Ich bin als Mitreiterin einer ab-und-zu geclickerten Stute zum Clickertraining mit Pferden gekommen. Als deren Besitzerin nach Jahren die ganze Kommunikation auf Clickern und positive Bestärkung umgestellen wollte haben wir uns zusammen gesetzt und besprochen, was wir uns jeweils darunter vorstellen, was unsere Ziele sind und wie wir diese Erarbeiten können. Die Frage "Möchtest du diesen Weg mit uns gehen?" stand offen im Raum, und ich habe mich dafür entschieden. Es folgte eine unglaublich intensive Zeit. Ich habe es als sehr bereichernd erlebt, wie diese Art der Kommunikation auch abgesehen von Zirkuslektionen ihre Wirkung entfaltet und mein Weltbild verändert.
Nun ist es fast ein Jahr her, dass Fanny uns für immer verlassen hat, und beim Einzug des Pferdekindes war ganz klar, dass es von Anfang an mit positiver Verstärkung ausgebildet wird.
Ich bin aber seit dem Winter auch mehrmals die Woche bei einer Criollodame, die bis dahin nur mit negativer Verstärkung gearbeitet wurde. Sie ist die Herdenchefin, steht den ganzen Tag bei den Heunetzen und verteidigt diese mit angelegten Ohren und gebleckten Zähnen.
Leider ist das Bild, das die Menschen in der Haltergemeinschaft von ihr haben, auch dem entsprechend. "Bei der muss man sich durchsetzen, sonst tanzt einem die auf der Nase rum."
Ich darf sie mit positiver Verstärkung arbeiten und mache das auch ausnahmslos. Die Besitzerin sieht uns immer wieder beim Training zu und fragt auch nach, was wir da tun, sie selbst wählt für sich andere Wege. Ihr ist im Umgang mit der Stute noch nichts aufgefallen, wo diese sich plötzlich anders Verhalten würde. Vielleicht liegt es an der Einstellung. Wenn man immer Dominanz- und Rangordnungsgedanken im Kopf hat und ein Pferd, das von deinem Charakter eher introvertiert ist, dann bietet das Pferd eher keine Übungen aus dem Trainingskontext mit einer anderen Person an. Ich achte aber zum Beispiel darauf, keine Targets aus dem Pferdealltag zu verwenden.
Für mich ist es spannend zu beobachten, wie aus einem Fass-mich-nicht-an-Pferd im laufe der Monate eine Stute wurde, die für ihr Leben gerne Körpertargets macht und sogar von sich aus Dinge anbietet. Die schon sehr gekonnt mit Kooperations- und Startsignalen umgeht und sich traut zu sagen, was sie nicht mag, anstatt alles megablöd zu finden.
Und trotzdem bin ich immer wieder in einem Zwiespalt. Wiehert sie mir entgegen, wenn ich komme? Zum Glück macht sie das bei der Besitzerin auch. Beißt sie beim Satteln? Hurra, ich pack dann mal meine Diplomatie aus und erkläre der Besitzerin, dass ich das eher nicht normal finde. (Inzwischen gibt es einen neuen Sattel.) Übe ich Hinterhandtargets? Ja, die Pirelli-Historie mit der Besitzerin ist so tief, dass sie das dort bestimmt nicht anbietet. (Dennoch habe ich bei dieser Übung besonders viel Zeit mit der Signalkontrolle verbracht.)
Vor kurzem kam ich an, es regnete seit Stunden, die Ohren der Criollodame waren quasi nicht zu sehen und sie hatte mal wieder gaaaar keine Lust auf irgendetwas. Ich habe mir Kekse und Bürsten geholt, mich in den Unterstand gesetzt und gewartet, da kam sie dann doch neugierig und griesgrämig zugleich vorbei. Putzen war blöd, Rücken angreifen sowieso, Bauch heben zu vergessen. Aber sie bot mir Kopfsenken an.
Gut, dann Kopfsenken.
"Kannst du Kopftargets?" - "Ja, kann ich."
"Kannst du am Wangentarget bleiben, wenn ich kurz mit der Bürste deinen Hals berühre?" - "Schwierig, aber ich kann das."
So haben ich mich mit ganz viel Kopftief und Targets langsam rund ums Pferd gearbeitet. Während diesen 15, 20 Minuten kamen die Ohren immer weiter vor, der Kopf sank entspannter zu Boden, sie schnaubte ab. Und plötzlich war da so viel Ruhe und Zuversicht in diesem Pferd. Da war mir wieder klar, warum ich so gerne mit ihr Zeit verbringe. Es geht nicht darum, was gestern war oder was morgen ist. Wenn ich einem Pferd jetzt gerade zeigen kann, dass es gut ist, wie es ist, dann habe ich meine Aufgabe erfüllt.