Meiner Meinung nach geht es bei dem Konzept von Choice - als Mitbestimmung - gar nicht primär darum, ein regel- und kontrollfreies "Mach was du willst" Leben zu führen. Sondern es geht darum, dem Tier ein Mitbestimmungsrecht zuzugestehen, um so, ganz allgemein, den Umgang sicherer und zuverlässiger zu machen. Denn die Alternative, wenn das Tier keine trainierte Möglichkeit hat, Nein zu sagen, kennen wir alle. Agressionen, Übersprungshandlungen, das "Stehenbleiben auf der Straße" - wobei ich das Beispiel immer ein wenig an den Haaren herbeigezogen finde, weil da dann schon vorher verschiedene Dinge eben nicht komplett trainiert wurden oder Signale übergangen wurden. (Und ja, die Krümeline hat sich sogar schon mitten auf der Landstraße hingelegt zum Stresswälzen, das ist lange her und ich werde sie in diesem Leben nicht mehr in solch eine Situation bringen, wenn es irgendwie zu verhindern ist). Das musste gerade mal raus, weil das Beispiel immer kommt und scheinbar alle Leute permanent mit ihren Pferden auf Straßen herumstehen, zumindest erweckt es manchmal den Anschein.
Bei Choice geht es darum, dem Tier Mitbestimmung über seinen eigenen Körper zu geben, etwas, das bei Kindern eigentlich schon lange selbstverständlich sein sollte. Ein Nein ist erstmal ein Nein, und das muss man ernst nehmen. Es geht darum dem Tier nicht nur beizubringen, Berührungen zu ertragen (weil es dafür Kekse gibt) sondern ihm zu erklären, dass es auch ohne Berührungen Kekse haben kann - weil erst dann ist es wirklich eine echte Wahl. Ein Tier, dass gelernt hat, Nein sagen zu dürfen, sagt meiner Erfahrung eigentlich permanent Ja. Ich habe noch nie erlebt, dass sich ein Tier dann wie ein trotziges Kind hinstellt, die Arme verschränkt und sagt "NEIN NEIN NEIN". Im Gegenteil. Selbst die Krümeline mit ihrer Spritzenphobie sagt eben auch noch zum xten Mal "Naguuuut, ich bemüh mich. WARTE ICH KANN GERADE NICHT. Ok jetzt." Darum geht es bei Choice. Und darum ist sie, in meinen Augen, genauso ein Grundrecht wie Nahrung, Wasser und Sozialkontakt. Jedes Lebewesen verdient das Recht, über seinen eigenen Körper zu bestimmen.
Ein ganz nettes Beispiel von einer Freundin: Diese hat ihrem alten Hund beigebracht, dass er vor dem Spaziergang die Wahl hat. Blauer Teppich bedeutet Frisbee (sein Lieblingssport), roter Teppich bedeutet lockerer Spaziergang, Gelber Teppich bedeutet kurzes Lösen und dann Denkaufgaben im Garten. Nachdem der Hund das verstanden hatte, hat er IMMER an Tagen, an denen am Vortag Frisbee gespielt wurde, eine der anderen beiden Matten ausgewählt und sich so ganz von alleine die nötige Regenerationszeit genommen. Das schließt ja nicht aus, an Tagen an denen es keine Wahl gibt, die Frage einfach nicht zu stellen (und die Teppiche nicht hinzulegen).
Es gibt inzwischen eine Reihe von wirklich interessanten Setups, über die z.B. Ken Ramirez oder Eva Bertilsson und Emelie Johnson Vegh auf der Clickerexpo sprechen, die beweisen, WIE mächtig es ist, den Tieren ein Setup zu bieten, in dem sie eine reale Wahlfreiheit haben.
Genauso wie bei dem Versuch, wo die Pferde selbst entscheiden konnten, ob sie eine Decke tragen möchten: Wenn ein Pferd wegen einer Krankheit eben eine Decke braucht, dann hängt man die Tafel nicht hin. Nur weil wir den Tieren die Wahl lassen heißt es ja nicht, dass wir uns selbst im Umkehrschluss zu reinen Befehlsempfängern und Futtereinheiten machen.