Teil 2 ...
Ich habe das so aufgefasst, dass die Strafrunde u. a. dann eingesetzt wird, wenn man davon ausgeht, das Pferd könnte die Leistung erbringen, möchte die Belohnung aber "billiger" haben, z. B. durch vor der Matte stehen bleiben oder nur halb drauf gehen etc. Dann mit dem Gedanken "Du kannst entweder "jetzt" darauf gehen und die Belohnung bekommen, oder wir können eine Runde gehen und das kostet dich dann Energie/keine Belohnung", da hat es für mich einen strafenden Ansatz. Das vor der Matte stehen hat sich dadurch nicht gelohnt, sondern es hat sogar noch was gekostet. Ein 10 sekündiges Stehen vor der Matte und dann drauf gehen, hätte das Stehen vor der Matte jedoch mitbelohnt - ungünstig für Agility. Man möchte also das Risiko des erneuten Fehlers minimieren. Verstehe ich. Ich glaube trotzdem, dass man mit etwas mehr Zeitaufwand auch ein zuverlässiges und promptes auf die Matte gehen bekommt, weil sich das vor der Matte stehen weniger lohnt als auf der Matte stehen und vor allen Dingen, weil das Pferd die Matte g**** findet und ihm irgendwann gar nicht mehr einfällt, davor zu parken. Ich würde diesen Fehler also eher "aussitzen".
Ich finde es auch schwierig, Verhalten als "billig" zu bezeichnen, weil ich finde, dass selten der Mensch entscheiden kann, ob ein Verhalten "billig" ist. Zu beurteilen, wie "schwer" (=teuer) ein Verhalten ist, sollte durchaus dem Pferd zugestanden werden. Wenn ich allerdings möchte, dass Pferd nicht mehr nachfragt, ob es auch billiger geht, dann muss ich das natürlich irgendwie „unterbinden“.
Allerdings habe ich es nicht so aufgefasst, nur damit das hier nicht falsch rüberkommt, dass das die einzige Konsequenz ist. Es wird schon hinterfragt, warum das Pferd nicht drauf geht. Es wird eben davon ausgegangen, wenn das Pferd schon 5 Mal drauf war, "kann" es das Verhalten leisten.
Die andere Notwendigkeit der "Strafrunde" habe ich gesehen, wenn das Pferd z. B. auf dem Balancierbalken oder dergleichen einen Fehler gemacht hat. Tritt es daneben, wird die Übung abgebrochen und neu begonnen. Es wird NICHT korrigiert bzw. auch eine Korrektur des Pferdes wird nicht herbeigeführt oder abgewartet, da man auch belohnen würde, dass das Pferd eben nicht sofort sauber tritt, sondern durchaus lernt, zu "schludern". Das sehe ich halt anders. Denn ich möchte gerade das "mitdenken" - "oh, da bin ich daneben getreten, wie kann ich das korrigieren". Auch hier geht es um Verhaltensökonomie, gar nicht unbedingt um bewusstes Strafen. Sondern einfach darum, dass sich der Fehler nicht lohnen soll und deshalb weniger gezeigt wird. Insbesondere wenn der Fehler dann noch was kostet.
Strafrunde ist für mich übrigens kein Time Out. Das wäre für mich das bewusste Entziehen von Aufmerksamkeit oder bei Nina auf dem Agility Platz das „Wegstellen“ des Pferdes in einer der Parkbuchten „Wer nicht mitarbeitet, der darf sich eben auch nichts mehr verdienen“. Diese Maßnahme hat mich schon sehr nachdenklich gemacht.
Aber ich habe negative Strafe auch nicht nur in Form von Strafrunden kennen gelernt, sondern auch als simples übermitteln von Informationen. Z. B. habe ich mit Tarek Farbdifferenzierung geübt. In 15 Minuten hat er gelernt, einen weißen Becher unter 4 Bechern anzustupsen, während diese immer wieder verschoben werden. Schaut mal hier
https://youtu.be/iD9ND-k47ME Bei 1:38 macht Tarek einen Fehler und stupst das falsche Target an. Christin nimmt daraufhin das weiße Target weg. Das Wegnehmen des weißen Targets ist eine negative Strafe, weil das Target als Signal für Anstupsen dient. Nachdem das Anstupsen des falschen Targets keinen Click gebracht hat, hätte Tarek als nächstes das richtige Target angestupst, womit man das Anstupsen des falschen Targets ebenfalls belohnt hat, weil diese beiden Verhaltensweisen so eng aneinander liegen. Ist das gleiche wie beim Höflichkeitstraining z. B., wenn das Pferd erst zur Tasche guckt und dann wegguckt und wir sofort belohnen. Das Wegnehmen des weißen Targets führt also dazu, dass es sich nicht gelohnt hat, das rote Target anzustupsen, so dass man die Wahrscheinlichkeit reduziert, dass das rote Target nochmal gewählt und insbesondere die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass das weiße Target angestupst wird. Per Definition eine negative Strafe. Und auch hier hätte das Verhalten „rot anstupsen“ Energie gekostet.
In der positiven Verstärkung gibt es drei Gründe, warum Verhalten nicht gezeigt wird: Gesundheitliche Probleme, nicht genügend motiviert, nicht verstanden. Wenn das Problem also "Motivation" ist, gibt es ja durchaus mehrere Wege, diese Motivation zu steigern. Aber natürlich wäre negative Strafe ebenfalls ein Mittel zur Steigerung der Motivation. Die Frage ist halt, möchte man das oder passt das in die eigene Gedankenwelt von positivem Training. Ich kann das in manchen Situationen durchaus nachvollziehen und wie oben gesagt, breche ich eine Übung auch schon mal ab. Ich habe aber die Erfahrung gemacht, das Warten oft einfach reicht, damit sich das Pferd "besinnt"
Ich denke aber, dass das im Agility Kontext nicht praktikabel ist. Bei den meisten anderen Dingen finde ich das allerdings schon.
Generell finde ich, dass der Fokus dadurch zu sehr auf die Fehler liegt. Mir ist das manchmal auch einfach zu viel Mathematik im Training, man muss meiner Meinung nach einfach nicht aus jedem unerwünschten Verhalten einen Fehler machen. Aber man sollte aus jedem erwünschten Verhalten einen Erfolg machen.
Bei einem erfahrenen Clickerer mache ich mir da weniger Sorgen, dass er lieber straft, als nach einer passenden Lösung zu suchen, weil er genügend andere Möglichkeiten hat. Aber gerade Einsteiger oder "wenig Denker" und Mitläufer (davon gibt es in jeder Trainingsweise genug ...) werden doch sehr dazu verführt, die "Strafrunde" als passende negative Konsequenz bereit zu halten. Es hat ja nicht jeder einen Trainer oder die Fähigkeit zu beurteilen, warum das Pferd nun gerade das Verhalten nicht zeigen "will" (denn das suggeriert ja das "billiger haben wollen". Gerade, weil sie es vom konventionellen Training ja gewohnt sind, dass Fehlverhalten immer eine unangenehme Konsequenz nach sich ziehen muss, damit es nicht erneut auftritt. Dabei ist ja genau das etwas, was das Clickertraining so ansprechend macht, dass es eben nicht so sein muss.
Ob man Strafe als Konzept ins Training mit aufnimmt, hat sicher auch damit zu tun, wie man "Spaß" definiert. Wenn Spaß bedeutet, möglichst schnell und unter Vermeidung! von Fehlern durch Konsequenzen zum Ziel zu kommen, dann trainiert man meiner Meinung nach deshalb pferdeorientiert, weil man verhaltensorientiert trainiert.
Mein Ansatz ist eben - in meinem Kopf (möchte damit nicht den anderen Ansatz als "unfair" betiteln) - pferdeorientiert ich trainiere unter Vermeidung von unangenehmen Konsequenzen und Stress, ich möchte unangenehme Emotionen und Misserfolge auf andere Art vermeiden.
Sady