Hallo Mell,
Ich schick Dir auch eine Runde Trost.
Meine erste Stute hat mich die ersten Monate fast bei jedem Reiten abgeworfen, ist massiv gestiegen, bei Anblick vonTraktoren oder dem Geruch von Schweinen unkontrollierbar durchgegangen, ist beim Führen steigend und Beine fuchteln mit offenem Maul auf mich und andere losgegangen usw.
Ein Reitschulbesitzer versuchte sie für mich zu brechen..erfolglos...
Was hab ich geheult und wollte alles hinschmeissen, hab immer mehr Angst bekommen und nur noch aus reiner Pflichterfüllung das Weibi versorgt. Ich wurde immer unsicherer, ängstlicher und irgendwann kam ich an einen Punkt, an dem ich eine Entscheidung treffen musste. Mein Leidensdruck...und sicher auch der vom Pferd...war zu groß geworden.
Geb ich auf - oder gehen wir gemeinsam da durch.
Ich hab mich für Letzteres entschieden.
Von da an gings bergauf.
Ich hab mich nicht mehr auf das konzentriert, womit wir Probleme hatten, hab nicht mehr dran gearbeitet, Probleme zu lösen, sondern mich einzig und allein auf jedes winzigste Fitzelchen eingelassen, das positiv war. Anfangs musste ich da suchen.
Beim Putzen vorne rum war sie brav. Ok, dann hab ich mich viel damit beschäftig. Hinten war sie kitzelig und drohte manchmal. Hab ich anfangs nur das Allernötigste gemacht.
Man könnte nun denken, meine Unsicherheit hätte das Pferd noch mehr verunsichert?
Deshalb hab ich ja fast ausschließlich nur noch gemacht, wobei ich mich noch etwas sicher fühlte. Das führte zu Entspannung zwischen mir und der Stute. Sie merkte, dass ich nichts fordere, was sie nicht in der Lage ist, freiwillig für mich zu tun und ich merkte, dass sie mir persönlich gar nix böses will, sondern nur sich selbst beschützen.
Im Alltag war sie schnell erstaunlich gelassen, ruhig und problemlos zu händeln, wenn man sie nicht gerade von anderen wegführte oder fordernd einwirkte.
Ich weiß nicht, wen ich mehr gelobt habe. Sie - wegen allen ganz normalen Sachen, die eigentlich selbstverständlich sind - oder mich, ebenfalls für alles, was ich tat.
Nach wenigen Wochen hatte sich unser Verhältniss vollkommen verändert.
Ich hab begriffen, dass sie nicht unberechenbar reagiert, weil sie mich niedermachen will, sondern dass ihr Verhalten sehr gut nachvollziehbar ist und ich darauf Einfluß nehmen kann.
Hab viel TTouches gemacht und mir ganz kreativ viele andere Sachen einfallen lassen, die uns beiden geholfen haben, die Reaktionen des anderen kennen und akzeptieren zu lernen. Ich hab meine Zeit mit ihr immer im Hier und Jetzt verbracht, das war etwas ganz wesentliches, das mir geholfen hat, das Zusammensein wieder zu genießen.
Vollkommen ohne Ziel, sie irgendwann als Verlasspferd reiten zu können. Ich hab jeden einzelnen Moment mit ihr nur angenommen.
Dieses Loslassen war für uns das Beste, was ich machen konnte. daraius hat sich fast wie von selbst, ein Schritt nach dem anderen ergeben. Ich hab so viele Momente erlebt, die mich NICHT in Angst versetzt haben, die Stute NICHT in Abwehr versetzt wurde, so dass die alten, negativen Erfahrungen innerhalb weniger Monate so abgeflacht waren, dass sie mich nicht mehr juckten.
Reiten verlief auf der selben Basis. ich hab mich raufgesetzt, ohne reiten zu wollen. Raufsetzen - kein Problem mehr-später losreiten - später alleine wegreiten - führen - es hat sich alles aus dem Moment ergeben, den ich genossen habe und nach jedem Moment kam ein neuer Moment.
Das Ganze gab mir persönlich ganz viel Selbstsicherheit und Selbstvertrauen zurück, gleichzeitig Vertrauen ins Pferd, was wiederum vom Pferd ebenso zurück gegeben wurde. Ganz andere Basis als früher.
Ich hab nichtmal erwartet, dass sie
nicht mehr durchgeht oder ähnliches - und auch nicht
dass sie es tut.
Ich hab einfach gemacht, ohne Hirnkino, was wäre wenn. Das ging aber nun nur, weil ich ihr und mir die Zeit gelassen hatte, einen Neuanfang zu starten und den Weg gingen wir gemeinsam.
Natürlich ergaben sich dann auch Situationen im Gelände, wo sie zB am liebsten Durchgehen wollte, schließlich waren Schweine und Traktoren nicht verschwunden. Aber ICH hatte nun sowiel eigene Sicherheit entwickelt, dass ich ohne Angst agieren konnte, locker und entspannt das Steigen hinnehmen und auch ohne mich festzuriegeln, die Stute am vorgegebenen Weg im gewünschten Tempo halten konnte, was ihr wiederum dazu verhalf, sich nicht mehr in alte Verhaltensmuster zu flüchten und sich mir anzuvertrauen.
Selbst wenn sie erschrak: Das durchgehen hörte komplett auf. Mehr als ein in sich zusammenzucken, mal ein kleiner Schreckhüpfer zur Seite kam nicht mehr.
Ich wär jahrelang ganz viel ohne Sattel alleine, stundenlang mit ihr unterwegs und hab mich absolut sicher auf ihr gefühlt, ohne auch nur noch einmal ansatzweise die Kontrolle zu verlieren.
Sie hat mich gelehrt, was ich für Robin sehr gut brauchen konnte.
Der hat ja kein gutes Nervenkostüm und wenn ich mich selbst nicht sicher auf ihm fühlen könnte, verkrampft reagieren würde.......der würde mit mir davonpreschen, um seine Haut vor ner piepsenden Maus zu retten und ich würde im hohen Bogen fliegen.
Doch ich vertrauen noch heute auf das, was ich in der Zeit mit der Stute gelernt habe:
Wenn er erschrickt und ich entspannt bleibe, dann bleibt es beim Erschrecken, vielleicht bei einem kurzen Satz zur Seite(wos nicht schlimm wäre runter zu plumpsen und er würde gleich stehenbleiben), also brauch ich auch nicht mehr zu tun, als entspannt auszusitzen, ohne mich zu fürchten.
Selbst in der Zeit, in der er an dem einen Hof nervlich total durchgeknallt war, verliefen die wenigen Ritte mit ihm ebenso entspannt.
Mit ihm hab ich mir das von Anfang an so erarbeitet, wie mit der Stute:
Immer im Hier und Jetzt, zusammen mit ihm das gemacht, wo wir beide uns wohl gefühlt haben. Ganz tief aufeinander eingelassen, ohne im Kopf schon draufzusitzen und angsterregende Situationen durchzuspielen. Immer nur im Moment geblieben, im Vertrauen darauf, dass er mir nix böses will, höchstens seine Haut retten, was er aber eben nicht braucht, wenn ich ihn in seinen reflexartigen Reaktionen nicht störe.
Wenn man sie im freien Sein beobachtet, wo sie sich gewiss sind, flüchten zu können, wenn sie es für nötig halten, dann machen sie nie mehr, als nen Zucker oder einen Satz, schlimmstenfalls ein paar Galoppsprünge, solange nicht ein Raubtier oder ähnliches sie jagt oder ein Artgenosse in Panik ausbricht.
Daran glaube ich auch, wenn ich obens sitze. Ich bin der Artgenosse, an dem sie sich orientieren und auch wenn ich Zügel in der Hand habe: Ich hindere sie nicht daran, zu tun, was sie für nötig halten und dementsprechend gehen sie nicht durch oder buckeln mich ab. das hab ich im Kopf und so läufts.
Ne Zeitlang hatte ich auch bei Robin mit mir selbst Probleme, wegen Traktoren von hinten. Das Problem war aber nur in meinem Kopf und als mir das bewußt wurde, konnte ich entspannen und Traktor von hinten ist kein Problem mehr.
ch wünsch Dir, dass Du wieder im Hier und Jetzt genießen kannst, Deine Erwartungen loslassen und somit Deine Ängste verlieren kannst!
LG, Angie