Schön zu hören, dass andere das Problem auch kennen! Unterdessen haben die Dinge sich weiterentwickelt und ich habe wieder mal ordentlich dazu gelernt
Colegiado ist ja ein eher introvertiertes Pferd, was es nicht immer ganz einfach macht, ihn einzuschätzen. Am vorletzten Samstag hat er auf dem Reitplatz quasi "aus dem Nichts" eine richtige Panikattacke bekommen. Es war fürchterlich. Zuerst fror er ein und glotzte er sich an einem Spaziergänger fest. Da war er schon nicht mehr ansprechbar. Dann fing er an zu Prusten. Als der Spaziergänger weg war, blieb der Zustand leider bestehen. Ich kriegte auch Angst und alle Versuche, ihn aus dem Zustand rauszubekommen, scheiterten. Kopfsenken machte er nur reflexartig, Kekse mochte er nicht mehr essen und er liess sich nicht wegführen. Vor Ort war jemand, der mir dann half, einfach Schritt zu gehen mit ihm. Wir hielten ihn links und rechts fest und liefen sehr bestimmt los, immer schön im Kreis. Das half, die Aufregung ein wenig zu senken. Ich ging dann nach Hause mit ihm und im Stall fiel die Anspannung von ihm ab.
Ich war danach erstmal am Boden zerstört. Wer unsere Geschichte ein bisschen verfolgt hat, kann das verstehen. Naja, und dann fing ich an, nachzudenken. Es war ja bereits seit etwa einer Woche so, dass Colegiado deutlich angezeigt hatte, dass er nicht vom Stall wegwollte. Für mich war aber klar, dass wir den Weg zum Reitplatz schaffen müssen, damit ich das Pferd endlich in Bewegung setzen kann. Und so habe ich, anstatt dies ernst zu nehmen und im Training halt ein paar Schritte zurück zu gehen, es einfach übergangen. An jenem Tag konnte ich zwar zum Reitplatz gehen mit ihm, aber das war nur mit ganz viel Ablenkung und ganz vielen Clicks möglich. Ich glaube, dass er beim Reiten einfach in einen Zustand der Überforderung geraten ist, und der Zustand trat erst ein, als die Dauerclickerei, bedingt durch das Reiten, vorbei war. Versteht mich nicht falsch, ich erkläre nicht das Clickertraining in irgend einer Art für falsch. Ich bin nach wie vor total überzeugt von der Methode und die Ausbildung, in der ich mich gerade befinde, ist extrem interessant und meine Fähigkeiten sind dabei, sich zu verbessern. Jedoch bin ich mir jetzt ziemlich sicher, dass ich mich doch etwas verrannt habe. Ich hatte den Anspruch, alles und jedes nur noch mit dem Clicker zu machen. Und habe dabei verdrängt, dass mein Pferd und ich den längsten Teil unseres gemeinsamen Wegs ohne Clicker gegangen sind (und dies durchaus mit Erfolg und Vertrauen). Ich glaube, ich habe übersehen, dass Colegiado in manchen Situationen auch eine klare Führung von mir braucht und es in unserem Fall nicht richtig sein, kann, immer überall und alles ausschliesslich mit dem Clicker machen zu wollen.
Naja, auf jeden Fall habe ich beschlossen, mir Hilfe zu holen. Da meine Reitlehrerin nur alle zwei Wochen kommt, habe ich mir eine Person gesucht, die mindestens zweimal die Woche kommen kann, genug erfahren und etwa auf unserer Linie ist, um mir helfen zu können. Die habe ich dann auch recht schnell gefunden, sie clickert sogar auch
Seit dem Vorfall, also, schon bevor sie das erste Mal zu mir kam, gehe ich mit Colegiado am Zaum oder Kappzaum mit Zügeln raus und führe ihn so, wie wenn ich Handarbeit machen würde. Das ist uns beiden sehr vertraut und gibt mir mehr Kontrolle über ihn. Wenn er abdrehen möchte, genügt eine Parade am Aussenzügel. Am Anfang bin ich nur wenige Meter vom Stall weggeangen, dann immer weiter. Und habe dabei gut auf ihn und auf mich gehört, was noch okay ist. Natürlich nicht ohne Lob, ich habe auch Futterlob eingesetzt, aber bewusst keine Clickersessions gemacht. Ich trenne die Situationen, in denen geclickert wird, klar von denen, die ohne Clicker "durchlebt" werden und bis jetzt funktioniert es gut. Wir fühlen uns beide langsam wieder sicherer. Er geht zwar ungerne vom Stall weg, aber ohne Auseinandersetzungen und ohne Aufregung. Mit meinem Coach sind wir dann sogar bis auf den Reitplatz gelaufen (den anderen Reitplatz), und dort haben wir ein paar Lieblingsübungen geclickert. Das ging sehr gut. Heute kommt sie wieder, und wenn ich ein gutes Gefühl habe, werde ich mich auch mal wieder draufsetzen. Es macht mich alles sehr nachdenklich. Ich glaube, ich hab mich so für die Clickerei begeistert, dass ich im Umgang mit meinem Pferd die klare Linie verloren habe. Und so wurde es für ihn sehr schwierig. Und ja, natürlich braucht es am Anfang im neuen Stall immer seine Zeit, bis alles normal geworden ist. Daran arbeiten wir jetzt jeden Tag und ich setze auf die Gewöhnung: Es soll ganz normal werden, vom Stall wegzugehen und wieder nach Hause zu kommen. Ausserdem hoffe ich, dass ich in Zukunft noch besser auf mein Pferd hören kann und die Tagesziele der aktuellen Stimmungslage anpassen kann. Menschen sind so ehrgeizig und wollen ihre Ziele immer schnurstracks, ohne Umwege und natürlich ohne Rückschritte erreichen
Huh, das war jetzt viel Text. Mir geht's einfach darum, wirklich verstanden zu haben, wo die Probleme liegen und meine Vorgehensweise so zu gestalten, dass Erfolg sich einstellen kann.