Beim Lesen von Richard David Prechts Buch „Tiere denken“ (sehr lesenswert!) hatte ich ein Aha-Erlebnis, das ich euch nicht vorenthalten möchte . Der erste Teil des Buches befasst sich damit, ob es überhaupt biologische Unterschiede gibt, die das „Menschentier“ von anderen Tieren abhebt und ab wann ein Mensch eigentlich ein Mensch ist bzw. einer wurde. Dabei geht es natürlich besonders um die „Abgrenzung“ zu Menschenaffen, Werkzeuggebrauch usw. Ich zitiere mal wörtlich:
„Dabei sind Menschenaffen intelligenter, als sie für simples Hantieren mit Steinen und Ästen sein müssten. Intelligenz zu haben und sie gezielt einzusetzen sind demnach zwei verschiedene Dinge (ein Tatbestand, der mir immer wieder auffällt, wenn ich mit meinem Sohn für die Schule lerne). Denn zum Einsetzen von Intelligenz gehören sowohl eine starke Motivation als auch eine Kultur, in der dieser Aufwand an Intelligenz gefordert, gefördert und belohnt wird“.
Bingo – das trifft ja wohl nicht nur Menschenaffen zu?!? Ich habe Pferde allgemein nie für dumm gehalten (meine eigenen natürlich erst recht nicht!) und mich schon als Jugendliche bei der Lektüre der Bücher von Horst Stern (ja durchaus „pro Tier , aber mit geringer Meinung von pferdlicher Intelligenz) gefragt, wie man denn vom einem Wesen, das den ganzen Tag vor der Wand angekettet (die damals übliche Ständerhaltung hat Stern, soweit ich mich erinnern kann, nicht wirklich hinterfragt) steht und, wenn mal kurz „befreit“ dem meist eher unqualifizierten Menschen zu gehorchen hat, intelligente Lebensäußerungen erwarten kann. Da ist wohl eher die Fähigkeit, sich in so ein Schicksal zu ergeben, gefragt .
Ohne aber zu wissen, wie man vorhandene Intelligenz nach außen sichtbar hervorlocken kann, fällt diese eigentlich nur bei von sich aus sehr regen und kreativen Pferden, wie es unser erstes Welshpony und unser erstes Shetti waren, auf. Wir haben es zumindest dann nicht unterdrückt, sondern uns dran gefreut, aber bis vor drei Jahren fehlen mir (leider) die Kenntnisse und Fähigkeiten, wirklich aktiv damit umzugehen.
Jetzt kann ich den Ponys eine „Kultur, in der dieser Aufwand an Intelligenz gefordert, gefördert und belohnt wird“ bieten und siehe – ihre Motivation, ihre Hirne zu nutzen, ist unglaublich. Bei den Shettiwallachen ja sowieso, aber auch Hendrik, 23-jähriger Fjord, den größten Teil seines Lebens aus diversen Gründen “So-da-Pferd“, das den Eindruck vermittelt, mit Fressen, Dösen und der Gesellschaft seiner Mitpferde ganz zufrieden zu sein, den ich jetzt mit eher kürzeren und unregelmäßigen Trainingseinheiten „anclickere“, hat jetzt schon einen ganz anderen Blick. Und kriegt von weitem mit, wenn ich mit einem der Jungs beschäftigt bin, so dass ich jetzt jeweils zwei Wallachen quasi die Tür vor der Nase zuhauen muss, um mit einem ungestört üben zu können. Zumindest die Winterkoppel ist nach 1-2 Stunden uninteressanter als Clickertraining (bin mal gespannt, wie weit sich das im Sommer hält …). Und ich bin aus figurtechnischen Gründen wirklich knickerig mit Futtermenge pro Click – 2-3 Winz-Müsli-Pellets oder Flakes bei den Shetti, etwas mehr für die Schlabber- Fjordi-Schnut.
Eva Wiemers hat sich in ihren Zirkusbüchern ja schon recht ausführlich dazu geäußert, dass Pferde es sehr schätzen, durch Training mit dem Menschen ihren körperlichen Fähigkeiten zu verbessern (sich z.B. überhaupt ihrer Hinterbeine bewusst zu werden und diese gezielt bewegen zu können), weil für ein Fluchttier allemal sinnvoll. Darauf beruht ja wohl auch die Tellingtonmethode, mit der ich überhaupt keine praktischen Erfahrungen habe.
Dass die Ponys das, was sie tun, nur wegen der „Kekse“ tun, habe ich aufgrund der genannten von mir rausgerückten Minimengen schon länger angezweifelt, bin aber mehr davon ausgegangen, dass die soziale Komponente samt Aufmerksamkeit, Lob, Kraulen usw. ein starkes Motiv ist. Darüber nachgedacht, ob sie vielleicht auch einfach Freude daran haben, „ihr Köpfchen zu nutzen“, habe ich zwar, aber mich nicht so recht getraut, das auch auszusprechen.
Wieviel Intelligenz wirklich gute Trainer bei Pferden sichtbar machen können, wird ja auch in Marlitts Buch zum Thema spannend und ausführlich erzählt.
Passend dazu: beim ersten Teil der aktuellen Pferde-Profi-Staffel am 7.1 ging es auch um einen Fuchs, der nicht über Stangen ging. Da wurde ausprobiert, ob bzw. wie er aus einem Stangenquadrat rauskommt, in das er allein „eingesperrt“ war. Es sah mir ganz nach dem von Wiemers geschilderten Problem (ich hab Hinterbeine?!? Was soll ich mit denen den machen???) aus. Das spannendste an der ganzen Sendung für mich war, dass er dann nach „reiflicher Betrachtung“ der Situation zwei Stangenenden zur Seite geschoben hat, um dann durch die Lücke zu kommen und zu den Menschen zu gehen. Wie klug, das Problem auf diese Art zu lösen. Was für ein Potenzial, um mit dem allerhand Tricks und Schnickschnack anzufangen, kam mir gleich in den Sinn! Dabei wirkte er eigentlich ziemlich „tutig“ (im Laufe der Sendung ergab sich dann allerdings auch, dass das arme Viech mit massiven körperlichen Problemen zu kämpfen hatte).
Weiter wird dann auch das von Precht gefolgert:
„Die Intelligenz aller Primatengehirne einschließlich dem Menschen, dürfte sich in erster Linie den Nöten und Notwendigkeiten des sozialen Handelns verdanken“ (statt dem Werkzeuggebrauch). Passt vielleicht auch auf Pferde als Lebewesen mit komplexen Sozialgefüge…?