Zum Thema Losreißen hat mir mein kleiner Araber Maymun etwas Spannendes beigebracht: dass unsere Lernaufgabe nicht ist, dass durch den Strick zu gehen unmöglich ist, sondern dass der Strick Bedeutung hat.
Ich hab Maymun damals als 1,5-Jährigen bekommen und wie bei allen meinen Pferden war klar, dass Spaziergänge nur am Halsring stattfinden (unsere Version ist ein flaches 8m Kletterseil mit Schlaufe am Kopfende). An Tag 3 nach der Ankunft wollte ich testen, ob und wie weit er mit mir alleine von der Herde weggehen möchte. Ich hab ihn also am Halsring aus der Koppel gelassen und bin mit ihm über eine Wiese gegangen (seine Initiative, weil am anderen Ende spannende Schafe waren). Nach ein paar Metern bemerkte er, dass die Herde nicht dabei ist. Er drehte sofort um, riss mir das Seil aus der Hand und galoppierte zurück. Ich hätte keine Chance gehabt, ihn zu halten. Das Ganze haben wir dann innerhalb der Koppel noch 2-3x probiert und jedes Mal war seine Reaktion die gleiche: sobald er zur Herde wollte, riss er sich einfach los und galoppierte da hin.
An diesem Tag hab ich dann innerhalb der Koppel erstmal ohne Seil weitergemacht und außerhalb der Koppel waren wir für die nächsten 1-2 Wochen nur noch in Begleitung von Pia, seiner Shetlandpony-Adoptivmama. Alleine rausgegangen sind wir danach Schrittchen für Schrittchen zum Grasen und dabei hab ich aufgepasst, immer wieder zurück zur Herde zu gehen, bevor er selbst die Idee hat. Das war am Anfang nach zwei Metern, dann nach fünf, und so weiter. Dieses Zickzack (Maymun will vor, Romy will zurück) führte dann dazu, dass er energischer und überzeugter nach vorn ging, anstatt dass ich ihn bitten oder gar überzeugen musste. Ich war der nach Hause drängende Faktor, den es zu überwinden galt (das ist ein generelles Prinzip in meiner Interaktion mit meinen Pferden).
Was ich aber eigentlich sagen wollte: Wir haben nie explizit geübt, dass sich Maymun an den Strick halten müsste. Das hat sich einfach so ergeben durch die vielen kleinen beiläufigen Interaktionen, die einfach passieren, wenn man täglich mit einem Pony und mir spazieren geht. Maymun wusste durch die Losreiss-Aktion ganz genau, dass ich ihn nicht halten kann. Und das darf er auch gern wissen. Ich selbst möchte auch gern wissen, dass ich im Notfall aus einer Situation herauskäme. Dennoch: Wenn er jetzt tatsächlich mal erschrickt und losspringt, rennt er eher in den Strick und galoppiert dann auf der Stelle als dass er mir den Strick aus der Hand zieht. Der Strick hat einfach ganz nebenbei Bedeutung erlangt.
Jetzt, anderthalb Jahre und mehr als 500 Spaziergänge später, kann ich Maymun von seinem Spazierengehverhalten kaum noch als Jungpferd ansehen. Ja, er ist in seinem Ausdruck noch sehr fohlig (er wird ja auch im Mai erst drei), aber er kennt einfach schon so viel. Deswegen freue ich mich riesig auf mein neues Jungpferd Aahnuu, das zu Ostern bei uns einzieht, kurz vor seinem ersten Geburtstag. Ich freue mich darauf, dass Maymun und ich ihm die Welt zeigen dürfen und bin gespannt wie sich das von den Erlebnissen der letzten anderthalb Jahre mit Maymun unterscheiden wird.