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Anregungen für traumatisiertes Pferd gesucht

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Ehemaliges Mitglied 747
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Anregungen für traumatisiertes Pferd gesucht
« am: 16. März 2017, 15:08:44 »
Hallo ihr  Lieben,

ich bin  gerade für ein paar Wochen in Spanien auf einer kleinen Farm, die versucht, ihre  Tiere zu großen Teilen mit positiver Verstärkung trainieren. Unter den Pferden sind einige gerettete Pferde aus schlechter Haltung, wie auch die Stute um die es hier  geht.

Von der  Vorgeschichte ist nicht wirklich etwas bekannt, außer dass sie  eine Zeit lang als Polopferd genutzt wurde.
Die Besitzerin wäre  froh, wenn sie sie wieder als Reitpferd einsetzen könnte, beharrt aber  nicht  darauf.
Die aktuelle Ausgangslage ist momentan, dass man sie mit etwas Geschick einfangen und  theoretisch auch komplett "nutzen" könnte. Allerdings verfällt sie  sobald das Halfter drauf ist, in eine  Art Zustand in der sie alles anteilnahmslos mit sich geschehen lässt und mental komplett abschaltet (erlernte Hilflosigkeit?). Unter diesen Bedingungen möchte sie die Besitzerin nicht  einsetzen.

Lässt man der Stute die  Wahl ist der  Stand wie  folgt:
Berührungen jeglicher Art lösen momentan ein sehr starkes Hautzucken aus (siehe Video 1). Es wirkt sehr  automatisiert und  scheint an traumatisierende Erlebnisse gekoppelt zu sein. So fern sie kann, ist  Ihre Reaktion dann immer Rückzug (momentan wird sie ausschließlich komplett frei gearbeitet). Tendenzen zu Aggression hat sie  nicht.
Sie ist  dem Menschen grundsätzlich zugewandt (stellt sich beim Abäppeln öfter mal in die  Nähe, kommt beim Clickern aktiv auf  einen zu), allerdings immer mit einer gehörigen Portion Vorsicht.

Der Ansatz den ich  momentan mit ihr  austeste, geht über  das  Initiatorsignal (Kopf tief) um Berührungen wieder möglich zu machen, weil das ja  irgendwie Voraussetzung für jeden weiteren Schritt ist. ( siehe Video 2) Mit hoher Clickerate sind Berührungen und  etwas putzen am auch und Rückenbereich ok, Kopfnähe ist  sehr  schwierig für sie.
Ein großes Plus für das  Training hier ist, dass die Pferde direkt vor der  Haustür stehen  und  viele  kleine Clickeressions möglich sind.
                         
Ich bin  zwar nur  noch für 3 bis  4 Wochen hier, freue mich  aber über  jede Anregung und  Idee, die der Stute  noch helfen könnte und  die ich der  Besitzerin mit an die  Hand geben  kann :)
Und natürlich auch gerne Verbesserungsvorschläge zum Initiatorsignalvideo, es ist das  erste  Mal, dass ich es aktiv zum Training nutze.

https://youtu.be/OveI2z_QQW8

https://youtu.be/_0tHrz70AEE
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Re: Anregungen für traumatisiertes Pferd gesucht
« Antwort #1 am: 16. März 2017, 16:06:01 »
Erstmal schön, dass ihr der armen Maus helfen wollt  :)

Beim Initiatorsignal finde ich so ein wenig problematisch, dass sie ja nicht Stopp sagen kann, wenn die Handlung einmal begonnen hat. Man sieht ja auch, dass sie den Kopf wieder hoch nimmt sobald du sie berührst.
Da könnte man vielleicht eher mit etwas arbeiten, dass die ganze Zeit bestehen bleibt. Also z.B. auf einer Matte stehen und wenn sie nicht mehr kann geht sie einfach runter und ihr brecht die Handlung ab.
Schau mal auf diesem Video wird mit einem Kooperationssignal gearbeitet: https://www.youtube.com/watch?v=JeVCdYjuoFc&t=237s

Gerade bei Pferden, die aus welchem Grund auch immer nicht aus sich raus gehen oder schlechte Erfahrungen mit Menschen gemacht haben finde ich Targets bzw einen Targetstick sehr hilfreich, weil der Fokus dann auf dem Gegenstand und nicht dem Menschen liegt. Außerdem ist die damit verbundene Aufgabe meist sehr klar.
LG Kim & Flöckchen & Miss Elly & Trixi

Ne discere cessa! - Höre nicht auf zu lernen!
(Cato)
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Re: Anregungen für traumatisiertes Pferd gesucht
« Antwort #2 am: 16. März 2017, 20:56:54 »
Ich habe sogar das Gefühl, dass sie den Kopf leicht hochnimmt, bevor Du sie tatsächlich berührst, Du berührst sie dann aber "trotzdem". Insofern stimme ich Kim zu, dass ein anderes Signal besser geeignet wäre. Oder sie müsste das Kopfsenken schon eine ganze Weile halten können, damit sie zeigen kann, wie lange es noch geht und ab wann es ihr zu viel wird.

Wobei es bei einem Initiatorsignal ja wirklich nur um "Okay, Du darfst anfangen" geht. Aber ein Kooperationssignal, wie Kim vorschlägt, hielte ich in dem Zusammenhang für hilfreicher.

Ansonsten denke ich, dass der Hauptfaktor "Zeit" sein wird. Und wenig von ihr wollen, sie eher kommen lassen. Bei ihr sein, ohne dass was großartiges passiert.

Ich hoffe (und bin mir sicher), dass Andere hier noch bessere Ideen haben, als ich :rotw:.
Viele Grüße,
Esther
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Ehemaliges Mitglied 981
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Re: Anregungen für traumatisiertes Pferd gesucht
« Antwort #3 am: 18. März 2017, 14:51:49 »
Wir sind bei Camira anders vorgegangen, und haben sie ihr erst einmal gezeigt, dass das Leben mit dem Menschen toll ist.
Hier der ausführlichere Bericht (ich schreibe gleich mal den neuesten Stand)

http://www.clickerforum.info/index.php?topic=6290.msg323988#msg323988
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Ehemaliges Mitglied 747
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Re: Anregungen für traumatisiertes Pferd gesucht
« Antwort #4 am: 18. März 2017, 21:36:16 »
Huhu, vielen Dank schon  mal für die Ideen und  Feedback zum Video. Ich hab das Initiatorsignal tatsächlich auch so verstanden, dass dabei lediglich um ein  "okay, ich  bin  soweit" geht. Sie  hat ja auch jederzeit die  Möglichkeit zu gehen. Der Platz ist  immer offen zu den Stallungen. Aber ja stimmt, das Kooperationssignal wie  in dem Link macht im  Zusammenhang mit dem Berührtwerden natürlich noch  mehr Sinn, weil sie die Dauer steuern kann. Ich  hab das  heute  mal wie  in dem verlinkten Video mit der  Pylone angefangen, weil es natürlich gerade für ihre  extreme Kopfscheuheit sehr  passend ist  vom  Aufbau. Folgende Frage ist  dabei aufgetaucht:

Wann kommt  der  Punkt an dem man das "Nase an Pylone halten" mit dem Berührtwerden verbindet? Von Anfang an? Ich hab  nun erst mal etwas Dauer erklickert mit der  Pylone. Sie spielt mit der  Nase jetzt zwischen 3 und 5 Sekunden an der  Pylone. Brauch ich noch mehr Dauer oder  sollte ich das  Berühren zeitig dazu nehmen?

Targetarbeit und  anderen Spielkram kennt die  Stute, das  hat die Besitzerin kurz nachdem sie  hier  ankam viel  mit ihr  gemacht. Ich denke das ist  mit der  Grund warum sie  dem Menschen mittlerweile recht  zugewandt ist, wenn auch immer auf der  Hut dabei.
Den Winter über hat die Besi den Versuch gestartet, sie  komplett in Ruhe  und  einfach nur  in  der  Herde mitlaufen zu lassen ohne irgendetwas von  ihr  zu wollen. Laut ihr hat  es sich dadurch eher wieder  verschlechtert. Macht für mich auch Sinn. Ich denke, es ist  wichtig an die angstbesetzten Sachen wirklich ran zugehen und  kleinschrittig neu  zu verknüpfen. Von nur nichts wollen und viel Spielen wird sich das was sie  erlebt haben muss nicht  auflösen vermute ich... dafür war es wahrscheinlich einfach zu krass.
Aber das  ist ja das schöne  am Clickern, dass sie sich dabei ihren Ängsten quasi aktiv stellen und  das  Tempo dabei bestimmen darf:)
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Re: Anregungen für traumatisiertes Pferd gesucht
« Antwort #5 am: 19. März 2017, 10:01:21 »
Wann kommt  der  Punkt an dem man das "Nase an Pylone halten" mit dem Berührtwerden verbindet? Von Anfang an? Ich hab  nun erst mal etwas Dauer erklickert mit der  Pylone. Sie spielt mit der  Nase jetzt zwischen 3 und 5 Sekunden an der  Pylone. Brauch ich noch mehr Dauer oder  sollte ich das  Berühren zeitig dazu nehmen?
Aus dem Bauch raus, aber ohne jedwedes Wissen diesbezüglich, würde ich eher noch mehr "Masse" auf das Pylonen-Berühren trainieren, bevor ich die Berührung dazu nehmen würde. Aber das ist halt nur aus dem Bauch raus :nixweiss:.

Zitat
Den Winter über hat die Besi den Versuch gestartet, sie  komplett in Ruhe  und  einfach nur  in  der  Herde mitlaufen zu lassen ohne irgendetwas von  ihr  zu wollen. Laut ihr hat  es sich dadurch eher wieder  verschlechtert.
War die Besi in der Zeit viel bei ihr, mit in der Herde? Oder war sie "alleine" in der Herde und hatte relativ wenig Kontakt zur Besi?
In letzterem Fall würde ich auch von einer Verschlechterung ausgehen, aber wenn die Besi sehr viel Zeit mit ihr verbringen würde, ohne dabei aber etwas zu fordern, könnte ich mir vorstellen, dass das schon hilft. Und sie dann, in dieser "nebensächlichen" Situation, auch ab und zu mal hingehen kann und sie dann auch "ganz nebenbei" berühren. Also nicht hingehen, anfassen, weggehen, sondern "hingrasen", "aus Versehen" berühren, wieder etwas Abstand einnehmen. So könnten Berührungen vielleicht auch zu etwas alltäglicherem und bedrohungsfreiem werden.
Wobei das als alleiniges Vorgehen sicher zu lange dauern würde, ich würde da parallel schon so dran arbeiten, wie Du das tust!
Viele Grüße,
Esther
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Ehemaliges Mitglied 747
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Re: Anregungen für traumatisiertes Pferd gesucht
« Antwort #6 am: 21. März 2017, 18:34:17 »
Also die  Besi ist  zum Füttern auf  jeden Fall 3 mal täglich bei  den Pferden und sie  ist  vereinzelt auch mal auf die  Stute zugegangen. Tatsächlich klang es aber  eher  so als wäre  den Winter über  nicht  viel passiert (vielen Bauarbeiten am Haus und  wenig Zeit für  die  Pferde insgesamt) Das die  Situation nicht  optimal ist  weiß sie. Sie betreibt hier ein Holidaybusiness mit 15 Pferden. Aber ja, sie  sagt weiterhin, dass sie  die  Stute erst nutzen will wenn sie  auf freiwilliger Basis soweit ist  und  wenn das nie  der  Fall ist, ist das  eben  so und  sie darf hier alt werden. Ich glaube was besseres konnte der  Stute hier  in Spanien nicht  passieren.

Wir sind in  den letzten Tagen schon  ein  ganzes Stück weiter gekommen. Berühren am Körper ist  beiläufig (z. b. beim Abäppeln) schon  immer besser möglich, ohne  das  extreme Hautzucken auftritt oder sie den Kopf abwehrend hochnimmt und  rückwärts geht   :)

Beim Kooperationssignal hab ich  das Berühren relativ zügig dazu genommen  und  es hat  sich von selbst sehr  gut eingependelt. Sie bietet eigenständig immer mehr Dauer an. Man kann aber  auch sehen, dass es sobald es näher Richtung Kopf geht, sie länger drüber nachdenkt, ob sie die  Pylone berührt und  die  Nase dann deutlich kürzer dran hält. Druck im Genick löst zuverlässig  Panik aus. Das wird  vermutlich ein  Schlüsselpunkt sein, wenn es irgendwann Richtung Aufhaltern geht.

Hier nochmal ein  Link zum Stand vom Kooperationssignal von gestern:
https://youtu.be/2O03OCuvZ-U

Verbesserungsvorschläge wieder herzlich willkommen. Manchmal bin  ich nicht  ganz auf dem Punkt mit dem Timing, aber ich  gebe mein bestes  ;)
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Re: Anregungen für traumatisiertes Pferd gesucht
« Antwort #7 am: 21. März 2017, 21:08:59 »
Ich wollte da auf keinen Fall etwas kritisieren oder so, falls das so ankam! :neinnein: ich habe auch das Gefühl, dass die Stute großes Glück hatte, bei ihrer Besi gelandet zu sein :nick:.

Ich finde, das sieht schon recht gut aus! :thup: Wenn sie so große "Probleme" mit dem Genick hat, könnte das natürlich auch eine physische Komponente enthalten. Aber selbst, wenn ihre Besi bereit wäre, sie behandeln zu lassen, und eine/n gute/n Behandler/in an der Hand hätte, ließe sich jetzt ja garnichts daran ändern.
Carinjo (auch aus Spanien) hatte auch immer ziemliche Probleme damit, sich am Genick anfassen zu lassen (und findet es immer noch doof). Irgendwann durfte Heike dann aber doch endlich mal dran ans Genick (so schlimm, wie bei der Stute war es bei ihm auch nie), und da gab es dann auch ganz gut was zu tun :nick:.
Viele Grüße,
Esther
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