Clickerforum

Clickertraining im Alltag => Clickertraining allgemein => Thema gestartet von: Origanum am 28. Januar 2020, 12:29:57

Titel: Das junge Pferd
Beitrag von: Origanum am 28. Januar 2020, 12:29:57
Nachdem derzeit doch einige Jungpferde im Forum sind wollte ich fragen, wie ihr den Umgang und das Training so gestaltet? Worauf achtet ihr besonders, was ist schwierig?


Das Pferdekind ist drei Jahre alt und seit knapp einem Jahr bei uns. Wir haben uns dafür entschieden, sie von Beginn an über das Clickertraining und die positive Verstärkung auszubilden und verwenden es auch für den Umgang im Alltag.

Ein großes Thema derzeit ist ihre Konzentrationsspanne (maximal ein paar Minuten am Stück) und ob sie gerade hungrig ist. Dann würde sie nämlich gerne trainieren  :ichich:, aber sie kann nicht, weil sie schnellstmöglich an die Kekse möchte.  :hunger:
Höflichkeit?  :juck: Kann man das essen?

Wir sind also viel mit Management beschäftigt, um mit einem motivierten, satten, nicht hektischem Pferd arbeiten zu können. Uff  :schwitz2:

Manchmal setze ich mich dann einfach nur zu ihr an die Heukiste und sehe ihr beim Fressen zu.  :candy:

Wie handhaben andere das?
Titel: Re: Das junge Pferd
Beitrag von: Hatschi am 28. Januar 2020, 13:52:35
Hallo!

Genau mein Thema. Ich habe seit etwas über einem Jahr mein Jungpferd, im Juni wird sie 3. Auch ich wollte sie unbedingt direkt mit dem Clicker ausbilden. Sie hat Click + Futter sehr schnell verstanden, wurde aber mit der Zeit immer rüpeliger. Das war sicher mein Fehler, da ich vielleicht etwas nachlässig mit der Höflichkeit war. Letztendlich war mir das Futter-Fixierte zu viel und ich hatte es ein halbes Jahr auf Eis gelegt und nur mit Freundlichkeit und trotzdem Belohnung und sogar manchmal Click-Geräusch weitergemacht. Durch Zufall habe ich es nun wieder hervorgekramt und es ist alles noch da, besser noch: Es funktioniert alles viel besser. Im Nachhinein hab ich das Gefühl, sie war vielleicht zu hibbelig dafür. Zwischendrin für bestimmte Dinge hat es super geklappt, aber alles zu Clickern hat sie glaub ich einfach verrückt gemacht.

Zum Beispiel Anbinden/Putzen geb ich nur noch für bestimmte, besonders tolle Sachen einen Klick... Wir gehen ja über 1 h spazieren, auch allein. Da baue ich dann hier und da bestimmte Übungen ein und geh dann nach C+B einfach wieder eine ganze Weile weiter. Sie versteht es super.

Ich versuche mich jetzt an klaren Körpersignalen für Entspanntes Stehen oder auch das Ende von der Clickerei  :cheer:. Ich hoffe, das klappt nun nachhaltig. Jedenfalls hatte ich bei meiner das Gefühl, ich hab zu viel und alles geklickt und das war verkehrt. Seitdem funktioniert der Alltag viel, viel besser.

Jungpferde sind so toll!

Grüße, Solveig
Titel: Re: Das junge Pferd
Beitrag von: JeyChey am 28. Januar 2020, 17:35:35
Huhu :)
zählt 5 auch noch als Jungpferd?^^

Jolly kam roh mit 5 Jahren zu mir. Er hatte da kurze Clickererfahrung mit Targetstab, wurde dann aber wieder gelassen, weil er zu langsam lerne.
Nicht, dass ich das bestätigen könnte... Er ist aber sehr stressempfindlich und wenns ihm zu viel wird, macht er einfach nichts mehr. Das ist ok.

Ich halte meine Ponys in Eigenregie, daher war ich von Beginn weg fast täglich da. Zu Beginn wars ein reines "was traust du dich, was traust du dich nicht?". Wir haben uns aneinander ran getastet, wortwörtlich. Pony fand Menschen ja gruselig und böse durch doofe Vorgeschichte.
Erstaunlich schnell taute er auf. Halfter war lange eine böse Sache (wie gesagt, Vorgeschichte...) und Stricke sind Schlangen per se.
Ich hab versucht, so vieles wie möglich im Alltag einfliessen zu lassen. Bänder aufgehängt zum durchlaufen, Helfter irgendwo hingehängt zum anschauen. Nebenbei wurden die anderen Pferde und Heldi völlig normal gearbeitet, zum Teil auch auf dem Auslauf. Als das eine geritten wurde und Jolly zuschauen durfte, fand er es sehr komisch.
Er war aber sehr motiviert und wollte unbedingt auch alles machen, was die Grossen machen.
Immer wollte er mit, selbst wenns ihm eigentlich zu viel war.
Ich trainierte ihn aktiv etwa 1-2mal pro Woche, manchmal auch gar nicht. Gestreichelt und so wurde er aber jeden Tag.
Diesen Rhytmus halten wir bis heute bei. Er wird nun schon acht... Ist angeritten, läuft am Langzügel draussen, lässt sich Longieren und mag Handarbeit nach AR. Ich kann ihn an der Kutsche mitnehmen und am Rad. An Tricks kann er nur Kopfsenken und Spanischen Gruss. Das ist bei ihm einfach nicht wichtig. Wenn ich mit ihm trainiere, dann so, dass er sein Körpergefühl verbessern kann (welches, durch Hypermobilität und vermutetem einseitigen Augendefekt, einfach nicht berauschend ist).
Alles in Massen, und noch immer sehr schonend. Wir haben ja alle Zeit der Welt.

Sehr sinnvoll fand und finde ich bei ihm, wenn er wieder Hypermotivations-Phasen hat, Pre-WWYLM. Das beschäftigt seinen Körper und Kopf gleichermassen und er wird ausgeglichener.

Wenn ich wieder ein Jungpferd hier hätte, wäre es jünger als fünf. Dann würde ich all die Grundlagenarbeit schon zuvor machen. Begonnen beim Motto "Halfter anziehen ist toll, weil dann darf man was machen!". Des weiteren Führtraining, "Menschenkunde" (Dass das Pony Verständnis entwickelt, dass auch der Mensch mal rumrennt und lustig ist. Dass dies nicht gefährlich ist, sondern fröhlich. Dass das Pony dann gern mitmachen darf.), allgemeiner Umgang. Und korrekte Hufbearbeitung von Anfang an...
Als Ziel habe ich nur ein gesundes, zufriedenes Zusammenleben mit dem Pony. Ob es vor der Kutsche läuft, unterm Reiter, daneben oder davor, das ist zu Beginn unwichtig und wird sich später von allein zeigen.
Titel: Re: Das junge Pferd
Beitrag von: cinnamon am 28. Januar 2020, 19:30:06
mit drei hab ich mich bei meiner beim spazieren gehen immer mal für ein paar minuten drauf gesetzt, ansonsten war ich spazieren, hab sie als handpferd mitgenommen oder sonst auch mal longiert und zirkuslektionen gemacht oder auch einfach mal gar nix.
ich hab damals schon recht früh angefangen, sie mit  so sachen wie halfterführigkeit, gelände, sattel und anderen ausrüstungsgegenstände  vertraut zu machen, das kannte sie eigentlich alles schon mit ein paar monaten und das würde ich immer wieder so machen, weil`s viele dinge stark vereinfacht, wenn man die sachen peu a peu nebenher mittrainiert. bei meiner hatte ich auch den vorteil, dass ich sie selber gezogen habe und die mama fast immer mit dabei war und sie sich auch einfach sehr viel abgeschaut hat - dadurch war die ausbildung und auch das einreiten eigentlich sehr unspektakulär. 
was ich im nachhinein gesehen sehr angenehm fand, war, dass man wirklich bei null ansetzen konnte und nicht bei manchen themen eine negative vorgeschichte aufarbeiten musste - zb. beim thema hufbearbeitung. da war`s bei der mama so, dass sie anfangs nur mit sedierung bearbeitet werden konnte, als sie zu mir kam. das war dann beim jungen pferd wirklich schön zu sehen, wie leicht die sich damit tun können, wenn sie fohlengerecht lernen können.
ich würde mein jungpferd immer wieder mittels +v ausbilden und bis jetzt (heuer wird sie 16) hab ich auch noch nix gefunden, wo ich mit dem clicker angestanden wäre.
Titel: Re: Das junge Pferd
Beitrag von: Ehemaliges Mitglied 1191 am 04. Februar 2020, 16:33:34
Mein "Kleiner" wird diesen Mai 5, kam aber als Absetzen mit gut 10Monaten zu mir.
Ich habe ihn auch direkt an das Clickern gewöhnt, aber er war auch etwas übereifrig/hapsig usw.
Wir haben dann erstmal viel Zeit mit ankommen im neuen Heim, der neuen Gruppe usw. verbracht und ich hab ihn wenig bis gar nicht mehr geclickert...aber trotzdem alles möglichst positiv und auf Neugierde hin gestaltet.
Richtig aktiv mit dem Clicker trainieren tun wir erst seit gut einem Jahr.

Im Nachhinein würde ich sagen, ich hätte ruhig zwischendrin spielerisch etwas mehr Grundlagentraining mit Clicker machen können, aber zu "Schäden" hat es auch nicht geführt. Jetzt ist er eifrig&motiviert und wir holen alles nach.

Mein Rat daher: Mach es so, wie es dein Bauchgefühl für richtig hält. Solange die Grundeinstellung positiv ist, kannst du nichts falsch/kaputt machen. ;-)
Titel: Re: Das junge Pferd
Beitrag von: Origanum am 19. März 2020, 16:18:02
Aus aktuellem Anlass: Wie geht ihr damit um, wenn beim Spazieren gehen das Gras viiiiel interessanter ist als alles andere?  :candy:
Titel: Re: Das junge Pferd
Beitrag von: Origanum am 19. März 2020, 16:39:45
Wir gehen ja über 1 h spazieren, auch allein. Da baue ich dann hier und da bestimmte Übungen ein und geh dann nach C+B einfach wieder eine ganze Weile weiter. Sie versteht es super.

Wow  :augenreib:  Spazieren gehen (und besonders alleine) findet das Pferdekind noch sehr aufregend. Wie hast du das denn mit deiner Stute aufgebaut?



JeyChey, auch 5 ist noch jung :nick:   Schön, dass ihr euren Weg gefunden habt.  :keks:  Zusehen lassen ist ein guter Tipp.



ich hab damals schon recht früh angefangen, sie mit  so sachen wie halfterführigkeit, gelände, sattel und anderen ausrüstungsgegenstände  vertraut zu machen, das kannte sie eigentlich alles schon mit ein paar monaten und das würde ich immer wieder so machen, weil`s viele dinge stark vereinfacht, wenn man die sachen peu a peu nebenher mittrainiert.
Das haben wir jetzt im Winter, wo andere Dinge sowieso nicht so möglich waren, tatsächlich auch schon begonnen. Sidepull und Kappzaum kennen lernen, Zügel und Handarbeitspositionen, Berührungen der Sattel- und Gurtlage. So ist das alles schon lange selbstverständlich, wenn es dann ans Reiten geht.  :)



Judith, das mit "zwischendurch mehr Grundlagentraining" geht sich im Alltag eh nicht immer aus, da hast du nicht viel verpasst   :pfeif:  Mal habe ich nicht viel Zeit, mal hat das Pferdekind keine Sprechstunde, mal muss dringend der Stall repariert werden (wer das wohl war?  :tap:) und und und  :lol:
Titel: Re: Das junge Pferd
Beitrag von: Hatschi am 19. März 2020, 20:02:55
Wir sind anfangs nur in Begleitung eines anderen Pferdes aus der Herde raus und haben die Zeit gesteigert. Dann bin ich einfach Minirunden allein raus. 10-15 Minuten. Immer die gleiche Runde, mal links, mal rechts rum. Dann mal eine andere Runde, die genauso lange  dauert. Und dann einfach mal die 2 Runden zusammen. Und ab da war auch meine Sicherheit so gefestigt, dass ich nicht mehr über die Strecke nachgedacht hab.

Und weiterhin bis heute schaffen wir es fast total regelmäßig einmal die Woche mit dem Begleitpferd neue Wege auszuprobieren. Ich hab auch sehr darauf geachtet, dass ich keine Wege gehe, die nicht schon einmal mit Begleipferd inspiziert wurden.  :cheese: Ach, und ich hab es bei allein Gängen davon abhängig gemacht, wie sie drauf ist. Rein das losgehen hab ich immer gemacht, damit das zur Routine wird. Egal ob Wind oder was auch immer, Hauptsache los und wenn's auch nur 5 min ist. Ich hab nur gelobt, wenn sie prustend an einem Ungeheuer vorbei ging, sondern immer wenn sie entspannt war. Sie hatte auch steigen, hüpfen und alles mögliche im Sinn. Am Anfang hatte ich echt Angst und war gar nicht mehr spazieren. Aber seit den festen Treffen mit Begleitung ging das weg, Vertrauen kam und mittlerweile geh ich einfach weiter, wenn sie ihre Lebenslustigkeit zeigt. Ist ja ein Pferdekind. Wie war das bei Kindern? Unerwünschtes Verhalten ignorieren  :lol:
Titel: Re: Das junge Pferd
Beitrag von: Ehemaliges Mitglied 1191 am 19. März 2020, 20:50:41
Aus aktuellem Anlass: Wie geht ihr damit um, wenn beim Spazieren gehen das Gras viiiiel interessanter ist als alles andere?  :candy:

Unterschiedlich. Manchmal nutze ich es und gebe kurz vorher das Signal zum Gras fressen. Denn wenn man ein paar Meter gut schafft und dann Gras als Belohnung kommt, ist das einfach genial. :-)
Manchmal sage ich aber auch bestimmt "nein" und zupfe ihn weiter (dann gibt's  :keks: fürs Weitergehen), denn ich möchte halt nicht zu jedem Grashalm gezogen werden.
Wir haben eine Recht gute Balance zwischen Belohnungsgras und Weitergehen und Keks-Belohnung gefunden. ;-)
Titel: Re: Das junge Pferd
Beitrag von: Ehemaliges Mitglied 1256 am 20. März 2020, 11:14:27
Aus aktuellem Anlass: Wie geht ihr damit um, wenn beim Spazieren gehen das Gras viiiiel interessanter ist als alles andere?  :candy:
Ich hab einen Deal mit meinen Shettys: Wenn ich stehenbleibe um am Handy zu fummeln oder mich mit jemanden unterhalte, der mir unterwegs begegnet ist, dann dürfen sie am Rand grasen - egal ob mit Kutsche, Sulky, Langzügel oder am Strick. Aber es wird ohne Gemecker weitergegangen, wenn wir weiter wollen und einfach so zum Gras ziehen ist auch nicht drin. Manchmal fragen sie noch nach ob sie den Meter jetzt rüber dürfen und das dürfen sie dann auch. Wenn wir aber grade jemanden ausweichen oder an einer Kreuzung warten müssen, dann wird nicht gefressen. Einfach konsequent drin sein, also bei menschlichem Pause machen (Unterhalten, Handy etc) darf gegrast werden, sonst nicht. Die haben den Unterschied sehr schnell raus. Das Reitpony in spe muss das noch lernen, er kriegt noch ein Kommando, wenn er darf.
Auch hilfreich: Dem Bedürfnis nach Gras nachkommen, wenn es geht. Also gezielt mal anhalten und 10min fressen lassen, wenn sie nicht raus auf eine Weide dürfen. ;)
Titel: Re: Das junge Pferd
Beitrag von: JeyChey am 21. März 2020, 23:21:34
Mein Schimmel findet grad, 12 ist auch noch jung. :cheese: Der ist grad kindischer als der Kleine...

Klarheit ist alles, egal bei welcher Frage. Dann sind auch Ausnahmen kein Todesurteil für den Anstand ;)

Mit beiden Ponys gilt, Fressen auf Signal ("Nimms" und zum Gras zeigen) ist ok. Fressen beim laufen ist auch ok, wenn sie dabei laufen und nicht langsamer werden. Schaffen sie nicht, also gibts es nicht.
Mit Schimmeli haben wir heute Trab-Halt geübt und dabei Bewegungsmuster verändert. Also hab ich versucht, ihn aus dem Rückwärts anzutraben und dann aus dem Trab das Fresssignal gegeben. Da konnte das Pony tatsächlich auf dem Hintern bremsen, sonst wärs umgefallen. Weiterlaufen war dann klasse, er gab sich auch richtig Mühe, weil es gab ja anschliessend ev wieder Gras. :lol:
Titel: Re: Das junge Pferd
Beitrag von: Ehemaliges Mitglied 1260 am 05. April 2020, 21:53:48
Falco wird jetzt 5 und beim Gras haben wir unsere Lösung gefunden : ich nutze einfach das Gras als Clickerleckli sobald ich merke dass es interessanter ist als alles andere! Da er ganzjährig draußen steht ist das nur Phasenweise der Fall Ich finde es eigentlich super praktisch!
Wir haben dafür ein anderes Problem Mr klebt an mir wie Pech, irgendwas machen wo verlangt wir dass er mehr als 1 m Abstand zu mir hat ist im Moment nicht möglich, da hilft gerade nicht mal mehr Gras als Leckerli >:(
Von einer Matte zur anderen? Hinterhand oder Vorhand verschieden wenn ich etwas mehr Abstand habe? NÖ er steht dann oder dreht und wendet sich bis er wieder in führpostion ist  :confused: Longieren geht nur mit Hilfsperson dir ihn raus führt, alles versuche es anders zu erarbeiten zb über pyloen Zirklen sind bis jetzt gescheitert, weil Mr sich dann nicht mehr bewegt ( ja stehbleiben kann er super auch ohne pöbelen)
Wir versuchen uns jetzt am targetstab  um etwas Distanz zubekommen
Titel: Re: Das junge Pferd
Beitrag von: Shotlandpony am 30. März 2022, 11:59:42
Dankes für`s Ausbuddeln, dann leg ich gleich mal los  :cheer:

Verkehrssicherheit ...

Tja – Wichtiges Thema, von mir sträflich vernachlässigt mit Jung-Nio. Einerseits, weil die Shettys quasi unerschütterlich sind und ich beim größten Monstertrecker nur aufpassen muss, dass sie ihre Hintern aus dem Weg nehmen. Mit ihnen muss ich Fahrzeugen nur minimalste Beachtung (passen wir da vorbei?) schenken.
Andererseits: Nio und ich hatten tatsächlich  bis vor kurzem keine Situation mit lauten/ großen Fahrzeugen, die nicht irgendwie und notfalls grade noch händelbar waren. Bis Herbst bin ich mit Nio meist abends los, wenn der Verkehr nur noch minimal war. Im Winter auf unseren Hauptstrecke kannten uns fast alle, die meisten wollten zur Reitanlage im Wald und nahmen Rücksicht.
Mir war schon bewusst, dass Fahrzeuge meinen sonst so mutigen Youngster nicht kalt lassen, aber dachte, Gewöhnung wird`s schon richten.
Und dann …. Im Märzen nicht nur der Bauer seine motorisierten Großraumtrecker anspannt, sondern auch alle Hobbygärtner, - bauer, - holzmacher usw. aus ihren Löchern kommen und mit Anhängern, Transportern und sprintermäßigen Fahrzeigen aller Art durch die Gegend düsen.

Wir haben nach 400 Metern auf dem Weg zum Wald ein echtes Bermuda-Dreieck: 5 Wege münden auf eine kleinen Grasplatz mit Bank. Auf mindestens einem der Wege ist immer wer unterwegs, meist auf mehreren. Direkt davor eine große uneingezäunte Grasfläche. Letzteres Jahr war`s da sehr kniffelig, die letzte Zeit ging`s aber eigentlich ganz gut.

Und dann nahm das Drama Anfang März seinen Lauf: dem ersten Güllemonster ausgewichen und auf eine fette Grasfläche rechts, die Nio als solche noch nicht kannte. Nase im Gras, Riesenschreck, als Monster auf unserer Höhe, wegspringen, ausrutschen und hinfallen, aufstehen und weiter grasen.
2 Tage später, selber Ort, selbes Monster (Maisfeld wohl nicht fertig begüllt), Nio sprang schon mal von selber auf das offene Grasfeld links, an dem wir bis dahin ganz gut vorbeigekommen sind. Wollte dann auch nicht mehr wirklich runter.

Nächster Ausflug: gleicher Ort, mal wieder Auslieferungsfahrer, die er schon vorher gruselig fand, Leute, Hunde, Pferde, Autos, losreißen und auf die Wiese, alles sehr unspaßig.

Bislang letzter Ausflug zum Bermuda-Dreieck am 23. März: :Plan meinerseits, gleich quasi den linken Schenkel am Knick nehmen und in die Wolfsschlucht wandern. Aktion Nio: an der Spitze des Dreickecks schlagartige Erinnerung, losreißen, ab auf`s Grasstück, bockend und keilend. Beim ersten Einfangversuch hab ich meiner noch lange nicht auskurierten Oberschenkelzerrung von Anfang März den Rest gegeben. Mehrere Versuche, ihn vom Gras zu kriegen, losreißen, bocken, letzte Chance mit Longe fiesestmöglich durch Halfter und um Nase gewickelt und es irgendwie auf die Straße geschafft. Dann standen wir dann, ich schwer lahm.
Zum Glück hatte meine an der Ecke wohnende Freundin das Desaster mitbekommen und eilte zur Hilfe.
Dank Intensivtrainings durch ihren sehr speziellen 750-Kilo-Tinker konnte sie Nio trotz seiner weiteren Losreißversuche halten, nicht zuletzt mittels Luftabschnürens. Wir sind dann noch auf ihren Grasplatz, auf dem im April auch wieder der Kurs stattfindet, und konnte dort noch ein paar erfolgreiche Runden mit Nio.
drehen, so dass das Ganze noch einen einigermaßen positiven Abschluß hatte.

Lerngeschenke hatte ich dann reichlich:

•   Gehe  körperlich angeschlagen nur mit Pferden los, die in jeder Situation eine Bank sind
•   Nio hat gelernt, was ich immer vermeiden wollte: dass und wie er sich losreißen kann – letztlich durch meine mangelnde Voraussicht
•   Futterbelohnung wirkt  unglaublich – leider auch dann, wenn das Ziel des Pferdes nicht dein eigenes ist. In äußerst wenigen kurzen Einheiten hat Nio gelernt, dass er sein Leben durch Eigeninitiative retten kann und dafür noch leckeres Gras rausspringt
•   Die Zerrung muss ausheilen
•   Zeit für intensives Verkehrssicherheitstraining

Titel: Re: Das junge Pferd
Beitrag von: Shotlandpony am 30. März 2022, 12:00:19
Möglicherweise zeigen sich auch da wieder Nios Wildpferdegene: Er ist sich sehr sicher, dass er auf sich selber aufpassen kann. Positiv äußerst sich das, wenn er Situationen in Ruhe prüft, bewertet und ggf. untersucht und dabei weder andere Pferde noch Menschen als Stütze braucht. Negativ, weil er in den seltenen Fällen, in denen das Ergebnis „lieber weg“ ist, auch das umsetzt, ohne irgendwen um Rat zu fragen. Da gibt`s kein Tänzeln und Prusten oder Erstarren und auch keine Nachfrage mehr, sondern nur Blitzstart.

Ich bin allerdings optimistisch, dass er das Ganze kontextbezogen auf dieses Dreieck gelernt hat. Das es jetzt also erstmal zu meiden gilt und erstmal viele Bonuspunkte anderweitig zu sammeln sind.
Doof ist nur, dass es immer durchquert werden muss, wenn wir in den Wald wollen.

Nach dem ersten Frust kam ich dann fix in den Plan-Modus: ganz klar ist, dass mangelnde Verkehrssicherheit äußerst übel enden kann für alle Beteiligten.

Zum Glück sind ringsherum viele nette Nachbarn, die unterschiedlich fiese Fahrzeuge haben und wohl gerne zur Unterstützung bereit stehen. Als da wären Quad, SUV, Anhänger verschiedenen Art und Größen (das Geklapper!!!), Sprinterformat, kleines Wohnmobil, Trecker, Bagger, Aufsatzrasenmäher. Mofa/ Moped/ Motorrad muss ich noch suchen. Da auch wir an einem Dreieck wohnen (3 Wege, mittendrin Scheune – prall gefüllt mit fiesen Fahrzeugen …), ist da rundlaufmässiges Üben möglich, weit offenes Koppeltor bietet große Sicherheit, dass Nio im Worst Case zurück in die Sicherheit flüchtet.
Flucht steht allerdings nicht wirklich  auf dem Plan.

Da auch Geräusche Nio erheblich suspekter sind als optische Wahrnehmungen, nutzte ich die nächste Tage, in dem das Bein nun mal richtig geschont werden wollte, um auf den guten alten Klappersack zurückzugreifen (zum Glück gab`s grad sehr reichhaltigen Bohneneintopf) und erst mal frei in unseren Trainings-Separee „Lärm light“ zu entgruseln. Auch immer schön nach dem Prinzip: Gefahr darf verfolgt werden. Da ging die Wandlung auch fix, leichtes zuppeln und vorsichtig Huf rauf geht schon gut, jedes erzielte Geräusch großzügig bekekst. Teil an der Strippe hinter mir herziehen, Folgen belohnen. Gestern ging „stehendes Pony“mit geschleiftem Sack umrunden“ und „Sack links und rechts neben Pony werfen“ schon ganz prächtig. An Nios Gesichtsausdruck „Hej, bin ich nicht gut, ich kann das ab!!!“ ist auch zu erkennen, dass er eben von der Grundstruktur absolut kein Schisser ist.
Nicht vergessen darf man natürlich, dass Pferde um Längen besser hören als Menschen (als ich Schwerhörige sowieso) und dass Lärm gar nicht zwingend beängstigend sein muss, aber auf jeden Fall unangenehm sein dürfte
Ein paar Tage vorher hatte ich schon mit so einer Pseudo-Geitner-Stange über den Rücken gelegt angefangen. Da schleift eine Seite eigentlich immer auf der Erde (Geräusch und Vibration) und war anfangs eine echte Herausforderung. Die Übung ist jeden Tag ein paar Minuten dran.

Titel: Re: Das junge Pferd
Beitrag von: Shotlandpony am 30. März 2022, 12:00:38
Ganz im Sinne des kleinschrittigen Vorgehens ist erstmal meine bessere Hälfte mit Turbo-Diesel-Audi Trainingspartner Nr. 1.
Beim ersten Anlauf Sonntag Abend (ein Lob auf die Sommerzeit!!!) zeigte sich sofort, dass das bisschen Gelassenheit, das Nio zumindest bei Pkws entwickelt hatte, auch erst mal Perdü war.
Beim Wenden ganz langsam frontal auf ihn zu war nur mit Müh und Not von weiter weg auszuhalten. Die Taktik der kleinen Schritte hilft aber ja immer (notfalls noch ein bisschen kleiner und noch kleiner …). In seinem Tempo ans stehende Auto ohne Motor an, rumgehen, schnüffeln, alles reichlich bekekst.
Die Art, wie Nio Futter von der Hand nimmt, ist ein klarer Grad für Stress oder Entspanntheit.
Dann Abstand nehmen, Auto wird angelassen, annähern, umrunden, schnuppern wiederholt. Kurzes Stück Auto den (schön knirschenden Kiesweg hoch), Nio darf verfolgen.
Dann Ende der Session, große Lobhudelei hinter geschlossenen Koppeltor, Feierabend.

Montag Tag 2 Audi: Nio flotten Schritts zum Koppeltor und schon deutlicher Fortschritt. Ums stehende Auto aus und an kein Problem, intensiveres Schnüffeln. Bevor das möglicherweise in den Beiß-Modus überging, sind wir zu „Verfolg das Auto!“ übergewechselt und da war Nio dann mit Enthusiasmus dabei. 2 Runden um die Scheune, dann noch ein paar kleine Rangiermanöver zum Anschauen und Anhören, alles deutlich entspannter, Feierabend.
Dienstag Tag 3: stehendes Auto mit immer mal kurz hochgefahrenem Motor. Kann schon schön laut sein. Nio geht in die typische Habt-acht!-Haltung: Gewicht nach hinten für ggf. zackig mögliche Flucht und Wendung auf der Hinterhand, gespannte Aufmerksamkeit. Mehrere Wiederholungen, ordentlich bekekst, enthusiastisch gelobt, zunehmend gefasster. Auto verfolgen ist super, da klebt er in flottem Schritt fast am Rücklicht. Neben Auto (ich dazwischen) dagegen sehr aufregend – erkennbar nicht zuletzt an der Art der Futteraufnahme. Auf diese Art 2 Runden, aufgepeppt durch 2 weitere Fremdautos und Nachbarn mit Hund. 10 – 15 Minuten alles in allem, schon deutlich am äußeren Rand der Lernzone, aber ebenso deutlich unterhalb Panikzone.

Nächste Unterziele mit Audi: Pony entspannt neben Auto. Auto überholt und lässt sich zurückfallen. Pony überholt. Auto hinter Pony. Auto kommt Pony entgegen, erst vorsichtig, dann schneller. Auto wird lauter (Bremsen auf Kies, Motor hochdrehen, Hupen).
Wenn mit Audi alles entspannt, nächsten Trainingspartner mit anderem Fahrzeug suchen 😊
Oder Jörg mit Quad … das lütte Teil treckert schon ziemlich fies.

Guter Nebeneffekt: Jörg bekommt einen Intensiv-Kurs Blickschulung Pony-Ausdruck 😊

An mir persönlich stelle ich fest, dass ich trotz des unschönen Mittwochs vor einer Woche, an dem ich mein Fohlen wirklich nicht wiedererkannt habe, kein Kopfkino der unerfreulichen Art (was hätte alles passieren können, Stacheldraht, andere Autos, umgerannte Spaziergänger, er wird sich immer losreißen, wenn ihm danach ist) habe.
Ich bin mir weiter sehr sicher: dieses Pony wird mal eine Bank. Er will sich wirklich alles aneignen, lernen, ausprobieren, erleben. Allein die Tatsache, dass er von Anfang nicht einmal nach anderen Pferden gejammert hat (die Pferde meiner Freundin tun dies seit Jahr und Tag, wann auch immer ihre beiden Kumpel unterwegs sind), wenn wir zu zweit losziehen, ist kaum zu bezahlen. Ansonsten sind jetzt Erfahrungen das allerwichtigste. Was er verstanden hat, ängstigt ihn nicht.

Klar ist: er muss im Denkmodus bleiben Er ist keiner, der sich fügt, aber einer, der gerne gemeinsam erobert. Und ein waches und aufmerksames Pony erfordert einen eben so wachen und präsenten Menschen …




Titel: Re: Das junge Pferd
Beitrag von: hyxc am 30. März 2022, 14:31:07
Ein Losreiss-Pony zu bekommen, möchte ich auch unbedingt vermeiden. Ich habe da ein „gutes“ Beispiel am Stall. Wir sind bis jetzt nicht weiter bis zum Übergang Hofausfahrt-Strasse gekommen, und mit Hin- und Hergehen jeweils ca. 10 m in jede Richtung. Der vorbeifahrende Verkehr, nur einzeln, und von mir am liebsten mit Abstand in der Hofeinfahrt oder hinter dem halb offenen Tor beguckt, hat sie bis jetzt kalt gelassen. Fassungslos ist sie immer, wenn wir aus dem Stall rauskommen Richtung Hofeinfahrt und sich was verändert hat: An dieser Stelle hat noch nie ein Auto geparkt, es war noch nie ein gelbes Auto da, ein Busch wurde abgesägt. Fassungslosigkeit äussert sich in Stehenbleiben und grosse Augen machen und schauen, schauen, schauen. Manchmal hilft ein tief gefüttertes Leckerli, sie aus dem Schauen rauszubekommen und auch gut zureden. Dann wird sich schrittweise, gegebenenfalls mit weiteren Pausen dem Objekt angenähert und es genau untersucht.

Den Plan mit Nio und die bisherigen Fortschritte hören sich prima an!
Titel: Re: Das junge Pferd
Beitrag von: noothe am 30. März 2022, 15:17:21
Den Punkt, dass Losreißen eine ernstzunehmende Verhaltensoption ist, hatte ich mit der Krümeline nach dem Krankenhaus. Das ist wirklich absolut nicht schön für alle Seiten :umfall:

Bei Alkmene, die oft echt super unerschrocken ist, tu ich mich auch immer noch ein bisschen schwer. Gestern hatten wir so eine Situation. Sie war allein am Anbinder und das Pferd auf dem Reitplatz bockte ein paarmal an der Longe los. Zusätzlich war hinter uns der Rasensprenger an, was schon immer zu etwas besorgten Schritten geführt hat. Also sind wir in der Nähe des Rasensprengers Grasen gegangen, was sie soweit auch gut und "entspannt" gemacht hat. Dachte ich zumindest. Bis ich sie am Widerrist berührt habe und plötzlich ein Hinterhuf geflogen kam (der zum Glück nur den Baum neben mir getroffen hat) und sie einen Sekundenbruchteil später am hintersten Ende des Stricks war.

Sie war also offensichtlich auch beim Grasen 100% auf den Rasenspränger und das ander Pferd fokussiert und die Anspannung hat sich bei meiner Berührung dann entladen. Ups...
Titel: Re: Das junge Pferd
Beitrag von: Romy am 30. März 2022, 15:55:25
Zum Thema Losreißen hat mir mein kleiner Araber Maymun etwas Spannendes beigebracht: dass unsere Lernaufgabe nicht ist, dass durch den Strick zu gehen unmöglich ist, sondern dass der Strick Bedeutung hat.

Ich hab Maymun damals als 1,5-Jährigen bekommen und wie bei allen meinen Pferden war klar, dass Spaziergänge nur am Halsring stattfinden (unsere Version ist ein flaches 8m Kletterseil mit Schlaufe am Kopfende). An Tag 3 nach der Ankunft wollte ich testen, ob und wie weit er mit mir alleine von der Herde weggehen möchte. Ich hab ihn also am Halsring aus der Koppel gelassen und bin mit ihm über eine Wiese gegangen (seine Initiative, weil am anderen Ende spannende Schafe waren). Nach ein paar Metern bemerkte er, dass die Herde nicht dabei ist. Er drehte sofort um, riss mir das Seil aus der Hand und galoppierte zurück. Ich hätte keine Chance gehabt, ihn zu halten. Das Ganze haben wir dann innerhalb der Koppel noch 2-3x probiert und jedes Mal war seine Reaktion die gleiche: sobald er zur Herde wollte, riss er sich einfach los und galoppierte da hin.

An diesem Tag hab ich dann innerhalb der Koppel erstmal ohne Seil weitergemacht und außerhalb der Koppel waren wir für die nächsten 1-2 Wochen nur noch in Begleitung von Pia, seiner Shetlandpony-Adoptivmama. Alleine rausgegangen sind wir danach Schrittchen für Schrittchen zum Grasen und dabei hab ich aufgepasst, immer wieder zurück zur Herde zu gehen, bevor er selbst die Idee hat. Das war am Anfang nach zwei Metern, dann nach fünf, und so weiter. Dieses Zickzack (Maymun will vor, Romy will zurück) führte dann dazu, dass er energischer und überzeugter nach vorn ging, anstatt dass ich ihn bitten oder gar überzeugen musste. Ich war der nach Hause drängende Faktor, den es zu überwinden galt (das ist ein generelles Prinzip in meiner Interaktion mit meinen Pferden).

Was ich aber eigentlich sagen wollte: Wir haben nie explizit geübt, dass sich Maymun an den Strick halten müsste. Das hat sich einfach so ergeben durch die vielen kleinen beiläufigen Interaktionen, die einfach passieren, wenn man täglich mit einem Pony und mir spazieren geht. Maymun wusste durch die Losreiss-Aktion ganz genau, dass ich ihn nicht halten kann. Und das darf er auch gern wissen. Ich selbst möchte auch gern wissen, dass ich im Notfall aus einer Situation herauskäme. Dennoch: Wenn er jetzt tatsächlich mal erschrickt und losspringt, rennt er eher in den Strick und galoppiert dann auf der Stelle als dass er mir den Strick aus der Hand zieht. Der Strick hat einfach ganz nebenbei Bedeutung erlangt.

Jetzt, anderthalb Jahre und mehr als 500 Spaziergänge später, kann ich Maymun von seinem Spazierengehverhalten kaum noch als Jungpferd ansehen. Ja, er ist in seinem Ausdruck noch sehr fohlig (er wird ja auch im Mai erst drei), aber er kennt einfach schon so viel. Deswegen freue ich mich riesig auf mein neues Jungpferd Aahnuu, das zu Ostern bei uns einzieht, kurz vor seinem ersten Geburtstag. Ich freue mich darauf, dass Maymun und ich ihm die Welt zeigen dürfen und bin gespannt wie sich das von den Erlebnissen der letzten anderthalb Jahre mit Maymun unterscheiden wird.

 
Titel: Re: Das junge Pferd
Beitrag von: noothe am 30. März 2022, 16:06:00
Oh Romy, das ist ja toll dass bei dir auch junges Leben dazu gekommen ist :herzbrille: Ist Aahnuu dann auch ein Araber? :love:

Für die Krümeline könnte man unseren Umgang wohl heute auch so beschreiben. Sie kann am Strick gehen oder angebunden sein, weil ich das nur in Situation von ihr fordere, wo sie es eh auch frei könnte. Und deswegen kann sie es auch tolerieren, wenn ich wirklich mal gegenhalte oder ziehe - weil was auch immer.

Etwas strengere Regeln gelten beim Griff ins Halfter, wobei auch da könnte ich sie natürlich nicht halten. Aber es ist eine Mischung aus positiv verknüpftem Targetverhalten (mehr oder weniger) und positiv aufgebautem Drucknachgeben.

Am Halsring raus gehen würde ich mich bei uns nicht trauen, da es vom Stall bis zur Autobahn nur eine sehr kurze Strecke ist und das im Fall eines Falles wohl keine Versicherung der Welt als verantwortungsvoll akzeptiert. Aber schön ist es, das finde ich auch immer bei Angela und ihrem Traberbuben so nett von außen.
Titel: Re: Das junge Pferd
Beitrag von: noothe am 30. März 2022, 16:44:53
Ich hab vom Januar noch ein Video gefunden, als Alkmene das erste Mal "ungesichert" (also ohne Strick) über den Reitplatz stromern durfte und sich die Spielzeugecke vorgenommen hat: https://youtu.be/ZMEB8irhOqg

Also von der Grundtendenz macht sie mal einen Satz mit 180 Grad Kehrtwendung, aber geht dann auch schon wieder sehr aktiv und direkt nach vorne. Da haben wir dann so unsere anderen Baustellen mit Bedrängen und so - für mich auf jeden Fall sehr spannend, weil die Krümeline ja eher ein "Hauptsache erstmal weg" Typ ist.
Titel: Re: Das junge Pferd
Beitrag von: Romy am 30. März 2022, 19:47:27
Oh Romy, das ist ja toll dass bei dir auch junges Leben dazu gekommen ist :herzbrille: Ist Aahnuu dann auch ein Araber? :love:

Ja, wieder ein Araber. Hier ist ein Fohlenfoto vom letzten Sommer - aktuelle Fotos folgen dann, wenn er da ist.

(https://live.staticflickr.com/65535/51921284126_434542f7c7_z.jpg)

Zum Thema Halsring und Sicherheit: Als ich damals 2007 anfing, alles nur noch mit Halsring zu machen, hab ich das vor allem für die Pferde gemacht und dachte dafür würde ich eben kleine Abstriche bei der Sicherheit in Kauf nehmen. Heute mache ich es unter anderem auch aus Gründen der Sicherheit. Ich kriege es einfach mit Halfter nicht hin, so achtsam, kommunikativ und mit meinem Pferd in Kontakt zu bleiben wie mit Halsring. Sobald das nicht nötig ist (weil ja ein Halfter da ist) werde ich nachlässig und fange an, das Pferd zu ignorieren - also natürlich nicht komplett, aber auf einer bestimmten Kommunikationsebene. Liegt nicht am Equipment per se, sondern an mir. Aber das passiert mir trotz besseren Wissens sobald ich ein Halfter dran habe und deswegen fühlt sich der Halsring für mich wie die sicherere Variante an. :)
Titel: Re: Das junge Pferd
Beitrag von: noothe am 30. März 2022, 19:57:31
Jööööööö, was für ein unfassbar hübscher und niedlicher Knopf  :huepfherz:

Das ist total spannend :) Persönlich fühle ich mich übrigens frei auch am sichersten, auch beim Anreiten damals ohne Sattel und Co. Ich hab es bei der Krümeline ein paar Mal versucht, sie am Halsring zu führen und ganz schnell festgestellt, dass wir da Lücken in der Kommunikation haben :pfeif:

Ich erinnere mich noch daran, als die Jungpferde damals mit Trense zur Sommerweide geführt werden sollten, weil der Stall sonst ein Haftungsproblem bekommt. Wir konnten uns dann nach langer Diskussion zähneknirschend auf einen Kappzaum einigen, da "Händelbarkeit bei einem aufregenden langen Weg im Straßenverkehr" in meinen Augen definitiv der schlechtest mögliche Grund war, das Gebiss zu trainieren.

In die Richtung gingen meine Gedanken eher. Was hätte vor Gericht Bestand im Fall eines Falles (Pferd auf der Autobahn).

Aber ich weiß auch noch gar nicht, wie ich das mit dem Schimmelchen alles so machen will. Mit der Krümeline ging es ja permanent darum: "Was braucht sie, um in einem Pensionsstall so stress- und risikofrei wie möglich zu leben." Und dadurch haben wir sehr viele Dinge vor allem mit dem Fokus trainiert, dass sie reagiert wie ein "normal" ausgebildetes Pferd.

Wir haben uns ja auch schon öfter über den unterschiedlichen Umgang mit Pferden ausgetauscht und grade euer bedingungsloses gemeinsames Sein, das versuche ich immer wieder auch für mich mitzunehmen in den Stall.
Titel: Re: Das junge Pferd
Beitrag von: Shotlandpony am 31. März 2022, 11:43:30
Interessante Beiträge  :)
Und schön, dass hier ja doch eine mit Jungpferden dabei sind.

Für mich ist auch klar: gutes Verhältnis und Ausbildung sorgen dafür, dass man zusammenbleibt, nicht die Ausrüstung.
"Normal" ist zwischen Nio und mir der Strick eigentlich auch nicht vorhanden. Wir haben uns schon das eine oder andere Mal verloren, wenn er sich erschreckt hat. Ich hab ihn meist losgelassen, ohne groß zu ziehen und er kam entweder fix von selber zurück oder hat auf mich gewartet.
Deshalb hat mich die Aktion auch so kalt erwischt, obwohl im Nachhinein absolut erklärbar.

Da legen wir jetzt erstmal andere Aktivitäten drüber, Verkehrstraining, in das Wäldchen direkt hinter der Koppel und zur Vorbereitung auf den Kurs auf den Platz meiner Freundin.
Und irgendwann, wenn ich meine, nun kriegen wir es hin, mit Plan und voller Aufmerksamkeit wieder zum Bermuda-Dreieck
Titel: Re: Das junge Pferd
Beitrag von: JeyChey am 31. März 2022, 11:54:19
Mit meinem Kleinen hab ich zu Beginn nur frei was gemacht, weil er mit Strick dran einfach überfordert war. Da konnte er nicht mitlaufen, er war völlig blockiert. Er hat also zuerst das Handtarget gelernt und nach und nach den Strick ans Halfter gekriegt.
Noch heute ist seine Reaktion eher, dass er nicht mehr läuft, als zu schnell.
Zum Stall zurück ist entsprechend anstrengend, weil er das unnötig findet :lol:

Zum Kontrast hab ich seine ebenfalls fast 3jährige Cousine hier, bei der ist der Strick eher Sicherheit. Sie ist viel konzentrierter und ruhiger mit Strick am Halfter. Aber - sie wär auch eher der Typ, der sich dann losreisst. Hat sie noch nicht, ich versuche solche Situationen zu vermeiden. (Mit Vorarbeit)
Ein Losreisser/Durchgänger reicht mir. Und der ist mittlerweile zum Glück geerdeter…

Ich finde es eher schwierig, nun mit dem Stillstehen umzugehen. Mit dem „eiligen“ habe ich genug Übung^^
Titel: Re: Das junge Pferd
Beitrag von: Shotlandpony am 31. März 2022, 12:04:27
Tine, hinsichtlich der aufdringlichen Jährlinge bzw. Jungpferde allgemein (irgendwo anders schriebst du was dazu): Bei Nio hat ein Tipp von Elsa Sinclair sehr geholfen (gezeigt hatte ihn mir zuerst auch die Trust-Technique-Erklärerin): Pferd im Vorbeigehen an der Seite bis zur Kruppe mit der Hand abstreichen und dabei nach hinten weggehen und was anderes machen. Berührungen mal Maul möglichst vermeiden, von wegen Spiel-Button.

Quasi als Mitteilung „Danke für dein Gesprächsangebot, aber ich möchte grade nicht“. Ggf. am Anfang wiederholen und konsequent dabei sein (da hab ich ja durchaus noch Luft nach oben). Hat Nio schnell begriffen. Ist eigentlich, wenn ich jetzt drüber nachdenke, inzwischen nur noch ganz selten nötig, meist ist der Abstand zwischen uns wirklich sehr angenehm.

Titel: Re: Das junge Pferd
Beitrag von: noothe am 31. März 2022, 12:45:45
Ja danke, das hattest du bei mir im Tagebuch schon mal geschrieben :hug:

Ich hab da so ein bisschen Probleme damit, Grenzen ziehen und (non)verbal kommunizieren zu können. Ganz unabhängig von den Pferde, mit Menschen ist das noch schlimmer. Aber ich übe mich!

Übrigens hab ich das Thema mit der Krümeline und Alkmene ja auch. Aber wir werden als Team immer besser in der Kommunikation, wer jetzt gemeint ist und wer einfach weiter an der Heuraufe stehen kann. Die falsche zu lange anzugucken ist auf jeden Fall nicht so hilfreich :kicher: Aber mit Bogen laufen, körpersprachlich abwenden und mal kurz hin nicken "ich hab dich gesehen, aber ich mein die andere" geht es ganz gut.

Aber mit fremden Pferden............ :umfall:
Titel: Re: Das junge Pferd
Beitrag von: Shotlandpony am 01. April 2022, 11:14:39
Hab ich, stimmt, hüstel - man wird nicht jünger  :roll:

Mit der Abgrenzgeschichte hab ich auch zu tun, Besserung kommt jetzt langsam in Fahrt.
Noch mühsamer ist, den an-die-Nase-grabbel-Reflex zu bezähmen, wenn Pony schon damit Kontakt aufgenommen hat. Bei Stuten vielleicht nicht ganz so folgenreich, aber Wallache fassen das ja oft freudig so auf, dass man ihre Spieleinladung angenommen hat.
Titel: Re: Das junge Pferd
Beitrag von: Romy am 02. April 2022, 21:10:54
Ein wichtiger Schritt in Maymuns Entwicklung vom Jungpferd zum großen Pferd - im Sinne von mehr Selbständigkeit - kam durch die Spaziergänge mit Summy zustande.

Als Maymun hier ankam war er eher ängstlich, sehr unselbständig und hat sich am liebsten von mir führen lassen. Ich gebe den Pferden gern so viel Führung wie sie für nötig halten und lasse sie so frei wie möglich. Wenn das Pferd eine eigene Idee hat oder sich eine Richtung aussucht, gehe ich mit dieser Idee mit wann immer es geht. Auf diese Weise wurde Maymun in seinem ersten Jahr hier schon von ganz allein viel selbständiger und entscheidungsfreudiger. Ein großer Sprung kam aber diesen Winter als wir anfingen, zusammen mit meinem alten und manchmal ziemlich garstigen Summy rauszugehen. Die Situation mit Summy ist, dass er manchmal wie aus dem Nichts heraus unheimlich aggressiv zum anderen Pferd wird. Nicht zu den Ponys, aber die Araber machen ihn manchmal echt sauer - sogar Titum mit dem er 18,5 Jahre zusammengelebt hat (bevor ich Titum diesen Januar einschläfern lassen habe). In diesen Situationen ist es als ob eine Sicherung durchbrennt und dann darf das andere Pferd nicht auf drei Meter an Summy ran.

Für Maymun hieß das, dass wir lernen mussten, dass Maymun in mehreren Metern Abstand vor uns läuft, in dieser Position in allen Lebenslagen selbständig agieren kann und gleichzeitig immer ansprechbar bleibt. Zur Ansprechbarkeit und Kommunikation auf Distanz kann ich gern später mal was schreiben falls es von Interesse ist, hier in diesem Beitrag konzentriere ich mich auf die Selbständigkeit.

Spannend für mich war nämlich, dass das für Maymun gar nicht so schwierig schien wie ich es mir vorgestellt hatte. Normalerweise fragt er oft bei mir nach, möchte entweder irgendwas mit mir machen oder sich rückversichern, dass alles okay ist. Durch die Summy-Situation hingegen schien es für ihn ganz natürlich, dass er die Führung übernimmt und wir ihm folgen. Jetzt habe ich also ein Fohli (so heißt er immer noch obwohl er inzwischen schon fast drei ist) das komplette Spaziergänge alleine gestaltet, es sei denn ich lege ein Veto ein. Ansonsten sucht er uns den Weg durch den Wald und bringt uns nach 1-2 Stunden wieder nach Hause. Wenn der Weg durch einen umgestürzten Baum versperrt ist, biegt er selbständig in den Wald ab, sucht uns einen gangbaren Pfad aus und navigiert uns so durchs Gebüsch dass wir irgendwann wieder auf dem Weg rauskommen. Wenn er etwas gefährlich findet, hält er kurz inne, sieht es sich an und geht dann weiter. Nur wenn es wirklich zu gruselig ist dreht er um, steht dann frontal vor mir und scheint nach meiner Einschätzung zu fragen. Generell ist er aber gruseligen Dingen gegenüber viel aufgeschlossener als wenn er nicht unser Anführer ist.

Insgesamt haben mir die Erlebnisse auf diesen Spaziergängen folgendes gezeigt: Manchmal ist es von Vorteil, wenn die Situation es einfach notwendig macht, dass das Fohlen erwachsen wird. So schön es ist, meinen kleinen Spatz an die Hand zu nehmen und ihm vorsichtig und häppchenweise zu mehr Selbständigkeit zu verhelfen - der wirkliche Sprung kam in dem Moment in dem der Kontext es einfach ganz natürlich erforderte, anstatt dass es eine von mir herbeigeführte, künstliche Trainingssituation war. Solche kontextbezogenen Anforderungen (oder affordances) sind ein Thema, das mir im Umgang mit meinen Pferden über die Jahre schon immer mal untergekommen ist, aber dennoch begeistert es mich immer wieder welchen großen Einfluss das hat.
Titel: Re: Das junge Pferd
Beitrag von: noothe am 02. April 2022, 21:28:35
Das ist super spannend und mir mit der Krümeline über die Jahre auch immer wieder passiert. Wenn es WIRKLICH wichtig ist, dann ist sie extrem zuverlässig und tapfer und mutig. Als ob sie sich dann ganz besonders konzentriert...
Titel: Re: Das junge Pferd
Beitrag von: hyxc am 02. April 2022, 22:21:13
Hallo Romy, wie schön, mal wieder ausführlicher was von dir zu lesen. Gerne mehr davon  :)

Mit Dásemd bin ja noch nicht weit gekommen. Meine Idee war eigentlich, die Strasse nach rechts Richtung Longierzirkel ins Dorf rein zu erobern (nicht so gut einsehbar wegen Kurven, aber mir ein paar Hofeinfahrten, um Verkehr auszuweichen), aber Dásemd will lieber nach links (gerade Strasse, man sieht nach einigen Häusern das freie Feld, Hofeinfahrten in grösseren Abständen), so dass ich sie wohl wählen lasse, angeregt von dem, was du geschrieben hast, so als letzter Anstupser in meinen Überlegungen. Gerade gehen wir nur höchstens bis zum Ende des Nachbargrundstücks und da ist sie dann schon etwas aufgeregter, also direkt wieder zurück, durchschnaufen und schauen, ob sie nochmal gehen mag.
Titel: Re: Das junge Pferd
Beitrag von: Ruth am 04. April 2022, 20:31:53
Ein wichtiger Schritt in Maymuns Entwicklung vom Jungpferd zum großen Pferd - im Sinne von mehr Selbständigkeit - kam durch die Spaziergänge mit Summy zustande.

Als Maymun hier ankam war er eher ängstlich, sehr unselbständig und hat sich am liebsten von mir führen lassen. Ich gebe den Pferden gern so viel Führung wie sie für nötig halten und lasse sie so frei wie möglich. Wenn das Pferd eine eigene Idee hat oder sich eine Richtung aussucht, gehe ich mit dieser Idee mit wann immer es geht. Auf diese Weise wurde Maymun in seinem ersten Jahr hier schon von ganz allein viel selbständiger und entscheidungsfreudiger. Ein großer Sprung kam aber diesen Winter als wir anfingen, zusammen mit meinem alten und manchmal ziemlich garstigen Summy rauszugehen. Die Situation mit Summy ist, dass er manchmal wie aus dem Nichts heraus unheimlich aggressiv zum anderen Pferd wird. Nicht zu den Ponys, aber die Araber machen ihn manchmal echt sauer - sogar Titum mit dem er 18,5 Jahre zusammengelebt hat (bevor ich Titum diesen Januar einschläfern lassen habe). In diesen Situationen ist es als ob eine Sicherung durchbrennt und dann darf das andere Pferd nicht auf drei Meter an Summy ran.

Für Maymun hieß das, dass wir lernen mussten, dass Maymun in mehreren Metern Abstand vor uns läuft, in dieser Position in allen Lebenslagen selbständig agieren kann und gleichzeitig immer ansprechbar bleibt. Zur Ansprechbarkeit und Kommunikation auf Distanz kann ich gern später mal was schreiben falls es von Interesse ist, hier in diesem Beitrag konzentriere ich mich auf die Selbständigkeit.

Spannend für mich war nämlich, dass das für Maymun gar nicht so schwierig schien wie ich es mir vorgestellt hatte. Normalerweise fragt er oft bei mir nach, möchte entweder irgendwas mit mir machen oder sich rückversichern, dass alles okay ist. Durch die Summy-Situation hingegen schien es für ihn ganz natürlich, dass er die Führung übernimmt und wir ihm folgen. Jetzt habe ich also ein Fohli (so heißt er immer noch obwohl er inzwischen schon fast drei ist) das komplette Spaziergänge alleine gestaltet, es sei denn ich lege ein Veto ein. Ansonsten sucht er uns den Weg durch den Wald und bringt uns nach 1-2 Stunden wieder nach Hause. Wenn der Weg durch einen umgestürzten Baum versperrt ist, biegt er selbständig in den Wald ab, sucht uns einen gangbaren Pfad aus und navigiert uns so durchs Gebüsch dass wir irgendwann wieder auf dem Weg rauskommen. Wenn er etwas gefährlich findet, hält er kurz inne, sieht es sich an und geht dann weiter. Nur wenn es wirklich zu gruselig ist dreht er um, steht dann frontal vor mir und scheint nach meiner Einschätzung zu fragen. Generell ist er aber gruseligen Dingen gegenüber viel aufgeschlossener als wenn er nicht unser Anführer ist.

Insgesamt haben mir die Erlebnisse auf diesen Spaziergängen folgendes gezeigt: Manchmal ist es von Vorteil, wenn die Situation es einfach notwendig macht, dass das Fohlen erwachsen wird. So schön es ist, meinen kleinen Spatz an die Hand zu nehmen und ihm vorsichtig und häppchenweise zu mehr Selbständigkeit zu verhelfen - der wirkliche Sprung kam in dem Moment in dem der Kontext es einfach ganz natürlich erforderte, anstatt dass es eine von mir herbeigeführte, künstliche Trainingssituation war. Solche kontextbezogenen Anforderungen (oder affordances) sind ein Thema, das mir im Umgang mit meinen Pferden über die Jahre schon immer mal untergekommen ist, aber dennoch begeistert es mich immer wieder welchen großen Einfluss das hat.

Hallo Romy, ich bin auch ein jahrelanger Spaziergänger mit Pferd. Anfangs (2003), als ich mir das reiten auf Cilla noch nicht so zutraute, immer wieder zwischendurch und jetzt wieder mehr, weil Cilla in diesem Jahr 22 wird. Ich habe regelmäßig "Versuche" angestellt, Cilla ganz vom Strick zu lassen und sie frei mitlaufen zu lassen. Ganz, ganz selten ist sie mal durch Insekten oder ähnliches in Stress geraten und bis nach Hause galoppiert. Sie sucht übrigens auch um umgestürzte Bäume herum einen Weg und findet ihn auch. Allerdings "verliere" ich sie zu 99%, wenn wir an grasigen Stellen vorbei kommen. Das heißt, ich muss sie dann wieder an den Strick nehmen. Wenn sie ein Ziel hat (eine Grasfläche in der Nähe kennt), bin ich auch nicht sicher, ob sie darauf achtet, dass ich mitkomme.
https://youtu.be/0JQ_f3E2CWw
Ist das bei Maymun anders?
Titel: Re: Das junge Pferd
Beitrag von: Romy am 04. April 2022, 20:50:13
Allerdings "verliere" ich sie zu 99%, wenn wir an grasigen Stellen vorbei kommen. Das heißt, ich muss sie dann wieder an den Strick nehmen. Wenn sie ein Ziel hat (eine Grasfläche in der Nähe kennt), bin ich auch nicht sicher, ob sie darauf achtet, dass ich mitkomme.
https://youtu.be/0JQ_f3E2CWw
Ist das bei Maymun anders?

Gras auf Spaziergängen ist bei uns eine der beiden Situationen in denen die Regel gilt, dass das Pferd im Zweifelsfall auf mich hören MUSS und ich dazu auch negative Verstärkung verwende, wenn nötig. Das heißt wir haben den Umgang mit Gras nicht komplett positiv aufgebaut. Ich beschreibe es trotzdem mal.

Maymun darf auf Spaziergängen immer essen solange er weiter mitkommt (es sei denn ich erteile ein allgemeines Fohlen-Fressverbot, zum Beispiel wenn die Felder frisch gespritzt sind). Ich laufe also bis ans Ende des Stricks und wenn er nicht von selbst irgendwann aufhört zu fressen, rufe ich ihn. Wenn er sich nach 1-3x Rufen nicht bewegt, hebe ich einen Krümel Erde, einen Tannenzapfen oder ähnliches vom Boden auf. Wenn er sich immer noch nicht bewegt, deute ich an, das Ding zu werfen. Wenn er sich immer noch nicht bewegt, werfe ich. Meist treffe ich nicht, aber manchmal schon. Das heißt er weiß, dass es im Zweifelsfall unangenehm werden kann, wenn er mich wiederholt ignoriert.

Am Anfang hatte ich deswegen ein echt schlechtes Gewissen - armes Pferdekind! Nach kurzer Zeit wurde aber klar was für einen positiven Effekt das auf die Stimmung während unserer Spaziergänge hatte. Vorher hab ich Grasen verhindert, indem ich seine Aufmerksamkeit an mich gebunden habe und dafür belohnt habe, entweder mit Gras oder mit Leckerlis. Das hat funktioniert, aber oft war das Fohli genervt, weil er eben doch oft nicht fressen konnte wenn er es wollte. Seit wir die "friss immer, aber komm wenn ich rufe" Technik verwenden, frisst er ständig, trabt dann aber meist von selbst an, rennt bis zu mir oder an mir vorbei, frisst wieder... Spaziergänge sind plötzlich total locker-leicht, mit einem fröhlich interessierten Maymun, der von Grasstelle zu Grasstelle rennt, aber der gleichzeitig ganz easy und scheinbar gerne zu mir kommt und Graspausen macht, wenn ich ihn frage.

Wie in so vielen Situationen gilt: seit Gras nicht mehr knapp ist und er es immer haben kann, ist er kein Gras-Hai mehr, sondern kann locker und entspannt damit umgehen.

Titel: Re: Das junge Pferd
Beitrag von: Shotlandpony am 05. April 2022, 15:19:04
Schöne Taktik - sowas funktioniert sicher am besten, wenn Gras für Pferde sonst keine Mangelware ist und zuhause genug zur Verfügung. Muss mal meine Werf-Künste austesten  ;)

Die Sache mit dem Mampfen unterwegs ist bei meinen Jungs unterschiedlich. Jetzt im Frühjahr wächst unterwegs natürlich schon deutlich mehr und leckeres am Wegesrand als auf der Koppel.
Meine Shettis laufen auch überwiegend frei.
Cello hole ich meist direkt von der Koppel zum Ausflug, insofern ist der Grünzeug-Janker nicht sooo ausgeprägt. Onki darf im Frühjahr höchstens ganz kurz Gras, ist aber zum Glück auch nicht so verfressen.
Da Nio vor unseren Runden immer Stunden auf Koppel war, hatte ich bisher damit auch noch keine Probleme.
Das kann im Frühjahr natürlich anders werden, da muss ich mich taktisch schon vorbereiten und lese also mit Interesse eure Ideen.

Das wird ja je nach Pferd wohl auf sehr unterschiedliche Weise funktionieren. Mein Ideal ist wie Romys: Pony nimmt immer mal was mit, wenn ihm danach ist, bleibt aber in Bewegung, also völlig unauffällig. Bei mir jedenfalls-  es sollen ja alle Spaß haben zusammen unterwegs.
Mein erstes Shetti hatte das perfektioniert. Als Handpferd lief er vor, rupfte beim zurückfallen lassen, holte wieder auf – ohne dass ich nennenswert was an der Longe gemerkt hätte. Problem ist ja eher nicht das Fressen an sich, sondern das anhalten, stehenbleiben  und aus-dem-Fluß-kommen.

Bei anderen Vertretern ist vielleicht die Chi-Horsing-Variante geeignet: an kritischen Stellen maximal präsent sein und sofort, wenn das Pferd auch nur Richtung Gras denkt, „Nein, jetzt bitte nicht“ zu antworten. Wenn Nase im Gras oder auch nur Zug auf Strick, hat man seine Chance erstmal versemmelt. Da ist das weitere Vorgehen dann: erst mal fressen lassen, bis Pferd vergessen hat, wie es dazu gekommen ist und dann geordneter und vorher durchdachter Abmarsch.
Aber auch immer mal erlaubte Graspausen an geeigneten einzubauen mit vereinbartem Signal, wann es weitergeht.

Brauchen aber sicher nicht alle Pferde. Meine Stute war auch nicht verfressen und wollte unterwegs sein, nicht mampfen.

Clicker-Varianten wären mir zu anstrengend. Wir wollen ja Strecke zurücklegen, also sag ich lieber mal „Nein“. Dafür haben sie ne Menge andere Freiheiten.

Mitnehmbares Futter, dass attraktiver als frisches Grünzeug ist, wüsste ich auch so nicht bzw. ist dann mit Sicherheit nichts, was man guten Futterverwertern oder Rehekandidaten in größeren Mengen spendieren sollte.
Titel: Re: Das junge Pferd
Beitrag von: Shotlandpony am 05. April 2022, 15:20:34
"Zur Ansprechbarkeit und Kommunikation auf Distanz kann ich gern später mal was schreiben falls es von Interesse ist"

Dazu würde ich gerne mehr erfahren, ist ja auch unser Thema  :)
Titel: Re: Das junge Pferd
Beitrag von: Ruth am 10. April 2022, 21:05:56
Allerdings "verliere" ich sie zu 99%, wenn wir an grasigen Stellen vorbei kommen. Das heißt, ich muss sie dann wieder an den Strick nehmen. Wenn sie ein Ziel hat (eine Grasfläche in der Nähe kennt), bin ich auch nicht sicher, ob sie darauf achtet, dass ich mitkomme.
https://youtu.be/0JQ_f3E2CWw
Ist das bei Maymun anders?

Gras auf Spaziergängen ist bei uns eine der beiden Situationen in denen die Regel gilt, dass das Pferd im Zweifelsfall auf mich hören MUSS und ich dazu auch negative Verstärkung verwende, wenn nötig. Das heißt wir haben den Umgang mit Gras nicht komplett positiv aufgebaut. Ich beschreibe es trotzdem mal.

Maymun darf auf Spaziergängen immer essen solange er weiter mitkommt (es sei denn ich erteile ein allgemeines Fohlen-Fressverbot, zum Beispiel wenn die Felder frisch gespritzt sind). Ich laufe also bis ans Ende des Stricks und wenn er nicht von selbst irgendwann aufhört zu fressen, rufe ich ihn. Wenn er sich nach 1-3x Rufen nicht bewegt, hebe ich einen Krümel Erde, einen Tannenzapfen oder ähnliches vom Boden auf. Wenn er sich immer noch nicht bewegt, deute ich an, das Ding zu werfen. Wenn er sich immer noch nicht bewegt, werfe ich. Meist treffe ich nicht, aber manchmal schon. Das heißt er weiß, dass es im Zweifelsfall unangenehm werden kann, wenn er mich wiederholt ignoriert.

Am Anfang hatte ich deswegen ein echt schlechtes Gewissen - armes Pferdekind! Nach kurzer Zeit wurde aber klar was für einen positiven Effekt das auf die Stimmung während unserer Spaziergänge hatte. Vorher hab ich Grasen verhindert, indem ich seine Aufmerksamkeit an mich gebunden habe und dafür belohnt habe, entweder mit Gras oder mit Leckerlis. Das hat funktioniert, aber oft war das Fohli genervt, weil er eben doch oft nicht fressen konnte wenn er es wollte. Seit wir die "friss immer, aber komm wenn ich rufe" Technik verwenden, frisst er ständig, trabt dann aber meist von selbst an, rennt bis zu mir oder an mir vorbei, frisst wieder... Spaziergänge sind plötzlich total locker-leicht, mit einem fröhlich interessierten Maymun, der von Grasstelle zu Grasstelle rennt, aber der gleichzeitig ganz easy und scheinbar gerne zu mir kommt und Graspausen macht, wenn ich ihn frage.

Wie in so vielen Situationen gilt: seit Gras nicht mehr knapp ist und er es immer haben kann, ist er kein Gras-Hai mehr, sondern kann locker und entspannt damit umgehen.

Ah, interessante Methode! Blumen pflücken während der Fahrt erlaubt  :cheer: Ich hatte dich schon um den Wald ohne Gras beneidet (so klang es für mich erst). - Ja, das Aufmerksamkeit an sich binden, ist schnell anstrengend, wenn man länger unterwegs ist. Ich wäre gern mal auf euren Spaziergängen dabei. Um zwei Uhr nachts durch Dresden, oder wie war das? :abdues:
Titel: Re: Das junge Pferd
Beitrag von: Romy am 10. April 2022, 22:18:56
Ah, interessante Methode! Blumen pflücken während der Fahrt erlaubt  :cheer: Ich hatte dich schon um den Wald ohne Gras beneidet (so klang es für mich erst).

Das ist bei uns ein Unterschied zwischen Sommer- und Winterkoppeln. Winter: Wald ohne Wiese, aber mit typischen Wald-Grasbüscheln und Lichtungen. Sommer: Wiese, Wiese, Wiese... und ab und zu ein bisschen Wald. Den Umgang mit Gras finde ich im Sommer aber deutlich leichter. Je mehr Gras verfügbar ist, desto weniger scheint es wert zu sein. Das aber wie gesagt erst seit Fressen generell erlaubt ist (solange das Pferd weiterläuft), vorher mit der Aufmerksamkeits-Methode war es umgekehrt und es war umso schwerer, je mehr Gras da war.

Ich wäre gern mal auf euren Spaziergängen dabei.

Sehr gern, wir freuen uns immer über Besuch. Generell überlege ich oft wie ich die Freude und Leichtigkeit die wir auf unseren Spaziergängen mit Pferden haben teilen kann. Ich lerne dabei so viel und hab oft das Gefühl, dass es nicht fair ist, das nur für mich und die paar Kinder zu behalten. :-)
Titel: Re: Das junge Pferd
Beitrag von: Ruth am 19. April 2022, 21:09:17
Hallo Romy, wie schön, mal wieder ausführlicher was von dir zu lesen. Gerne mehr davon  :)

Mit Dásemd bin ja noch nicht weit gekommen. Meine Idee war eigentlich, die Strasse nach rechts Richtung Longierzirkel ins Dorf rein zu erobern (nicht so gut einsehbar wegen Kurven, aber mir ein paar Hofeinfahrten, um Verkehr auszuweichen), aber Dásemd will lieber nach links (gerade Strasse, man sieht nach einigen Häusern das freie Feld, Hofeinfahrten in grösseren Abständen), so dass ich sie wohl wählen lasse, angeregt von dem, was du geschrieben hast, so als letzter Anstupser in meinen Überlegungen. Gerade gehen wir nur höchstens bis zum Ende des Nachbargrundstücks und da ist sie dann schon etwas aufgeregter, also direkt wieder zurück, durchschnaufen und schauen, ob sie nochmal gehen mag.

Hi Katja, das Bild von Dásemd (und dir) an der Straße hat mich jetzt lange begleitet. (Mir fiel sogar Stella ein.) Zufällig habe ich gerade was über die Wahrnehmungstheorie von James Gibson gehört/gesehen. Er hat den Begriff "affordances" geschaffen, das sind Objekte, mit denen man bestimmte Aktionen durchführen kann. Öh, hört sich kompliziert an. Zum Beispiel nimmst du einen Stuhl wahr und weißt, dass du dich drauf setzen kannst. Oder ein Clickerpferd sieht eine Matte oder ein Podest und weiß, dass es sich mit den Vorderbeinen darauf stellen kann. Oder es sieht Gras und weiß, dass es das fressen kann.

Wenn Dásemd da an der Straße steht, sieht sie womöglich kein Objekt, mit dem sie interagieren könnte, einfach, weil ihr Aktionsradius noch so klein ist. Wie soll sie denn an diesen uninteressanten oder vielleicht sogar gefährlich anmutenden Dingen  aus eigenem Antrieb vorbei kommen? 

Es wäre einfacher, wenn sie schon geclickert würde und Sachen, wie Target, Gullideckel, Plane o.äh. positive Bedeutung für sie hätten. Oder wenn Hylling (von einer anderen Person geführt) die Führung übernimmt und Dásemd zeigt, dass es da draußen lohnende Dinge gibt.

Oder wie haben sich eure "outings" inzwischen entwickelt?
Titel: Re: Das junge Pferd
Beitrag von: Ruth am 19. April 2022, 21:10:40
Ich wäre gern mal auf euren Spaziergängen dabei.

Sehr gern, wir freuen uns immer über Besuch. Generell überlege ich oft wie ich die Freude und Leichtigkeit die wir auf unseren Spaziergängen mit Pferden haben teilen kann. Ich lerne dabei so viel und hab oft das Gefühl, dass es nicht fair ist, das nur für mich und die paar Kinder zu behalten. :-)
[/quote]

Herzlichen Dank für die Einladung! Ich behalte das im Hinterkopf!
Titel: Re: Das junge Pferd
Beitrag von: hyxc am 21. April 2022, 00:30:19
Hallo Ruth,
ich bin ganz zufrieden, wie sich unsere Spazieransätze entwickeln. Dásemd schlägt vor, in welche Richtung wir gehen - meistens nach links. Viel weiter als bisher sind wir noch nicht gekommen (haben aber auch nicht mehr so oft geübt), da ich immer den Rückzug einleite, wenn ich merke dass sie etwas aufgeregter wird. Dann gehen wir halt noch mal bis zur selben Stelle oder etwas weiter. In die andere Richtung frage meistens ich an, aber sie wäre auch schon weiter gegangen als ich gewollt habe. Es wäre kein Problem, weiter mit ihr zu gehen, aber dann wäre sie aufgeregter. Ich glaube, dass sich aktuell was in ihr tut, so dass wir möglicherweise demnächst größere Fortschritte machen.

Ich glaube nicht, dass ich zum Spazierengehen spezielle Targets brauche, da Dásemd neugierig genug ist, sich alles anschauen zu wollen und deswegen alles interessant genug ist, um weiter zu gehen. Und dann bin ja auch noch ich dabei mit den Leckerlis als großes bewegliches Target. Ich glaube nicht, dass es für die Spaziermotivation einen großen Unterschied macht, ob ich mit oder ohne Click positiv verstärke. Ich füttere für komische Sachen auf dem Boden (Markierungsstreifen, Gullideckel, Teerflecken…) angucken, irgendwas sonstiges (Mülleimer sind spannend!, parkendes Auto, parkenden Traktor, parkenden Anhänger, Holzhaufen…) angucken und untersuchen, mitkommen, brav neben mir stehen, oder einfach mal tief, um den Kopf etwas runter oder sie aus dem Starren rauszukommen, für jedes Fahrzeug, das vorbeifährt, wenn wir in der Hofeinfahrt stehen, und für alles andere, was mir sonst noch einfällt. Da gibt‘s schon eine Menge Zeug innerhalb von 20 m. Das erst fahrende Auto haben wir auch schon überstanden am Strassenrand ausserhalb der Hofeinfahrt - aber fahrende Fahrzeuge sind eigentlich alle langweilig.

Die Idee mit einem zweiten Pony als Begleitpferd hatte ich auch schon. Vielleicht organisiere ich mir mal jemand, der mit Hylling oder einem anderen Pony mitkommt. Wahrscheinlich würde Dásemd dann auch einfach mitkommen, aber ich will ja auch alleine mit ihr unterwegs sein. Dann kann ich mich besser auf sie konzentrieren. (Oder es ist eine Ausrede, weil ich mir einbilde, alles allein machen zu wollen. Sei es aus „Ichwillaber“ und/oder „Ich schaff das“ und/oder „Ich bin schon groß und will allein“ oder aber aus Bequemlichkeit, da ich dann aufnehmen angewiesen bin und nichts organisieren muss  :confused: ) Allein mit zwei Ponys wäre auch eine Option, aber da muss ich eben nach zweien schauen. Diese Woche hatte ich die beiden auch zweimal zusammen zum Schüsselfutter fressen rausgeholt und noch ein bisschen Höflichkeit zusammen geübt. Hatte ich vorher im Paddock auch schon paar Mal gemacht, aber nicht gezielt, sondern nur, wenn es sich zufällig ergeben hat.
Titel: Re: Das junge Pferd
Beitrag von: Ruth am 22. April 2022, 22:10:36
Hallo Ruth,
ich bin ganz zufrieden, wie sich unsere Spazieransätze entwickeln.

Das freut mich! Mir war auch nicht klar, dass du doch recht viel fütterst. Ich kann mich noch nicht ganz daran gewöhnen, dass du, als beste Clickerfrau, die ich kenne, mit Dásemd gerade noch auf das Clickern verzichtest! :o Für mein nächstes Pferd habe ich mir vorgenommen, weniger zu belohnen, so wie ich es bei dir und Hylling gesehen habe  :muetze:

Das Spazierengehen ist schon so eine Sache. Mir fiel gerade ein, dass ich es schon in den 80er Jahren mit meinem - mir mit einer Freundin gehörenden - ein paar Monate alten Vollblutfohlen versucht habe. Es blieb damals aber bei dem einen Versuch, weil Fohli, obwohl so klein wie ein Shetty, unglaubliche Kräfte entwickelt hat, um wieder nach Hause zu kommen. Damals hatte ich wohl einiges an Stimmungen noch nicht mitbekommen!

Jedenfalls interessant, deine neue Entwicklung mitzuerleben :oma:
Titel: Re: Das junge Pferd
Beitrag von: JeyChey am 22. April 2022, 23:24:16
Ich clickere meine Jungen auch erst, wenn sie „psychisch“ bereit dafür sind.
Das war bisher meist erst nach ein paar Monaten der Fall. Bis dahin hab ich nur via Stimmlob und kraulen bestätigt. Futter wurde nicht verstanden und führte zu Stress.
Aktuell hab ich zwei 3jährige (Stute und Hengst) und eine 2jährige Stute in der „Beschäftigung“.
Den Hengst seit 2 Jahren, die Stuten seit Januar. Da ist noch nicht wirklich was mit clickern. Die Kleine hat eh nur Grütze im Kopf :lol:
Der Hengst ist vom Charakter her so ruhig und überlegt, der war recht schnell angeclickert und ist sehr höflich.
Das ältere Stütchen ist noch viel zu hektisch, da sie keinen positiven Menschenumgang mehr gewöhnt ist. Da führt Futter zu Hirn-Ausschalten. Wenn ich sie mit Futter belohne, dann mit einem Heunetz.
Aus der Hand füttern ist noch eine eigene Einheit jeweils, sie neigt zur distanzlosigkeit und hat wohl Katzen im Stammbaum (will auf den Arm - aber bitte nicht soo kraulen oO)


Was ich bei der Zweijährigen grad interessant finde - die kennt kein Handtarget. Aber beim spazieren ums Wohnhaus dockt sie von selbst immer an der Hand an, wenn sie Bestätigung braucht. Das macht ihr 3jähriger Cousin auch so. Der jüngere Cousin reagiert da eher wie die 3jährige Stute und beamt sich weg.
Ich mag meine Aufgabe grad sehr :D
Titel: Re: Das junge Pferd
Beitrag von: noothe am 22. April 2022, 23:38:13
Mit Alkmene, die zu Beginn "nur" Stress mit dem Futter hatte, weil sie es wahlweise nicht wahrgenommen hat oder nicht kauen konnte, habe ich das Clickern und Futter aus der Hand grad auch eigentlich mehr oder weniger auf ein Minimum reduziert. Die Konzentrationsspanne ist so kurz, das ist echt erstaunlich. Ich nehme mir immer kurze Trainingseinheiten vor, aber eigentlich reicht ein wenig am Putzplatz rumstehen und geputzt werden grad vollkommen aus. Spannenderweise war sie direkt nach dem Umzug sehr selbstständig unterwegs, hängt aber aktuell stark an der Herde bzw. ist mit ihrem ganzen Fokus immer dabei, was der Rest gerade treibt. Das passt wiederum zum Prozess des Ankommens - und Ambitionen zur Weltherrschaft hat sie sowieso  :fff:

Als Frieda zur letzten Hufbearbeitung da war, haben wir tatsächlich mit Kratzen bestärkt, also, so lange ein Bein in der Luft war, habe ich mit vollem Körpereinsatz und Noppenstriegel gekratzt was meine Arme hergegeben haben :lol:

Ich freu mich grad eigentlich am meisten, sie in ihrem Herdenalltag und den ganzen vielen Quatschabenteuern zu beobachten. Müssen tut sie meiner Meinung nach in dem Alter überhaupt nix, da ist ein bisschen putzen lassen und dabei angebunden sein (kann sie), vom Tierarzt anfassen und impfen lassen (kann sie) und so gut es grad geht Hufe geben eigentlich alles was wichtig ist. Der Rest verwächst sich.

Da sie bei Stress sofort ziemlich aktiv nach vorne geht (da ist sie komplett anders als die Krümeline) muss ich da an vielen Stellen auch vom Setup umdenken und werde vermutlich jeglichen Stress "draußen" erstmal so gut es geht vermeiden, bis wir da auf dem Paddock einen etwas sinnvolleren Umsatz gefunden haben. Der größte Trigger für sie ist, wenn man sich irgendwie in Richtung ihres Kopfes bewegt, wenn sie eh schon angespannt ist. Also sowas wie "vor ihr vorbei gehen, um den Zaun einzuhängen" oder "einen Arm heben, weil sie zu nah kommt".

Von daher ist sowohl Clickern als auch Spazierengehen grad eher ganz weit unten auf der Prioritätenliste, das basteln wir immer mal an guten Tagen ein kleines bisschen ein.
Titel: Re: Das junge Pferd
Beitrag von: JeyChey am 23. April 2022, 10:11:11
Ja, bei dem was die Zwerge zu tun haben, bin ich ganz bei dir Tine.
Leider kennen die Mädchen noch keine Hufbearbeitung (die 2jährige) und die grosse Schwester wurde dabei jeweils verprügelt, wenn sie sich wehrte… So übe ich mit beiden regelmässig.
Wenn ich Zeit hab, mal hier Hufe geben, mal da drauf klopfen. Bei der Grossen kam noch jegliche Berührung geniessen lernen hinter dem Kopfansatz dazu. Das war echt schwer…
Aber - gestern durfte ich ihren Schweif waschen :dops:
Der war vom letzten Stall völlig verkotet. Da hatten sie nur dreckige Matratzenstreu, bei Regen verteilte sich die Gülle auf dem gesamten Bereich. Entsprechend schwarz war ihr eigentlich heller Schweif :( Nun ist er immerhin hellgelb :D
Titel: Re: Das junge Pferd
Beitrag von: Origanum am 23. April 2022, 11:58:58
Als das Pferdekind vor drei Jahren zu uns kam war sie 2 Jahre alt. Wir haben von Beginn an mit Futter bestärkt. Allerdings haben wir lange Zeit nicht aus der Hand gefüttert, sondern das Futter in eine Schüssel geworfen, die bei ihr stand.  :fff: Auch später sind wir immer wieder dazu zurückgekehrt und verwenden es heute noch in manchen Situationen ganz selbstverständlich. (Zum Beispiel bei medical training, weil ich mich dann während sie aus der Schüssel frisst bereits wieder in Startposition begeben kann.)

Für uns hat es viel Stress reduziert, den Menschen vom Futter etwas zu entkoppeln.  :nick:
Titel: Re: Das junge Pferd
Beitrag von: Shotlandpony am 26. April 2022, 13:53:24
Ich bin aktuell auch dazu übergangen, zwar mit Futter zu verstärken, wenn nötig bzw. als Belohnung bei guten Aktionen, aber nicht im eigentlichen Sinne zu clickern.

Für ein  junges, "unversautes" Pferd scheint mir das auch viel weniger wichtig als bei denen, bei denen vieles schon gründlich an die Wand gefahren wurde und hauptsächlich "reparieren" statt Grundlagen gemeinsam erarbeiten angesagt ist.

Vieles wird mit Nio "einfach" auch was mit viel gemeinsamen Erobern, verbalem Lob  ... wir reden halt "irgendwie" miteinander und entwickeln uns zusammen weiter, grade weil wir uns auch aufregenden Situationen stellen und sie fast immer auch meistern. und falls nicht, Überdenken, woran es gehapert hat und neuer Anlauf..
Für uns ist es jedenfalls gut, erstmal festzustellen, was ohne Futter denn so alles geht (viel) und das dann für ganz konkretes Training zu nehmen, wenn es wirklich um bestimmte Ausführungen/ Verhalten geht, die wirklich sitzen sollen/ müssen.

Mein großes Ziel ist allerdings ja "sicheres Geländepferd" - wem das nicht so wichtig ist, der konzentriert sich vermutlich auf anderes.
Titel: Re: Das junge Pferd
Beitrag von: Shotlandpony am 07. Juni 2022, 09:13:47
Die aktuelle Ausgabe von „Feine Hilfen“ hat diesmal das Thema „Das Youngster-ABC“. Mir gefällt das Magazin grundsätzlich sehr gut wegen der unterschiedlichen Beiträge der verschiedensten Leutchen, die das jeweilige Thema beleuchten. Manchmal recht unterschiedlich, aber immer „Pro Pferd“. Zum Thema Jungpferde äußern sich u.a. Marc Lubetzki, Sharon, Wilsie, Tania Konnerth, Constanze Röhm, Burkhard Rau, Linda Weritz, Ute Ochsenbauer.

Was mir ziemlich neu war, ich aber irgendwie sehr beruhigend finde:

 „Die Entwicklung des Pferdegehirns ist in den ersten drei Jahren  weitestgehend dem Kleinhirn gewidmet. Also dem Teil des Gehirns, der Propriozeption, Bewegung und Gleichgewicht regelt. Der Körper des Pferdes wächst in dieser Zeit sehr schnell und entwickelt dabei Knochen, Hufe und Zähne. Einfach ausgedrückt: Das Gehirn von Pferden ist in dieser Zeit weitgehend der Fähigkeit gewidmet, mit den schnellen strukturellen Veränderungen des Körpers umzugehen und so sicherzustellen, dass sie vor Gefahren fliehen und der Herde folgen können. Die Teile des Pferdegehirns, die für die geistige Reife und für ausgeprägtere Lernkurven zuständig sind, werden erst zwischen dem dritten und vierten Lebensjahr vollständig entwickelt“. Erklärt so einiges 😉