Es ist also nicht einfach die An- oder Abwesenheit von Druck, sondern die gesamte hormonelle und psychische Motivationslage miteinzubeziehen, die wir von außen oft genug nicht ausreichend abschätzen können. Lernerfahrungen, Intelligenz, körperliche Kompetenzen 'mal gar nicht mitgerechnet...
Je länger ich nun immer mehr mit "rein positiver" Verstärkung arbeite, desto genauer sagt mir Mirko, was für ihn ok ist und was nicht. Ich habe ihn ja früher immer mit Gerte (als verlängerter Arm) gearbeitet. Dabei war er recht unsensibel gegenüber einer Druckeinwirkung, um nicht zu sagen völlig ignorant. Aus heutiger Sicht würde ich ein Pferd genau anschauen ob es aus Stress abschaltet oder ob es ihm wirklich egal ist. Aber soweit war ich damals noch nicht. Ich habe Mirko dann auf die Gerte sensibilisiert (durch stete Wiederholung und sofortiges Nachlassen, also klassisch negativ verstärkt).
Gelegentlich ist mir der Kragen geplatzt und ich wurde auch deutlicher, was auch zu Stress bei Mirko geführt hat.
Als ich mit CT angefangen habe, habe ich selbstverständlich auch die Gerte eingesetzt und sie mit CT gemischt. Zum Beispiel als ich eine promptere Reaktion zum Antreten haben wollte. *pitsch* und bei der kleinsten Reaktion C+B.
Was ich dabei gemerkt habe ist, dass ich damit den Stresslevel sehr niedrig halten konnte (ich habe bewusst in Kauf genommen dass er milde gestresst ist) und dass er es insgesamt nicht als stressig empfand. Da hat wohl die Mischung Druck/Click/Pausen gestimmt.
Aber das war ein sensibles Gleichgewicht, das auch mal in die Stressrichtung kippen konnte (immer dann, wenn ich zuviel wollte). Da hat der Click dann nicht mehr ausgereicht, die Situation zu retten.
Seitdem ich vorwiegend mit der Stricktechnik arbeite, kann ich auf die Gerte weitgehend verzichten, einfach weil ich die Hinterhand ganz anders ansprechen kann.
Wenn wir wilde Sachen machen
gibt es einen Moment, bei dem ich Mirko durch einen Gertenklaps auf die Kruppe animiere noch wildere Sachen zu machen. Das geht aber nur in einer ganz bestimmten Stimmung von ihm. Nur genau dann kommt was raus, was uns beiden Spaß macht (wüldes kapriolenähnliches Gehüpfe) und es ist ganz deutlich, dass er das von mir total akzeptiert als die Animation, die dann das Folgende bewirkt.
Ist die Stimmung nicht genau passend und ich will ihn hüpfen machen, geht er sofort weg - da hat er dann Stress.
Auf diesem höher erregten Level kann er also damit umgehen und es bleibt bestärkend.
Je mehr wir aber in der letzten Zeit frei arbeiten, desto deutlicher zeigt er mir, wo ich ihm zuviel Druck mache (er geht dann). Also bemühe ich mich immer mehr, zu lernen, das Spiel oder auch die andern Übungen so auszuführen, dass der Spaß (=Dopamin) im Vordergrund steht und ich trotzdem das bekomme was ich möchte
Seitdem ich so genau hinhöre, ist sein Willen mit mir Unfug zu machen, nochmal immens gestiegen. Seitdem kommt er eigentlich immer von der Weide hergaloppiert.
Und momentan arbeiten wir wieder an dem ewigen Thema, dem Losgehen. Da ich mich ja entschieden habe, dazu nicht mehr die Gerte einzusetzen, fangen wir wieder mal von vorne an, aber ich merke wie auch das wieder einiges verändert...
Ich persönlich schaffe es nicht, ohne negative Verstärkung auszukommen, oder ohne physischen Druck. Aber ich lerne derzeit täglich dazu, wie ich es dem Pferd immer besser erklären kann, damit umzugehen, dass eben überhaupt kein Stress (Adrenalinausstoß) entsteht.
Und ich glaube keinesfalls, dass es der "einfachere" Weg ist, nur über positive Verstärkung zu arbeiten, denn da besteht die Hauptarbeit am Menschen selbst....