Warum sehe ich diesen thread erst jetzt

Für mich sind ja Pferde eine der 'anderen' Tierarten, ich hoffe, meine Erfahrung passt trotzdem zum Thema.
Hunde: Sind meine base line.
Für mein Empfinden gibt es hier innerhalb der Spezies größere Unterschiede als bei anderen Tierarten. Das kann natürlich einfach dadurch so scheinen, dass ich hier die größte sample size habe, aber ich kann mir schon vorstellen, dass die extreme Spezialisierung der Arbeitshunderassen da auch mitspielt. Ich finde den Unterschied für den Trainingskontext zwischen einem Dackel und einem Mali viel signifikanter als zwischen einem Huhn und einer Ziege.
Der richtige Hund in der richtigen Lebensaufgabe ist fast ein Selbstläufer. Passt die Kombination nicht, kann es zu Problemen kommen, die sich über Training wenn überhaupt nur sehr schwer lösen lassen. (Abgesehen von der ethischen Grundsatzfrage, ob es erstrebenswert ist, den Grundcharakter eines Hundes, den man sich absichtlich und bewusst angeschafft hat, komplett umkrempeln zu wollen.) Leider sehen viele Hundeführer in diesen Situationen Management und antecedent arrangement nicht als vollwertige, nachhaltige Lösung, sondern als eine Art 'Kapitulation'. Da ist in der Kultur leider noch viel Alphaprimatengehabe.
Man hat sehr große Auswahl an non food reinforcers, die wie ein primärer Verstärker verwendet werden können. Dabei muss man sich allerdings gut überlegen
was genau der eigentliche Verstärker ist.
Beispiel: Spielen mit einem Beutespielzeug funktioniert für viele Hunde sehr gut. Aber das Spiel besteht aus verschiedenen Sequenzen und gerade spezialisierte Arbeitshunde haben da sehr deutliche Präferenzen. Oft ist es wirklich ganz konkret zB das Nachjagen des fliegenden Balles ODER das Finden eines versteckten Spielzeuges ODER das Zerrgelspiel ODER das Gewinnen des Zerrgelspiels ODER das Zurückbringen der gewonnenen Beute zum HF, das für den Hund den verstärkenden Wert darstellt und alle anderen Komponenten des Spiels sind dann teile der Verhaltenskette oder 'verunreinigen' den Loop. Wenn man da weiß, worum es dem Hund geht und unnötigen Fluff minimiert, kann man die Effizienz des Trainings sehr erhöhen.
Soziale Verstärker finde ich für Hunde schwierig. In der Theorie/unter idealen Laborbedingungen funktionieren sie natürlich super aber in der Praxis verwässert es sich meistens doch und führt dann dazu, dass die Reize, die der Mensch für einen positiven Verstärker hält, für den Hund zu einer Art Markersignal für einen negativen Verstärker werden.
Futterverstärker sind meistens mehr oder weniger ekelig und Hunde, die keine Retriever sind, müssen Futter nehmen oder auch Verhalten im Beutespiel erst lernen sonst Raubtiergebiss. Außerdem sabbern viele Hunde stark.
Hühner (Legehybriden): Haben bei mir bisher wenig eigenständigen Eindruck hinterlassen. Nicht falsch verstehen, ich mag sie als Beobachtungstiere sehr, aber im Training habe ich mit einem Huhn innerhalb kürzester Zeit jeweils genau die Baustelle reproduziert, die mir mit dem Hund gerade zu schaffen macht.
Super ist, dass sie so schnell sind. Nach einer Session mit einem Huhn hab ich für einige Zeit mit keinem anderen Tier mehr Timingprobleme.
Füttern vom Löffel sehr praktisch, aus der Hand pieksen sie manchmal.
Mir fehlt Blickkontakt.
Landschildkröte: Laaaaangsaaaam! Für Leute wie mich, die gerne 'Bordercollieenthusiasmus' sehen, eine super Übung, nicht betriebsblind zu werden und das eigene Auge für ruhiges Training zu schulen.
Finde es sehr irritierend, dass sie einfach geradeaus panzern, egal ob eine Wand oder ein Abgrund im Weg ist. Das stresst mich, sie sollen ja nicht im Training verunglücken.
Mir fehlt Blickkontakt.
Pferde (habe allerdings keine Jungpferdeerfahrung): Langsam, gefühlt viel 'Leerlauf' in den Loops, der aber keinen Schaden anrichtet. Eher kommt es zu Stress, wenn man das versucht abzukürzen. Ich finde, Pferde strahlen bei ruhigem Training selbst sehr viel Ruhe aus, was wiederum ein sehr gutes Feedback für Hibbeltrainer wie mich ist. (Wenn ich die Möglichkeit habe, mit Pferden zu trainieren, wirkt sich das in diesem Aspekt immer sehr positiv auf mein Hundetraining aus.)
Man kann recht unkompliziert ein für das Tier frustarmes Setting schaffen, indem man mit nicht zu hochwertigen Verstärkern auf Wiese trainiert. Dann liegt der Frust bei Fehlern zum Großteil bei mir da sich das Pferd nicht ärgern muss, sondern es nimmt einfach die Nase ins Gras. (Hatte aber noch mit keinem Pferd zu tun, das aus gesundheitlichen Gründen kein Gras durfte, das wäre natürlich wieder was anderes. Ich weiß nicht, ob ein frei zugängliches Heunetz im Trainingsbereich den gleichen Effekt hat, wäre aber für diese Situation meine erste Idee.)
Das Größenverhältnis zwischen Muskeln und Felllänge ist so, dass man auch im Winterfell sehen kann, was gerade im Körper passiert. Sehr praktisch.
Pferde sind groooooß, wenn was schief geht, dann geht es potentiell richtig schief.
Pferde mit NHS-Vergangenheit sind frustrierend. Da kommt nix von selber und die ersten Einheiten sind wie Kaugummi, bis man überhaupt zu irgendeinem Verhalten außer stehen und atmen kommt.
Mit konventionell ausgebildeten Pferden habe ich diese Erfahrung interessanter Weise nicht gemacht. Die sind von Anfang an ansprechbar. Spannend, dass es da solche Unterschiede gibt. Ist ja beides negative Verstärkung.
Mir fehlt Blickkontakt.
Ziegen: Ziegen sind die Coolsten! Haben tolle Mäulchen, die sich beim Füttern klein, weich und nicht sabberig anfühlen, haben eine schnelle base line, abstrahieren Trainingsinhalte sofort und integrieren sie in den Alltag, bieten selbst viel Problemlösung an ohne frustig zu werden und merken sich alles ewig. Außerdem sieht man die Muskeln gut.
Langbehornte Rassen sind manchmal am Anfang unhandlich.