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Martin Pietralla „Mein Clickertraining – vom positiven Umgang mit Hunden“

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Dazu muss ich mich insoweit outen, dass ich (vorsichtig ausgedrückt) kein Hundefreund bin. Mein Großhirn erläutert mir schon, was Menschen vermutlich an Hunden finden und auch, dass das Problem in der Regel am anderen Ende der Leine sitzt, aber um mich rum haben muss ich keine Vertreter dieser Spezies.
Seitdem ich clickere und erfahre, was meine Ponys so alles ohne Halfter und Strick mit offensichtlicher Begeisterung zu tun bereit sind, fällt mir allerdings schon seit einiger Zeit immer mehr auf, wie viele Hunde nicht „ERzogen“, sondern „GEzogen“ werden – geht in der Gewichtsklasse ja auch deutlich leichter als bei Pferden – und mir gedacht, dass das ja wohl ganz sicher nicht so sein muss.

Auf dieses Buch bin ich bei Amazon zufällig gestoßen und die Besprechungen deuteten darauf, dass es sich recht intensiv mit den Grundlagen der positiven Bestärkung befasst. Also zugegriffen, als es grade einigermaßen günstig zu haben war. Und dann konnte ich es tatsächlich kaum aus der Hand legen. Ausdrücklich keine Anleitung a`la „mach erst dann, dann das und genau so oder so und berücksichtige alle wenn-danns usw.“ (dann wäre es für Nicht-Hundler wie mich wohl auch wenig interessant). Ein ziemlich dickes Teil mit über 500 Seiten Text, dazu reichlich Anhang zu Studien und weiterführender Literatur, im Gegensatz zu vielen anderen Werken mit eher kleiner Schriftgröße und nur ganz wenigen Bildern im Extrateil, aber sehr unterhaltsam und lebhaft geschrieben. Der Autor berichtet gnadenlos auch über seine eigenen Pleiten, Pech und Pannen samt der dazugehörigen Gefühle, die ihn dann zum Clickertraining gebracht haben und alles wird ausgiebig mit Fallbeispielen erklärt. Geschildert wird z.B. auch das Gefühl der „hilflosen Wut“, wenn der Vierbeiner so gar nicht tut, das man möchte das er tut – oder man sich grade so richtig zum Affen macht und besonders dann gerne Zuschauer das Geschehen mit den bekannten Sprüchen wie „, na, alles im Griff?? „ oder „setz dich durch, der muss wissen, wer der Chef ist“ kommentieren. Humor kommt allerdings auch nicht zu kurz.
In vielen Beispielen kommen Tierheimhunde mit den unterschiedlichsten Vorgeschichten vor, was das Ganze noch spannender und individueller macht.
Die lerntheoretischen Hintergründe werden sehr gut und ausführlich erläutert, es werden diverse Studien zitiert. Auch der immer wieder gern genommene – eh, Blödsinn, mit Dominanz und Rangordnung, an denen ja angeblich alles hängen soll, wird gut nachvollziehbar widerlegt. Zum Merken (und vielleicht anderen erzählen…) z.B. die Aussage, dass kein Wesen für sich allein/ von seiner Persönlichkeit her  „dominant“ ist, sondern dies nur in konkreten Zweierbegegnungen sein kann – und das auch jeweils Moment-bezogen.
Ich konnte oft „Hund“ durch „Pferd“ ersetzen, habe mich wiedererkannt und auch vieles gelesen, was mir in anderen Clickerbüchern nicht auffiel bzw. nicht oder nicht so ausführlich erklärt wird.
Sehr spannend, weil grade bei meinen beiden Shettis festgestellt, zum Thema Einführung von Signalen und Signalumkehr die Ausführungen zu unbewusst herbeigeführten Verknüpfungen, die gerne unbemerkt, aber sehr konsequent etabliert werden und dass sich Tiere auch gerne mal „eigene Signale“ aussuchen, die Mensch so gar nicht vorgesehen hat und die „eigenen“ dann auch viel konsequenter befolgt als die vom Menschen erdachten. Onki z.B. bremst hält beim unseren gemeinsamen Laufrunden sehr zuverlässig an, wenn ich ihm den Strick über den Rücken werfe (aus der Not geboren, um ihn nicht unerwartet und „ungerecht“ am Halfter zu zerren, weil Cello mich mal wieder mit Vollbremsung seinerseits stoppt) und bleibt sehr ausdauernd stehen, wo er steht, um auf uns zu warten. Ich habe dafür „Tsss“ vorgesehen (zumindest für`s Anhalten an sich), was durchaus auch klappt, Strick über den Rücken funktioniert aber noch besser – rums, alle viere in den Boden. Sobald ich den Strick wieder aufgenommen habe, geht Onki allerdings auch sofort los – daran muss dann noch gearbeitet werden.
Cello hat sich zum Spanischen Schritt als zusätzlichen Signal zu Gerte-an-Brust-tippen meinen erhobenen Arm (um bei Übung am Halfter den Strick aus dem Weg zu nehmen) ausgesucht, was ich dann erstmal rausfinden musste, als er bei der Freiarbeit und nur Brust-antippen irritiert schaute.
Von dieser Sorte wird es reichlich geben, da achte ich jetzt vermehr drauf. Wird bestimmt spannend ;).
Für Anfänger im Clickern ist das Buch allein vermutlich nicht so geeignet, weil es sie mit der ausführlichen Theorie und der Fülle an individuellen Beispielen, verschiedenen, teilweise wohl auch eher unkonventionellen Lösungsmöglichkeiten eher erschlagen wird, für alle mit schon einiger Erfahrung aber sicher Anregungen und Ideen enthalten und, wie gesagt, ein sehr fesselndes Leseerlebnis.
Auf Ebay hab ich dann gleich danach noch sein eher praxisorientiertes „Clickertraining mit Hunden“ günstig ergattert und ebenfalls mit Genuss gelesen. Ich fürchte, nun weiß ich mehr über Hunde als so mancher, dem ich unterwegs mit dem seinen begegne …
Ich möchte natürlich immer noch keinen Hund haben und verzichte weiterhin auch dankend auf jeden physischen Kontakt mit ihnen, sehe sie jetzt aber mit deutlichen anderen (teilweise auch mitleidigen) Augen und würde vielen Jiffeln in meiner Umgebung gönnen, dass sich Herrchen/Frauchen auch mal etwas mehr Köpfchen um den richtigen Umgang mit ihnen machen. Nicht nur zur Freude der Hunde und sich selber, sondern auch aller Jogger, Radfahrer, Spaziergänger, Reiter, Nachbarn, Katzen usw. usw.
Ein paar Ideen, wie ich mich als Läufer beim Umgang mit augenscheinlich nicht erzogenen Hunden nun sinnvoller verhalten könnte (aus Eigeninteresse!) habe ich nun auch 

Gruß
Katja
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Das klingt ja sehr interessant. Das schau ich mir gern an. Mir tut auch so mancher Jiffell sehr leid.  :nick:
Gerade weil ich Hunde sehr mag,dafür aber eher die dazugehörigen Menschen nicht :rotw:  :gassi:
Liebe Grüße,Silvia


Anton, Brevis, Willow, Marlon, 4 Hühner, 1 Hahn
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Klingt interessant, vielleicht schau ich mir das Buch auch mal näher an.

Ich gebe dir recht, Hunde lassen uns Halter oft mit viel zu viel "Halbtraining" davonkommen, weil sie einfach klein und nett genug sind. Aber was du auch bedenken musst, im Unterschied zum Pferd wird ein Hund nicht ein mal am Tag für vielleicht +/- eine Stunde oder kürzer trainiert und hat den Rest der Zeit sein eigenes Leben. Hunde leben 24h pro Tag in einer menschlichen Welt und müssen sich IMMER dementsprechend Verhalten. Impulskontrolle ist aber nicht unbegrenzt vorhanden, gerade sensible Hunde können sich nicht einfach mal den ganzen Tag lang zusammenreißen. Da führt "gezogen werden", wie du es nennst, unter Umständen zu weniger Frust als "sich dauernd selbst für gutes Benehmen entscheiden zu müssen, aber eigentlich gar nicht mehr können".
Operantes Training ("was kann ich für den gewünschten Effekt machen") ist vieeeel anstrengender, als gezogen werden.
LG
Susanne
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