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Dominanz und Respekt

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Mannimen
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Dominanz und Respekt
« am: 24. Juli 2012, 14:44:37 »
Ich finde die Begriffe "Dominanz" und "Respekt" immer sehr interessant. Gerade wenn man sich mit Clickertraining befasst, stolpert man ja permanent über diese Dinge bzw. wird darauf gestoßen ;)
Ich hab mir lange darüber den Kopf zerbrochen und habe jetzt für mich beschlossen, dass diese Konzepte für mein Training nicht sehr hilfreich sind. Erstens sind diese Begriffe sehr schwammig bis gar nicht definiert, bzw. existieren soviele Definitionen wie Trainer. Zweitens ist weder Dominanz noch Respekt mess-, vergleich- und quantifizierbar. Man bekommt auch selten erklärt, wie man konkret diese Konzepte einsetzen kann.

Interessant ist es vor allem, dass man sich zuerst "Dominanz erarbeiten" und "Respekt verdienen" muss. Es scheint also so als ob einem diese Dinge doch nicht in die Wiege gelegt werden, sondern man muss sie lernen, bzw. trainieren. Meist geschieht das mit neg. Verstärkung. Wenn mein Pferd auf mein Kommando folgt ohne Widerrede, dann bin ich dominant. Für mich heißt das übersetzt: ich habe das Verhalten unter Signalkontrolle. Das kann ich auch mit pos. Verstärkung erreichen.
Auch die Verhaltensweisen, die mit Respekt assoziiert werden, wie etwa Abstand wahren, weichen, Futtermanieren, etc. kann ich ganz einfach trainieren mittels operanter Konditionierung wie alles andere auch. Das kann ich auch mit 1m50 Körpergröße und gekrümmter Haltung. Da brauch ich nicht groß und stark sein, oder vorher ein Leadership-Seminar besucht haben.

Ich finde es daher sehr irreführend, wenn der Eindruck vermittelt wird, dass es bei diesen Begriffen um eine persönliche (vielleicht sogar angeborene) Eigenschaft geht, die einen Menschen wie eine mystische Aura umgibt. Oder dass es einem Menschen persönlich an etwas mangelt, wenn die selben Verhaltenweisen noch nicht funktionieren.
Natürlich fällt auch der gesamte Begriff "Leadership" in diese Kategorie. Für mich ist es immer ein schönes Experiment, in Sätzen wo "Leadership" vorkommt, es einfach durch "Training" zu ersetzen. Gleich wird das Ganze nüchtern und sachlich und ganz leicht durch angewandte Verhaltensforschung erklär- und erlernbar ;)

Danke Volker für diesen Beitrag, den ich gerne mal extra thematisieren möchte, weil er im allgemeinen Umgang mit Pferden irgendwie eine elementare Rolle innehaben soll und angeblich aus dem Verhalten dieser Tiere abgelesen wurde, sprich somit auch ihrer Natur entsprechen soll, was ich persönlich sehr fragwürdig finde.

Nimmt man dazu mal die Definition von Dominanz (psychologisch) bei Wikipedia : "Unter Dominanz versteht man in der Biologie und in der Anthropologie, dass die einen Individuen gegenüber den anderen Individuen einen höheren sozialen Status haben, worauf letztere unterwürfig reagieren." So komme ich zu dem Schluss, dass das schon mal gar nicht auf die Pferde zutreffen kann. Vielmehr sehe ich das bei den Menschen, die mit ihnen umgehen. Pferde gehen sich eher aus dem Weg, als sich zu unterwerfen. An dieser Stelle zeigen sie ein völlig anderes Sozialverhalten als Hunde z. B.

Auch die Definition von Respekt bei Wikipedia : "Respekt (lateinisch respectus „Zurückschauen, Rücksicht, Berücksichtigung“, auch respecto „zurücksehen, berücksichtigen“) bezeichnet eine Form der Wertschätzung, Aufmerksamkeit und Ehrerbietung gegenüber einem anderen Lebewesen (Respektsperson) oder einer Institution. Eine Steigerung des Respektes ist die Ehrfurcht, etwa vor einer Gottheit." Erscheint mir für diese Tiere sehr unpassend, denn diese Wertigkeit dürfte ihnen wohl eher unbekannt sein. Sie schließen sich dem an, der die besseren Fähigkeiten besitzt und somit aus ihrer Sicht geeigneter ist sich bestimmter Aufgaben anzunehmen. Es ist also weniger Respekt vor Jemanden als vielmehr Vertrauen in Jemanden , was hier dieses Verhalten zeigt. Wieder sehe ich das mehr bei den Menschen als bei diesen Tieren.

Aber eine gewisse Rangordnung scheint es dann doch zu geben, um die auch gewetteifert wird. Sie sichert Privilegien und festigt die Position in dem sozialen Gefüge innerhalb einer Art. Das hat jedoch die Evolution so mitgebracht und wurde nicht antrainiert. Je besser diese Position ist, um so größer die Sicherung des Bestandes und damit auch der Art und je schwächer, um so unsicherer und damit Sicherung anderer Bestände und Arten. Hier hält sich die Natur selbst im Gleichgewicht und das kann somit auch als völlig natürlich angesehen werden. Dabei bleibt der Mensch jedoch außen vor, denn er gehört einer anderen Art an und ist auf diese Form der Sicherung des Bestandes nicht angewiesen. Insofern wetteifern die Pferde auch nicht mit ihm um diese Position, aus meiner Sicht. Somit sind sie uns gegenüber weder als respektlos noch als dominant anzusehen. Sie nehmen auch keine Rangfolge mit uns ein.

Vielmehr leben sie in einer Symbiose (Vergesellschaftung von Individuen unterschiedlicher Arten, die für beide Partner vorteilhaft ist) mit uns.

« Letzte Änderung: 24. Juli 2012, 15:30:26 von Mannimen »
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Anke
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Re:Dominanz und Respekt
« Antwort #1 am: 24. Juli 2012, 15:00:18 »
Hi,

für Dominanz gibt es mindestens über 15 Definitionen, das Wort ist also ziemlich schlecht zu nutzen, ohne eben seine eigene Definition gleich mit zu liefern.

Bei Rangordnung glaube ich nicht, dass Tiere diese interspezifisch anwenden, kein Hund glaubt ich wäre ein Hund, kein Pferd hält mich für ein Pferd. Und mit einem Pferd lebe ich ja noch weniger 24/7 in einer sozialen Gemeinschaft als mit einem Hund.

Respekt finde ich, kann ich mir schon erarbeiten - in Form von Wertschätzung, Aufmerksamkeit. Mit Gewalt und Drohen kriege ich aber höchstens Aufmerksamkeit (ich bin dann ja latent gefährlich), aber sicherlich keine Wertschätzung und somit auch keinen Respekt.

just my 2 cent
Anke
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Mannimen
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Re:Dominanz und Respekt
« Antwort #2 am: 24. Juli 2012, 15:57:01 »
für Dominanz gibt es mindestens über 15 Definitionen, das Wort ist also ziemlich schlecht zu nutzen, ohne eben seine eigene Definition gleich mit zu liefern.

Hier war die psychologische Definition gemeint.

Zitat
Bei Rangordnung glaube ich nicht, dass Tiere diese interspezifisch anwenden, kein Hund glaubt ich wäre ein Hund, kein Pferd hält mich für ein Pferd. Und mit einem Pferd lebe ich ja noch weniger 24/7 in einer sozialen Gemeinschaft als mit einem Hund.

Hier war keine interspezifische Beziehung gemeint, sondern die nicht wechselseitige innerhalb einer Art.

Zitat
Respekt finde ich, kann ich mir schon erarbeiten - in Form von Wertschätzung, Aufmerksamkeit. Mit Gewalt und Drohen kriege ich aber höchstens Aufmerksamkeit (ich bin dann ja latent gefährlich), aber sicherlich keine Wertschätzung und somit auch keinen Respekt.

Etwas einen Wert beimessen, liegt wohl ausschließlich bei uns Menschen. Wir würden die Tiere vermenschlichen, wenn wir ihnen solche Eigenschaften zusprechen, denke ich. Welche Werte sind ihnen denn bekannt, dass sie uns daran messen würden? Sie machen vielmehr Erfahrungen mit uns, die entweder angenehm oder unangenehm für sie sind. Das sind aber noch lange keine Werte. So gilt ihre Aufmerksamkeit schon uns, wenn von uns etwas aus geht, womit sie auch was anfangen können. Es hat aber keine Wertschätzung.

Was ich jedoch sehe, ist die Inanspruchnahme bestimmter Privilegien für sich aus der jeweiligen Position heraus. Das ist etwas, was sehr deutlich bei den Pferden zu beobachten ist. Sei es der beste Futterplatz oder die Zuwendung eines Anderen bis hin zur Fortpflanzung. Es wird nicht geduldet, dass ein rangniederes Tier sich solche Privilegien raus nimmt.

Das ging sogar so weit, dass Antares als rangniederes Tier von dem Boss der Herde daran gehindert wurde, zu mir zu kommen. Erst habe ich gedacht, dass das an mir liegen würde, weil ich ihn halt anderes behandele, doch nun wird mir genau das selbe von einer anderen Besi berichtet, die keine Leckerlies usw. gibt und ihr rangniederes Pferd nun auch von ihm daran gehindert wird, zu ihr zu kommen. Der drängelt sich einfach dazwischen und beißt den Anderen weg. Insofern muss immer erst der Boss mit einer Gerte oder so von dem jeweiligen Menschen vertrieben werden, damit der Weg für das rangniedere Tier frei wird. Sehr unschön das! :confused:
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Re:Dominanz und Respekt
« Antwort #3 am: 24. Juli 2012, 16:10:57 »
Hallo

die Sache mit der Dominanz..so wie es ja normal gemeint ist in der Pferdewelt, ists nix für mich. Eben mit dem ganzen Tralala mit sich groß machen, das Pferd dauernd weichen lassen usw. Bin gar nicht der Mensch dafür, und kann da nicht grad mal schnell nen Schalter umlegen um mit meinem Pferd klarzukommen  :confused: Sehe da auch bei vielen Pferden diese erlernte Hilflosigkeit, und das sollte ja eigentlich nicht der Zweck der Sache sein.
Meint es einfach nur, dass das Pferd einen irgendwie als "ranghoch" ansieht, wobei das ja zwischen Mensch und Pferd eh sone Sache ist; eben wenn das Pferd sich uns gerne anschließt, unserem Urteil vertraut und mitkommt wenns gruselig ist usw..ja dann würd ich da einfach nur von Vertrauen sprechen - könnte aber wohl der ein oder andere als Dominanz interpretieren.
Übrigens hat mein Kleiner mich von Anfang an an sein Futter gelassen, obwohl wir eine richtig schlechte Beziehung hatten und er anscheinend so furchtbar dominant mir gegenüber war  :cheese:

Unter Respekt verstehe ich im Zusammenhang mit Pferden, dass sie so ein Bisschen auf uns achten - nicht einfach über den Haufen rennen und so ;) (Klar, in blanker Panik achtet kein Pferd drauf, ob da jemand im Weg steht, da rennt es um sein Leben). Ich brauche da nicht unbedingt diesen persönlichen Freiraum um mich, wo ich nicht dulde, dass das Pferd jetzt mal ganz nah kommt und eigentlich nur "kuschelt". (es gibt ja da auch große Unterschiede bei Pferden, die einen brauchen viel mehr Freiraum, die anderen stehen immer gerne ganz nah zusammen) Aber wenn ich wo stehe und Pferd hinter mir etwas Interessantes sieht, dann erwarte ich schon, dass es dabei um mich rum geht, und nicht irgendwie über mich drüber  :cheese: Das gehört für mich halt zum Respekt.

liebe Grüße
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Re:Dominanz und Respekt
« Antwort #4 am: 24. Juli 2012, 16:11:45 »
Etwas einen Wert beimessen, liegt wohl ausschließlich bei uns Menschen. Wir würden die Tiere vermenschlichen, wenn wir ihnen solche Eigenschaften zusprechen, denke ich. Welche Werte sind ihnen denn bekannt, dass sie uns daran messen würden? Sie machen vielmehr Erfahrungen mit uns, die entweder angenehm oder unangenehm für sie sind. Das sind aber noch lange keine Werte. So gilt ihre Aufmerksamkeit schon uns, wenn von uns etwas aus geht, womit sie auch was anfangen können. Es hat aber keine Wertschätzung.

Wertschätzung hat für mich nichts mit Werten im moralischen Sinne zu tun.
Auch ein Wesen ohne Moralsystem (und dementsprechend ohne "Werte") kann meiner Ansicht nach etwas wertschätzen ... in der Hinsicht eben, dass es dasjenige zu schätzen weiß = gut findet = wichtig findet.

Hochphilosophisches Thema hier... ;)
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Mannimen
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Re:Dominanz und Respekt
« Antwort #5 am: 24. Juli 2012, 16:31:09 »
(Klar, in blanker Panik achtet kein Pferd drauf, ob da jemand im Weg steht, da rennt es um sein Leben).

Oh doch, da achten die sehr wohl drauf. Nie im Leben würde ein rangniederes Tier ein ranghohes dabei anrempeln, weil es um die darauf folgenden Sanktionen fürchtet. Da müsste es schon um Leben oder Tot gehen, damit dies das geringere Übel ist.

Nun habe ich mich jedoch gefragt, warum ich dann ständig angerempelt werde in solchen Situationen. Stehe ich im Rang etwa so tief, dass ich ausweichen muss? Nein, vielmehr wird mir von dem Pferd eine Fähigkeit zugesprochen, die ich nicht besitze. Sie sind sehr viel schneller als wir in ihrer Reaktionszeit und natürlich auch bei der Flucht. Da schauen sie ganz deppert drein, wenn wir das so nicht können und sie dann mit uns kollidieren. Das war also keine Absicht. Wie auch? Sie gehen davon aus, dass wir wie alle anderen Pferde auch, die Gefahr erkennen und genau so schnell wegspringen können. Dann wäre es auch zu keiner Kollision gekommen.

Absicht hingegen habe ich bei Undine erlebt, als die wissen wollte, was sie von mir zu erwarten hat. Sie lief direkt auf mich zu, wurde langsamer weil ich stehen geblieben bin und dann kam sie Schritt für Schritt immer näher, bis sie mich frontal anpanzerte und ich ihr ausweichen musste. Das habe ich jedoch nicht getan und sie entsprechend zurück gewiesen, worauf hin ihre Besitzerin meinte, wie respektlos ihr Pferd doch sei und dass es etwas Erziehung ruhig noch gebrauchen könnte. Die Stute war 17 und wollte nur wissen, mit wem sie es zu tun bekam, zumal sie in ihrer Herde im Rang ganz oben stand. Ich denke nicht, dass ich mir damit den nötigen Respekt verschafft habe, denn dann würde sie das auch genau so akzeptieren, was sie jedoch nicht tat. Ich musste also weiterhin über dies und jenes mit ihr diskutieren und habe mir auch den einen oder anderen Zweikampf mit ihr geleistet, bevor sie einverstanden war mit mir und meiner Position, also nicht mehr darüber zu diskutieren anfing. Dennoch war damit längst nicht alles geklärt, denn nun bekam ich die Aufgabe über uns zu wachen und mich mit gefährlichen Dingen auseinander zu setzen, weil sie sich dann an mir orientieren wollte und wenn ich ihr keine Hilfe war, die Flucht antrat. Also musste ich sie auch daran wieder hindern und sie überreden, da zu bleiben. Das war nicht leicht, Führungsaufgaben im Sinne eines Pferdes zu übernehmen und auch überhaupt nicht meine Sache. Doch sie verlangte es. Ohne dem, hätte sie sich mir nicht angeschlossen und wäre mir auch nicht gefolgt. Sie lernte mir voll zu vertrauen und ich musste das dann auch noch lernen. So kamen wir zusammen.

« Letzte Änderung: 24. Juli 2012, 18:59:15 von Mannimen »
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Re:Dominanz und Respekt
« Antwort #6 am: 24. Juli 2012, 17:21:39 »
Da müsste es schon um Leben oder Tot gehen, damit dies das geringere Übel ist.

Das ist auch das was ich meinte - "normales" Wegrennen, zur Seite springen usw sind davon ausgeschlossen. Wenn man dabei mal angerempelt wird ists eben wie du sagst, wir als Mensch waren zu langsam bzw haben gar nicht gemerkt was Sache ist.

Dieser Panzer-Aktionen, die kenn ich von meinem Kleinen nur zu gut. Das fällt halt für mich in die Kategorie Respekt.
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Anke
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Re:Dominanz und Respekt
« Antwort #7 am: 24. Juli 2012, 17:45:13 »
[Wertschätzung hat für mich nichts mit Werten im moralischen Sinne zu tun.
Auch ein Wesen ohne Moralsystem (und dementsprechend ohne "Werte") kann meiner Ansicht nach etwas wertschätzen ... in der Hinsicht eben, dass es dasjenige zu schätzen weiß = gut findet = wichtig findet.

In der Art, außerdem sind unsere Werte doch auch nix anderes, als was, das wir für gut, wichtig, richtig halten.
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Re:Dominanz und Respekt
« Antwort #8 am: 24. Juli 2012, 18:17:12 »
Ich glaube der wesentliche Unterschied liegt im richtig finden, denn das ist das mMn das Entscheidende bei Moral-Kram.

Aber das führt eigentlich schon vom Thema ab. (Und verwirrt mich grade. :lol:)
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Mannimen
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Re:Dominanz und Respekt
« Antwort #9 am: 24. Juli 2012, 19:17:13 »
Also ich würde nicht sagen, dass Undine sich respektlos mir gegenüber verhalten hat und auch nicht, dass sie diesen Respekt unbedingt vor mir haben wollte, um sich mir anzuschließen. Vielmehr ging es ihr darum, denke ich, möglichst schnell und effektiv zu erfahren, wer ich bin und was sie von mir zu erwarten hat. Als sie dabei dann auf Widerstand stieß, nahm sie das zunächst zur Kenntnis, doch die Sache war noch lange nicht erledigt für sie, denn solche Reaktionen von Menschen kannte sie ja nur zu gut. Ich hatte mir also erst einmal ihre Aufmerksamkeit gesichert und musste diese mir auch ständig erhalten, damit sie mich nicht einfach wieder abblitzen lässt. Von Respekt kann da überhaupt nicht die Rede sein. Ich musste mir in der folgenden Zeit ihr Vertrauen erarbeiten, also unter Beweis stellen, was ich so drauf hatte und sie davon überzeugen bei mir zu bleiben, bzw. mir zu folgen.

Wollte ich nur ihren Respekt, hätte es wohl genügt, ihr was auf die Nase zu geben und sie würde entsprechend Abstand von mir halten. Doch darum ging es mir ja auch nicht, denn ich wollte mehr von ihr. Und wie kann ich ihr Vertrauen erlangen, wenn ich sie mir vom Leibe halte? Auch kann ich sie so nicht davon überzeugen, dass ich ihr Vertrauen entgegen bringe. Das alles resultiert erst aus der gemeinsamen Arbeit und da konnte sie extrem stur, hartnäckig und unzugänglich sein. Ich musste mir also richtig viel Mühe geben, sie von etwas zu überzeugen, das ihre Kooperation erforderte. Sie umher zu scheuchen, war kein Ding. Das war sie ja schon gewohnt und ließ sich immer nur antreiben. Doch ich wollte, dass sie von sich aus was tut und dabei auch noch Spaß hat, bzw. mit Freude dabei ist. Und das gelang mir erst über die positive Verstärkung. Das brachte mir immer mehr Aufmerksamkeit und Bereitschaft zur Mitarbeit ein. Das war für mich dann so weit weg von Dominanz und Respekt, dass mir das überhaupt nicht mehr in den Sinn kam. Vielmehr ging es nur noch um die Frage, ob sie mir auch dieses mal wieder ihre Aufmerksamkeit und ihr Vertrauen schenken würde. Und je mehr sie das tat, um so größer wurde auch mein Vertrauen zu ihr. :herzbrille:

« Letzte Änderung: 24. Juli 2012, 19:22:41 von Mannimen »
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Volker
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Re:Dominanz und Respekt
« Antwort #10 am: 25. Juli 2012, 09:03:24 »
Danke, Manfred, dass du daraus einen eigenen Thread gemacht hast - ich denke das Thema verdient es durchaus...

Sehr spannende Diskussion bis jetzt. Möchte auch nochmal meinen Senf dazugeben ;) Wenn ich mir die am häufigsten gefallenen Begriffe so anschaue (Dominanz, Respekt, Vertrauen), fällt mir auf, dass das sehr menschliche Konzepte sind. Ausser Dominanz, die würde ich mehr mit Tieren assoziieren.

Allerdings stammt meines Wissens die meiste Forschung zu Dominanz aus Studien zu Hühnern (pecking order) und Hunden (Alphatier). Bei Pferden gibt es Rangordnungsstudien, wobei sich alle Studien von denen ich gelesen habe, darauf beschränkt haben aggressives Verhalten (Ohren anlegen, beißen, ausschlagen) zu zählen. Ausserdem ist meistens an gewissen Hotspots beobachtet worden (Futterstellen bei domestizierten Pferden, Wasserstellen, etc.).
Meist wird auch das Leit-Tier assoziiert mit rein dominantem Verhalten. Aus eigener Beobachtung und von anderen Berichten (z.B. Carolyn Resnick) würde ich eher davon sprechen, dass ein Tier zwei Typen von Verhaltensmustern aufweisen kann: submissives und dominantes. Wann und wie oft welcher Typ gezeigt wird hängt sowohl von der Situation, als auch vom Charakter des Pferdes ab. Manche Pferde bewegen sich fast nur im unterwürfigen Segment, andere wiederum weisen sehr oft dominantes Verhalten auf. Kann sich aber schlagartig ändern, etwa wenn sich zwei Pferde eng befreunden. Da können sich die Rollen auch gänzlich umdrehen ;)
Leit-Tiere sind nach diesen Beobachtungen eher Tiere, die sehr geschickt in der richtigen Situation die richtige Verhaltensweise anwenden - meistens zum Wohl der Herde. Da weichen Leit-Tiere oft zuerst einmal jeder Konfrontation aus und geben unterwürfige Signale, um dann später im geeigneten Moment eine dominante Geste zu setzen, die dafür wirkt.

Was ich damit sagen will ist eigentlich, dass ich es oft problematisch finde, pferdisches Verhalten anhand menschlicher Kategorien (oder der anderer Tiere) zu bewerten. Leider kursieren aber viele menschliche Beurteilungskonzepte in der Pferdewelt - verständlicherweise, schließlich versucht man ja auch sich empathisch in das Pferd hineinzufühlen. Das geht nunmal nur von unserem Blickwinkel aus.

Respekt und Vertrauen sind solche schwierigen Begriffe, weil sie für uns sehr viele psychologische Konnotationen transportieren. Ich werde aber nie wissen können, ob es für Pferde ein ähnliches Konzept gibt. Woher weiß ich, ob es unter Pferden so etwas wie Respekt gibt? Und wenn es das gäbe, woher weiß ich, ob es das gleiche Konzept ist, wie das das mir im Kopf herumschwebt. Nicht einmal unter Menschen ist es immer das gleiche Konzept. Wie kann ich also von meinem Pferd verlangen, dass es sich respektvoll benimmt?
Ich kann mir daher mMn nur überlegen, was die resultierenden Verhaltensweisen sind (bei Respekt z.B. weichen, Abstand wahren, ...) und dann diese Verhaltensweisen erklären und trainieren. Alles andere führt zwangsläufig zu unfairen Schuldzuweisungen.
Wenn ich sage, mein Pferd respektiert mich nicht, beinhaltet das erstens ein Fehlverhalten des Pferdes (es weiß ja doch ganz genau, was ich wollte und hat mich trotzdem missachtet) und zweitens eine Unzulänglichkeit meinerseits (zuwenig Leadership-Qualitäten, schlechtes Auftreten, mangelndes Vertrauen, ...).
Man könnte das Ganze auch nüchtern betrachten und sagen: ein Außensignal (rascheln im Gebüsch, wiehernde Pferde, ...) war einfach stärker als das von mir etablierte Signal (Zeichen für Weichen). Das Resultat wäre für mich: mehr Training nötig. Aber Respekt oder Vertrauen lass ich außen vor - einfach weil es mich in der Sache nicht weiterbringt.

Das klassische Über-einen-drüberrennen weil das Pferd sich erschreckt hat, ist dafür eh ein sehr gutes Beispiel. Erstens ist das ein ganz tief sitzender Reflex für ein Fluchttier, den man wenn dann nur mit gründlicher Konditionierung bearbeiten kann. Und zweitens werden wir als Menschen da immer unverständlich reagieren. Kein noch so dominantes Pferd würde mMn ruhig stehenbleiben und schon gar nicht ein anderes dafür bestrafen weil es sich erschreckt hat und es dabei anrempelt. Gerade Leit-Tiere reagieren ganz sensibel auf solche Signale von anderen Pferden und werden sich wahrscheinlich eher dafür bedanken, dass sie rechtzeitig gewarnt wurden ;)

Ist jetzt ein bisschen lang geworden :-[ - kann mich schwer zurückhalten bei solchen Themen - Sorry :cheese:
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Re:Dominanz und Respekt
« Antwort #11 am: 25. Juli 2012, 09:42:12 »
Da fallen mir nun auch wieder Sachen dazu ein  :cheese:
Das mit der Rangordnung in einer Herde ist wirklich eine Sache, wo man mit dem Begriff Dominanz nicht weit kommt - weil es eben nicht einfach so ist, dass jedes Tier seinen festen Rang hat und alles nach diesem Rang geht. Hab früher nur von solchen Dingen gehört, aber konnte es vor einer Zeit selber beobachten. Mein Kleiner absolut der Rangniedrigste in der Herde. Sein bester Freund: einer der Ranghöchsten wenn nicht sogar der Chef. Wenn Dieser dann zur Tränke an der Koppel ging, ging meiner immer mit - alles an der Tränke wurde vertrieben, und die beiden tranken gemeinsam. Also richtig schön abwechselnd, Maul an Maul. Untereinander schienen die Beiden auch keine feste Rangordnung zu haben, sie waren halt einfach Freunde.

Zitat
Meist wird auch das Leit-Tier assoziiert mit rein dominantem Verhalten. Aus eigener Beobachtung und von anderen Berichten (z.B. Carolyn Resnick) würde ich eher davon sprechen, dass ein Tier zwei Typen von Verhaltensmustern aufweisen kann: submissives und dominantes. Wann und wie oft welcher Typ gezeigt wird hängt sowohl von der Situation, als auch vom Charakter des Pferdes ab. Manche Pferde bewegen sich fast nur im unterwürfigen Segment, andere wiederum weisen sehr oft dominantes Verhalten auf.
Zu dem Thema fällt mir eins der Bücher von Rashid ein. Da erzählt er, wie Buck in der Herde neues Leittier wurde. Vorher war der Chef ein richtiger Tyrann, und Buck war immer total ruhig, hat sich nie dominant verhalten und immer so wenig Energie wie möglich verschwendet wenn er gerade wieder rumgescheucht wurde - woraufhin sich immer mehr Pferde ihm anschlossen.

Zum Anrempeln ist mir noch was aufgefallen. Mein Kleiner macht das nie bei neuen Pferden in der Herde. Da geht er ganz vorsichtig ran, um rauszufinden ob der ihn in seiner Nähe duldet oder nicht. Die einzigen Pferde, die er je anrempelte - mit voller Absicht - waren seine Freunde. ZB wenn er auf die Koppel kommt, rennt er direkt zu seinem aktuellen Besten Freund, rempelt ihn voll an, und dann gehts los mit dem Spielen oder auch gemeinsamen Grasen, je nachdem worauf die beiden Lust haben. Ob das nun heißt, dass er mich auch als Freund ansieht, oder nicht, kann ich nicht sagen. Zumindest fordert er mich ganz gerne zum Spielen auf, genauso wie seine pferdischen Freunde (und auch nur die - bei den anderen wagt er es gar nicht).
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Volker
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Re:Dominanz und Respekt
« Antwort #12 am: 25. Juli 2012, 10:20:23 »
Da erzählt er, wie Buck in der Herde neues Leittier wurde. Vorher war der Chef ein richtiger Tyrann, und Buck war immer total ruhig, hat sich nie dominant verhalten und immer so wenig Energie wie möglich verschwendet wenn er gerade wieder rumgescheucht wurde - woraufhin sich immer mehr Pferde ihm anschlossen.
Carloyn Resnick beschreibt in ihren Herdenbeobachtungen das gleiche. Und mein Wallach ist ebenfalls genauso ein Typ Pferd. Er war in zwei verschiedenen Herden Chef, ich hab ihn aber nur einmal gesehen, dass er ein Pferd wirklich dominant behandelt hätte. Und das war ein spezieller Fall, der auch Menschen gegenüber sehr assoziales Verhalten gezeigt hat.
Sonst ist er eher gewichen, wenn ein neues, dominantes Tier aggressiv war. Nach ein paar Tagen, ist dann der andere gewichen, wenn meiner an die Raufe wollte. Irgendwie scheint er also sehr überzeugend zu sein, ich glaube aber nicht, dass er immer dominant war, wenn ich nicht hingeschaut hab ;). Ich denke einfach, dass eine Herde ähnlich komplex funktioniert wie eine Menschengruppe.

Zum Anrempeln ist mir noch was aufgefallen. Mein Kleiner macht das nie bei neuen Pferden in der Herde. Da geht er ganz vorsichtig ran, um rauszufinden ob der ihn in seiner Nähe duldet oder nicht. Die einzigen Pferde, die er je anrempelte - mit voller Absicht - waren seine Freunde.
Genauso kenn ich das auch. Ich glaube zwar nicht, dass Anrempeln damit zum Zeichen für Freundschaft wird ;), aber es ist sicher ein Zeichen dafür, dass dein Pferd kein Problem damit hat in deiner Nähe zu sein. Irgendwie hat es dich anscheinend schon in eine ähnliche Schublade gesteckt, wie seine Freunde :nick:
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Mannimen
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Re:Dominanz und Respekt
« Antwort #13 am: 25. Juli 2012, 12:04:47 »
Wenn wir uns keine Mühe geben unsere Pferde zu verstehen, wie können wir da erwarten, dass sie uns verstehen werden?

Der Unterschied zwischen ihrer Kommunikation mit uns zu unserer mit ihnen ist doch, dass sie frei und unerzwungen ist. Sie besteht im wesentlichen daraus Distanzen einzuhalten oder zu unterschreiten. Wir hingegen nehmen uns das Recht über die jeweilige Distanz zu ihnen zu bestimmen. Wer verhält sich denn da dominant und respektlos?

Ich möchte mal das Leittier sehen, welches sich ein Mitglied aus der Herde schnappt, es zum nächsten Anbinder schleppt und dort festbindet! So ein Verhalten wird man in der Tat unter Pferden nicht vorfinden. Da geht es nur darum, ob ein anderes Tier etwas tun darf oder nicht. Es entscheidet also frei selbst, was es gerne tun möchte und erfährt dann, ob das so ok ist oder nicht.

Insofern ist es mir wichtig, dass mein Pferd auch gerne bei mir sein möchte und muss akzeptieren, wenn es das eben gerade nicht will. Rückt es mir jedoch zu sehr auf die Pelle, darf ich auch sagen, dass ich das nicht möchte und mir mehr Freiraum einfordern. Das muss es dann auch akzeptieren. Auch gehöre ich nicht in seine Herde, bin weder ihr Anführer noch der Letzte in dieser Rangordnung. Ich gehöre einer anderen Art und Gruppe an. Und das macht es noch mal schwieriger gemeinsame Wege zu finden. Für mich basieren diese nunmehr überwiegend auf freiwilliger Basis. Ich biete etwas an und mein Pferd kann entscheiden, ob es dieses Angebot annehmen möchte oder nicht. Natürlich muss ich ihm dann auch die dabei geltenden gemeinsamen Regeln erst einmal erklären, damit das überhaupt funktionieren kann. Und daraus besteht die ganze Basisarbeit, bis wir eine gemeinsame  Kommunikation gefunden haben, die weder pferdisch noch menschlich ist. Sie wird gemeinsam abgestimmt aus Aktion und Reaktion, dann wird sie ergänzt durch Signale und bei erwünschter Ausführung immer belohnt.

Mache dein Pferd erfolgreich! Wenn wir das mal von uns in Bezug auf unsere Mitmenschen behaupten könnten. Ich glaube dann wären wir ein ganzes Stück weiter. Und das können wir bereits von und mit unseren Pferden lernen.
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verena
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Re:Dominanz und Respekt
« Antwort #14 am: 25. Juli 2012, 14:43:34 »
Ich sehe die Sache mit dem Respekt auf der nüchternen  Ebene. Wenn mich mein Pferd beim Führen zB. anrempelt (erschrecken und dadurch zur Seite springen ausgeschlossen), dann würde ich verschiedene Gründe dahinter sehen: es könnte unausgelastet sein und einfach rumhampeln und dieses Bedürfnis der Bewegung ist für das Pferd in diesem Moment einfach lustbetonter als das Halten eines Abstandes zu mir. Vorausgesetzt, ich habe das dem Pferd überhaupt schon früher beigebracht. Dann muß ich seine Haltungsbedingungen überdenken. Ich könnte auch einfach das Abstandhalten nicht trainiert haben, dann muß ich es trainieren. Es könnte auch sein, daß es vielleicht bei der Bodenarbeit einfach zu steif ist und daher mit der Schulter und /oder seinem Körper gegen mich drängt, dann kann es den Abstand aufgrund körperlicher Defizite einfach nicht einhalten, dann muß ich dieses Trainieren.
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