Ich versuch jetzt nochmal meine Interpretation des Buches (auch wenn ich an der Stelle nochmal betonen möchte, dass ich gerade mal die erste Hälfte bisher gelesen habe
)
Ich bin voll und ganz vom Training mit positiver Verstärkung überzeugt und lehne negative Verstärkung prinzipiell erstmal ab (Auch wenn ich mich nicht davon freisprechen kann, dass ich nicht doch immer wieder in das Schema verfalle, bzw. bei bestimmten Dingen wie Reiten mir gar nicht anders zu helfen weiß, als über negative Verstärkung) - bzw. anders gesagt: Ich käme nie auf die Idee, jetzt mein Pferd mit "klassischem Horsemanship" trainieren zu wollen.
Und trotzdem spricht mich das Buch an.
Ich gebe zu, anfangs hab ich das Buch auch eher im Regal verstauben lassen, weil ich eben auch dachte "noch so ein Körpersprachen-Buch". Als ich dann aber doch mal angefangen habe, fand ich es absolut interessant und auch wenn es für viele andere sicherlich eher zu banal ist, hat es mir doch einige Aha-Momente beschert.
Es gibt Menschen, die haben in ihrem Leben schon mehrere Pferde gehabt, trainiert, erzogen, wie auch immer. Die haben gewisse Erfahrungen mit unterschiedlichen Pferdetypen. Oder die haben auch die Möglichkeit, Pferde regelmäßig in ihrer Freizeit zu beobachten und wissen, wie Pferde grundsätzlich interagieren. Für die mag dieses Buch wenig neue Erkenntnisse bringen. Dann gibt es aber Menschen wie mich. Die haben ihr erstes eigenes Pferd und vorher ausschließlich Erfahrungen mit Schulpferden gemacht. Die sich Clickertraining mehr oder weniger über Learning-by-Doing beigebracht haben, die zwar interessiert sind, an allem was die Beziehung zu ihrem Pferd verbessern können, die aber nur eingeschränkte Möglichkeiten haben, Pferde über einen längeren Zeitraum zu beobachten. Und für diese Menschen kann dieses Buch sehr interessant sein.
Klar: Man könnte das Buch sicherlich auch so auslegen, wie es der Durchschnitts-Horsemanshipler macht: Ich bewege dich, also bin ich dein Chef. Aus meiner Sicht, geht es aber auch ein bisschen weiter, bzw. in eine andere Richtung und ich kann (zumindest bisher) das Bewegen-Thema ganz gut ignorieren und habe dennoch Aha-Momente.
Ich versuch es an einem ganz konkreten Beispiel: Mein Pferd gruselt sich vor etwas. Das ist ja auch in einem anderen Thread hier schon ein Thema.
Bisher war es so: Wenn mein Pferd irgendwo etwas unheimliches entdeckt hat starrt es sich manchmal fest. Es kann nicht mehr auf mich achten, ist versteinert, nimmt ein Handtarget nicht mehr wahr und kauen geht sowieso nicht. Bislang hab ich so etwas so gelöst: Ich hab es schauen lassen und sobald es wieder irgendwie ansprechbar war, hab ich es mit Handtarget wieder "zu mir geholt". In der Zeit als es sich festgestarrt hat, hab ich ihm vielleicht gut zugeredet, hab es berührt um zu zeigen "ich bin da, es ist nicht schlimm".
Aktuell ist es so, dass ich nicht mehr einschätzen kann, ob nach dem Starren nicht ein Flüchten folgt. Ich bin also grundsätzlich etwas angespannter, als ich es vorher war. Und ich weiß nicht mehr: Ist es die richtige Taktik, das Pferd weiterhin starren zu lassen?
Im Buch hab ich jetzt folgenden für mich sehr interessanten Hinweis gelesen (und ich betone nochmal: Für viele mag das völlig logisch und selbstverständlich sein. Für mich eben nicht): Starre mit deinem Pferd mit. Spanne dich selbst an, zeige deinem Pferd "Du, ich hab das auch gesehen. Zeige dem Pferd, dass du es ernst nimmst in seiner Angst und dann: Entspanne dich sichtlich wieder. Sag deinem Pferd, ich habe es gesehen und wahrgenommen und hab festgestellt, es ist nicht schlimm.
Nur ist jetzt die Frage: Warum sollte mir mein Pferd das glauben? Gerade in dem anderen Thread ist es ja auch das Thema: Wie gebe ich meinem Pferd Sicherheit, auch wenn die anderen Pferde weg sind? Wir wissen, dass Pferde uns nicht als Pferde wahrnehmen. Und trotzdem möchten wir ja, dass sie sich uns anschließen und darauf vertrauen, dass ihnen in unserer Gegenwart nichts passiert.
Und da setzt das Buch meiner Meinung nach an. Durch eben das Begrüßungs-Ritual (bei dem auch völlig ohne Druck rausgefunden werden kann, ob das Pferd mir folgen würde, oder es eher auf sich selbst vertraut), durch Spiegel-Übungen, gemeinsames Gehen etc. Da geht es aus meiner Sicht gar nicht um die Frage, wer bewegt wen sondern um die Frage: Schaff ich es, meinem Pferd ohne psychischen Druck klar zu machen, dass es sich mir anvertrauen kann und dass ich auf es aufpasse?
Sie sagt auch klar. Wenn ein Pferd Nein sagt, dann sollte man das akzeptieren und herausfinden, wie man das Pferd zu einem Ja bewegen kann.
Außerdem lernt man als Laie doch auch ein bisschen was über Pferdesprache. Bspw. wusste ich eine Geste meines Pferdes nie so recht zu deuten. Ich will es aus dem Offenstall holen, es sieht mich an und nimmt den Kopf/Hals zur Seite. So, als würde es jeden Moment umdrehen und gehen wollen. Dachte ich. Ich hab jetzt aber gelernt, dass das eine sehr rührende Geste ist. Vielmehr ein "komm her, ich möchte dich gern bei mir haben".