Auja, ich fänd's auch klasse, wenn wir das mal an einem konkreten Beispiel durchspielen könnten.
Unser Hauptproblem scheinen abgeschlossene Räume/Plätze zu sein. Sobald sie merkt, da ist eine "Barriere" (Tor, Türe, Zaun etc.), die sie von den anderen trennt, hat sie große Bedenken, dass sie nicht mehr zurück kann. Sie folgt einem stets freiwillig von der Weide (man kann die quasi ohne halfter und Strick mitnehmen bzw. kommt sie her wie ein Hündchen und läuft einfach mit), aber wenn man mit ihr dann z.B. in eine geschlossene Reithalle gehen würde oder in die Box und hinter sich die Türe schließt, wird sie sehr unsicher und ängstlich. Am Putzplatz ist manchmal das eine Tor zu, so dass der Eindruck eines fast geschlossenen Raumes entsteht - auch da tut sie sich etwas schwer (dunkel, fast abgeschlossener Raum, Herde nicht mehr sichtbar...), aber es ist noch auszuhalten, solange nicht ganz dicht gemacht wird (ich vermute, wenn man das andere Tor auch schließen würde, wäre sie sofort panisch). Platz mit geschlossenem Zaun fällt ihr auch schwerer als mit geöffnetem, allerdings sind die Pferde aktuell oben auf den Winterpaddocks direkt am Stall und quasi in Sichtweite vom Platz, so dass das momentan nicht so das Thema für sie ist (da bleibt sie gelassen). Schwieriger wird's erst wieder, wenn's von den entfernten Sommerweiden zum Stall geht und ich sie dort auf den geschlossenen Platz stelle, während "unterhalb" (der Platz liegt etwas erhöht an einer Weide) eine fremde Pferdeherde ist, die je nach Standpunkt mal sichtbar ist und mal "verschwindet" (hinter den Büschen) und die eigene Herde weit weg und ganz außer Sichtweite ist. Pferde, die da sind und dann plötzlich aus dem Blickwinkel verschwinden, lösen auch Unbehagen und das Gefühl von "Hilfe, man lässt mich zurück" aus. Wobei das bei fremden Pferden weniger der Fall ist als bei Mitgliedern aus ihrer eigenen Herde.
Wie reagiert sie? In erster Linie wird sie einfach aufgeregt, zunächst innerlich angespannt (Lippen aufeinander gepresst, man merkt, wie sich die Muskulatur anspannt und es innerlich brodelt etc.), dann erträgt sie die Nähe des Menschen nicht mehr gut bzw. wird nervös (fühlt sich irgendwie eingeengt, ist so mein Eindruck), geht auf Distanz und kann nicht mehr ganz ruhig stehen und die nächste Stufe ist dann sich in irgendeiner Form zu entladen (sofern man den "Druck" weiter ausübt bzw. sie weiterhin in dieser Situation belässt): In die Luft springen, Steigen, Steigen + Springen, Piaffieren, Schweif aufstellen, Fauchen usw. - volles Programm eben.
Probleme beim Zurückbringen etc. hatten wir noch nie. Sie nimmt sofort sämtliche Anspannung raus, sobald sie zurück geführt wird und die Herde in Sichtweite kommt. Dann ist's oft eher so, dass sie nicht mal zwingend dorthin will, man sie fast schon hin zerren muss und wenn man sie los macht, latscht sie wieder mit einem zurück zum Tor und will wieder mit raus. Das klingt etwas abstrus, ist aber tatsächlich so. Vermutlich eben, weil es ihr nicht mal so sehr darum geht,dass die Pferde unmittelbar da sein müssen, sondern sie braucht gedanklich die Absicherung theoretisch zur Herde zu können und nicht irgendwo eingesperrt/separiert zu sein.
Zudem hat sie per se auch ein Problem mit Enge (gewisse Form der Platzangst -> Gurtzwang, beimVerladne Schwierigkeiten mit der Trennwand bzw. der Enge und Dunkelheit drinnen (die Rampe und der Rest sind nicht das Thema)), was in der Kombination mit der Sorge, man könnte nicht mehr zurück zur Herde kommen dann vllt. auch noch irgendwie mit rein spielt, wenn man sie irgendwo in einen abgeschlossenen Raum stellt (klar, die Box per se ist mit 6,5m x 6,5m alles andere als beengt, aber sie fühlt sich eingeengt, weil es ein abgeschlossener Raum ist). Vllt. spielen dann letztlich beide Ängste etwas rein (Trennungs- und Platzangst...die Platzangst wird dann besonders schlimm bei ihr, wenn sie eh schon angespannt ist (durch die Trennungsangst z.B.). Ich weiß es letztlich nicht so ganz genau, aber vom Gefühl her hat man immer ein bisserl den Eindruck, sie fühlt sich in solch Stresssituationen irgendeiner Form "eingeengt" (vllt. auch eingeengt in ihrer (Entscheidungs)freiheit...?). Schwer zu beschreiben.
Jetzt noch meine Frage zur
funktionellen Belohnung.Dort steht, dass das "Weg gehen" bei Angst eine funktionelle Belohnung sei. Ist das aber letztlich nicht einfach nur Anwendung von negativer Verstärkung? Bzw. was ist denn der Unterschied? Also, mal angenommen meine Stute hat Angst vor einem geöffneten Regenschirm am Boden. Ich nähere mich dem Gegenstand und sie reagiert ängstlich und will fliehen. Ich lasse sie die Situation kurz "aushalten" und entferne mich dann mit ihr ("fliehe"). Damit habe ich doch eigentlich über negative Verstärkung gearbeitet, oder nicht? Der Unangenehme Reiz fällt durch das Entfernen weg...wenn ich danach dann noch füttere bzw. über Futter positiv verstärke, vermische ich doch irgendwie wieder beide Formen der Verstärkung, oder etwa nicht?
Wir nähern uns dem Regenschirm -> Pferd wird ängstlich/nervös -> ich verlange, dass es diese Situation für einen gewissen Zeitraum aushält -> wir entfernen uns bis das Pferd wieder entspannen kann (Druck fällt weg -> ich habe negativ verstärkt) -> dann füttere ich (verstärke also positiv)....vergifte ich mir dann nicht den positiven Verstärker durch den vorausgegangen Stress/Druck?
Das Thema Jagen beim Hund als funktionelle Belohnung kann ich da schon eher nachvollziehen - das Jagen an sich eben als positiver Verstärker. Das Abwenden vom Gruselgegenstand beim ängstlichen Pferd würde ich aber eher nicht als positiven Verstärker sehen, sondern insgesamt als Arbeit mit negativer Verstärkung...oder doch nicht?
Irgendwie bin ich verwirrt.