Zu diesem Buch möchte ich eine Rezension schreiben, da bestimmt der Titel die meisten Leute hier abschreckt (mich auch eine lange Zeit)
. Allerdings finde ich das Buch unglaublich gut und es gehört bestimmt zu den besten, die ich je übers Reiten gelesen habe.
Christopher Bartle ist als einziger Reiter neben Ingried Klimke bis in die höchsten Klassen in Vielseitigkeit und Dressur gleichermaßen erfolgreich. In seiner Jugend trainierte er bei einem ehemaligen Oberbereiter des Carde Noire und verdiente sich sein Studium mit dem Reiten von Hindernisrennen. Durch seine Mutter, die alte Reitlehren, unter anderem "Vollendete Reitkunst" vom Deutschen ins Englische übersetzte, hat er ebenfalls einen großen theoretischen Hintergerund.
Bartle beginnt sein Buch mit einem Kapitel über Partnerschaft und Verantwortung. Er stellt dem Leser die Frage, warum er überhaupt reitet und was seine Ziele sind. Gleich zu Beginn legt er auch dar, welches seiner Ansicht nach die Verantwortungsbereiche von Reiter und Pferd sind. Er übergibt dem Pferd in seiner Ausbildung viel Eigenverantwortung und betont stets und immer wieder, dass es falsch sei, etwa jeden Schritt raus zu treiben oder dem Pferd eine starre Haltung vorzugeben. Auch geht er auf die Mentalen Vorraussetzungen von Reiter und Pferd sowie ihrer Entwicklung während der Ausbildung ein.
Nach diesem einleitenden Kapiel hab ich Bartle gleich ins Herz geschlossen
Jede Zeile spricht von einer sehr großen Achtung gegenüber dem Pferd und die viele Eigenverantwortung, die er seinen Pferden zugesteht, kommt meines Erachtens nach dem Clickern sehr entgegen.
Es folgt ein Kapitel über sowohl die köoperlichen Vorraussetzungen und die Anatomie des Reiters wie auch des Pferdes. Trotzdem ich meine, schon wirklich viel über das Thema gelesen zu haben, ging mir hier eine Leuchte nach der anderen auf. Endlich lüfteten sich jahrelange Mysterien, wieso ein Unterhals"muskel" so schnell verschwinden kann wie es sein kann, dass ein Pferd auch der hohlen Seite sich dennoch auf die innere Schulter werfen kann
Weiterhin kommt hier auch die durch die Lehren von Baucher geprägte Ausbildung im Carde Noire durch und Bartle erläutert die differenzierte Zügelführung in diesem System logisch, pragmatisch und abseits jeder "Grabenkämpfe", die hier in Deutschland bei dem Thema leider so oft mitklingen. Auch zum Thema Sitz des Reiters schafft er es, klar und praxisorientiert ewige Diskussionen über ein innen oder außen Sitzen dermaßen logisch darzulegen, dass ich mich frage warum mir das bloß noch keiner vor 15 Jahren SO erklärt hat. Wieviele Stunden, in denen ich darüber gegrübelt habe, ob sich mein reiten eigentlich so anfühlt, wie in der Reitlehre beschrieben, ob es sich anders anfühlt und wie es sich überhaupt anfühlt, hätte ich mir sparen können, hätte ich dieses Buch 10 Jahre früher gelesen.
Im umfangreichsten Kapiel widmet er sich der Grundlegenden Ausbildung des Pferdes. Anfangs stellt er ausführlich sein System und das Ziel der Ausbildung dar. Weiter behandelt er Stück für Stück grundlegende Übungen für die Ausbildung des Pferdes in der Dressur und im Springen. Bei jeder Übung fasst er kurz das Ziel des ganzen zusammen (nichts ist Selbstzweck), beschreibt die korrekte Ausführung und schildert auch Probleme die dabei auftauchen können, wo diese herrühren und wie sie behoben werden können. Im letzten Teil des Buches beschreibt er nach dem gleichen Muster die fortgeschrittene Ausbildung in den Bereichen Dressur, Gelände und Springen.
Im einzelnen den Inhalt zusammen zu fassen, traue ich mir beim besten Willen nicht zu. In dem Buch springt einem aus jedem Absatz ein wahnsinniges Fachwissen entgegen. So detailiert auch alles erklärt ist bleibt aber der Grundsatz immer: gib dem Pferd eine Hilfe, unterstütze die Ausführung des Pferdes mit deinem Sitz, aber dann lass es machen. Er wird es nicht müde, ständig darauf hin zu weisen, dass man eben NICHT bei jedem Schritt treiben sollte und schon gar nicht ständig mit der Hand einwirken darf. Das Pferd sollte statt dessen Selbständigkeit entwicklen und zusammen mit seinem Reiter Verantwortung übernehmen dürfen.
Ich bin jetzt einmal durch und bei dem Durchblättern des Buches jetzt merke ich, dass ich es bestimmt mindestens noch drei mal lesen muss, um die Fülle an Information irgendwie aufnehmen zu können
Es ist überwältigend, wie viel Praxiserfahrung und auch Theorie der Mann in einem Buch unterbrigen konnte. Und das schönste: im Vergleich zu vieler anderer neuer Pferdeliteratur kommt Bartle ganz ohne "Seitenhiebe" auf andere Ausbilder oder Ausbildungssysteme aus.