Ein Titel, der nicht unbedingt zum Kauf animiert, vielleicht .... jedenfalls hatte ich es nach den Amazon-Besprechungen schon für ganz interessant befunden, mich aber noch nicht zum Erwerb durchgerungen. Dann hatte es vor kurzen unser 90jähriges (!) Freizeitreiter-Stammtisch-Mitglied mit und gezeigt mit dem Hinweis, dass sie es nun zum zweiten Mal liest. Beim Durchblättern fielen mir dann als erstes die Teile ins Auge, in denen die Autorin sich zum Natural-Horsemenship (dem sie sich früher gewidmet hat) und Clickern äußern und warum letzteres inzwischen ihre Wahl zum Umgang mit Pferden ist. Das reichte dann zur Kaufentscheidung
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In meinen Augen sind die Hintergründe absolut super erklärt. Habe mir etliches auch angestrichen, um es leicht wiederzufinden, wenn ich mal nach entsprechenden Formulierungen suche. Ich finde darin "meine Wellenlänge" wieder und genau das erwähnt, was ich an der positiven Verstärkung so schätze - dass es ein Dialog ist statt (wie im NHS) ein Monolog. Sie erwähnt auch, dass es sich beim Clickern zwar um eine Methode handelt, die aber nur wirklich funktioniert, wenn ECHTES Lob gemeint ist und nicht nur Leckerlis reingeschoben werden. "Echtes Lob setzt voraus, dass wir fühlen und uns freuen, dasss dem Pferd etwas gelingt". Dem könnten Vertreter der strengen "Ampel-Vorgehensweise" sicher widersprechen, aber für mich ist das genau das, was die Beziehung zwischen meinen Ponys und mehr so unglaublich verbessert hat.
Weiter geht sie ausführlich auf die Unterschiede zwischen dem, was in vielen Methoden zu den Themen Rangordnung, Dominanz, Führungsqualitäten usw. als Grundvoraussetzung gilt und immer wieder betont wird ,und dem, was aktueller Stand von Wissenschaft und Forschung ist, ein.
Ausführlich wird auf Streßanzeichen, empfundene Hilflosigkeit, Überforderung und Bedrohung, "Flucht verhindern - der Mensch rüstet auf" eingegangen.
Für mich noch ein besonders wichtiger Punkt war, ganz deutlich auch Schubsen und Drängeln Ausdruck dafür ist, dass das Pferd unsicher ist (und eben nicht respektlos, frech, unerzogen etc.), genau wie Schnappen und Beißen, da diese "Probleme" sich bei uns schon enorm reduziert haben, ich jetzt aber noch bewusster damit umgehen und die aktuelle Gründe erforschen kann.
Dazu auch immer wieder der Hinweis, dass man Pferden aufgrund ihrer superfeinen Wahrnehmung von Bewegungungen, Spannungen, Ausdruck usw. nichts vormachen kann und sie Menschen durchaus besser "lesen" können als diese sich selbst. Es also wenig Zweck hat, "so zu tun", als sei man gelassen, ruhig, entspannt, ohne Angst, eine souveräne Führungspersönlichkeit usw. wenn man es - warum auch immer - zumindest aktuell nicht IST (Kapitel "Präsenz und Verhalten").
Das machte mir auch wieder deutlich den Unterschied meines Umgangs mit Hendrik, bei dem ich beim kleinsten Anlaß schnell auf "Alarm" geschaltet bin und meinen anderen vier Ponys, bei denen mir in fast keiner Alltagssituation irgendwie mulmig wird, klar.
Das ist der Teil, der für mich leicht, verständlich und mit diversen "ja, genau!" zu lesen war.
Dann beschäftigt sich die Autorin ausführlich mit Energie und Körperwahrnehmung bis hin zur Quantenphsyik. Da wird es mir dann ehrlich gesagt doch teilweise deutlich zu hoch.
Weiteres Thema ist "Reiten ist Durchlässigkeit", womit ich aktuell praktisch nicht sooo viel anfangen kann, da sich meine Reiterei seit Jahren auf "nett durch`s Gelände", überwiegend mit meiner jetzt 34-jährigen Minou, beschränkt und sich das eher auf dem Niveau "altes Ehepaar" als irgendwelchem reiterlichen Können bewegt.
Zitiert und im Anhang ausdrücklich genannt werden neben Marlitts Büchern auch Klassiker der Reitkunst, Mark Rashid, Alexander Lowen, Gerd Heuschmann und etliche wissenschaftliche Arbeiten.
In meinen Augen ein tolles Buch, das aufgrund der schlichten Aufmachung und des eher unbekannten Verlages wohl leider wenig auf "Zufallsfinder - und Leser" treffen wird, aber zumindest empfohlen werden kann - und mit 19,90 € auch eine übersichtliche Investition.
Gruß
Katja