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Die Vertrauensfrage

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Re: Die Vertrauensfrage
« Antwort #15 am: 08. Februar 2023, 09:16:05 »
Konkret im Zusammenhang mit Pferden heißt das bei mir:

Ich habe schon viel Vertrauen in Pferde gehabt. Auch in fremde, bei Wanderritten in ziemlich anspruchsvollen Gegenden, in denen sie mich sicher und souverän getragen haben, obwohl ich manchmal am liebsten die Augen zugemacht hätte.
In Minou, entwickelt in einem langen gemeinsam Leben und natürlich auch dem Wissen, was für sie wichtig ist, was ihr wirklich Angst machte (wenig), was sie wirklich gut kann. Ich gehe davon aus, sie konnte mich noch viel besser einschätzen.

Bei den Shettys sind sowohl Selbstvertrauen als auch Vertrauen ins Leben allgemein sehr ausgeprägt. Eigentlich kommen wir nicht (mehr?) in Situationen, in denen sich die Vertrauensfrage stellt. Vieles „besprechen“ wir – kann das gar nicht richtig beschreiben.
Ihnen kann ich ähnlich viele Freiheiten geben wie Romy ihren Rössern.

Bei Jung-Nio ist beides grundsätzlich durchaus vorhanden, aber natürlich allein aufgrund seines Alters und der noch übersichtlichen Lebenserfahrung kann er natürlich noch nicht so vieles einordnen und lösen wie die Shettys.
Bei ihm kommt noch dazu, dass er sehr ausgeprägte Wildtier-Reflexe hat. Diese Schnelligkeit der Reaktion  - eines in sich ruhenden und überhaupt nicht zur Kopflosigkeit neigenden Pferdes - kenne ich von meinen anderen Ponys nicht. Diese Reflexe können wir aber wohl tatsächlich deutlich reduzieren. Das „weg“ wird sowohl von der Zeit als auch von der Strecke immer kürzer und an seinem Gesichtsausdruck ist immer klarer zu erkennen, dass er sich selber große Mühe gibt, ganz schnell wieder in den „Denkmodus“ zu kommen.

Bei uns beiden ist der Weg ins gegenseitige Vertrauen also ein längerer. Nicht zuletzt, weil wir auch ein paar Situationen hatten, in denen wir beide selbiges weder in uns selber, noch die Situation und erst recht nicht in den anderen hatten und uns am Anfang teilweise gegenseitig und gemeinsam gegruselt haben. Da muss ich also hinsichtlich des „Entwickelns“ deutlich mehr vorauschauendes Denken, Training von bekannt gruselbehafteten Situationen, Zeit und vor allem eine Menge Selbstreflexion investieren, als das bei den meisten meiner anderen Ponys nötig war. Bei Hendrik habe ich es nicht geschafft.

Ich merke aber auch, dass sich das Vertrauenskonto füllt. Indem er mich immer öfter fragt, was in kniffeligen Situationen zu tun ist und wir dann gemeinsam gucken, wie weit wir gehen können. Und ich immer mehr darauf baue, dass er das tut und auch erkenne, dass er von der Veranlagung ein sicheres und souveränes Pferd ist – das aber wie alle Pferde als erste Priorität hat, das eigene Leben zu schützen und dafür genetisch wohl auch besser ausgestattet als andere nach sonstwelchen Kriterien gezüchtete.

Heike kann ich auch nur zustimmen - dass Denken, Fühlen und körperlicher Ausdruck beim Menschen oft so gar nicht zusammenpassen und der Mensch aus Sicht des Pferdes gänzlich unverständlich agiert. Ein selbstsicheres Pferd sagt, mir doch egal, ein unsicheres trifft ggf. „lieber-weg“-Entscheidungen.

Sich bewusst zu machen, wie man sich selbst fühlt – allgemein und in speziellen Situationen – und sich bewusst zu sein, dass das Pferd das schon lange erkannt hat, ist sehr wichtig und mir scheint, dass tun viele nicht. Müsste eigentlich erstes Thema auch bei Kursen und Seminaren sein, wenn es um Vertrauen, Gelassenheitstraining usw. geht  … ist es so allgemein aber vermutlich nicht. Allerdings lese und sehe ich immer mehr, dass von Profis dieser Aspekt angesprochen und betont wird.
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Re: Die Vertrauensfrage
« Antwort #16 am: 10. Februar 2023, 22:18:58 »
Ich danke euch für eure vielen Antworten und die ganz unterschiedlichen Aspekte des Begriffs "Vertrauen" :knuddel: Über manche Punkte muss ich noch 2-3x drüber lesen, um meine Gedanken zu sortieren. Ich hab irgendwie ambivalente Gefühle zu dem ganzen Thema. Oft ist Vertrauen meinem Gefühl nach etwas, dass eingefordert wird in Situationen, an denen ich nichts groß ändern kann - wie z. B. dass der mir aktuell zugeordnete Facharzt Ahnung von dem hat, was er tut. Oder dass die Physiotherapeutin mir keine Übungen empfiehlt, die mir schaden. Andererseits ist Vertrauen auch etwas sehr Schönes, wie wenn meine Schwester mir meine kleine Nichte in den Arm legt und darauf vertraut, dass ich auf sie Acht gebe. Das mit meinem Zusammensein mit den Pferden und den gegenseitigen Erwartungen zusammenzubringen, das fällt mir schwer.

Den Vertrauenskonto-Begriff fand ich zu Beginn wirklich augenöffnend, weil er viel mehr Spielraum dafür geboten hat, dass eben alle Interaktionen und Erlebnisse zählen und nicht nur einige wenige. Inzwischen ist er mir aber wiederum oft zu unspezifisch, weil eben ganz viele schöne und angenehme Interaktionen in einem Bereich nicht automatisch Auswirkungen auf andere Dinge haben. Während ich mich mit der Krümeline im Kernbereich unseres Stalles wirklich sehr entspannt bewegen kann und auch keine Sorgen habe, dass sie mir irgendwo verloren geht, endet das für uns beide an bestimmten Randpunkten. Da könnte man jetzt diese ganzen "Vertrauensargumente" anbringen, aber ich fühle mich mit "haben wir geübt / haben wir keine Routine mit" deutlich wohler und handlungsfähiger.
LG Tine
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Ab und zu ist es gut, in unserem Streben nach Glück innezuhalten und einfach glücklich zu sein. ~ Guillaume Apollinaire
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Re: Die Vertrauensfrage
« Antwort #17 am: 13. Februar 2023, 09:30:32 »
Das "Gefühl" Vertrauen kann man nicht einfordern, finde ich. Das ist da oder eben (noch) nicht. Wenn nicht, aber Pferd macht trotzdem, wäre es für mich eher Richtung Gehorsam/ Gewohnheit.
Zumindest bei Menschen gibt es aber oft ein eher "rationales" Vertrauen - in den Arzt, Therapeutin, den PC-Experten, überhaupt Experten. Also für mich: ich fühle mich immer noch eher unentspannt, aber mein Verstand sagt:  Der weiß, was er tut, wird schon ok sein, also mache ich.

Was du mit der Krümeline beschreibst, ist dann wohl wieder eher der Bereich Selbstvertrauen ... Kenne ich auch gut. Trecker hinter dem Zaun, wir in Sicherheit, egal was der macht - dann bin ich auch ziemlich entspannt. Bei der bloßen Vorstellung, selbigem Trecker auch in größerer Entfernung "in freier Wildbahn" zu begegnen - dafür reicht mein Selbstvertrauen noch lange nicht aus. Zu Recht, denn dieser Situation wären wir derzeit nicht gewachsen.
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