Ich hatte diesbezüglich einmal ein sehr prägendes Erlebnis.
Mirko war glaube ich 5 Jahre alt, wir waren dabei, die Gegend mehr zu erkunden und kleinere Tagestouren zu unternehmen. An diesem Tag hatten wir zu zweit (mit einem ein Jahr älteren Jungpferd) eine Tagestour zu dem Stall von Freunden geplant - eine Strecke von knapp 9 km, die wir auf dem Hinweg etwa zur Hälfte geritten sind und zurück komplett laufen wollten, dabei hatten wir zwei Stunden Pause vor Ort gemacht.
Zu dieser Zeit hatte ich mit Mirko reiterlich oft irgendwelche seltsamen, nicht richtig fassbaren Unstimmigkeiten, wenn wir draußen waren. Irgendwie bog er auf einmal ab, oder walzte durchs Unterholz etc. Eine Situation, die mich ziemlich frustrierte, weil ich die Ursache nicht richtig ergründen konnte.
Als wir nach der Pause vom Hof gingen, waren wir kaum 500 m weit gelaufen, als ein Traktor mit zwei Anhängern voller Rundballen gefahren kam. Und das waren die größten Anhänger die ich je gesehen hatte, die Rundballen waren drei Lagen hoch gestapelt und ich glaub in der untersten Lage 8 Stück in der Länge. Das andere Pony hatte ein Problem mit Dingen, die über seinem Kopf waren, das hatte ich schon bemerkt, als ich mal auf seine Boxenwand geklettert war (das war der Nachbar von Mirko damals).
Je näher dieser Traktor kam, desto mehr spannte sich T. an, riß sich schließlich los und raste davon - Richtung Heimat, dh auch Richtung Autobahn…
Da wir geplant hatten zu laufen, war Mirkos Trense ordentlich seitlich verstaut. Bis ich mit zitternden Fingern alles rausgeholt, Trense über Halfter, aufgestiegen und losgerissen war, war T. schon längst nicht mehr zu sehen.
Wir sind im flotten Trab den Weg entlang, in den Wald hinein. Hufspuren? Rechts, links, den Weg da rein? Schnell Mirko, lass uns gucken, nein, da ist nichts, umdrehen, zurück, im Galopp gehts schneller, oh, hier Spuren? Halten, gucken, wieder los….
Wir waren eine Einheit, wir waren Zentaur, ein Gedanke ein Körper.
Und wir fanden T. , der auf einer grasbewachsenen Kreuzung friedlich graste und ganz erleichtert war, als wir kamen.
Zwei Fragen, die sich mir danach stellten:
Warum hatte T. uns nicht vertraut, sondern beschlossen, sein Heil in der Flucht zu suchen?
Weil er ein Pferd ist. Und weil jedes vernünftige normale Pferd angesichts von etwas derartig Schrecklichem auf keinen Fall stehenbleiben würde und wir Menschen einfach so schneckenlangsam sind, dass uns in diesem Fall auf keinen Fall zu trauen wäre, dass wir schnell genug sein würden.
Zweitens:
Warum hatte ich mit Mirko überhaupt kein Verständnisproblem, als es drauf ankam?
Weil ich ganz bei ihm war und wir gemeinsam das gleiche Ziel hatten. Weil meine Körpersprache der Hinderungsgrund war und die Ursache für seine komischen Reaktionen - aber weil mein Denken so klar und zielgerichtet war, war es meine Körpersprache auch. Wie oft ist es also, das Denken und körperlicher Ausdruck beim Menschen so gar nicht zusammenpassen, und der Mensch aus Sicht des Pferdes gänzlich unverständlich agiert, aber trotzdem „Vertrauen“ aka „Gehorsam“ einfordert.
Was ich gelernt habe ist, dass „Vertrauen“ eben ein Konstrukt ist, dass menschengemacht ist, aber nicht unbedingt logisch fürs Pferd. Und mir stellt sich auch immer wieder die Frage, warum das Pferd uns „vertrauen muss“, warum darf es sich nicht selbst für etwas entscheiden?
Das ist so halb rhetorisch, natürlich weiß ich, dass sich in unserer dichtbesiedelten Landschaft ein Pferd nur selten entscheiden kann zu gehen wo immer es hin will. Romy zeigt ja aber auch, dass es da auch durchaus Konsens geben kann.