So wie ihr das alle schreibt klingt es nach furchtbar viel Einsatz von Druck, was es aber gar nicht ist.
Ich sehe es immer noch als eine Physische Präsenz an, zu der das Pferd eine Antwort finden kann.
Wenn ich ein Verhalten über freies Formen erarbeiten möchte, werde ich auch die Trainingssituation so gestalten, dass es ihm leicht fällt, die gewünschte Antwort zu finden.
Bsp: Wenn ich möchte, dass mein Pferd einen Pylon umschubst, werde ich nicht noch ein Dutzend anderer interessanter untersuchungswerter Dinge in Reichweite legen. Ich werde den Pylon vor das Pferd stellen und versuchen seine Aufmerksamkeit darauf zu lenken.
Natürlich kann ich auch wie im Delfintraining vorgehen, einen Pylon in die Halle stellen, das Pferd herumlaufen lassen und jede Zuwendung verstärken.
Wenn ich ein Pferd reiten möchte, gehe ich für mich (und für viele andere Menschen) davon aus, dass sie mit Zügeln reiten möchten.
Die Stricktechnik, die aus meiner derzeitigen Sicht das "Herz" der ganzen "Techniken" von A. Kurland bildet, ist eine Möglichkeit, den Weg zu einer Verbindungsqualität zu bekommen, die nicht mehr ist als das blosse Zügelgewicht.
Diesen Weg beginne ich mit physischer Präsenz am Strick, auf die das Pferd eine Antwort finden kann.
Ich habe das ja schon mehrfach mit Menschen geübt, um ihnen zu verdeutlichen was ihr Pferd da eigentlich tut oder fühlt. Jeder hat mir bestätigt, dass es sich nicht unangenehm anfühlt, sondern wunderbar aushaltbar ist. Aber irgendwann beginnt diese Präsenz zu stören, da man aktiv Muskeln anspannen muss, um dieser Präsenz zu begegnen. Und dann überlegt man, wie man das Ganze etwas angenehmer gestalten kann.
Wenn ich jemandem eine Hand auf die Schulter lege, stört ihn das nicht sehr. Aber möglicherweise ist er in der Balance irritiert und möchte diese Irritation loswerden.
Wenn man dazu eine Lösung findet, und sich die Situation wiederholt, wird man immer früher die Lösung anstreben, und die Irritation wird immer kürzer ausfallen.
In dem Sinne ist das für mich keine negative Verstärkung, sondern eine sehr gute Möglichkeit, innerhalb von sehr kurzer Zeit zu einem sehr feinen Kontakt zu kommen.
Da mit vielen Wiederholungen gearbeitet wird, reicht bald nur ein Anheben des Stricks, dann eine Handbewegung zum Strick, und das Pferd reagiert, nicht weil es das Kommende fürchtet und dem entgehen will, sondern weil es gelernt hat dass seine aktive Antwort ihm einen Click und eine Belohnung einbringen.
die meisten Menschen sind völlig verblüfft, wenn sie diese Erkenntnis am eigenen Leib erfühlen.
Für mich bedeutet es außerdem auch eine hohe Effektivität.
Freies Formen ist gut und schön und wichtig, aber wenn ich bestimmte Sachen erheblich schneller erarbeiten kann, weil ich eben die Trainingssituation so kanalisieren kann, warum nicht?
Solange ich darauf achte, dass die Situation für das Pferd annehmbar bleibt, Verständnis für eine etwaige Verwirrung habe und adäquat drauf eingehen kann, finde ich das Vorgehen in Ordnung.
Zum Reiten: Ich für mich finde, dass ich eine Verantwortung habe, mein Pferd möglichst gesund zu erhalten. Wenn ich ihm nicht die entsprechenden Möglichkeiten bieten kann in der Haltung sich vollkommen pferdegemäß zu gymnastizieren, liegt es in meiner Hand, diesen Teil zu übernehmen.
Nur (sorry) "herumzutüddeln" und zuzusehen, wie er ohne Muskulatur im Rücken durchhängt, dafür einen dicken Bauch hat und Probleme in den Beinen bekommt, nur weil er nicht gymnastiziert wird, dafür aber möglichst entspannt auf der Koppel herumsteht und gelegentlich ein paar Spaßeinheiten mit mir einlegt - das ist nicht meins. (das unterstelle ich keinem, bitte nicht falsch verstehen)
Meine Einstellung zum Thema Leistung hat sich in den letzten Jahren auch stark verändert. Mirko ist jedoch jemand, der 100% Aufmerksamkeit von mir fordert und der manchmal ein Workaholic sein kann (ohne sich dabei zu überarbeiten, versteht sich
)
Oder es ist ein Süchtigsein nach der Intensität der Gemeinsamkeit, ich weiss es nicht.
Auf meiner Stallsuche in der ganzen letzten Zeit hab ich auch einen Stall angeschaut, wo außer ausreiten gar nichts ging. Das wäre uns einfach viel zu wenig. Und ich sage ganz bewußt "uns", weil ich das von Mirko auch so empfinde.
Wir haben ja immer schon gerne viel unterschiedliche Sachen gemacht, aber seitdem wir uns an der Kurlandarbeit orientieren, hat alles eine andere, bessere Qualität bekommen.
Natürlich ist Eigenkreativität immer wichtig, aber für mich ist derzeit wichtig, mich auf diesen Weg einzulassen. Und ich merke was da alles Gute bei herauskommt.
Lustig, das erinnert mich gerade an die Anfangszeit, wo ich begonnen habe mich mit TREC zu beschäftigen (Techniken des Wanderreitens im Wettbewerb). Da gibt es ein sehr klares, strenges Reglement, und wenn man Prüfungen mitmachen will, ist es am besten, auch im Alltag die Handgriffe so zu erledigen oder Übungen so zu reiten wie sie auch in der Prüfung gefordert werden, damit es einfach "in Fleisch und Blut" übergeht.
Zuerst habe ich gedacht: Was ein Blödsinn, mich in meiner Freizeit jetzt so einem Reglement unterzuordnen, nur um irgendwann mal eine Prüfung zu reiten.
Dann habe ich irgendwann festgestellt, dass es ausgesprochen nützliche Nebeneffekte hatte, wenn man in dieser Konsequenz mit seinem Pferd umgeht. Das da ein gut erzogenes, gut ausgebildetes, rittiges Pferd bei herauskommt. Nur weil man das klare Ziel ständig vor Augen hat.
Und nichts anderes ist das "Kurland-System" für mich momentan.
Und das Faszinierendste ist eben die Selbständigkeit, die das Pferd erlangt, den Reiter physiologisch korrekt zu tragen, die Verbesserung der Balance, das Geraderichten.
Natürlich muss nicht jeder piaffieren, oder Trabtraversalen anstreben.
Für mich gehört allerdings zu den für jedes Freizeitpferd erstrebenswerten Grundlagen ein ausbalanciertes, spannungsfreies, lockeres Laufen mit aktiver Rückenbeteiligung in allen Gangarten dazu.
Mit weniger würde ich mich nicht zufriedengeben, und das ist auch das Ziel meines Unterrichts.
*Roman Ende*
*nochmalauferstensatzdersignaturverweist* :wink: