Wenn Nathan flott unterwegs ist und guckig wird, dann versuche ich persönlich eher genau das Gegenteil. Ich versuche nicht ihn langsamer zu machen, sondern im Gegenteil, ich bin
noch schneller als er.
Dieser offensichtliche Widerspruch hat einen guten Grund:
Wenn ich die ganze Zeit versuchen würde, ihn dazu zu überreden langsamer zu werden, stoßen andauernd zwei konträre Ideen aufeinander. "Ich will, dass du langsamer gehst." Pony: "Ich will aber schneller gehen!" Ich *zuppel am Strick*: "Ich will das aber nicht, geh langsamer, achte mal auf mich!" Pony: *macht zu* : "Nö, ich GEH jetzt aber schneller!" und weg isser. Da ich nicht möchte, dass unsere Kommunikation in einem dauernden Aufeinanderprallen von Wünschen endet, versuche ich mich ihm soweit anzupassen, dass er wieder für meine Wünsche empfänglich wird. Sozusagen wird aus dem voneinander getrennten Du und Ich ein "Wir", das jeder von uns wiederum beeinflussen kann. Praktisch sieht das dann zum Beispiel so aus:
Ich fühle, dass Nathan spannig ist und einen starken Vorwärtsdrang hat. Mir persönlich ist das aber zu schnell und ich hätte gerne, dass er mir mehr Aufmerksamkeit entgegenbringt. Das bedeutet für mich, dass ich zuerst IHM Aufmerksamkeit entgegenbringen muss, damit wir erstmal auf einen gemeinsamen Nenner kommen. Zum Beispiel lade ich ihn spontan ein, ein Stück mit mir zu traben. Ich zeige damit, dass ich seinen Wunsch schneller zu gehen erkannt habe und gehe darauf mit meiner Einladung ein. Wir traben also los (oder gehen einfach nur schneller, ist egal) und ich belohne ihn für jedes bisschen Aufmerksamkeit, das ich geschenkt bekomme.
Ich gehe schneller und er auch? Super,
. Ich drehe mich leicht in eine Richtung und er zeigt nur ansatzweise, dass er das registriert hat (Ohr zuckt, Körperspannung ändert sich),
. Ich freue mich ehrlich über seine Aufmerksamkeit, egal wie viel davon ich bekomme. Ich bin außerdem auch nicht scheu, "große" Gesten zu machen, wenn es nicht so leicht klappt, ihm Aufmerksamkeit zu entlocken. Sei es hüpfen, losstürmen, die Arme hochnehmen, lachend einen Tango hinlegen, einen Witz erzählen oder etwas anderes, das seinen Fokus auf mich lenkt. Das Wichtigste ist, ihm durch irgendeine Aktion meinerseits ein klitzekleines bisschen Aufmerksamkeit abzuluchsen. Wenn mir das gelingt, wird es danach so gut wie immer bis jetzt, sehr sehr einfach, weiterzumachen.
Denn: Ich habe bereits einen Teil seiner Aufmerksamkeit gewonnen. Damit kann ich jetzt weiterarbeiten. Zum Beispiel, indem ich die Spannung (durch das schnellere Gehen/ Traben beispielsweise) ein wenig aus meinem Körper herauslasse; z.B. durch Ausatmen. Wenn ich merke, dass das wieder einen kleinen Effekt auf ihn hat, er wird vielleicht langsamer dadurch oder dreht wieder ein Ohr zu mir, dann freue ich mich wieder riesig darüber und belohne ihn überschwänglich. Das kann ich Schritt für Schritt weiter ausbauen und mit anderen Dingen kombinieren, wie Richtungswechseln oder erstrebenswerte Ziele ansteuern (leckere Grasstellen) und werde dabei feststellen, dass ich auf einmal nicht mehr nur ein Ohr bekomme, sondern auf einmal ein Pferd, das wieder gänzlich an mir klebt.
Der Trick dabei ist vor allem, sich ehrlich über jedes noch so kleine Angebot freuen (und es vor allem auch zu finden!!) und eine positive Einstellung bewahren. Wenn ich zum Beispiel denke: "
, jetzt rennt der mir schon wieder davon. Warte doch mal verflixt! " und spring ihm dann in den Weg oder zupfe am Strick, dann wird das Pony aller Wahrscheinlichkeit nach eher genervt umdrehen und noch mehr zumachen. Wenn ich aber stattdessen mit einem Lächeln auf dem Gesicht mich freue, dass Nathan heute so fleißig und lauffreudig ist und das plötzliche Arme-hochreißen und Losstürmen der Idee entstammt, aus dem jetzigen Zustand ein tolles Spiel zu machen, dann möchte ich fast garantieren, dass Nathan darauf eingeht und mir auf irgendeine Art seine Aufmerksamkeit schenkt, mit der ich danach problemlos weiter arbeiten kann.
So schaffe ich es, aus entgegengesetzten Zielen wieder eine Einheit herzustellen. Einfach indem ich nicht auf mein "Recht" (=Idee, Wunsch) beharre, sondern mich zunächst auf die Bedürfnisse von Nathan/ den gegebenen Zustand einlasse und mich nach und nach so vorsichtig verändere, dass ich das Pony dabei unbewusst "mitnehme", ohne ihn vor vollendete Tatsachen zu stellen und zu fordern. Denn ich bin davon überzeugt, dass Pferde gut unterscheiden können, ob man ihnen fordernd mit festgelegten Zielen und "hart" (damit meine ich nicht beeinflussbar sein) gegenübertritt oder ob man sich ihnen anpassen kann und sie aufgrund des so entstandenen gemeinsamen Nenners selbst wieder beeinflussen kann. Das macht meiner Erfahrung nach einen beträchtlichen Unterschied in den Reaktionen, sowohl bei den Pferden, als auch in mir selbst. Denn auch ich als Menschlein habe eine viel bessere Laune, wenn ich den Vorwärtsdrang nicht als Problem sehe, sondern als Möglichkeit für neue Spiele oder als Herausforderung, selbst körpersprachlich so fit zu werden, dass ich trotzdem die Aufmerksamkeit meines Ponys bündeln kann, wenn ich sie benötige.