Und wie trainiert man die Oberhalsmuskulatur?
Muskeln werden grundsätzlich durch Stoffwechsel aufgebaut und der wird gefördert mit der Durchblutung. Ein kontrahierter Muskel verengt jedoch die Gefäße und muss daher wieder gedehnt werden, um die Durchblutung zu fördern. Wir lassen also anspannen und wieder entspannen im ständigen Wechsel.
Bei der Oberhalsmuskulatur erfolgt das zum einen durch Aufwölben des Halses (womit wir nicht an die Rollkur denken) und zum anderen durch Biegung (womit wir nicht nur an die Stellung denken). Beim Aufwölben muss natürlich auch wieder ein Strecken folgen können (womit wir nicht mehr an Ausbinder denken) und beim Biegen wird immer eine Seite gedehnt während die andere kontrahiert. Aber auch das muss im Wechsel erfolgen (womit wir nicht an ein einseitig verkürztes Ausbinden denken).
Der Hals wird also in Form gebracht in dem er über das Genick gestellt wird (bei richtiger Ausführung fällt der Mähnenkamm nach innen, weil sich dort die Oberhalsmuskulatur verkürzt und die Wilbelsäule über den Atlasflügel nach innen rotiert. Gleichzeitig wird ein Rahmen (Begrenzung nach vorne) vorgegeben, der nicht nach hinten einwirkt, sondern in der Bewegung noch nach vorne nachgiebig ist bei gleichbleibender Anlehnung durch das Pferd (nicht durch die Hand des Reiters). So kann das Tier selbst Last aufnehmen und wird gleich danach in die Streckung nach vorne abwärts wieder entlassen. Spannung neu aufbauen und wieder nachgeben usw. Zwischendurch immer mal wieder die Seite und die Hand wechseln, immer und immer wieder, bis das Tier immer länger Last aufnehmen und diese auch halten kann.
Das alles allein bei der Bodenarbeit, denn noch ist es nicht in der Lage zusätzliche Last (Reitergewicht) aufzunehmen und zu tragen.
Führt diese Haltung zur Spiegelung in der Hüfte (spiegelbildliche Stellung der Schulter zur Hüfte) wird an der Hinterhand (Gegenkraft für die Hängebrücke) weiter gearbeitet, bis diese in der Biegung schön untertritt und Last aufnimmt, dabei über der abfußenden Seite sich senkt usw. Wir sind beim Schulterherein, welches weiter ausgebaut wird bis zum Kruppeherein und über das gebogenen Geradeaus dann noch mit der Fußfolge letztlich seinen Abschluss in der Bodenarbeit findet.
Bei der anschließenden Handarbeit wird mehr in Anlehnung gearbeitet und die bereits trainierte Muskulatuer weiter gefestigt und vermehrt aufgebaut. Wir haben von Kapzaum auf Zügelführung gewechselt. Alle Übung werden solange wiederholt, bis sie so gefestigt sind, dass mehr Schwung hinzugenommen werden kann. Wir sind beim Longieren und immer noch nicht im Sattel.
Jetzt sollte eine durchgehende Welle durch den Körper fließen und wir sind bei Takt und Losgelassenheit. Das Tier lernt sich selbst auszubalancieren und wird gerade gerichtet (es tritt mit den Hinterbeinen in die Spur der Vorderbeine). Dazu muss es sich schon gut selbst tragen können. Und ganz nebenbei hat sich auch die Muskulatur soweit aufgebaut, dass das Pferd zum Anreiten bereit ist und mehr Last kurzfristig tragen kann.
Jetzt wird sich auch zeigen wie gut die Oberhalsmuskulatur tatsächlich geformt wurde hilft sie die Last zu tragen oder nicht. Ein spannender Moment der oftmals weiters Training erfordert, welches nicht zu Lasten des Rückens gehen sollte. Und das dauert sehr lange bis die richtige Muskulatur aufgebaut wurde. Die falsche hingegen baut sich meist sehr viel schneller auf, weil sie aus Schonhaltungen resultiert und nicht über Arbeit gewonnen wurde. Also immer dort wo gegen gehalten und nicht getragen wird.
Wer sich also zu früh auf den Rücken seines Pferdes schwingt, tut alles um diesen zu festigen. Und wer sein Pferd im Hals zu kurz einstellt tut alles um den Unterhals zu trainieren aber nicht den Oberhals. Es richtig zu machen ist also sehr viel schwieriger als es falsch zu machen und dauert auch sehr viel länger, weil diese Tiere von Natur aus sich lieber schonen als sich zu verausgaben.
Das Tier muss also selbst versuchen seinen Rücken über die Halsmuskulatur anzuheben und der Reiter kann dies nur erschweren, wenn er den Kopf nach hinten zieht, weil das Tier dann eher dagegen hält und somit schon die falsche Muskulatur aktiviert. Ich kann auch nicht seinen Hinterbeine nach vorne ziehen. Es muss dies selbst tun, um den nötigen Spannungsbogen im Rücken aufzubauen, der dann auch den Reiter tragen kann. Und das erleichtere ich ihm nicht, wenn ich mich dort zu früh drauf setze.
Aber sag das mal den Leuten, die ein junges Pferd 6 Wochen zum Anreiten weggeben und meinen danach auf ihm reiten zu können. Es ist nicht mal nach einem halben Jahr soweit! Doch wer will so lange warten? Wieder sind die Ausbilder hier gefordert, den Besitzern das klar und verständlich zu machen. Nicht ohne Grund ist ein fertig ausgebildetes Pferd dann auch so teuer. Wenn es dann auch noch gut ausgebildet wurde, dürften Alter und Preis exponential angestiegen sein. Somit dürfte es auch keine Prüfungen für so junge Tiere geben, um noch mal darauf zurückzukommen, was alles geändert werden müsste. Dreijährige sind noch Kleinkinder und keine Athleten. Aber es lässt sich schnelles Geld damit verdienen! Wer soll es wem verbieten?
Schön, dass es hier lediglich darum geht, wie ich welchen Muskel aufbauen kann und wozu das gut ist.
Übrigens ein schlecht sitzender Sattel kann den Muskelaufbau auch verhindern durch Abdrücken der Muskulatur (natürlich nicht am Hals aber am Widerist). Schön, wenn diese bereits aufgebaut wurde und der Sattel dem entsprechend angepasst wird und nicht korrigiert werden muss, wenn die Folgen schon sichtbar wurden. Ich spreche hier vom Ideal (als Orientierung), nicht dass das gleich wieder falsch verstanden wird.