oben drauf) oder mal ein Ritter in kompletter Rüstung oder so etwas.
Zusätzlich ist Parken aber auch ein Entspannungssignal beim Opi, er schläft dann gerne schon mal ein  :D

Für den Bodentarget bei Cashi werde ich mir irgendeinen Mittelalterlichen Fluch raus suchen, der nicht so oft verwendet wird.
Da der Reiter ja vom Pferd fällt macht es mit dem Fluch am meisten Sinn. Wird wohl für die Zuschauer im Training lustig, wenn ich laut anfange zu fluchen, und dann das Pferd zur Matte läuft  :cheese:


Titel: Re: Stimmsignale vs. körpersprachliche Signale
Beitrag von: Buschpony am 02. Januar 2016, 15:30:44
Ich hatte mal einen Isländer, der konnte mit Wortsignalen überhaupt nix anfangen, allenfalls Schnalzen hat er registriert. Alles Andere zog an ihm vorbei wie "Schall und Rauch"...  Andere Pferde können es gut lernen, Worte auseinanderzuhalten und als Signale zu erkennen. Liegt vielleicht mit an früher Prägung? Isländer wurden ja gerne fernab von menschlichem Kontakt großgezogen? Und Muttersprache ist nun mal eher die Körpersprache.
Mir selber fällt es schwer, viele Wortsignale bei Pferden einzusetzen und beschränke das meist auf die Gangartbezeichnungen und ähnlich primitives. Ich habe aber auch da den Eindruck, daß oft mehr der Rhythmus, mit dem das Wort ausgesprochen wird aussagekräftig ist, als das Wort selber. Auf jeden Fall nutze ich den Rhythmus, um dem Pferd das Wortsignal beizubringen. Ich werde mal die Gegenprobe machen und "Galopp" im Schrittrhythmus sagen, mal sehen, was passiert...

Ansonsten hilft das Wortsignal (wenn es so ungenau wie bei mir aufgebaut ist) auf jeden Fall dem signalisierenden Menschen, indem es den Fokus exakter auf die Aufgabenstellung lenkt, als wenn man stumm bleibt. Stimmt der Fokus, stimmt auch die zugehörige Körpersprache. Worauf das Pferd dann letztendlich reagiert - Fokus, Wort, Körpersignal - ist dann vielleicht nicht so wichtig?

Beste Grüße,
Dörte.
Titel: Re: Stimmsignale vs. körpersprachliche Signale
Beitrag von: cinnamon am 02. Januar 2016, 22:02:13
Zitat
Mir fällt auch auf, dass sich mein Pferd sehr an meiner Körpersprache orientiert und dabei hat er schon öfter aufgedeckt, dass Stimmsignale, die vermeintlich sitzen, in Wahrheit gar keine Bedeutung für ihn haben, weil ich mein Körpersprache Signal selbst gar nicht wahrgenommen hab

wenn man sich da etwas spielen möchte, kann man mal probieren, das signal im sitzen oder im liegen zu geben oder mit dem rücken zum pferd - der ultimative test wäre dann außer sichtweite (hinter einer wand oder tür).
so könnte man zb. auch rein auf ein wortsignal hin trainieren, wenn man das möchte, indem man die körpersprache immer weiter ausschleicht, bis man sich irgendwann auf den boden legen oder hinter einer sichtbarriere verstecken kann.
allerdings hat man dann oft immer noch andere verknüpfungen dabei, die signalcharakter haben - zb. der ort.
das müsste man dann zusätzlich noch generalisieren.
Titel: Re: Stimmsignale vs. körpersprachliche Signale
Beitrag von: Buschpony am 03. Januar 2016, 09:19:16

Daß das so funktioniert oder funktionieren kann, wie Cinnamon beschreibt, weiß ich natürlich. Ich sehe nur für mich und meine Zwecke wenig bis keinen Sinn darin, bin vielleicht auch einfach zu faul?! :juck: Nee, ich glaube, ich bewege mich selbst viel zu gerne, und zwar mit Ausdruck, als daß ich Wert darauf legen würde, die Körpersprache wegzutrainieren.
Beim Reiten arbeiten ja Körper und ggf Stimme ebenfalls zusammen, oder? Zumindest strebe ich selber das an, auch für meine Reitschüler. Ich habe öfters mal blöde Situationen erlebt, in denen ein Pferd beschleunigt (Schnalzen) oder gestoppt (whoa) hat, weil ein daneben reitender Mensch sein Stimmsignal gegeben hat, und der Reiter auf dem mitbeschleunigenden/mitstoppenden Pferd kam in Schwierigkeiten... Seitdem ist mein persönlicher Weg, auf Körpersignale zu trainieren, die von Stimmsignalen unterstützt werden können.

Beste Grüße,
Dörte.
Titel: Re: Stimmsignale vs. körpersprachliche Signale
Beitrag von: noothe am 03. Januar 2016, 13:15:44
Ich hatte neulich eine Situation im Stall, wo die Krümeline sich in einen totalen Engpass manövriert hat, und ein Stimmsignal für rückwärts echt praktisch gewesen wäre :shy:

Ansonsten benutze ich auch eher wenig Stimmsignale, aber hauptsächlich weil es mir da wie beim Vokabeln lernen geht und ich sie mir nie merken kann :tuete: Ich glaub es ist wie immer, die Mischung und der Anwendungszweck machts, und z.b. mit Tieren wo man auf Entfernung arbeitet und ohne Sichtkontakt, ist irgendeine Form von akustischen Signalen halt der einzige Weg, bei unseren Pferden ist das denke ich im Normalfall zu vernachlässigen.
Titel: Re: Stimmsignale vs. körpersprachliche Signale
Beitrag von: Muriel am 03. Januar 2016, 13:57:28
hm, ich finde schon immer wieder Situationen wo Stimmsignale praktisch sind. Sie können zb bei der Übertragung von Signalen vom Boden zum Reiten sehr gut helfen (oder auch beim Longieren).
Ein stimmliches Haltsignal finde ich sehr wichtig, das kann man in allen möglichen Situationen brauchen, wo man schlicht keine Körpersprache einsetzen kann.

Natürlich gibt es viel das auch körpersprachlich geht, aber bei der Menge an Signalen, die wir mittlerweile haben gebe ich zu dass ich mir die Stimmsignale besser merken kann als welche Handbewegung ich jetzt bei Verhalten XYZ habe  :lol:

Aber es kommt vor allem auf das Pferd an, es gibt eben Typen die wesentlich mehr visuell ansprechbar sind als andere.
Die gesunde Mischung macht es da sicher, meiner Meinung nach gibt es kein "Nur so geht es am besten".
Titel: Re: Stimmsignale vs. körpersprachliche Signale
Beitrag von: ClickerHafi am 10. Januar 2016, 18:10:36
Das Thema finde ich auch Interessant. Gerade weil ich bei Momo auch merke, dass die oft eher auf das Körpersprachliche, als auf die Stimme hört :rotw:

Im allgemeinen denke ich aber auch, die Mischung macht es :nick: Momo verbindet das Traben mittlerweile mit zweimal Schnalzen, weil ich das wirklich IMMER mache. Das ist manchmal sehr konfus, weil ich ein Dauerschnalzer bin :grinwech:
Ich schnalze auch, um ihre Aufmerksamkeit auf mich zu lenken.
Ansonsten baue ich gerade das "Go"-Signal für Schritt ein, fürs Halten haben wir bis jetzt noch gar nichts.

Interessant fand ich das Anhalte-Signal meiner RB. Wir haben damals noch nach Parelli gearbeitet und er hat gelernt, wenn ich ihn über den Widerrist streiche, hält er an. Das hat auch beim reiten super funktioniert. Sobald meine Hand am Widerrist lag blieb er stehen. Bei Momo würde ich das aber nicht machen, weil ich sie dort als Lob immer kraule :cheese:

Ich denke, wenn man wirklich konsequent darauf achtet, so wie cinnamon es geschrieben hat, das Stimmsignal wirklich nur stimmliche zu geben, dann kann das Pferd es auch wirklich vom normalen Gebrabbel unterscheiden. Man hat bei Bestimmten Kommandos ja auch eine andere Tonlage, z.B. ja auch wenn man lobt. Ich denke also, Pferde können das gut unterscheiden.
Titel: Re: Stimmsignale vs. körpersprachliche Signale
Beitrag von: Okkie 09 am 10. Januar 2016, 23:09:27
Einige Argumente für Stimmsignale führe ich mal kurz auf; ich verwende sie,  da ich

1. ausschließen möchte, daß eine unbewusste Bewegung, ein Stolpern zB, vom Pony als Signal missverstanden wird
2. mein Pony mich dann ja immer sehen müsste, was beim Reiten schon schwierig wird
3. ich unbedingt vermeiden möchte, daß mein Pony ein Verhalten aufgrund meiner Bewegung zeigt ohne daß ich ihm die Bewegung vorher beigebracht habe, denn dann wäre es kein positiv verstärktes Verhalten sondern eine Reaktion des Ponies AUF etwas, sprich weichen. Ein Merkmal der pos. V. ist eben: zuerst das Verhalten, dann erst das Signal.

Eines meiner Haltesignale ist die "Howgh"geste, und als ich mir mal mit der linken Hand die rutschende Brille auf der Nase wieder hochgeschoben habe, blieb Okkie, der etliche Meter voraus lief, sofort stehen... Ätsch! =;oP

Im Großen Ganzen habe ich für fast jedes Verhalten ein verbales und ein Körpersignal, achte aber sehr auf die Reihenfolge in der Einführung.
Titel: Re: Stimmsignale vs. körpersprachliche Signale
Beitrag von: Avaris am 11. Januar 2016, 12:48:59
denn dann wäre es kein positiv verstärktes Verhalten sondern eine Reaktion des Ponies AUF etwas, sprich weichen.

Nicht immer  :) Also es muss  nicht immer ein Weichen sein. Es gibt ja zum Beispiel auch das Nachmachen (so macht Frodur Spanischer Schritt), oder zum Beispiel auch das das Kommen / Folgen auf körpersprachliche Einladung (hat der kleine Harry sofort gemacht, da war ich ganz baff).
Solcherart Reaktionen finde ich jetzt nicht schlimm, auch wenn sie nicht explizit per positiver Verstärkung antrainiert wurden, denn sie scheinen ja eine völlig natürliche und daher logische Reaktion für das Pferd zu sein, und sind auch kein Druck. (Zumindest erkenne ich da keinen.)

Titel: Re: Stimmsignale vs. körpersprachliche Signale
Beitrag von: Melli am 11. Januar 2016, 14:00:31
Genau  :nick: Hvatur reagiert bei der Handarbeit auch stark drauf, wenn ich mit Schulter, Hüfte, Blick etc. genau so laufe wie er laufen soll. Mit solchen und anderen körperlichen Signalen hilft man dem Pferd ja, das finde ich erstrebenswert und nicht hinderlich  ;)

Ansonsten finde ich spannend, dass man Hunde so viel mehr über Stimmsignale trainiert. Ob die jetzt so viel besser hören als Pferde :nixweiss:
Titel: Re: Stimmsignale vs. körpersprachliche Signale
Beitrag von: noothe am 11. Januar 2016, 14:28:46
Ich könnte mir vorstellen dass es da normaler ist, weil die Hunde auch weiter entfernt gearbeitet werden, und die Pferde eher selten. Und das Sichtfeld von Hunden und Katzen ist ja auch um einiges kleiner und unschärfer als bei den Pferden.
Titel: Re: Stimmsignale vs. körpersprachliche Signale
Beitrag von: Sanhestar am 11. Januar 2016, 17:26:22
Ansonsten finde ich spannend, dass man Hunde so viel mehr über Stimmsignale trainiert. Ob die jetzt so viel besser hören als Pferde :nixweiss:

Hunde kann man genauso gut auf Körpersignale trainieren. Einfach mal einen tauben Hund ausbilden  :nick:

Und gerade die Rücke- und auch früher die Arbeitspferde laufen/liefen sehr, sehr viel über Stimmsignale
Titel: Re: Stimmsignale vs. körpersprachliche Signale
Beitrag von: Melli am 11. Januar 2016, 17:30:00
Ansonsten finde ich spannend, dass man Hunde so viel mehr über Stimmsignale trainiert. Ob die jetzt so viel besser hören als Pferde :nixweiss:

Hunde kann man genauso gut auf Körpersignale trainieren. Einfach mal einen tauben Hund ausbilden  :nick:
Das auf jeden Fall, nur wird es in der Praxis halt nicht so sehr gemacht - beim Pferd schon.
Ich hab bei meinen Pferden kaum ein fest installietes Stimmsignal, mein Hund hat dagegen schon eine echt lange Liste an Wörtern  :lol: Wobei ich natürlich auch beim Hund den Körper als Hilfe einsetze.

Noothe, ja, so denke ich mir das auch. Der Hund bewegt sich auch häufiger so, dass er mich gar nicht sieht, da ist die Stimme halt praktischer.
Titel: Re: Stimmsignale vs. körpersprachliche Signale
Beitrag von: Avaris am 11. Januar 2016, 18:20:33
Interessanterweise habe ich gerade gestern Abend im Buch von Viviane Theby (Pferde gymnastizieren mit dem Clicker) genau das gelesen, was ich ja auch bei meinem Wallach und mir beobachtet habe: Wenn man beim Einführen eines Signales gleichzeitig ein Stimm- und ein Körpersprachensignal gibt, dann zählt für das Pferd (anscheinend, idR) das körpersprachliche Signal mehr. Deshalb soll man ganz genau auf seine Körpersprache achten, wenn man bestimmte Dinge fest über Stimmsignal lehren möchte. Fand ich sehr interessant, weil es bei uns ja absolut so zutrifft  :nick:

Ich würde aber gerne noch einmal den einen Punkt von vorhin aufgreifen, denn mir ist immer noch nicht gänzlich klar, warum Körpersprache = Druck sein soll. Kann da jemand was Erleuchtendes zu schreiben?
Also, bei solchen Dingen wie man sie zB bei Parelli sieht (dieses auf-die-Hinterhand-starren damit das Pferd weicht), OK, da verstehe ich das auch. Das merkt man ja meist auch an der Reaktion des Pferdes.
Mein Wallach mag so gar keinen Druck und reagiert da, zumindest meine ich das zu erkennen, auch sehr gnatschig. Trotzdem haben wir viele körpersprachliche "Unterhaltungen", in denen er mir absolut nicht so vorkommt, als würde er jetzt irgendetwas als Druck empfinden. Beim Nachmachen nicht, bei solchen Dingen wie auf "Einladung" zu mir kommen und folgen nicht, aber auch wenn ich zum Beispiel frontal vor ihm stehe und mein Becken vorschiebe und er daraufhin rückwärts geht, nicht.

Ich fand es bisher immer sehr sinnvoll, so viele Dinge wie möglich in "seiner" Sprache zu erlernen, sprich: "Wenn ich diese und jene Bewegung mache, was heißt das dann für dich? Wenn ich möchte, dass du XY machst, wie muss ich mich bewegen damit du das verstehst?" Und ihm die Dinge dann auch so zu "sagen". Statt dass er unendlich viele Dinge in "meiner" Sprache erlernen muss. Ich hatte bisher den Eindruck, dass wir beide damit sehr gut klar kamen. Er wirkte auch in keinster Weise genervt. (Und er wirkt SEHR genervt, wenn er sich gedrückt fühlt, fand ich bisher zumindest immer.)

Ist das nun doch Druck? ??? Negative Verstärkung wollte ich ja nun eigentlich "hinter uns lassen"...
Hilfe  :)
Titel: Re: Stimmsignale vs. körpersprachliche Signale
Beitrag von: noothe am 11. Januar 2016, 20:29:45
Ich denke, das kann man, wie immer, gar nicht pauschal sagen  ;)

Ob etwas negative oder positive Verstärkung ist, kommt darauf an, wann der Verstärker eingeführt wird.

Negative Verstärkung
1) Signal wird gegeben
2) Verstärker wird präsentiert
3) Verhalten wird ausgeführt
4) Verstärker wird entfernt

Positive Verstärkung
1) Signal wird gegeben
2) Verhalten wird ausgeführt
3) Verstärker wird hinzugefügt

Wenn man jetzt sowas hat wie "ich gucke so lange auf deinen Po, bis du ihn weg drehst", dann fällt das unters erste. Wenn man sagt "ich gucke da hinten den Zaunpfahl an, oh, du folgst meiner Blickrichtung und drehst dabei deinen Po, Keks", dann unters zweite. In beiden Fällen ist Gucken das Verhalten beim Menschen, und sich drehen das Verhalten des Pferdes...

Wenn man mal von dem Ansatz absieht, sich selbst wie ein Pferd verhalten zu wollen, ist eine körpersprachliche Kommunikation eben die angeborene, beim Fluchttier Pferd - also für mich auch der logischste Weg es erstmal so zu probieren.

Und ich glaub man muss auch zwischen Trainings- und Endsignal unterscheiden. Wir befinden uns ja nicht im luftleeren Raum, und jedes Verhalten wird irgendwie initiiert, und wenn es durch das Erscheinen eines Gegenstandes ist oder so. Es ist also unmöglich ein Verhalten zu trainieren, ohne bereits ein Signal zu haben, selbst wenn man es im Lauf des Prozesses abwandelt, oder später ein neues hinzufügt.
Titel: Re: Stimmsignale vs. körpersprachliche Signale
Beitrag von: Muriel am 11. Januar 2016, 20:52:36
Zitat
Wir befinden uns ja nicht im luftleeren Raum, und jedes Verhalten wird irgendwie initiiert, und wenn es durch das Erscheinen eines Gegenstandes ist oder so.

 :hm:

Folgende Situation:
Ich stehe in Mirkos Hütte und miste. Mirko steht und guckt rein, ob ich vielleicht zufällig was von den Keksen rübergeben könnte, weil er sich furchtbar langweilt.  Dann juckt es ihn wohl am Hals und er beginnt sich seitlich am Türrahmen zu schubbern. Hat er noch nie in meiner Gegenwart gemacht.
Ich clicke das weil es die Grundbewegung für das "Kopf schief" ist, die ich nie gewusst hätte wie ich sie ausformen könnte. :nixweiss: Weil der Click ertönte macht Mirko es nochmal, nachdem er überlegt hat ob das Schubbern wirklich den Click ausgelöst hat. Nach dem dritten Mal hat er den Zusammenhang verstanden und bietet es weiterhin an, so dass wir es innerhalb von zwei Wochen von der Hütte weg frei ausführen können.

Da war kein Signal, außer "es juckt". Oder? :juck:
Titel: Re: Stimmsignale vs. körpersprachliche Signale
Beitrag von: noothe am 11. Januar 2016, 20:58:37
Jupp. Es sagt ja auch keiner, dass das Signal von außen kommen muss  ;)

Ein Hungergefühl ist für mich ein seeeehr eindeutiges Signal, um zum Kühlschrank zu gehen :grinwech:
Titel: Re: Stimmsignale vs. körpersprachliche Signale
Beitrag von: Avaris am 11. Januar 2016, 21:04:19
Hahaha das mit dem Hungergefühl ist gut  :cheese:

Wenn ich jetzt mal so nachdenke...das mit dem Becken abkippen für rückwärts ist meine ich so entstanden:
Ich stand vor Frodur und dachte mir, was könnte ich wohl machen woraus er "rückwärts" versteht. Auf ihn zu gehen, klar. Aber ich wollte etwa weniger "Druck". Auf Becken abkippen mit leichter Vorwärtstendenz meiner Knie hat er reagiert und bekam sofort Futter dafür und ich habe wieder eine normale Körperhaltung eingenommen.

Das wäre dann negative Verstärkung gemischt mit positiver??? Also eigentlich total bekloppt?
(Oder nach dem Motto, OK ist was für's Pferd OK ist?)
Titel: Re: Stimmsignale vs. körpersprachliche Signale
Beitrag von: noothe am 11. Januar 2016, 21:16:54
Ja, ich denke, initial war es negative Verstärkung, aber mit schnellem Übergang zur positiven Verstärkung. Die Motivation des Pferdes das Verhalten zu zeigen ist am Ende entscheidend.
Titel: Re: Stimmsignale vs. körpersprachliche Signale
Beitrag von: Ehemaliges Mitglied 981 am 12. Januar 2016, 10:48:47
Da könnte man nun aber einen komplett neuen Thread mit eröffnen oder?!?

 :cheese:
Titel: Re: Stimmsignale vs. körpersprachliche Signale
Beitrag von: Avaris am 12. Januar 2016, 19:53:57
Ja das wäre auf jeden Fall ein interessantes Thema, fände ich! Mir fällt es noch ganz schwer, das im Kopf auseinander zu bekommen, auch wenn ich in der Theorie weiß, was negative Verstärkung ist - in der Praxis dann zu sehen "Oh man das war jetzt aber negative Verstärkung", das fällt mir irgendwie schwer...
Und auch, zu beurteilen, ob mein Wallach das denn jetzt überhaupt unangenehm fand, oder ob es völlig in Ordnung für ihn war.

Ich bin da einfach am Rätseln, was ist besser? Dem Pferd über rein positive Verstärkung jede Menge Signale beibringen, aber dann eben auch nur über eine Sprache kommunizieren können, die von keinem von beiden die "Muttersprache" ist? Oder soweit es geht die Körpersprache des Pferdes lernen und anwenden, damit es für ihn einfacher und logischer ist, aber auf die Gefahr hin, unbeabsichtigt Druck auszuüben? Und wie schlimm wäre das?

Was mir auch ein bisschen Sorge macht, ist, wenn ich nun für alles ein Signal erfinde und so rein gar nicht mehr schaue, wie ich denn eben jenes einfach auf eine Art und Weise erfragen könnte, die für das Pferd schon per se Sinn macht, verlerne ich dann nicht nach und nach, die ganz individuelle Körpersprache meines Pferdes zu lesen?

Und auch die Frage "Was ist denn überhaupt Druck" schwirrt mir im Kopf herum.
Was ist Druck? Wenn ich auf mein Pferd zugehe, damit es rückwärts weicht? Wenn ich nur mein Becken bewege, damit es rückwärts weicht? Oder eventuell auch schon, wenn ich ein per positiver Verstärkung antrainiertes Signal geben und mein Pferd damit rückwärts weichen lasse? Denn wenn es sich von mir entfernt, weicht es dann nicht so oder so? Ich vermute, hier hat jedes Pferd eine ganz individuelle Antwort drauf?
Titel: Re: Stimmsignale vs. körpersprachliche Signale
Beitrag von: Muriel am 12. Januar 2016, 20:02:20
Zitat
Denn wenn es sich von mir entfernt, weicht es dann nicht so oder so?

Wenn Du selbst im Sinn hast dass "zurückschicken" so ein Dominanzding ist, und dein Pferd rückwärts geht, weil es weicht, weil du es willst - dann ja.

Wenn Deine Mutter Dir sagt: Übrigens hinter Dir steht ein Stück Kuchen für Dich", und Du gehst dahin um es Dir zu holen - ist das dann Druck?
Titel: Re: Stimmsignale vs. körpersprachliche Signale
Beitrag von: Barbaris am 12. Januar 2016, 20:24:48
Und auch die Frage "Was ist denn überhaupt Druck" schwirrt mir im Kopf herum.
Was ist Druck? Wenn ich auf mein Pferd zugehe, damit es rückwärts weicht?

Spannende Diskussion, hier schreib ich auch gern mit  :)
Wenn ich auf mein Pferd zugehe, damit es rückwärts weicht, tut mein Pferd gar nichts  :lol: Früher, bevor wir geclickert haben, war mein Pferd so ein richtiger Panzer im Umgang, auf den man draufklopfen musste, wenn er im Weg stand. Seit wir Signale für ausweichen erclickert haben, macht er gerne und sofort Platz, wenn ich ihn danach frage.

Ich denke, "von Haus aus" reagieren Pferde auf optische oder auf taktile Signale oft schnell und instinktiv. Bei meinem Pferd und mir erlebe ich jedoch, dass Stimmsignale sehr gut funktionieren und ich finde sie auch sehr hilfreich. Es gibt Übungen, bei denen ich bewusst mehrere Signale auftrainiert habe, damit ich je nach Situation das praktischste Signal verwenden kann. Zum Beispiel für Kopfsenken habe ich zwei: Das Wort "runter" und einen Knopf auf dem Widerrist. Anderes Beispiel: als ich begonnen habe, die Gerte als Target zu verwenden, stand ich vor dem Problem, dass es eine klare Unterscheidung braucht, ob die Gerte in dem Moment als Signal für Ausweichen oder für Andocken gelten soll. Also habe ich es so gemacht, dass die Gerte für Andocken (also Target) hingehalten wird und in Verbindung mit dem Wort "dock" als Target gilt. Wenn ich sie anlege (ohne Worte), ist Ausweichen gemeint. Am allermeisten Zeit musste ich allerdings darauf verwenden, meinem Pferd zu vermitteln, dass die waagrecht zur Hinterhand zeigende Gerte GAR NICHTS bedeutet  ;)
Stimmsignale funktionieren wohl auch nur dann gut, wenn sie sich erstens vom Restgelaber abheben und zweitens immer ziemlich gleich klingen.
Titel: Re: Stimmsignale vs. körpersprachliche Signale
Beitrag von: Muriel am 12. Januar 2016, 20:39:19
Zitat
Stimmsignale funktionieren wohl auch nur dann gut, wenn sie sich erstens vom Restgelaber abheben und zweitens immer ziemlich gleich klingen.

jein... ich hatte auch schon die Situation, dass ich beim Arbeiten mit Mirko irgendwem was erklärt habe, und ihn dann zwischendurch angesprochen habe.. er wusste jedenfalls immer wenn ich ihn meinte :) Aber da ist sicher auch die Tonlage anders.
Titel: Re: Stimmsignale vs. körpersprachliche Signale
Beitrag von: Ehemaliges Mitglied 981 am 13. Januar 2016, 12:01:41
Hier gehen gerade mehrere Themen ineinander.....daher ist es nicht ganz so einfach für mich schriftlich darauf einzugehen, ich versuche es aber trotzdem.

Wie schon geschrieben, bei mir sind Stimmsignale dabei, damit ich unabhängig von meiner Körpersprache meinem Pferd etwas mitteilen kann, was ich von ihm möchte. Nur so kann ich auch auf Abstand kommunizieren, was ich für das was ich möchte benötige.

Aber da ist noch die Sache mit dem Druck.
Welches Problem existiert mit Druck?
Was ist Druck?
Müssen nicht alle Lebewesen mit Druck umgehen?
Selbst wenn ich einem Pferd alles ohne Druck beibringe, und für alles irgendwelche Signale setze, erwarte ich nicht trotzdem, dass das Pferd diese Signale befolge und setze es damit unter einen Leistungsdruck?

Für mich besteht eher die Frage, welchen Druck erträgt mein Pferd, und wann muss ich etwas ändern.
Mein Traber stand in der letzten Herde so dermaßen unter Druck, dass ich ihn da rausholen musste. Den Druck habe ich aber nicht geliefert, sondern konnte ihn nur von dem Pferd wieder nehmen.
Wenn ich merke, mein Pferd versteht mit nicht, dann hilft es natürlich nicht unbedingt mehr Druck zu machen, sondern zu überlegen, wie kann ich es ihm anders begreiflich machen.
Aber ohne Druck funktioniert das Leben nicht.
Weder bei den Tieren, noch bei den Menschen.
Titel: Re: Stimmsignale vs. körpersprachliche Signale
Beitrag von: noothe am 13. Januar 2016, 12:13:03
Das hast du schön gesagt :nick:

Ich finde, die Themen gehören irgendwie zusammen, daher passt das glaub ich hier schon alles irgendwie hin :juck:

Jedes Training stellt beide Seiten in irgendeiner Form unter Druck, richtig antworten zu müssen, richtig antworten zu wollen, gefallen zu wollen, seine Ruhe haben zu wollen, was auch immer - ich denke, das ist unabhängig von der Art der Trainingsmethode. Ich zweifle auch an, dass Training mit positiver Verstärkung grundsätzlich weniger Stress verursacht oder weniger "Druck" aufbaut, einfach nur weil möglichst viel mit positiver Verstärkung gearbeitet wird.

Und, um den Bogen auch wieder zu schließen, ich glaube nicht, dass ein körpersprachliches Signal automatisch mehr Druck bedeutet, als ein stimmliches. Schon allein aus dem Grund, dass es den meisten Pferden wohl wesentlich leichter fällt, Körpersprache zu deuten, als ausgesprochene Worte. Wenn ich (obwohl mein Englisch ziemlich gut ist), mit jemandem auf Englisch rede, stresst mich das auch viel mehr, als eine Unterhaltung auf Deutsch, obwohl Grammatik und Wortwahl in Englisch vielleicht sogar "richtiger" sind.

Das ist ja vollkommen losgelöst von der Signaleinführung, ich würde sowieso immer empfehlen, nachdem das Verhalten "fertig" trainiert ist, ein neues Signal dafür einzuführen, da dass dann einfach mit 100% richtigen Ausführungen verknüpft werden kann, und das Trainingssignal immer auch eine Menge an Fehlversuchen etc. beinhalten, oder (bei "fehlerfreiem" Training) zumindest diverse Zwischenschritte.
Titel: Re: Stimmsignale vs. körpersprachliche Signale
Beitrag von: Avaris am 13. Januar 2016, 17:53:48
Puriu, Noothe, das sind zwei ganz tolle Beiträge die ich sehr interessant finde!
Titel: Re: Stimmsignale vs. körpersprachliche Signale
Beitrag von: Ehemaliges Mitglied 981 am 14. Januar 2016, 11:24:42
Ich möchte noch mal eine Geschichte von meiner Bodercollie Hündin erzählen.
Als sie zu mir kam, war Soxi 2,5 Jahre alt.

Sie hatte eine chronische Magenschleimhautentzündung, weil sie nie gelernt hatte mit Druck (egal ob positiv oder negativ) umzugehen. Allerdings wusste ich das zu dem Zeitpunkt natürlich nicht.

Negativer Druck (und sei es nur ein zu scharfes einatmen) führte dazu, dass sie sich in ihren Kennel zurück zog. Auch wenn sie selber gar nicht gemeint war. Etwas zu lautes Reden durch uns Menschen führte dazu, dass sie ihr Futter ausgekotzt hat.

Positiver Druck erzeugte das gleiche.
Sobald man anfing mit ihr in kleinsten Schritten zu arbeiten drehte sie hoch, wollte alles sofort und jetzt richtig machen.
Ich habe immer mit dem Clicker mit ihr gearbeitet, zu jeder Zeit. Aber sobald sie drei Kekse bekommen hat, hat sie auch diese wieder ausgekotzt.

Selbst zu ihr runter beugen, um sie zu streicheln hat sie als Druck empfunden, hat sogar einmal meinem LG ins Gesicht gebissen. (Zum Glück ohne größere Verletzungen)

Ich musste Soxi beibringen, dass Druck zum Leben gehört.
Somit habe ich wochenlang mit ihr gearbeitet, damit sie den Druck aushält und ein "normaler Hund" wird.
Ihr könnt Euch gar nicht vorstellen wie schwierig es ist, einen Hund für Fehlverhalten zu belohnen, damit dieser lernt, dass auch Fehlverhalten zum Leben gehört.

Naja, auf jeden Fall ist Soxi nun ein normaler Hund, der auch mal Fehlverhalten an den Tag legt. Die Welt bricht nicht mehr zusammen nur weil mal irgendwas ist. Somit ist das Leben deutlich angenehmer für uns alle.


Titel: Re: Stimmsignale vs. körpersprachliche Signale
Beitrag von: Avaris am 14. Januar 2016, 12:18:11
Oh je das klingt ja übel  :'( Was ist dem armen Hund bloß vorher passiert im Leben?
Wie genau hast du ihr denn beigebracht, mit "normalem" Druck umzugehen?
Titel: Re: Stimmsignale vs. körpersprachliche Signale
Beitrag von: Mimmilein am 14. Januar 2016, 20:25:31
Das ist ja wirklich schlimm. Wie lange hat es gedauert, bis sie, wie du sagst, ein "normaler" hund wurde?
Titel: Re: Stimmsignale vs. körpersprachliche Signale
Beitrag von: Okkie 09 am 14. Januar 2016, 23:22:10
Hm ja, was Druck ist, bestimmt ja immer der "Ge-drückte" =;oP

Kennen wir doch alle von der Massage: jeder empfindet einen anderen Druck als angenehm - oder unangenehm.

An der Reaktion ist es aber klar zu erkennen; entweder ich seufze entspannt - oder springe vom Tisch, LOL! Das ist beim Training genauso, finde ich. Zufriedenheit oder Unbehagen, das ist hier die Frage.

Puriu schrieb: Selbst wenn ich einem Pferd alles ohne Druck beibringe, und für alles irgendwelche Signale setze, erwarte ich nicht trotzdem, dass das Pferd diese Signale befolge und setze es damit unter einen Leistungsdruck? (http://Selbst wenn ich einem Pferd alles ohne Druck beibringe, und für alles irgendwelche Signale setze, erwarte ich nicht trotzdem, dass das Pferd diese Signale befolge und setze es damit unter einen Leistungsdruck?)

Wenn das Signal mit positiver Verstärkung auftrainiert wurde, sollte eigentlich kein Leistungsdruck entstehen. Positiver Stress, ja, das kann schon vorkommen, weil das Pony uU auch aufgeregt ist und voller freudiger Erwartung; vergleichbar mit mir im Sommer, wenn ich an der weltbesten Eisdiele im Nachbarort fast dran bin und mich immer noch nicht entschieden habe, welche Sorte ich denn nun nehmen soll; das ist ein Stress, den ich mir gerne mindestens einmal die Woche antun muss, einfach weil es sich lohnt!
Und ob du es nun erwartest, das liegt ja an dir... ich hoffe das zwar auch immer und tue alles dafür, daß ich das Training so gestalte, daß das auch so klappt, aber die Frage ist ja eher: was passiert, wenn das Pony das Erwartete NICHT tut? Wenn dem "Mißerfolg" keine Strafe folgt, ist es doch okay. Durch Fehler lernen wir; auch das Pferd! Es konnte sich dieses Mal nichts verdienen und wird bestrebt sein, das Leckerli bei der nächsten Wiederholung zu bekommen.
Titel: Re: Stimmsignale vs. körpersprachliche Signale
Beitrag von: noothe am 15. Januar 2016, 00:38:29
Hm, ich glaube tatsächlich, dass es nicht so einfach ist. Unabhängig davon, dass die meisten unserer Tiere sowohl eine Vorgeschichte haben (ohne uns), ein eigenes Leben haben (meistens ohne uns), Situtionen passieren können, in denen Grundvertrauen erschüttert wird (z.B. nach einer größeren Verletzung plus Behandlung) und wir eh nicht in einer idealen Welt leben, in der man im Training wirklich immer positiv bestärken kann...

Für ein Pferd, dass es gewohnt ist, etwas richtig zu machen, und dafür eine Bestätigung zu bekommen, Click, Keks, Aufmerksamkeit, kann schon allein das Ausbleiben eben dieser Bestätigung (z.B. weil wir abgelenkt sind oder an was anderem arbeiten wollen), eine Strafe sein. Das ist ja auch genau das, was wir uns zu Nutzen machen, wenn wir Verhalten shapen, die Annäherung an ein "Ziel" in erfolgreichen Schritten, bei denen im Lauf der Zeit ein immer weiter verfeinertes Kriterium verstärkt wird, und dafür ein weniger ausgefeiltes, eben nicht mehr. Wenn das nicht immer ein gewisses Frustpotenzial hätte, gäbe es nicht so viele Menschen und Tiere, die bei den ersten Schritten hängen bleiben. Denn Anforderungen steigern, selbst wenn es über positive Verstärkung und ihrer Kehrseite, der negativen Strafe erfolgt, ist immer mit einem kleinen bisschen Löschen, und auch seinen bekannten Nebeneffekten verbunden.

Oder die Fälle, in denen ein Verhalten zwar mit super Trainingsplan und fehlerfreiem Übungsaufbau wunderschön mit positiver Verstärkung aufgebaut wurde, aber leider an den wirklichen Bedürfnissen des Tieres vorbei? Was ist mit den Fällen, in denen das Tier über seine eigenen Grenzen geht, für die positive Verstärkung, denn es nicht zu tun, bedeutet, den Verstärker zu verlieren (da die Session beendet wird, oder der Trainer sich einem anderen Pferd zuwendet, oder es nur niederwertigeres Futter gibt, obwohl das Tier weiß, dass das Lieblingsfutter in der Tasche ist)? Was ist mit den vielen Fällen, wo es das "gute" Futter nur in Verbindung mit Training gibt (damit es auch wirklich ein Verstärker ist) und nicht am Training teilzunehmen bedeutet, die Chance zu verlieren, an das Futter zu kommen? Wie oft höre ich "aber wenn ich das Super-Futter frei zur Verfügung stehen würde, dann würden die Pferde a) fett und b) gar nicht mehr so motiviert mitmachen"...

Wir wissen zwar alle, dass zu verantwortungsvollem Clickertraining auch Pausen, Entspannung und Balance gehört. Aber so rein von der Definition her hat das erstmal wenig mit positiver Verstärkung zu tun, und man kann Tiere theoretisch sogar, über vorherige Deprivation (Entzug des Verstärkers) mittels positiver Verstärkung dazu bringen weit über ihre Grenzen hinaus zu gehen und sich selbst zu schaden.

Für mich bedeutet "wenn dem Mißerfolg keine Strafe folgt" theoretisch, dass das Pferd trotzdem Zugang zum Verstärker hat -> dann kann man evtl. davon sprechen, dass es wirklich frei ist, zu interagieren, und damit die Trainingssituation keinen Druck aufbaut.

Und dann bleibt noch die Frage, wie oft trainieren wir um des Trainierens willen, und nicht um ein Bedürnis des Tieres zu befriedigen? Wenn ein Pferd auf Signal mit einem Spielzeug spielt, wiederholt, für tolle Kekse, und es in der Sekunde in der wir die Kekstasche weglegen, den Gegenstand nicht mehr mit dem A*** anguckt - wieviel "Leistungsdruck" ist dabei im Spiel (aus Sicht des Pferdes)? Und wie ist es für das Tier, wenn wir an einer Übung "die halt sein muss" oder "einfach weil es wichtig ist" immer und immer und immer und immer und immer wieder trainieren, und es quasi für das "Nicht-Ausführen" eines Verhaltens zwar im Moment keine Strafe gibt, aber das Tier trotzdem immer wieder mit dem Training konfrontiert wird? Oder wenn wir zu lange trainieren, oder zu oft...

Ich glaube außerdem, es gibt tatsächlich sehr sensible Tiere (und das vererbt sich auch teilweise), für die schon die blose Tatsache, dass man sich mit ihnen beschäftigt, sehr viel Druck (oder Fokus, wenn man es lieber so nennen mag) ist. Und jedes einzelne gegebene Signal, egal ob es eine zigtausendfache Verstärkungshistorie hat, kann potenziell falsch verstanden oder falsch beantwortet werden, oder einfach wirklich nicht beantwortet werden, und das Wissen kann für Leistungsdruck sorgen.

----------

Ich habe versucht, es nicht zu sehr zum OT werden zu lassen, aber ich finde das Gespräch und den ganzen Thread sehr spannend, und glaube, hier können noch einige sehr interessante Gedankengänge zusammenkommen  :)

Also, ich (für mich ganz persönlich) beschäftige mich einfach super viel mit der Frage, wie "positiv" das Training mit positiver Verstärkung überhaupt ist - und wie viele weitere Konzepte und individuelle Lern- und Bewältigungsstrategien noch dazu gehören, damit man von "risikoarmem" Training ausgehen kann :juck:

Weil wenn es so einfach und schwarz/weiß wäre, dann wäre der Behaviorismus auch in der menschlichen Psychologie nicht nur ein (elementar wichtiger) Ansatz wenn es um Lernen, Entscheidungen treffen etc. geht. Besonders interessant fände ich in diesem Zusammenhang z.B. auch, welche Auswirkung allein die Tatsache, dass der Mensch ein Signal gibt, schon darauf hat, wie das Tier reagiert. Gerade in der Sozialpsychologie gibt es ja viel Forschung darüber, was die Umgebung für einen Einfluss auf die Entscheidungen hat. Und diverse Gruppenphänomene spielen bestimmt auch eine Rolle im Training. Mein Lieblingling ist das Phänomen, bei dem eine Gruppe etwas gemeinsam tut, was kein einziger will, weil alle denken, dass die anderen es wollen  :P

(Schreit bitte Stop wenn ich zu weit abdrifte :tuete:)
Titel: Re: Stimmsignale vs. körpersprachliche Signale
Beitrag von: Avaris am 15. Januar 2016, 06:40:39
Hm ja, was Druck ist, bestimmt ja immer der "Ge-drückte" =;oP

Kennen wir doch alle von der Massage: jeder empfindet einen anderen Druck als angenehm - oder unangenehm.

An der Reaktion ist es aber klar zu erkennen; entweder ich seufze entspannt - oder springe vom Tisch, LOL! Das ist beim Training genauso, finde ich. Zufriedenheit oder Unbehagen, das ist hier die Frage.

Puriu schrieb: Selbst wenn ich einem Pferd alles ohne Druck beibringe, und für alles irgendwelche Signale setze, erwarte ich nicht trotzdem, dass das Pferd diese Signale befolge und setze es damit unter einen Leistungsdruck? (http://Selbst wenn ich einem Pferd alles ohne Druck beibringe, und für alles irgendwelche Signale setze, erwarte ich nicht trotzdem, dass das Pferd diese Signale befolge und setze es damit unter einen Leistungsdruck?)

Wenn das Signal mit positiver Verstärkung auftrainiert wurde, sollte eigentlich kein Leistungsdruck entstehen. Positiver Stress, ja, das kann schon vorkommen, weil das Pony uU auch aufgeregt ist und voller freudiger Erwartung; vergleichbar mit mir im Sommer, wenn ich an der weltbesten Eisdiele im Nachbarort fast dran bin und mich immer noch nicht entschieden habe, welche Sorte ich denn nun nehmen soll; das ist ein Stress, den ich mir gerne mindestens einmal die Woche antun muss, einfach weil es sich lohnt!
Und ob du es nun erwartest, das liegt ja an dir... ich hoffe das zwar auch immer und tue alles dafür, daß ich das Training so gestalte, daß das auch so klappt, aber die Frage ist ja eher: was passiert, wenn das Pony das Erwartete NICHT tut? Wenn dem "Mißerfolg" keine Strafe folgt, ist es doch okay. Durch Fehler lernen wir; auch das Pferd! Es konnte sich dieses Mal nichts verdienen und wird bestrebt sein, das Leckerli bei der nächsten Wiederholung zu bekommen.

Dieses Thema wäre jetzt auf meiner Frage-Liste für dich gelandet  :cheese: Ich freu mich, dass du nochmal was dazu schreiben mochtest!



vergleichbar mit mir im Sommer, wenn ich an der weltbesten Eisdiele im Nachbarort fast dran bin

Haaa, ich weiß genau welche du meinst  :dops: :cheese:
Mein positiver Stress, bedingt durch freudige Erwartung, verschwindet aber immer recht schnell in der mindestens 20minütigen Warteschlange  :lol:


Titel: Re: Stimmsignale vs. körpersprachliche Signale
Beitrag von: Avaris am 15. Januar 2016, 06:40:55


Für ein Pferd, dass es gewohnt ist, etwas richtig zu machen, und dafür eine Bestätigung zu bekommen, Click, Keks, Aufmerksamkeit, kann schon allein das Ausbleiben eben dieser Bestätigung (z.B. weil wir abgelenkt sind oder an was anderem arbeiten wollen), eine Strafe sein.

Das ging mir auch durch den Kopf und passt auch zu Frodurs Verhalten, das er hin und wieder zeigt, wenn er findet, er hätte jetzt aber C+B verdient und ich bin zu blöd, zu clicken  :-X
Mir gefällt dieser Frust, den er dann schiebt, gar nicht gut. Das einzige, was mir da aber Clickerconformes einfällt, ist,
mein Training einfach sohingehend zu verändern, dass ich die "Aufgabe" in noch kleinere Teilschritte zerlege, sodass er quasi gar nichts mehr "nicht richtig" machen kann...zumindest in der Theorie. Was denkst du?



Oder die Fälle, in denen ein Verhalten zwar mit super Trainingsplan und fehlerfreiem Übungsaufbau wunderschön mit positiver Verstärkung aufgebaut wurde, aber leider an den wirklichen Bedürfnissen des Tieres vorbei? Was ist mit den Fällen, in denen das Tier über seine eigenen Grenzen geht, für die positive Verstärkung, denn es nicht zu tun, bedeutet, den Verstärker zu verlieren (da die Session beendet wird, oder der Trainer sich einem anderen Pferd zuwendet, oder es nur niederwertigeres Futter gibt, obwohl das Tier weiß, dass das Lieblingsfutter in der Tasche ist)? Was ist mit den vielen Fällen, wo es das "gute" Futter nur in Verbindung mit Training gibt (damit es auch wirklich ein Verstärker ist) und nicht am Training teilzunehmen bedeutet, die Chance zu verlieren, an das Futter zu kommen? Wie oft höre ich "aber wenn ich das Super-Futter frei zur Verfügung stehen würde, dann würden die Pferde a) fett und b) gar nicht mehr so motiviert mitmachen"...

Da habe ich ebenfalls schon drüber nachgedacht. Es gab eine Zeit, in der hat Frodur für einfach ALLES, was er gemacht hat, Futter bekommen, wenn er das wollte. Eben aufgrund des oben formulierten Gedanken.
Auf der einen Seite könnte man nun meinen, dass er das zufriedenste Pferd der Welt gewesen sein müsste, ich meine, er hat sogar was bekommen, wenn er gar nichts gemacht hat außer mich danach zu fragen. Auf der anderen Seite hat er sich, sobald ich in Sichtweite war, immer SEHR bemüht, irgendetwas zu zeigen, was ihm jetzt Futter bringt. Gab es keines (und sei es nur weil ich gerade keines dabei hatte), dann hat er das nicht verstanden. Er war jetzt nicht schlimm dran, er sah schon ganz zufrieden aus, aber ich habe im Nachhinein den Eindruck, es hat ihn schon ein bisschen gestresst.
UND: Wollte ich ihn mal nach etwas fragen, was ein bisschen komplizierter oder anstrengender war, hatte er keine Lust dazu. Das Futter hat anscheinend "Wertigkeit" verloren dadurch, dass er es immer haben konnte. Es gab sogar im Gelände durchaus Situationen, da habe ich ihm welches angeboten, und er wollte es gar nicht haben.


Ich habe versucht, es nicht zu sehr zum OT werden zu lassen, aber ich finde das Gespräch und den ganzen Thread sehr spannend, und glaube, hier können noch einige sehr interessante Gedankengänge zusammenkommen  :)

Also, ich (für mich ganz persönlich) beschäftige mich einfach super viel mit der Frage, wie "positiv" das Training mit positiver Verstärkung überhaupt ist - und wie viele weitere Konzepte und individuelle Lern- und Bewältigungsstrategien noch dazu gehören, damit man von "risikoarmem" Training ausgehen kann :juck:

(Schreit bitte Stop wenn ich zu weit abdrifte :tuete:)

Ganz und gar nicht, ich finde deine Gedankengänge sehr interessant und kann dir eigentlich in so gut wie allem zustimmen  :nick:

Ein Gedanke kam mir noch, der hier zwar schon beinahe nicht mehr rein passt von der Thematik her, aber zu einem deiner oben stehenden Sätze passt. Nämlich das "am Bedürfnis des Pferdes vorbei trainieren".
Ich habe mich vorher immer sehr bemüht, zu erkennen, was Frodur braucht und möchte. Und das haben wir dann gemacht. Hat er etwas vorgeschlagen, so haben wir das gemacht. Nun weiß ich nicht so recht, wie ich das mit dem Clickertraining in Übereinstummung bringen soll. Denn an sich müsste ich ja seine Vorschläge früher oder später unter Signalkontrolle bringen. Damit ist das ganze wieder eine "Übung". Nichts mehr, das er von sich aus anbieten kann (und ich dann belohnen "darf"), wenn er Lust drauf hat. Das scheint mit dem Ganzen ziemlich viel Freiheit zu nehmen. Was tut ihr da? Das ist doch der einfachste Weg, die Bedürfnisse oder Vorlieben des Pferdes zu erkennen, indem man es sich selber ausdrücken lässt. Aber wie passt das zur zum Clickern mehr oder weniger zwingend notwendigen Signalkontrolle?
Dieses "alles unter Kontrolle stellen", damit setze ich MICH im Moment ein wenig unter Druck. Ich weiß noch nicht, wie Frodur es aufnimmt. Ihm scheint alles bis jetzt viel Spaß zu machen, was ICH IHM anbiete.
Titel: Re: Stimmsignale vs. körpersprachliche Signale
Beitrag von: Sanhestar am 15. Januar 2016, 06:46:27


mein Training einfach sohingehend zu verändern, dass ich die "Aufgabe" in noch kleinere Teilschritte zerlege, sodass er quasi gar nichts mehr "nicht richtig" machen kann...zumindest in der Theorie. Was denkst du?

ich picke mir nur das hier jetzt raus, weil das eben ganz stark mit dem slicing von Alexandra korrespondiert.

Gegen dieses Konzept spricht überhaupt nichts, meiner Meinung nach, wenn Du, nachdem der kleinstmögliche Teilschritt verstanden wurde, Du wieder anfangen kannst, Teilschritte mittels Loops zusammenzufügen zu komplexerem Verhalten.
Titel: Re: Stimmsignale vs. körpersprachliche Signale
Beitrag von: noothe am 15. Januar 2016, 11:41:52
Da habe ich ebenfalls schon drüber nachgedacht. Es gab eine Zeit, in der hat Frodur für einfach ALLES, was er gemacht hat, Futter bekommen, wenn er das wollte. Eben aufgrund des oben formulierten Gedanken.
Auf der einen Seite könnte man nun meinen, dass er das zufriedenste Pferd der Welt gewesen sein müsste, ich meine, er hat sogar was bekommen, wenn er gar nichts gemacht hat außer mich danach zu fragen. Auf der anderen Seite hat er sich, sobald ich in Sichtweite war, immer SEHR bemüht, irgendetwas zu zeigen, was ihm jetzt Futter bringt. Gab es keines (und sei es nur weil ich gerade keines dabei hatte), dann hat er das nicht verstanden. Er war jetzt nicht schlimm dran, er sah schon ganz zufrieden aus, aber ich habe im Nachhinein den Eindruck, es hat ihn schon ein bisschen gestresst.

[...]

Was tut ihr da? Das ist doch der einfachste Weg, die Bedürfnisse oder Vorlieben des Pferdes zu erkennen, indem man es sich selber ausdrücken lässt. Aber wie passt das zur zum Clickern mehr oder weniger zwingend notwendigen Signalkontrolle?
Dieses "alles unter Kontrolle stellen", damit setze ich MICH im Moment ein wenig unter Druck. Ich weiß noch nicht, wie Frodur es aufnimmt. Ihm scheint alles bis jetzt viel Spaß zu machen, was ICH IHM anbiete.

Ich glaube, es dem Pferd einfach vor die Füße zu werfen (symbolisch gesprochen) und zu sagen "entscheide mal selbst was du machen magst, ich find das alles gut" setzt auch sehr unter Druck. Das schöne an Signalkontrolle ist ja eben, dass man viel von dieser Unsicherheit aus dem Training heraus nimmt, was denn jetzt richtig sein könnte. Mir geht es eher darum dem Pferd Konzepte zu vermitteln, wie z.B. ein "Nein-Danke" Verhalten oder ein "Default-Verhalten". Also die Möglichkeit zu sagen: "Wenn du mich nicht verstehst, oder aus irgendeinem Grund das Verhalten gerade nicht zeigen kannst, dann hast du über XY immer die Möglichkeit mir das mitzuteilen, und bekommst dafür dann trotzdem den Verstärker". Aber schon mit einem definierten und trainierten Verhalten, nicht einfach so "Och, wenn das Pferd da heute keine Lust drauf hat, dann soll es halt selbst sagen, was es möchte, und vielleicht verstärke ich das dann, oder auch nicht".

Die Bedürfnisse des Pferdes zu erkennen ist glaub ich viel subtiler. Bei Chance weiß ich z.B., dass sie sehr viel Nähe braucht - aber gleichzeitig stresst es sie auch sehr.  Auch wenn sie um mich herum fliegt und bockt, versuche ich also immer wieder, nur so weit auszuweichen wie nötig, und sie dann schnell wieder für eine Übung mit Berührung zu belohnen (wie Handtarget oder Kopfsenken), auch wenn sie dabei vielleicht wieder loshüpft und man sie intuitiv lieber auf Abstand schicken würde, um sich auszutoben. Und sie bekommt nach einer Weile clickern Durst und wird unleidlich. Also habe ich beim Longenkurs im Sommer einen riesigen Wasserbottich zum Reitplatz geschleppt, wofür mich alle mit hochgezogenen Augenbrauen angeguckt haben, für die halbe Stunde wäre das ja wohl voll übertrieben. Außerdem äppelt sie nicht außerhalb vom Paddock, also ist es meine Aufgabe, sie rechtzeitig zurück zu bringen, wie ein kleines Kind, dass man noch daran erinnern muss, mal aufs Klo zu gehen  ;)

Aus Erfahrung mit meinem Freund kann ich sagen, dass es (für mich) nichts schlimmeres gibt, als andauernd gefragt zu werden "möchtest du X oder Y?", "brauchst du noch was?", "worauf hast du Lust?", "was möchtest du heute Essen?" usw. Andererseits fände ich es auch nicht lustig, wenn er einfach alles entscheiden würde, ohne mit mir zu reden. Und ich denke, mit dem Clickertraining und der Balance zwischen Signalkontrolle und "sei kreativ" ist es genauso.

_____

Da ich das Gespräch hier wirklich toll finde, wollen wir vielleicht den Titel anpassen?

z.B. "Stimmsignale vs. Körpersprache, und was ist überhaupt Druck?"

(Oder irgendwas anderes schlaues, ich weiß es grade selbst nicht so recht :juck:)
Titel: Re: Stimmsignale vs. körpersprachliche Signale
Beitrag von: Ehemaliges Mitglied 981 am 15. Januar 2016, 12:14:46
Oh je das klingt ja übel  :'( Was ist dem armen Hund bloß vorher passiert im Leben?
Wie genau hast du ihr denn beigebracht, mit "normalem" Druck umzugehen?

Dem Hund ist eigentlich nichts schlimmes passiert.
Er ist nur mit sich alleine gelassen worden, und es wurde ihr nie erklärt was Richtig und was Falsch ist.
Bzw. das Druck nicht nur negativ ist, sondern auch in der Welt normal ist.
Und da sie nicht genug vom Leben verstanden hat, stand sie selber immer unter Druck, weil sie keine Führung und Lenkung in ihrem Leben hatte.
Das musste Soxi bei uns lernen, und zum Glück hatte ich noch Aimie, die ihr das vorgelebt hat.

Aber auch hier schließt sich der Kreis wieder zum eigentlichen Thema.

Nehmen wir mal folgendes an.
Ich bestärke jedes Verhalten positiv, welches mir angeboten wird. Wann wird es dann zur Normalität?
Und was ist mit den Verhaltensweisen, die ich einfach nicht will?

Ich erwarte von meinem Pferd, dass es am Putzplatz still stehen bleibt.
Ich bestärke dieses Verhalten positiv. Rumgehampel ignoriere ich.
So weit, so gut.
Aber wann sollte ich dieses Verhalten aufhören zu bestätigen?
Natürlich wird dieses Verhalten immer verlängert, aber es muss doch auch irgendwann  mal zur Normalität werden.
Also brauche ich doch Grenzen und Stimmsignale um dem Pferd deutlich zu machen, das ist Richtig und das ist Falsch.

Ich bin immer noch der Meinung, dass ich Verhalten zwar fördern aber auch lenken muss.
Und Verhalten lenken geht doch nur, in dem ich auch Grenzen setze. Und für Grenzen brauche ich wieder eine gewissen Art von Druck.
Titel: Re: Stimmsignale vs. körpersprachliche Signale
Beitrag von: Avaris am 15. Januar 2016, 12:24:55
Ich glaube, es dem Pferd einfach vor die Füße zu werfen (symbolisch gesprochen) und zu sagen "entscheide mal selbst was du machen magst, ich find das alles gut" setzt auch sehr unter Druck. Das schöne an Signalkontrolle ist ja eben, dass man viel von dieser Unsicherheit aus dem Training heraus nimmt, was denn jetzt richtig sein könnte. Mir geht es eher darum dem Pferd Konzepte zu vermitteln, wie z.B. ein "Nein-Danke" Verhalten oder ein "Default-Verhalten". Also die Möglichkeit zu sagen: "Wenn du mich nicht verstehst, oder aus irgendeinem Grund das Verhalten gerade nicht zeigen kannst, dann hast du über XY immer die Möglichkeit mir das mitzuteilen, und bekommst dafür dann trotzdem den Verstärker". Aber schon mit einem definierten und trainierten Verhalten, nicht einfach so "Och, wenn das Pferd da heute keine Lust drauf hat, dann soll es halt selbst sagen, was es möchte, und vielleicht verstärke ich das dann, oder auch nicht".

Sehe ich an sich genau so, denn eben diesen Eindruck hatte ich bei Frodur auch - dass es eben auch Stress ist, wenn man als Pferd "weiß", man bekommt etwas, aber sich nie sicher ist, wofür. Sprich was genau gefragt ist, um etwas zu kriegen. (Es war quasi unmöglich, ihm NICHTS zu geben. Er hat alles abgespult, was ihm einfiel und wurde immer deutlicher dabei. Aus seiner Sicht absolut logisch, ich kann ihm da nur Recht geben.)

Von daher ist der große Vorteil, den uns die Signalkontrolle gebracht hat: Klarheit. Und das scheint ihm sehr zu mehr innerer Ruhe verholfen zu haben. Uns beiden. Weil es jetzt einen einigermaßen klaren Rahmen gibt, an dem wir uns beide orientieren können.

Wie genau sieht euer "Nein danke"- oder "Default"-Verhalten aus? Das finde ich sehr interessant! Magst du darüber noch mehr erzählen? Wie sich das entwickelt hat, wie Chance es einsetzt, usw.?




Die Bedürfnisse des Pferdes zu erkennen ist glaub ich viel subtiler. Bei Chance weiß ich z.B., dass sie sehr viel Nähe braucht - aber gleichzeitig stresst es sie auch sehr.  Auch wenn sie um mich herum fliegt und bockt, versuche ich also immer wieder, nur so weit auszuweichen wie nötig, und sie dann schnell wieder für eine Übung mit Berührung zu belohnen (wie Handtarget oder Kopfsenken), auch wenn sie dabei vielleicht wieder loshüpft und man sie intuitiv lieber auf Abstand schicken würde, um sich auszutoben. Und sie bekommt nach einer Weile clickern Durst und wird unleidlich. Also habe ich beim Longenkurs im Sommer einen riesigen Wasserbottich zum Reitplatz geschleppt, wofür mich alle mit hochgezogenen Augenbrauen angeguckt haben, für die halbe Stunde wäre das ja wohl voll übertrieben. Außerdem äppelt sie nicht außerhalb vom Paddock, also ist es meine Aufgabe, sie rechtzeitig zurück zu bringen, wie :hug: ein kleines Kind, dass man noch daran erinnern muss, mal aufs Klo zu gehen  ;)

Aus Erfahrung mit meinem Freund kann ich sagen, dass es (für mich) nichts schlimmeres gibt, als andauernd gefragt zu werden "möchtest du X oder Y?", "brauchst du noch was?", "worauf hast du Lust?", "was möchtest du heute Essen?" usw. Andererseits fände ich es auch nicht lustig, wenn er einfach alles entscheiden würde, ohne mit mir zu reden. Und ich denke, mit dem Clickertraining und der Balance zwischen Signalkontrolle und "sei kreativ" ist es genauso.

Weißt du was, ich glaube, da könntest du gar nicht so Unrecht haben...statt immer nachzufragen und zu "nerven", ist es jetzt vielleicht an der Zeit für mich, besser hinzusehen und ihn verstehen zu lernen  :rotw: Ohne dass er mir die Tatsachen "um die Ohren werfen" muss. So hab ich das noch nicht betrachtet. Eine sehr interessante Anregung, vielen Dank :hug: Vielleicht habe ich es mir da vorher immer ein bisschen leicht gemacht, und ihm dadurch ein bisschen schwer?



Da ich das Gespräch hier wirklich toll finde, wollen wir vielleicht den Titel anpassen?
z.B. "Stimmsignale vs. Körpersprache, und was ist überhaupt Druck?"

Ja, meinetwegen gerne  :nick: Ich finde es hier gerade sehr interessant und anregend!

------

Aber wann sollte ich dieses Verhalten aufhören zu bestätigen?
Natürlich wird dieses Verhalten immer verlängert, aber es muss doch auch irgendwann  mal zur Normalität werden.

Da grüble ich auch ein bisschen herum...im Moment bin ich bei dem Stand, alles zu verstärken, was er an Verhalten so ausführt, wie ich es meinte. Auch Dinge, die er inzwischen schon aus dem FF kann. Ich bin mir einfach nicht sicher, wie er es verstehen würde, wenn ich das Verstärken nun sein lassen würde. Daher verstärke ich weiter. An sich finde ich das auch nicht schlimm, aber ob das so sein soll, das weiß ich auch nicht...was sagen denn die anderen?
Titel: Re: Stimmsignale vs. körpersprachliche Signale
Beitrag von: Sanhestar am 15. Januar 2016, 12:29:52
Wie genau sieht euer "Nein danke"- oder "Default"-Verhalten aus? Das finde ich sehr interessant! Magst du darüber noch mehr erzählen? Wie sich das entwickelt hat, wie Chance es einsetzt, usw.?

ich nehme dafür immer gerne das Kopfsenken.
Titel: Re: Stimmsignale vs. körpersprachliche Signale
Beitrag von: Ehemaliges Mitglied 981 am 15. Januar 2016, 19:26:42
Wie genau sieht euer "Nein danke"- oder "Default"-Verhalten aus? Das finde ich sehr interessant! Magst du darüber noch mehr erzählen? Wie sich das entwickelt hat, wie Chance es einsetzt, usw.?

ich nehme dafür immer gerne das Kopfsenken.

Bei mir ist es meistens ein nettes:"Schade."

Allerdings kann es manchmal auch sein, dass ein gelerntes Verhalten gefährlich werden kann.
Als Beispiel:
Mein Pferd im Mittelalter. Umzug und Vorstellung der Gruppen.
Wir sind immer diejenigen hinter der Musikgruppe und Unisono liebt den Trommler.
Es würde jedoch gefährlich werden, wenn er mir nun den Spanischen Schritt zeigt.
(obwohl ich es gerade ganz lustig finde mir vorzustellen wie mein Pferd dem Trommler in den Hintern tritt :cheese:)
Aber hier muss ich auch ein deutliches NEIN etabliert haben.
Aber auch ein Unterlassen des Verhaltens auf Nein, kann ich etablieren und clickern.

Vor allem muss ich ( so glaube ich) dem Tier immer erklären was ich möchte. Und mir im Klaren darüber sein, dass ich als Mensch nicht genug erklärt habe, wenn das Pferd es nicht wunschgemäß ausführt.
Titel: Re: Stimmsignale vs. körpersprachliche Signale
Beitrag von: noothe am 15. Januar 2016, 19:54:17
Wie genau sieht euer "Nein danke"- oder "Default"-Verhalten aus? Das finde ich sehr interessant! Magst du darüber noch mehr erzählen? Wie sich das entwickelt hat, wie Chance es einsetzt, usw.?

Bei uns ist es ebenfalls das Kopfsenken. Entwickelt hat es sich daraus, dass Chance beim Aufsteigen üben, es angeboten hat, weil sie nicht wusste was sie genau machen soll. Das habe ich dann aufgegriffen, und seitdem gibt es immer Click & Belohnung dafür, wenn sie den Kopf senkt, auch wenn es dafür kein Signal gab. Im Grunde genommen heißt es, was auch immer passiert was für dich keinen Sinn ergibt, und wenn ich über meinen offenen Schnürsenkel gestolpert bin und bewustlos neben dir liege, Kopfsenken ist IMMER eine gute Idee. Und wenn ich sinnfreie Signale gebe auch.

Als "Nein danke" Verhalten haben wir (hat sich so entwickelt und ist vielleicht nicht die eleganteste aller Lösungen) das Handtarget. Das hat eine lange Belohnungshistorie, und wenn sie etwas nicht ausführen kann, und stattdessen meine Hand anstupst, dann gibt es dafür auch C&B (aber nur dafür). Im Grunde genommen heißt es, auf jedes Signal gibt es zwei mögliche Reaktionen, die geclickt werden und zwar "Verhalten zum Signal" und "Handtarget". So kann sie mir aktiv mitteilen, wenn etwas gerade nicht geht, sie sich unsicher fühlt (haben wir z.B. viel beim Spazieren gehen), und an der Frequenz der "Handanstubserei" kann ich etwas über ihren aktuellen Gefühlszustand ablesen. Ist sie nämlich mit Zuversicht bei der Sache, dann macht sie es nicht.

Kopfsenken und Handtarget sind die zwei Verhalten, die ich versuche so gut wie immer zu clicken oder anderweitig anzuerkennen, und für die es auch ohne Signal einen Verstärker gibt.

Edit: Dass Chance das mit dem Handtarget wirklich für sich entwickelt hat, hat man schon früh gesehen, als sie begonnen hat, fremde Menschen an der Hand zu berühren - vorher ist sie ja immer weg gerannt oder zumindest auf großzügigem Sicherheitsabstand geblieben. Das fand ich sehr spannend zu sehen, dass sie so für sich eine Strategie entwickelt hat, einen Menschen "zu fragen" wie er denn so drauf ist.
Titel: Re: Stimmsignale vs. körpersprachliche Signale
Beitrag von: Avaris am 15. Januar 2016, 20:42:46
Das ist ja interessant, denn das Kopfsenken bietet Frodur auch immer wieder mal an. Ich hatte bis jetzt geraten, dass er es vielleicht macht, wenn er mal einen Moment Ruhe braucht. Dass es seine Art sein könnte, mitzuteilen, dass er sich gerade überfordert fühlt, oder so. (Geistig zu anstrengende Aufgabe, mal kurz Pause machen zum Verschnaufen, oder so.) Und idR habe ich dann auch genau so reagiert wie du: Mitmachen, also Kopfsenken belohnen.

Die einzige Ausnahme war heute, da haben wir an der Signalkontrolle für unseren Targetstick herumgeübt, das ist eine wirklich schwierige Sache für uns...(weil er den Targetstick einfach schon EWIG kennt, und er ihn schon EWIG OHNE Signalkontrolle kennt.) Da versuche ich noch, die beste Art für und zu (er)finden, wie er das Ding mit der Signalkontrolle wirklich verstehen und verinnerlichen kann. (Das Auf-das-Signal-Warten belohnen hat zB zu einer sehr hohen Anspannung während des Wartens geführt, trotz Belohnung.)

Da hat es sich am Schluss so entwickelt, dass ich, wenn es kein Signal "Touch" gab, ALLES belohnt habe, was er angeboten hat, was NICHT in Richtung Target zielt, sprich Kopfsenken, Kopf abwenden, innehalten...indem ich dann das Signal "Touch" gegeben hab und er sich sein C+B holen konnte.
Und jetzt überlege ich...das Kopfsenken, das hat er so ziemlich zuerst angeboten, nachdem er eine Weile lang am Target herumhantiert hat, ohne dass C+B folgte. (Es gab ja kein Signal.)

Eine Geste des "Ich weiß nicht, was du von mir willst!"?

Ich glaube, so ein Signal zu haben, das ist (insbesondere bei mir als "Trainerin"  :rotw: ) ganz, ganz wichtig für ihn, bzw. für uns. Ich denke, ich werde das weiter wie du ausbauen. Kopfsenken wird IMMER belohnt, und immer ernst genommen.

(Dieser Weg von heute, also dieser Versuch, der hat sich übrigens gegen Ende tatsächlich interessant entwickelt. Da gab es einen Moment, in dem Frodur zum Target hin tendierte, dann innehielt, und sich dann selber "korrigiert" hat indem er den Kopf ganz schnell wo anders hin hielt. Dann habe ich sofort mit Signal ("Touch") + C+B reagiert. Ich glaube, da kam ihm wirklich eine Idee, worauf ich hinaus wollen könnte. Allgemein fällt ihm diese Signalkontrollensache aber noch nicht unbedingt leicht. Na ja, kein Wunder, nach fast 4 Jahren ohne...das muss ich mir selbst ankreiden und es tut mir echt leid, dass er jetzt deswegen so eine anstrengende Lernphase hat  :-\ )

Und damit es nicht zu OT wird: Als ich sah, dass er immer wieder verständnislos das Target anstupste und nicht so richtig verstand, warum da jetzt kein C+B folgte, da habe ich versucht, ihm ein bisschen zu helfen... :rotw: Ich weiß, man soll das Pferd probieren lassen und es gibt kein "Nein", aber es war wirklich ein sehr schwieriger Moment für ihn, und er wirkte langsam frustriert. Da habe ich, als er mit der Nase auf dem Weg zum Target war, leise gesagt "Waaaarte" und den Zeigefinger gehoben. Das "Waaarte" hätte ich mir wohl sparen können, aber der Zeigefinger, auf den hat er reagiert, gewartet, dann gab ich das Signal, er stupste das Target an, C+B. Und nach einigen Malen, da stoppte die leiseste Tendenz Richtung Target schon auf sanft erhobenen Zeigefinger. (Plus leises "Waaaarte", ich kann's irgendwie nicht lassen, alles was ich mit ihm mache, laut zu kommentieren  :confused:)


Titel: Re: Stimmsignale vs. körpersprachliche Signale
Beitrag von: noothe am 15. Januar 2016, 20:55:37
Keine Sorge, wenn man das mit der Signalkontrolle wird mit der Zeit immer leichter :nick:

Und es fällt den Pferden viiiiel leichter den Unterschied zwischen zwei verschiedenen Signalen zu lernen, als direkt den Unterschied Signal/kein Signal. Der Zeigefinger als Signal für "Target nicht berühren" ist sicherlich - und damit kommen wir wieder zum Ausgangsthema, deutlich einfacher zu verstehen, als das "Touch". In dem Fall bedeutet dann vermutlich das körpersprachliche Signal "Zeigefinger wird runter genommen" = Target berühren.

Ich arbeite mit Chance gerade auch wieder an dem Target berühren auf Signal, und habe dafür tatsächlich einen zweiten Gegenstand als "go" Signal, da ich mit Stimmsignal und Zungenclick einfach viel zu unpräzise bin. Wenn sie das dann sicher kann, dann versuche ich mal ein Stimmsignal einzuführen, aber erstmal über ein reines Signaltauschen. Wirklich viel in diese Richtung haben wir bisher auch nicht gearbeitet, weil immer tausend andere Dinge wichtig waren.
Titel: Re: Stimmsignale vs. körpersprachliche Signale
Beitrag von: Avaris am 15. Januar 2016, 21:06:47
Und es fällt den Pferden viiiiel leichter den Unterschied zwischen zwei verschiedenen Signalen zu lernen, als direkt den Unterschied Signal/kein Signal. Der Zeigefinger als Signal für "Target nicht berühren" ist sicherlich - und damit kommen wir wieder zum Ausgangsthema, deutlich einfacher zu verstehen, als das "Touch". In dem Fall bedeutet dann vermutlich das körpersprachliche Signal "Zeigefinger wird runter genommen" = Target berühren.

Herrje du machst mich fertig  :megalol: Aber genau das meinte ich, als ich irgendwo gegen Anfang des Threads mal schrieb, dass Frodur halt irgendwie viel selbstverständlicher auf körpersprachliche Signale reagiert, als auf Stimmsignale. Und meist fällt mir nicht mal bewusst auf, dass ich gerade überhaupt ein körpersprachliches Signal gegeben haben könnte! Das mit dem Zeigefinger-runter, das wäre mir jetzt so schnell gar nicht bewusst geworden, hättest du es nicht gesagt. Oh man ... Ich kann dir nicht mal mit Sicherheit sagen, ob ich den Zeigefinger VOR oder NACH dem "Touch" heruntergenommen habe, oder doch erst als er das Target berührt hat, oder oder oder...  :confused:

Auf jeden Fall vielen lieben Dank für diesen wertvollen Hinweis, da werd ich mal das nächste Mal sehr genau drauf achten. Also darauf, was ich eigentlich mit meinem Körper so mache, während ich versuche, ihm etwas zu erklären.

---

Ich hab den Bewegungsablauf jetzt eben einmal vor dem Laptop durchgespielt. Ich würde wetten, ich habe den Zeigefinger so ziemlich jedes Mal direkt vor dem "Touch" herunter genommen, oder in etwa gleichzeitig. Also ein super Signal zum Targetberühren :cheese: Herrje. DAS würde auch erklären, warum er einige Male, als ich NICHT den Finger oben hatte (einfach nur weil er gar nicht versucht hat, sich dem Target mit der Nase zu nähern), sehr verzögert auf mein Stimmsignal "Touch" reagiert hat.
Und das, obwohl das sein "ältestes" Stimmsignal ist. Da hatte ich schon etwas Sorge, ich hätte das Signal jetzt kaputt gemacht  :-[
Titel: Re: Stimmsignale vs. körpersprachliche Signale
Beitrag von: noothe am 15. Januar 2016, 21:13:55
Wie heißt es so schön... Training ist einfach, aber nicht leicht :grinwech:

Immerhin weißt du jetzt, dass Frodur dass Konzept wahrscheinlich schon recht sicher verstanden hat, nur halt nicht mit dem Signal, von dem du ausgegangen bist, dass es das Signal ist  :cheese: (Ich hatte beim Hühnermodul mal ein Huhn, dass die Bewegung meiner Augen(!) als Vorankündigung für den Click genommen hat, und stehen geblieben ist.)
Titel: Re: Stimmsignale vs. körpersprachliche Signale
Beitrag von: Avaris am 15. Januar 2016, 21:29:02
Da merkt man doch erst so richtig, wie unbewusst wir Menschen unsere Körpersprache einsetzen...zumindest die meisten von uns.
Titel: Re: Stimmsignale vs. körpersprachliche Signale
Beitrag von: Ehemaliges Mitglied 981 am 16. Januar 2016, 11:38:44
Ich finde es super interessant, dass du sowohl Körpersprache und Stimmsignal gibst, dir das beim Schreiben bewußt wird und dann....

bei der Körpersprache bleibst, obwohl du davon weg willst  :cheese:

Ich weiß, dass es schwierig ist, das zu unterlassen.
Ich habe gerade bei meinen Hunden lange gebraucht, um eine relativ passive Haltung einzunehmen, und dabei auch noch die Klappe zu halten.
Gefunzt hat das bei mir erst, nachdem ich hingegangen bin, und bewußt meine Position verändert habe und meine Körperhaltung.
Seitdem kommt es schon mal vor, dass ich mich auf einen Hocker setze, oder mich hin hocke oder ähnliches.
Manchmal verschränke ich die Arme auch bewußt vor meinem Oberkörper, um diese "festzuhalten" und nicht irgendwelche Signale zu geben, die hier nicht hin gehören.
Das mache ich auch bewußt bei den Pferden. Ich verändere meine Position, um dem Pferd zu erklären, dass es wurscht ist was ich mache und wie ich mich bewege. Somit hocke ich schon mal in der Box und keiner sieht mich. Mein Pferd arbeitet aber mit dem Kopf immer mit.
Titel: Re: Stimmsignale vs. körpersprachliche Signale
Beitrag von: Avaris am 16. Januar 2016, 18:29:10
Oh das kam dann von mir hier falsch rüber...ich will mitnichten von der Körpersprache weg. Im Gegenteil, ich finde sie an sich viel sinniger. Stimmsignale sind eher "für mich" als für ihn, weil ich sowieso so viel herumlabere mit ihm, weil ich wohl irgendwie den Drang habe, alles, was ich ausdrücken will, auch laut zu sagen bei ihm  :cheese:
Titel: Re: Stimmsignale vs. körpersprachliche Signale
Beitrag von: Aennekin am 23. Februar 2017, 00:20:08
Boah, welch spannender Thread, den ich gerade erst entdeckt habe.
Viel interessanter als der Titel "Stimme vs. Körpersprache" finde ich die ganzen verschiedenen Gedankenanregungen und Ideen und Sichtweisen dazu, was Druck ist und wie auch positives Training Druck erzeugt.
Kekse für Euch  :keks:!

Titel: Re: Stimmsignale vs. körpersprachliche Signale
Beitrag von: Ehemaliges Mitglied 22 am 23. Februar 2017, 22:18:04
Hallo Ihr,

sehr interessantes Thema! Mána bietet schon so lange ich sie habe (17 Jahre) das Kopfsenken ohne Signal von mir an. Sie liebt diese Übung und ich finde es aus vielerlei Gründen sinnvoll, insofern verstärke ich es nach wie vor immer wieder variabel. Auf Stimmsignal bietet Mána Schulterherein bei der Bodenarbeit an. Das ist ihre Lieblingsübung bei der Bodenarbeit, mit entsprechender Verstärkerrate. Es gibt dazu auch eine körpersprachliche Anfrage von mir, die wirkt aber lange nicht so gut wie das Stimmsignal. Ich würde mal sagen, da habe ich zu 99% Signalkontrolle. Außerdem habe ich das Anhalten auf Stimmsignal unter Signalkontrolle. Und mehr brauche ich auch tatsächlich nicht. Die restliche Kommunikation geschieht mehr oder weniger als Mischform.

Liebe Grüße
Steffi
Titel: Re: Stimmsignale vs. körpersprachliche Signale
Beitrag von: Origanum am 19. September 2021, 17:07:05
Ein sehr interessantes Thema mit so vielen Aspekten :nick:

Um zum Ursprung der Diskussion zurück zu kommen: Für welche Verhalten habt ihr bei euren Tieren Stimmsignale, wo habt ihr euch absichtlich dagegen entschieden?


Das Pferdekind kann derzeit nur "Zu-rück", was mal einen, mal zwei Schritte rückwärts ergibt. Zusätzlich gibt es noch Signale für Anhalten und die jeweiligen Gangarten, da ist allerdings nur das Anhalten von der Körpersprache entkoppelt (und auch das eher schlecht als recht  :tuete:).


Die Criollodame hingegen ist sehr schnell zu verunsichern, kann Berührungen aber nicht leiden. Deshalb habe ich von Beginn an ein Kopfsenken auf Stimmsignal (und Distanz) eingeführt. Das wars allerdings mit Stimmsignalen  :lol: