Esther und ich fragen uns (sicher noch einige andere), wie ich eigentlich nun feststellen/sehen kann, wie locker ein Pferd läuft bzw. ob überhaupt oder wie auch immer. In der Theorie kann ich mir einiges zusammenreimen, beim wirklichen Sehen scheitere ich meistens kläglich... *peinlich*

Inwiefern sieht man also einen 'schwingenden Rücken'? Bzw. worauf sollte man dabei achten? Und was sollte man wann wo noch sehen? (Ich denke an Nickbewegung des Kopfes im Schritt usw.)
Sicher schwierig zu erklären so rein schriftlich, wenn jemand ein Video hätte und dazu schreiben würde "Kuck mal bei 1min30, da sieht man folgendes.." ... mei, des wär natürlich ein Traum!  
Aber auch ansonsten freue ich mich/freuen wir uns über Input!


Platz für Esthers Ergänzungen zum Eingangsthread:  
[Esther] Bettina, Du bist einfach der Hit!
Vielen Dank für's Thread erstellen!
Hmm, Ergänzungen... Bei Capitan habe ich an der Longe teilweise schon den Eindruck, dass er (im Trab) relativ locker läuft, aber eben nur relativ. Irgendwie scheint es  mir, da müsste noch "mehr" gehen, kann es aber nicht wirklich greifen, wieso ich auf die Idee komme. Von daher würde ich mich auch seeeeehr über diesbezügliche Hilfe freuen!
[/Esther]
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Hallo Bettina,

schön, dass Du diese Frage stellst, denn sie stellt eines der Grundpfeiler in der Ausbildung unserer Pferde dar. Ob es erreicht wurde können wir daran erkennen, wenn der Rücken nicht mehr festgehalten oder weggedrückt wird, also der lange Rückenmuskel angespannt bleibt. Er ist kein Tragemuskel sondern ein Bewegungsmuskel und muss sich somit bei jedem Tritt nur einseitig anspannen und auf der gegenüberliegenden Seite gleichzeitig lösen. Wird er festgehalten, dann kann das jeweilige Hinterbein nicht unter den Schwerpunkt vorschwingen und fällt nach hinten aus. Wie weit ist zu erkennen an einem gedanklichen Lot zwischen beiden Hinterbeinen in der Bewegung. Liegt es hinter der Senkrechten wird der Rücken festgehalten und kann so nicht schwingen. Sieht es dennoch so aus, als würde er mitschwingen täuscht das, denn dann kommt der Schwung alleine aus den Beinen.

Und wie gut die Tragkraft im Rücken ausgebildet ist, wird an der Halsmuskulatur erkennbar. Ist sie im oberen Bereich stärker als unten, trägt das Tier die Last im Rücken zu einem großen Teil über das Nackenband, welches unter Zug den Rücken anhebt aber gleichzeitig auch das Becken nach vorne kippen lässt, wenn hier kein Gegenzug entsteht durch deutliches Vortreten der Hinterbeine. Also Kopf, Hals und Hinterbeine sind hier die Merkmale für einen losgelassenen und frei schwingenden Rücken bzw. einen festgehaltenen und angespannten oder weggedrückten Rücken.

Zum Nachlesen hier: http://www.hecomhippique.nl/pers/Funktionale-Anatomie-des-Pferdes.pdf

Ohne Reiter ist das auch schon an der jeweiligen Durchbiegung des Rückens zu erkennen. Bleibt sie bei jedem Schwung gleich, wird er festgehalten und kommt nicht ins schwingen. Wölbt sie sich jedoch auf und ab (kürzere und längere Durchbiegung), schwingt der Rücken. Dies ist besonders gut zu sehen im Trab. Im Galopp hingegen wird der Rücken komplett aufgewölbt und im Schritt hängt er eher durch.

Wie man das erreichen kann, ist Inhalt des hier viel zitierten Longenkurses z. B. http://www.youtube.com/watch?v=2JqtQFK9mxM

Hoffe etwas weiter geholfen zu haben
Manfred

Ich sollte also bei einem trabenden Pferd nicht nur die wechselseitige An- und Entspannung des Rückenmuskels sehen, sondern rein von der Rückensilhouette her, seitlich betrachtet, auch ein Auf- und Abschwingen erkennen können, stimmt das?

Was das Lot zwischen den Hinterbeinen betrifft: Ich meine in etwa zu verstehen, das du mir sagen willst ,
aber so ganz steig ich nicht durch...

Wie weit ist zu erkennen an einem gedanklichen Lot zwischen beiden Hinterbeinen in der Bewegung. Liegt es hinter der Senkrechten wird der Rücken festgehalten und kann so nicht schwingen. Sieht es dennoch so aus, als würde er mitschwingen täuscht das, denn dann kommt der Schwung alleine aus den Beinen.

Von wo zieh ich ein Lot? Und wie kann ein Lot hinter der Senkrechten liegen?  Bzw. von welcher Senkrechten sprichst du...?

Heike, falls du mitliest: Das geht in die gleiche Richtung, wie das Bild, das du mir mal kurz erklärt hast, oder? Mit dem großen Rad, dass ich mir an der Hinterhand vorstelle und zu sehen versuche, wohin der Impuls geht?

Manni, danke dir jedenfalls schon mal! 

Hallo Manfred,

auch von mir vielen Dank für Deine Erläuterungen! So ganz hat mir das leider noch nicht weiter geholfen, da ich die Sache mit dem Lot auch nicht kapiert habe  . Capitans Rücken schwingt, und vor kurzem konnte ich auch mal das abwechselnde An- und Abspannen des Rückenmuskels gut beobachten (da war das Licht einfach besonders günstig, um die Muskeln unter der Haut zu sehen). Aber irgendwie habe ich eben das Gefühl, dass das noch so "halb-festgehalten" ist. Und ich frage mich, ob ich das richtig sehe, oder nicht, und woran ich das überhaupt zu sehen glaube.

@Bettina oder Heike: was hat es mit dem großen Rad auf sich?

Ich hab doch gar keine Zeit

Grundlegend sollte man bei einem lockeren Pferd folgendes sehen können:

im Schritt:

Der Kopf geht auf und ab, im Schritttakt. Der Kopf pendelt ein wenig nach rechts und links, und das Genick kippt (auf Ohren achten) jeweils ein ganz klein wenig nach rechts und links, bzw macht so eine ganz kleine Acht - dann ist es ganz locker. Der ganze Hals pendelt in einer ruhigen Bewegung ein wenig auf und ab und hin und her.
Der Widerist kippt nach rechts und links.
Der Rücken geht ganz leicht nach oben und nach unten (im Schritt sehr sehr wenig), es ist eher eine S-förmig schwingende Bewegung vom Widerrist zur Kruppe.
Die Lendenpartie schwabbelt ein wenig.
Die Kruppe geht seitlich gleichmäßig auf und ab.
Der Schweif hängt locker und federt im Schritt-Takt leicht nach. Er ist weder eingeklemmt (Zeichen dafür zb dass die Haare nach vorne zwischen den Beinen hängen bleiben) noch festgestellt, dann steht er so nach hinten ab (Zeichen für eine festgehaltene Kruppenmuskulatur).
Das Pferd tritt in oder über die Trittsiegel der Vorderbeine, und in der Spur und nicht innen oder außen vorbei.

im Trab:
Der Kopf wackelt im Takt ganz leicht hin und her.
Ist das Pferd im Genick losgelassen, wird das Maul locker und schwabbelt und schäumt leicht.
Der Hals schwingt in der Mitte nach oben und unten (dabei bitte denken: wir reden hier von einem frei gehenden Pferd, nicht am Zügel gehend)
Der Widerist schwingt hin und her.
Der Rücken schwingt nach oben und unten, wobei die Tendenz mehr nach oben als nach unten sein sollte.
Die Kruppe schwingt wechselseitig auf und ab.

Das mit dem Rad müsste ich zeichnen.

[EXTERNER BILDLINK ⤤
http://www.phiwo.de/br/Pferdchen/SkizzeRuecken1.jpeg] 
Bitte um Entschuldigung, meine Grafikprogramme lassen mich im Stich, ich kanns nicht drehen

Das Grüne ist das fiktive Rad. Im Vorschwingen des Hinterbeins sollte dieLendenpartie nach oben tendieren, und zwar von der Kruppe aus.

weiter oben das blaue ist ein "negativ schwingender Rücken" - dieser schwingt nur auf und ab. Das kommt zb heraus, wenn man das Pferd so ausbindet, dass es hinter die Senkrechte kommt und am Widerrist abknickt. Dann schwingt der Rücken auch, aber eben so. Das bringt aber fürs Rücken aufwölben und für die Selbsthaltung und alles was man bei gutem Reiten möchte, nix. Der Rücken schwingt dann nur isoliert, weil er laut Physik nicht anders kann.
Gute Muskelarbeit schwingt aber eben von hinten nach vorne oben.

Ist gedreht. VLG, Bettina

Cooool! Vielen Dank schon mal! 
Muss ich mir gleich mal noch in Ruhe durchlesen, nach der Vorlesung!

Ach ja: Darf ich das Bild drehen und die gedrehte Variante oben einstellen?

Darf ich das Bild drehen und die gedrehte Variante oben einstellen?

Ja bitte!!!

Noch was vergessen:
Beim lockeren Pferd schwabbeln die Muskeln der Kruppe und auf dem Rücken quasi im Nachhall des Auftretens.

Vielen Dank für die ausführliche Erklärung, Heike! Da werde ich mal in den nächsten Tage gaaaaanz genau hinschauen müssen.

Das Pferd tritt in oder über die Trittsiegel der Vorderbeine, und in der Spur und nicht innen oder außen vorbei.

Ist das auch noch ein Zeichen für "nur" Lockerheit, oder braucht es dazu  nicht auch schon eine gewisse Geraderichtung? Bzw. anders gefragt: kann ein Pferd nicht auch locker laufen, ohne schon spurig laufen zu können? 

Jein. Geraderichtung noch nicht unbedingt, aber die Fähigkeit, die kürzere Seite etwas mehr loszulassen. In erster Linie soll man erstmal hingucken lernen und sehen ob und wie stark der Unterschied von einer Seite zur anderen in der Biegung ist.
Also erstmal den "Ist-Zustand" wahrnehmen lernen, ganz ohne Bewertung. 
Gehört für mich also zum Thema "Sehen lernen".

kann ein Pferd nicht auch locker laufen, ohne schon spurig laufen zu können?

ja auf jeden Fall. Und es kann sogar spurig laufen, ohne locker zu sein   

Ich werde beim nächsten Longieren definitiv mal sehr genau hinschauen. Und dann versuchen, mir zu merken, was wie aussah (das dürfte der schwierigste Teil werden  ), und meine "Ergebnisse" mal hier reinschreiben.

Beim losgelassenem Pferd ist der Unterhals ganz "weich" und locker ... wir können ja bald gemeinsam sehen üben 

... wir können ja bald gemeinsam sehen üben 

Von wo zieh ich ein Lot? Und wie kann ein Lot hinter der Senkrechten liegen?  Bzw. von welcher Senkrechten sprichst du...?

Hmm, etwas verwirrend, zugegeben. Die Winkelhalbierende wäre wohl eher zutreffend als das Lot, denn das Lot ist ja schon die Senkrechte.

Sorry Manfred