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Lernen durch Stimmungsübertragung?

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Lernen durch Stimmungsübertragung?
« am: 25. Oktober 2017, 23:36:20 »
Hallo  :cheerleader:
Im Rahmen meines Studiums bin ich mit den Lerntheorien in Kontakt gekommen und im Zuge dessen bin ich auch auf das "Lernen durch Stimmungsübertragung" aufmerksam geworden. Dazu habe ich folgende Definition gefunden.

"Stimmungsübertragung w, ansteckendes Verhalten, all(el)omimetisches Verhalten, Mach-mit-Verhalten, Handlungsangleichung, E mutual excitation, Übertragung einer Motivation oder einer Bereitschaft von einem Sozialpartner auf den anderen, die dazu führt, daß die Mitglieder einer Tiergruppe oder eines Schwarms sich gegenseitig "anstecken" und zur selben Zeit dasselbe tun. Durch Stimmungsübertragung wird das Verhalten im sozialen Verband synchronisiert - mit mindestens zwei Nutzeffekten: Zum einen kommen wichtige Informationen über die Umwelt, die ein Tier gewinnt, den anderen zugute: eine synchronisierte Flucht (ein Vogelschwarm fliegt gemeinsam auf) rettet auch die Tiere, die den Raubfeind nicht selbst gesehen haben; die Futtersuche an bestimmten Stellen (z.B. durch Umdrehen von Steinen bei Bären) informiert Tiere über eine zur Zeit ertragreiche Futterquelle, auch wenn sie nicht hungrig genug wären, um ohne die Stimmungsübertragung zu suchen. In einem solchen Fall kann die Stimmungsübertragung einen Lernprozeß anregen, der die Verhaltensmöglichkeiten aller Tiere erweitert (Lernen). Zum zweiten werden durch Stimmungsübertragung die Bedürfnisse der Tiere synchronisiert, so daß der Zusammenhalt des Verbandes nicht durch widerstreitende Motivationen gefährdet wird: die Tiere sind in etwa zur selben Zeit hungrig, durstig, müde usw. und neigen von daher zu gemeinsamem Verhalten. Man benutzt daher auch die Begriffe soziale Anregung, soziale Stimulation, soziale Verstärkung oder soziale Erleichterung (E social facilitation). Der Begriff der Stimmungsübertragung wurde von K. Lorenz bereits in seinem Frühwerk in allen Grundzügen erfaßt."


(Q1: "Stimmungsübertragung" aus: Lexikon der Neurowissenschaft, Webseite: www.spektrum.de, Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg)
(Q2: Link vom 25.10.2017, 23.16 Uhr
Link: http://www.spektrum.de/lexikon/neurowissenschaft/stimmungsuebertragung/12312)


Weiter heißt es :

" K. Lorenz schreibt in "Der Kumpan in der Umwelt des Vogels" zur Stimmungsübertragung: "Es wird hier bezeichnenderweise eine Triebhandlung des einen Tieres durch die gleiche Triebhandlung des Kumpans ausgelöst. Bei Beobachtung dieses Verhaltens müssen wir eingedenk bleiben, daß dies keine Nachahmung ist. Zur Nachahmung einer zweckmäßigen Verhaltensweise ist kein Vogel befähigt... Diese Art von scheinbarer Nachahmung beruht auf der bei Vögeln sehr weit verbreiteten Erscheinung, daß der Anblick des Artgenossen in bestimmten Stimmungen, die sich durch Ausdrucksbewegungen und -laute äußern können, im Vogel selbst eine ähnliche Stimmung hervorruft. Dazu sind die Ausdrucksbewegungen ja eben da. Wenn man schon durchaus eine Analogie mit menschlichem Verhalten heranziehen will, so kann man sagen, die betreffende Reaktion ,wirke ansteckend' wie bei uns das Gähnen."

(Q3: "Stimmungsübertragung" aus: Lexikon der Neurowissenschaft, Webseite: www.spektrum.de, Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg)

Die Analogie erscheint mir soweit verständlich sowie das Beispiel mit dem Gähnen.
Für mich stellt sich jetzt die Frage: Inwiefern ist das Lernen durch Stimmungsübertragung zwischen Mensch und Pferd möglich? Können Pferde Verhaltensweisen als angenehm empfinden, wenn der Mensch in einer gewissen Stimmung ist?
Und ist es vielleicht möglich, dass das Pferd im nächsten Schritt Verhaltensweisen ausführt, weil es dies durch die Stimmungsübertragung gelernt hat? Könnten wir Menschen möglicherweise mit unseren Emotionen Verstärker darstellen?


Einerseits habe ich weitere Quellen finden können, in denen die Rede davon ist, dass vor allem zugrundeliegende Emotionen wie Angst oder Stress sich von dem einen Tier auf das andere übertragen kann.
Ich habe persönliche Erfahrungen gemacht, welche diese These bestätigen.

Andererseits sehe ich das Lernen durch Stimmungsübetragung auch kritisch, da der Mensch kein Artgenosse des Pferdes ist, sondern bestenfalls ein Sozialpartner (?) darstellt - aber auch nur in einem begrenzten Zeitrahmen und keine 24/7.
Außerdem kann ich mir vorstellen, dass vielleicht nur starke Emotionen, welche dem Überleben dienen einen solchen Effekt auf das Gegenüber hat - dies widerspricht aber dem oben erwähnten Beispiel des Gähnens. (Mir ist insofern nicht bekannt, dass Gähnen das Überleben sichern soll :lol:)

Vielen Dank an alle, die sich durch den Roman gequält haben  :keks:


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Re: Lernen durch Stimmungsübertragung?
« Antwort #1 am: 26. Oktober 2017, 09:43:00 »
:kau:
Spannendes Thema und aus dem Bauch heraus würde ich sagen ja :cheese:
Auf jeden Fall reagieren Pferde sehr intensiv auf unsere Stimmung, ich denke gerade auch wenn die Bindung sehr eng ist.

Ich habe das beim longieren und/oder dem traben an der Hand gemerkt. War ich ohnehin schon schlecht gelaunt und meine Stimmung dementsprechend negativ. Momo war dann meist auch lustlos, antraben zog sich hin oder klappte gar nicht. Lerneffekt gleich null :P
Wenn ich aber positive Energie habe und fröhlich gestimmt feuer ich sie mit meiner Stimmung an, dann traben und hüpfgaloppieren wir nebeneinander her und das antraben auf Signal klappte plötzlich viel schneller und sie wirkte viel fröhlicher und motivierter dabei, als wenn meine Stimmung negativ war :confused: Ich denke also schon das ich ihr mit meiner eigenen positiven Stimmung zeigen kann wie toll das traben ist :D

Edit: Entspannung lässt sich bei vielen Pferden auch gut über die eigene Stimmung vermitteln. Gestern bin ich zum ersten Mal seit einem Jahr wieder in der Halle geritten. Meine Stute war entsprechend angespannt. Ich habe mich bewusst entspannt und ihre Anspannung verflog recht schnell, sie schnaubte ab und ließ den Hals fallen, was ich bestärke. Das blieb dann fast die gesamte Einheit bestehen :)

« Letzte Änderung: 26. Oktober 2017, 10:09:36 von ClickerHafi »
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Re: Lernen durch Stimmungsübertragung?
« Antwort #2 am: 26. Oktober 2017, 11:13:09 »
Vor sehr vielen Jahren, wirklich lange bevor das Thema Tierkommunikation Raum gewinnen konnte, war ich mal auf einem Kurs, bei dem wir zwei Aufgaben bekamen.
Zuerst sollten wir mit unseren Pferden einfach über den Platz laufen und an traurige Dinge denken. Also wirklich traurige.

Binnen 3 Minuten schlichen alle Pferde mit hängendem, gesenkten Kopf im Schlurfschritt neben ihren Menschen her.

dann sollten wir an schöne, heitere, fröhliche Dinge denken. Und auch das spiegelte sich sofort im Pferd wieder, sie wurden wieder lebhafter, schauten mit aktiven Auge und schritten munter daher.

Viel mehr habe ich nicht aus diesem Kurs in Erinnerung, aber das fand ich damals schon sehr eindrucksvoll.
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Re: Lernen durch Stimmungsübertragung?
« Antwort #3 am: 26. Oktober 2017, 14:08:45 »
Hier mal meine Überlegungen:

Das heißt jetzt aber erstmal nur, dass Stimmungsübertragung funktioniert, also dass ein Wesen durch seine eigene Stimmung die Stimmung des anderen beeinflussen kann. Aber kann so ein neues Verhalten gelernt werden? Fröhlich traben oder im Schlurfschritt rumschleichen konnten die Pferde ja schon vorher.

Um "Lernen durch Stimmungsübertragung" auf das ganz wesentliche ABC des Lernens (Anticident, Behavior, Consequence = Verhalten auslösender Reiz, Verhalten, Konsequenz) zu reduzieren, müsste die Stimmung ein Verhalten auslösen, das durch irgendeine positive oder negative Konsequenz die zukünftige Häufigkeit des Auftretens des Verhaltens beeinflusst.

Wenn man das Beispiel Gähnen nimmt, kann man das Gähnen bei einem anderen Wesen durch eigenes Gähnen auslösen. Wenn das Gähnen häufiger auftritt, muss es entweder selbstverstärkend sein (das tut sooo gut) oder es muss nach dem Gähnen eine positive Konsequenz erfolgt sein (z. B.) Leckerli.

Aber dann erfolgt das Lernen doch nicht durch den auslösenden Reiz "Stimmungsübertragung", sondern durch die Konsequenz, die dem Verhalten folgt?

Und kann man durch Stimmungsübertragung ein ganz neues Verhalten, was vorher noch nie gezeigt wurde und vielleicht auch nicht so wirklich im Verhaltensrepertoire eines Tieres enthalten ist, trainieren? Oder kann man nur Verhalten initiieren, die sowieso schon manchmal gezeigt werden?

Die Intrinzen-Geschichte arbeitet mit Stimmungsübertragung, oder? So genau kenn ich mich da nicht aus.

VG
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Re: Lernen durch Stimmungsübertragung?
« Antwort #4 am: 26. Oktober 2017, 14:33:24 »
In Bezug auf die ABC Sache möchte ich noch zu bedenken geben, dass es völlig ausreicht, wenn z. B. das Gähnen eine Funktion für das Lebewesen hat. Das muss also nicht immer eine externe Konsequenz beinhalten. Wobei ich das bei so speziellen Gesten schwierig finde, weil die Bedeutung von Gähnen beim Menschen und beim Pferd ja deutlich abweichen kann (Beschwichtigung, Sauerstoffausgleich), abgesehen davon, dass es dazu wenig Forschung gibt.

Ich glaube nicht, dass durch Stimmungsübertragung das Lernen von neuen Verhaltensweisen systematisch erfolgt, dann sprechen wir von Lernen durch Nachahmung. Dazu ist man sich meines Wissens einig, dass dies eher ein Konzept nach dem Trial-Error Verfahren ist, dass das Tier lernen muss. Dazu gibt es auch Konzepte, die sich damit befassen, "Do as I do" z. B.

Was ich allerdings schon glaube ist, dass Spiegelneuronen existieren und diese Form der Stimmungsübertragung auch von Pferd zu Mensch funktioniert, wenn eine entsprechende Vertrautheit entsteht. Aber das versetzt meiner Meinung nach das Tier auch nur in eine entsprechende Stimmung, in der dann bestimmte Verhaltensweisen wahrscheinlicher werden (ein Kopfsenken ist halt wahrscheinlicher, wenn das Pferd entspannt ist, ein Angaloppieren wird eher unwahrscheinlicher, wenn der Mensch keine Energie im Körper hat). Natürlich spielen da immer noch mehr Faktoren mit rein und ein Teil der Forschung ist eben auch noch recht neu und ein bisschen spekulativ, denke ich.

Bzgl. Intrinzen, nö, meiner Meinung nach baut das einfach nur durch systematisches Verstärken entsprechenden Verhaltens auf, das hat meiner Meinung nach wirklich wenig mit Stimmungsübertragung zutun ;)

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Re: Lernen durch Stimmungsübertragung?
« Antwort #5 am: 13. November 2017, 15:34:48 »
Zum Thema Spiegelneuronen habe ich in meinem Lehrbuch gerade noch folgendes gefunden:

Zitat
It is typically assumed mirror neurons play a role in working out WHY someone else is performing certain actions as well as deciding WHAT those actions are. However, mirror neurons do NOT provide us with an exact motoric coding of observed actions. (Cognitive Psychology, Eysenck, 2015)
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Re: Lernen durch Stimmungsübertragung?
« Antwort #6 am: 13. November 2017, 17:15:29 »
:thup:   Ja, zusehen und selbst fühlen und dann tun sind zwei Welten.
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Re: Lernen durch Stimmungsübertragung?
« Antwort #7 am: 13. November 2017, 17:23:28 »
Also im Grunde geht es darum, das in allererster Linie bestimmte Gehirnareale aktiv sind, sowohl wenn man eine Handlung ausführt als auch wenn man sie beobachtet. Ob das wirklich auch dieselben Neuronen sind ist bisher nicht nachgewiesen genauso wie viele weitere Fragen. Bei der bildlichen Vorstellung von Dingen sind zb auch Teile der Gehirnregionen aktiv, die auch für die tatsächliche Bildverarbeitung notwendig sind, auch wenn die Prozesse dahinter unterschiedlich sind. So wie ich das verstehe können über die "Spiegelneuronen" also in erster Linie eigene gespeicherte Informationen über Bewegungen und deren verknüpfte Beweggründe abgerufen und aktiviert werden - sind die allerdings nicht vorhanden ist auch die übermittelte Information relativ unaussagekräftig.
LG Tine
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Re: Lernen durch Stimmungsübertragung?
« Antwort #8 am: 01. Dezember 2017, 20:47:09 »
überfordert :-[
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Re: Lernen durch Stimmungsübertragung?
« Antwort #9 am: 02. Dezember 2017, 12:46:51 »
Für mich klingt das auch ein bisschen nach Trennungangst :juck:
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